Landessozialgericht Hessen 13.09.2007, L 8 P 29/06
Sozialgerichtlicher Klagefall, in dem die Pflegegeldzahlung strittig war.
- Spruchkörper: 8. Senat
- Aktenzeichen: L 8 P 29/06
- Instanzenaktenzeichen: S 9 P 40/06
- Instanzgericht: Sozialgericht Frankfurt
- Gericht: Hessisches Landessozialgericht
- Entscheidungstyp: Urteil
- Entscheidungsdatum: 13.09.2007
- Rechtskraft: rechtskräftig
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers in der gesetzlichen Pflegeversicherung (GPV), die Rückzahlung von gezahltem Pflegegeld für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2002 und die Weiterzahlung ab 1. Januar 2003 streitig.
Der Kläger, geboren 1935, ist portugiesischer Staatsangehöriger. Er arbeitete und wohnte lange Zeit in der Bundesrepublik Deutschland. Seit dem 18. März 1974 war er bei der Beklagten kranken- und seit Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung auch pflegeversichert. Ab dem Bezug einer deutschen Altersrente (1. September 1996) war er Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Seit dem 1. Mai 2000 bezieht er neben der deutschen zusätzlich eine portugiesische Altersrente. Ab dem 7. August 2001 bezog der Kläger Pflegesachleistungen der Beklagten. Aufgrund der Mitteilung, der Kläger halte sich seit dem 15. Dezember 2001 vorübergehend in Portugal auf, zahlte die Beklagte in der Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2002 Pflegegeld. Am 31. Januar 2003 teilte die LVA Unterfranken (heutige Bezeichnung: Deutsche Rentenversicherung Unterfranken) der Beklagten mit, der Kläger habe sich zum 31. Juli 2002 in Deutschland abgemeldet. Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 5. Februar 2003 das Ende der Mitgliedschaft des Klägers in der GPV zum 31. Juli 2002 fest. Des Weiteren forderte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Februar 2003 die Rückzahlung von Pflegegeld für die Zeit vom 1. August 2002 bis zum 31. Dezember 2002 in Höhe von 1.025,00 EUR.
Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 19. Februar 2003 am 21. Februar 2003 Widerspruch und führte dazu aus, das Pflegegeld sei exportierbar und verwies auf das Gebot der Nichtdiskriminierung von Wanderarbeitnehmern nach der VO (EWG) Nr. 1408/71. Danach verfalle der Krankengeldanspruch wegen einer Rückwanderung nicht. Dies sei auf das Pflegegeld zu übertragen. Da in Portugal das Risiko der Pflege nicht versichert sei, habe er gegen die deutsche Pflegeversicherung weiterhin einen Leistungsanspruch, der europakonform auszugestalten sei. Zudem sei zu berücksichtigen, dass seine Ansprüche aus der gesetzlichen Pflegeversicherung nach Portugal zu exportieren wären, wenn er nur eine deutsche Rente beziehen würde. Er bat um Auskunft, ob im Falle seines Verzichts auf die portugiesische Rente die Beklagte bereit sei, das Pflegegeld weiter zu zahlen.
Nach Einschaltung der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland (DVKA) teilte die Beklagte dem Kläger mit, nach Art. 27 der VO (EWG) Nr. 1408/71 ende mit seiner Abmeldung zum 31. Juli 2002 seine Mitgliedschaft in der GPV und damit sein Leistungsanspruch auf Pflegegeld. Diese Auffassung werde durch die Urteile der Sozialgerichte Heilbronn vom 23. Januar 2002 (Az.: S 9 P 1193/01) und Dortmund vom 23. Februar 2001 (Az.: S 12 KN 3/00 P) sowie durch das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. August 2002 (Az.: L 16 P 143/00) bestätigt. Auch sei die Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer der Auffassung, dass kein Mitgliedsstaat der EU auf Kosten eines anderen Mitgliedstaates einen Verzicht auf Leistungen zulassen dürfe.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2004 als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies die Beklagte ergänzend auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache C xx/yy (XYName) und C zz/zz (ZZ-Name). Nach § 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV, Territorialitätsprinzip) und Artikel 13 Abs. 2f VO (EWG) 1408/71 sei für den Kläger die Rechtsordnung seines Wohnlandes Portugal maßgeblich. Dies ergebe sich auch aus Artikel 27 VO (EWG) 1408/07. Nach der Rechtsprechung des EuGH bleibe die Zuständigkeit der Mitgliedschaftsstaaten durch das Gemeinschaftsrecht für die Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit unberührt (Urteil vom 7. Februar 1984 in der Rechtssache C qq/qq - QQ-Name). In Ermangelung einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene bestimme jeder Mitgliedsstaat unter welchen Voraussetzungen Leistungen der sozialen Sicherung gewährt würden (Urteil vom 24. April 1980 in der Rechtssache WW-Name ww/ww).
Dagegen hat der Kläger am 11. Februar 2004 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben mit dem Ziel, die Beklagte zu verurteilen, ihm Pflegegeld über den 31. Dezember 2003 hinaus zu zahlen und festzustellen, dass er bei der Beklagten freiwillig weiterversichert sei.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 20. Juli 2006 den Bescheid vom 5. Februar 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2004 aufgehoben, soweit er sich mit Leistungen und Rückforderung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) sowie der Mitgliedschaft in der Pflegeversicherung der Beklagten befasst. Das Sozialgericht hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger Pflegegeld im gesetzlichen Umfang ab dem 1. Januar 2003 weiter zu zahlen und festgestellt, dass der Kläger seit dem 1. September 2002 freiwillig weiterversichertes Mitglied der beklagten Pflegekasse sei. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, der Kläger sei weiterzuversichern und er habe einen Anspruch auf Pflegeleistungen. Dies ergebe sich aus § 26 Abs. 1 SGB XI. Danach seien Personen, die aus der Versicherungspflicht nach § 20 oder § 21 SGB XI ausgeschieden seien und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens 24 Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden mindestens 12 Monate versichert gewesen seien, auf Antrag in der Sozialen Pflegeversicherung weiterzuversichern. Durch den Wohnungswechsel nach Portugal sei der Kläger nicht mehr in der SPV pflichtversichert. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 26. Januar 2005, Az.: B 12 P 4/02 R). Danach sei ein Rentner mit Wohnsitz in Spanien, der sowohl eine spanische als auch eine deutsche Rente beziehe, nicht mehr in der SPV der Bundesrepublik Deutschland pflichtversichert. Jedoch sei in dem Widerspruchsschreiben des Klägers vom 19. Februar 2003 ein Antrag auf Weiterversicherung zu sehen, auch wenn darin ein entsprechender Antrag nicht ausdrücklich formuliert sei. Maßgeblich sei der in diesem Schreiben zum Ausdruck gekommene Wille des Klägers, den gesetzlich möglichen Versicherungsschutz zu erhalten. Dies sei ausreichend. Der Antrag sei auch innerhalb der Dreimonatsfrist des § 26 Abs. 1 Satz 3 SGB XI gestellt worden und die erforderliche Vorversicherungszeit sei unstreitig erfüllt. Es bedürfe somit keiner Prüfung eines Herstellungsanspruchs des Klägers. Vorliegend werde der Anspruch auf Weiterversicherung nach § 26 Abs. 1 SGB XI nicht durch die Regelung des § 26 Abs. 2 SGB XI verdrängt, auch wenn § 26 Abs. 2 SGB XI gegenüber Abs. 1 lex speziales sei. Der Gesetzgeber habe den Anspruch nach § 26 Abs. 2 SGB XI als Anwartschaftsversicherung ausgestaltet. Denn nach § 34 SGB XI ruhe der Leistungsanspruch des Versicherten, solange er sich im Ausland aufhalte und er habe dafür nach § 57 Abs. 5 SGB XI lediglich einen Mindestbeitrag zu entrichten. Dem Kläger gehe es jedoch nicht darum, seine erworbenen Anwartschaftszeiten zu erhalten. Sein Ziel sei es vielmehr, auch weiterhin Leistungen in Form von Pflegegeld nach dem SGB XI zu beziehen. Aus einer europakonformen Auslegung sei zu folgern, dass vorliegend § 26 Abs. 2 SGB XI die Regelung des § 26 Abs. 1 SGB XI nicht verdränge. Die freiwillige Weiterversicherung des Klägers sei durch Artikel 15 Abs. 2 VO (EWG) 1408/71 nicht ausgeschlossen, da die Voraussetzungen dieser Norm nicht vorlägen. Ein Zusammentreffen einer Pflichtversicherung und einer freiwilligen Versicherung mit einem oder mehreren Systemen lägen nicht vor. Eine Pflichtversicherung des Klägers in Portugal könne auch nicht nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 5. März 1998, Az.: C-ee/ee) angenommen werden, nach der die Leistungen der Pflegeversicherung zu denen der Krankenversicherung zählten. Diese nur institutionelle Zuordnung der Pflegeleistungen besage nichts über die Art der Versicherung des Versicherten aus. Das Gericht folge mit dieser Entscheidung denen des EuGH vom 5. März 1998 und vom 8. März 2001, sowie denen des Landessozialgerichts Baden- Württemberg vom 26. Juli 2003 und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Januar 2002 (Az.: L 16 P 119/00). Eine andere Entscheidung verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Grundgesetz (GG) im Vergleich zu Versicherten mit nur einer deutschen Rente.
Gegen das am 7. November 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28. November 2006 Berufung eingelegt.
Sie ist der Auffassung, die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 SGB XI lägen nicht vor. Der Kläger habe die Dreimonatsfrist des § 26 Abs. 1 Satz 3 SGB XI versäumt. Das Widerspruchsschreiben des Klägers vom 19. Februar 2003 sei nicht als fristgerechter Antrag anzusehen. Der Kläger sei aufgrund der Verlegung seines Wohnsitzes aus der Versicherungspflicht zur KVdR nach § 3 Nr. 2 SGB IV i.V.m. Artikel 27 VO (EWG) 1408/71 mit Ablauf des 31. Juli 2002 ausgeschieden. Damit habe mit diesem Datum auch die Versicherungspflicht in der Sozialen Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 SGB XI geendet. Die Antragsfrist beginne mit dem Tag nach der Beendigung der Versicherungspflicht und habe am 1. November 2002 geendet. Da die Frist des § 26 Abs. 1 Satz 3 SGB XI eine Ausschlussfrist sei, werde im Falle des Versäumens dieser Frist das Recht auf Weiterversicherung verwirkt. Auch könne Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden. Weder sei ein entsprechender Antrag gestellt worden, noch seien Tatsachen vorgetragen worden, die dies rechtfertigen würden. Zudem sei die Jahresfrist des § 27 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) abgelaufen. Auch könne sich der Kläger nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch berufen. Zum einen bestehe aufgrund der Antragsmöglichkeit nach § 27 SGB X kein Bedürfnis für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch und zum anderen habe sie ihre Beratungspflicht nicht verletzt. Der Kläger habe ihr seinen Wechsel nach Portugal nicht mitgeteilt. Auch die Rechtsprechung des EuGH vom 5. März 1998 (Rs. C–ee/ee) erfordere keine andere Beurteilung. Das Zustande- oder Nichtzustandekommen einer Weiterversicherung sei in dem dort entschiedenen Fall nicht Gegenstand des Rechtsstreits gewesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Juli 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten habe ihn zu keiner Zeit, weder in allgemeinen Informationsblättern noch in der zwischen der Beklagten und ihm geführten Korrespondenz, auf die Möglichkeit des Exports von Pflegegeld im Falle eines Antrages nach § 26 SGB XI hingewiesen. Auch habe das Sozialgericht sein Widerspruchsschreiben zutreffend interpretiert. Es lasse sich auch vorstellen, dass der Anspruch auf Pflegegeld ohne Antrag nach Portugal exportiert werden könne. Ebenso könne er einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch geltend machen. Dadurch, dass die Beklagte ihm gegenüber die falsche Auffassung vertreten habe, Pflegegeld könne in seinem Fall nicht nach Portugal exportiert werden, habe die Beklagte ihn in die Irre geführt. Ein verspäteter Antrag wäre somit über den sozialrechtlichen Herstellungsantrag zu heilen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 26. Januar 2005, Az.: B 12 P 4/02 R) sei im Leistungsfall von einer Entkopplung zwischen Versicherungsverhältnis und Leistungsanspruch auszugehen. Somit bedürfe es in seinem Fall für den Export seines Pflegegeldes keines Antrages nach § 26 SGB XI. Zudem habe der Gesetzgeber das SGB XI nicht europakonform ausgestaltet, da im Fall der Rückkehr von Migranten keine Möglichkeit bestehe, das Pflegegeld in das Heimatland zu exportieren. Die freiwillige Weiterversicherung sei damit lediglich ein Versuch, eine Systemwidrigkeit zu vermeiden. § 26 SGB XI könne allenfalls analog angewandt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der Entscheidung war, Bezug genommen.
Die Berufung ist zulässig und zum Teil auch begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts vom 20. Juli 2006 kann insoweit keinen Bestand haben, als es feststellt, der Kläger sei seit dem 1. September 2003 freiwillig weiterversichertes Mitglied der Beklagten. Der Kläger ist vielmehr zum 1. September 2003 aus der Pflichtversicherung in der GPV ausgeschieden und ab diesem Zeitpunkt auch nicht freiwillig weiterversichert, da die Antragsfrist des § 26 Abs. 1 Satz 3 SGB XI nicht eingehalten wurde.
Die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Pflegeversicherung ist nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 SGB XI an die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner gebunden. Mit der endgültigen Wohnsitzverlagerung von A-Stadt nach Portugal mit Ablauf des 31. Juli 2002 wurde die Krankenversicherungspflicht des Klägers nach dem portugiesischen Recht auf der Grundlage des Artikel 27 VO (EWG) Nr. 1408/71 begründet und damit zugleich seine Mitgliedschaft in der KVdR nach deutschem Recht beendet. Denn der Kläger bezieht sowohl eine deutsche als auch eine portugiesische Rente. Damit richten sich die Ansprüche des Klägers auch in Bezug auf Pflegegeld – das nach der Rechtsprechung des EuGH zu den Leistungen der Krankenversicherung zählt (Urteil vom 5. März 1998, NZS 1998, 240 f.) – nach den Normen des portugiesischen Rechts. Damit endete die Mitgliedschaft des Klägers in der GPV mit Ablauf des 31. Juli 2002.
Im Hinblick auf die Frage der freiwilligen Weiterversicherung des Klägers ab dem 1. August 2002, kann der Senat dahingestellt sein lassen, ob das Widerspruchsschreiben des Klägers vom 19. Februar 2003 als Antrag auf freiwillige Weiterversicherung in der GPV anzusehen ist. Denn dieses Schreiben ist nicht innerhalb der Antragsfrist des § 26 Abs. 1 Satz 3 SGB XI von drei Monaten nach Beendigung der Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten eingegangen. Da die Mitgliedschaft des Klägers am 1. August 2002 endete, hätte bis zum 1. November 2002 ein entsprechender Antrag bei der Beklagten eingehen müssen. Das Widerspruchsschreiben des Klägers vom 19. Februar 2003 ist erst am 21. Februar 2003 bei der Beklagten eingegangen. Die Antragsfrist wurde somit nicht eingehalten.
Damit kann der Senat auch die Frage offen lassen, ob § 26 Abs. 1 SGB XI direkt oder - nach Auffassung des Klägers - analog anwendbar ist. Dies gilt auch für die Frage des Verhältnisses von § 26 Abs. 1 zu Abs. 2 SGB XI.
Das Urteil des Sozialgerichts kann auch insoweit keinen Bestand haben, als es die Beklagte zur Zahlung von Pflegegeld ab dem 1. Januar 2003 verurteilt hat. Der Kläger besitzt für die Zeit ab 1. Januar 2003 keinen Anspruch auf Pflegegeld. Der Bescheid vom 5. Februar 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Gemäß § 35 SGB XI besaß der Kläger zum 1. Januar 2003 keinen Leistungsanspruch gegenüber der Beklagten. Nach § 35 SGB XI endet der Leistungsanspruch mit dem Ende der Mitgliedschaft, soweit nichts anderes bestimmt ist. Der Kläger war zum 1. Januar 2003 in der GPV weder pflichtversichert noch freiwillig weiterversichert.
Dem kann der Kläger nicht entgegen halten, aus europäischkonformen Gesichtspunkten müsse er den bis dahin bestehenden Anspruch auf Pflegegeld nach Portugal exportieren können. Dem Kläger ist insoweit zuzustimmen, dass der Anspruch auf Pflegegeld nach der Rechtsprechung des EuGH exportierbar ist. Da der Anspruch auf Pflegegeld von dem Fortbestehen der Mitgliedschaft in der GPV abhängig ist, setzt ein Export des Pflegegeldes den Fortbestand der Mitgliedschaft des Versicherten voraus. Hier können die Koordinations- und Kollisionsnormen der VO (EWG) 1408/71 nicht weiterhelfen, da diese keine Regelungen zum Bestehen oder Fortbestehen einer Versicherungspflicht bzw. freiwilligen Weiterversicherung in der Krankenversicherung bzw. Pflegeversicherung enthält. Die Regelungen der VO (EWG) 1408/71 enthalten lediglich Regelungen zum anwendbaren Recht für Leistungen bei Krankheit/Pflegebedürftigkeit an Rentenberechtigte und zu Leistungsansprüchen und Kostentragungspflichten (Prof. Dr. Trenk-Hinterberger, in jurisPR-SozR 20/2005 Anm. 6).
Entschließt sich somit ein (Doppel-)Rentenbezieher – wie der Kläger -, in sein Heimatland zurückzukehren, so wird gemäß Art. 27 VO (EWG) Nr. 1408/71 mit dem Wohnungswechsel – im Falle des Klägers nach Portugal – der portugiesische Sozialleistungsträger endgültig zuständig. Dies soll eine Doppelzuständigkeit zweier Sozialleistungsträger vermeiden (Prof. Dr. Trenk-Hinterberger, a.a.O.). Dies ist auch auf Portugal anwendbar. Denn in Portugal werden zwar Leistungen im Fall der Pflege nicht im Rahmen einer eigenständigen Sozialversicherung, sondern es werden Leistungen u.a. durch die Krankenversicherung gewährt. Diese Leistungen erhalten Empfänger einer Invaliden-, Alters- oder Hinterbliebenenrente oder von Familienleistungen und stellte eine Mindestsicherung dar. Diese wird im Rahmen des Globalbeitrages für alle Zweige der sozialen Sicherung finanziert (Quelle: Sozial-Kompass Europe – Soziale Sicherung im Vergleich, Hersg.: Bundesministerium für Arbeit und Soziales – Stand Oktober 2006).
Soweit der Kläger darauf hinweist, er hätte einen Anspruch auf Pflegegeld nach Portugal exportieren können, wenn er nur eine deutsche Rente bezogen hätte, so kann dies zu keiner anderen Entscheidung führen. Dem Kläger ist insoweit zuzustimmen, als das europäische koordinierte Sozialrecht von dem Bemühen getragen ist, zu verhindern, dass dem Gebrauch der Grundfreiheiten sozialrechtliche Nachteile folgen. Ein vom Territorialprinzip herkommender Denkansatz fördert regelmäßig die Rechtsverkürzung, weil er den im Gemeinschaftsrecht angelegten Grundsatzmaximen über die Anordnung von Einstandspflichten für Auslandssachverhalte prinzipiell zuwiderläuft (Eichenhofer in ZESAR 2005, 397, 398 f.). Für die Entscheidung ist vorliegend jedoch nicht das Territorialprinzip, sondern die Frage des Fortbestandes der Versicherung des Klägers über eine freiwillige Weiterversicherung in der GPV maßgeblich. Dies ist vorliegend wegen des Fehlens eines fristgerechten Antrages abzulehnen.
Der Kläger kann über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht geltend machen, wegen eines Beratungsfehlers der Beklagten oder wegen Irreführung durch sie habe er verspätet einen Antrag nach § 26 Abs. 1 SGB XI gestellt. Dem Kläger ist zwar insoweit zuzustimmen, dass bei einer Verletzung der Beratungs- und Auskunftspflicht nach §§ 13 f. SGB I durch einen Sozialversicherungsträger, der Versicherte nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts so zu stellen ist, wie er stehen würde, wenn er zutreffend beraten worden wäre. Jedoch kann der Senat vorliegend keinen Beratungsfehler der Beklagten erkennen. Für die Annahme eines Beratungsfehlers wäre erforderlich gewesen, dass der Kläger sich an die Beklagte zwecks Beratung gewendet hätte. In Bezug auf die Verlagerung des Wohnsitzes des Klägers zum 31. Juli 2002 konnte die Beklagte keine Beratung durchführen. Denn dies erfuhr sie zum einen nicht von dem Kläger und zum anderen erst am 31. Januar 2003 und damit zu spät für die Wahrung einer Frist nach § 26 Abs. 2 SGB XI. Somit kann der Beklagten kein Beratungsfehler angelastet werden. Selbst wenn man eine Irreführung des anwaltlich vertretenen Klägers annehmen wollte, so wäre dies nicht kausal für das Versäumen der bis zum 1. November 2002 laufenden Antragsfrist gewesen. Die Auseinandersetzung des Klägers mit der Beklagten zur Frage des Exports eines Anspruchs auf Pflegegeld begann frühestens mit den Bescheiden der Beklagten vom 5. und vom 12. Februar 2003 bzw. mit dem anwaltlichen Schreiben vom 19. Februar 2003 und damit nach der Aufgabe des Wohnsitzes in Deutschland zum 31. Juli 2002.
Dem gegenüber ist die Berufung der Beklagten im Hinblick auf Aufhebung und Rückforderung von gezahltem Pflegegeld für die Zeit vom 1. August 2002 bis zum 31. Dezember 2002 unbegründet. Der Bescheid vom 12. Februar 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2004 ist insoweit rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Die Beklagte wäre nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) berechtigt gewesen, die Bewilligung von Pflegegeld rückwirkend ab 1. August 2002 aufzuheben und vom Kläger die Rückzahlung des bis zum 31. Dezember 2002 gezahlten Pflegegelds zurückzufordern. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung – wie die Bewilligung von Pflegegeld – für die Zukunft zurückzunehmen, wenn seit seinem Erlass eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X ist eine Aufhebung für die Vergangenheit zulässig, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebene Pflicht zur Mitteilung wesentlicher, für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse, vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend insoweit erfüllt, als eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse seit der Bewilligung von Pflegegeld ab 15. Dezember 2001 mit der endgültigen Aufgabe des Wohnsitzes der Bundesrepublik Deutschland mit Ablauf des 31. Juli 2002 eingetreten ist.
Gleichwohl ist der Bescheid vom 12. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2004 in Bezug auf die Aufhebung und Rückforderung von gezahltem Pflegegeld für die Zeit vom 1. August bis zum 31. Dezember 2002 rechtswidrig und deshalb aufzuheben.
Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen, in der gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründen mitzuteilen sind. Daran mangelt der Bescheid vom 12. Februar 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2004. Denn in diesen Bescheiden werden weder § 48 SGB X als Rechtsgrundlage für die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Pflegegeld, noch § 50 SGB X als Rechtsgrundlage für die Rückforderung des Pflegegelds genannt. Es wird auch nicht ausgeführt, auf welchen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 SGB X die rückwirkende Aufhebung gestützt wird. Da bereits eine Wiederholung der gesetzlichen Voraussetzungen keine Begründung im Sinne von § 35 SGB X (Krasney im Kasseler Kommentar, § 35 SGB X Rdnr. 4) darstellt, so erfüllt das Fehlen der Angabe der maßgeblichen Rechtsgrundlagen – wie vorliegend - die Voraussetzungen einer nach § 35 SGB X erforderlichen Begründung erst recht nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei waren das Verhältnis des Erfolgs der Beklagten mit ihrer Berufung und der Erfolg des Klägers mit seiner Klage zu berücksichtigen.
Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
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