Die neue Altersrente nach § 38 SGB VI

Seit dem Jahr 2012 gibt es eine neue Altersrente – die Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Diese neue Altersrente wurde eingeführt, da durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz ab dem Jahr 2012 die Regelaltersgrenze angehoben wird. Bis 2011 konnte die Regelaltersrente vom vollendeten 65. Lebensjahr in Anspruch genommen werden. Für die Geburtsjahrgänge ab 1964 liegt die Regelaltersgrenze dann beim vollendeten 67. Lebensjahr – s. auch: Regelaltersrente | Anhebung Regelaltersgrenze.

Der Anspruch auf die Altersrente für besonders langjährig Versicherte besteht ab dem Jahr 2012 für Versicherte, die das 65. Lebensjahr vollendet haben und eine Wartezeit von 45 Jahren erfüllen. Mit der neuen Rente soll gewährleistet werden, dass Versicherte weiterhin mit dem vollendeten 65. Lebensjahr eine abschlagsfreie Altersrente in Anspruch nehmen können, die bereits „besonders lange“ – wie der Name der Rente bereits verdeutlicht – Rentenversicherungsbeiträge leisteten.

Durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz wird die Altersgrenze für Inanspruchnahme der Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab Juli 2014 für bestimmte Geburtsjahrgänge bis auf das vollendete 63. Lebensjahr herabgesetzt! Näheres kann unten nachgelesen werden.

Eine vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente für besonders langjährig Versicherte ist, wie dies bei den weiteren Altersrenten mit Rentenabschlägen möglich ist, nicht möglich.

Im April 2023 nahmen insgesamt 2.157.077 Versicherte die Altersrente für besonders langjährig Versicherte in Anspruch.

Anspruchsvoraussetzungen

§ 38 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch sieht als Anspruchsvoraussetzungen für die Altersrente für besonders langjährig Versicherte

  • die Vollendung des 65. Lebensjahres und
  • die Erfüllung einer Wartezeit von 45 Jahren vor.

Die Berechnung der Frist, wann das 65. Lebensjahr vollendet ist, wird durch § 26 SGB X vorgegeben. Diese Rechtsvorschrift verweist wiederum auf das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB). Entsprechend § 187 Abs. 2 BGB beginnt die Frist mit dem Tag der Geburt, der in den Fristverlauf mit eingerechnet wird. Das Ende der Frist wird durch § 188 Abs. 2 BGB beschrieben. In den Fällen, in denen der Fristbeginn durch § 187 Abs. 2 BGB bestimmt wird, endet die Frist mit Ablauf desjenigen Tages, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstage der Frist entspricht.

Das heißt, ein Versicherter, der am 14.04.1964 geboren ist, erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen bezüglich der Vollendung des 65. Lebensjahres am 13.04.2029.

Wartezeit von 45 Jahren

Als versicherungsrechtliche Voraussetzungen muss „lediglich“ für die Inanspruchnahme der Altersrente für besonders langjährig Versicherte eine Wartezeit von 45 Jahren (entspricht 540 Monate) erfüllt werden. Die Wartezeit ist durch § 50 Abs. 5 SGB VI – dieser Absatz wurde ebenfalls ab dem Jahr 2012 neu eingeführt – definiert. Auf die Wartezeit können folgende rentenrechtliche Zeiten angerechnet werden:

  • Berücksichtigungszeiten (§ 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 2 SGB VI)
  • Wartezeitmonate aus einer geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigung (§ 52 Abs. 2 SGB VI)
  • Kalendermonate mit Ersatzzeiten (§ 51 Abs. 4 SGB VI)
  • Zeiten der Erziehung eines Kindes bis zum 10. Lebensjahr
  • Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten (§ 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 1 SGB VI)

Als Pflichtbeitragszeiten gelten grundsätzlich Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit (Pflichtbeitragszeit aufgrund einer versicherten Beschäftigung, einer selbstständigen Tätigkeit oder einer Pflegetätigkeit), also alle Zeiten, die im Rahmen des § 55 Abs. 2 SGB VI berücksichtigt werden können.

Pflichtbeitragszeiten, die nicht berücksichtigt werden

Nicht beachtet werden allerdings Pflichtbeitragszeiten wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe (§ 244 Abs. 3 SGB VI) und Arbeitslosengeld II (§ 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 1 SGB VI).

Ebenfalls werden nach § 51 Abs. 2a Satz 2 SGB VI Kalendermonate, die im Rahmen eines Versorgungsausgleichs oder durch ein Rentensplitting dem Rentenversicherungskonto gutgeschrieben werden, nicht auf die Wartezeit für die Altersrente für besonders langjährig Versicherte angerechnet. Rentenversicherungsrechtliche Zeiten mit freiwilligen Beiträgen bleiben ebenfalls unberücksichtigt (§ 51 Abs. 3a SGB VI; § 244 Abs. 3 SGB VI).

Änderungen ab Juli 2014!

Durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz (am 29.01.2014 vom Bundeskabinett und am 23.05.2014 vom Bundestag verabschiedet) ergeben sich Leistungsverbesserungen bei der Anrechnung von rentenrechtlichen Zeiten.

Ab Juli 2014 werden neben den o. g. rentenrechtlichen Zeiten auch:

  • Freiwillige Beitragszeiten anerkannt, sofern mindestens 18 Jahre mit Pflichtbeiträgen aus einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorhanden sind (§ 51 Abs. 3a Nr. 4 SGB VI).
  • Arbeitslosengeld I-Zeiten. Eine Ausnahme stellen allerdings die letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn dar; hier gilt ein sogenannter rollierender Stichtag. Die letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn mit Arbeitslosengeld I-Zeiten werden nur dann anerkannt, wenn die Arbeitslosigkeit Folge einer Insolvenz oder vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers ist (§ 51 Abs. 3a Nr. 3a SGB VI).
  • Zeiten des Bezugs von Leistungen bei Krankheit, z. B. Krankengeld (§ 51 Abs. 3a Nr. 3b SGB VI).
  • Zeiten des Bezugs von Übergangsgeld (§ 51 Abs. 3a Nr. 3c SGB VI).

Vollendung des 63. Lebensjahres

Die durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz wird die Altersgrenze für die Inanspruchnahme der Altersrente für besonders langjährig Versicherte auf das 63. Lebensjahr herabgesetzt. Gleichzeitig wird die abgesenkte Altersgrenze allerdings wieder für die Geburtsjahrgänge ab 1953 angehoben, sodass für die Geburtsjahrgänge ab 1964 wieder die (ursprüngliche Altersgrenze vom vollendeten 65. Lebensjahr gilt! Welche Altersgrenze für welchen Geburtsjahrgang ab Juli 2014 gilt, kann der folgenden Tabelle entnommen werden:

Geburtsjahrgang des Versicherten Anhebung der Altersgrenze um ... Monate

auf das Alter

Jahre                      Monat

bis 1952 0 63 0
1953 2 63 2
1954 4 63 4
1955 6 63 6
1956 8 63 8
1957 10 63 10
1958 12 64 0
1959 14 64 2
1960 16 64 4
1961 18 64 6
1962 20 64 8
1963 22 64 10
ab 1964 24 65 0

Auswirkungen auf Altersteilzeitbeschäftigungen

Die gesetzlichen Änderungen zum 01.07.2014 mit der vorübergehenden Herabsetzung der abschlagsfreien Inanspruchnahme der Altersrente für besonders langjährig Versicherte haben gegebenenfalls auch Auswirkungen auf die Altersteilzeitbeschäftigungen, sofern diese ursprünglich auf den frühestmöglichen Beginn einer abschlagsfreien Altersrente vor dem 01.07.2014 befristet waren.

Die Förderung der Altersteilzeitarbeit nach dem Altersteilzeitgesetz (kurz: AltTZG) wird nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG lediglich bis zu dem Zeitpunkt erfolgen, bis zu dem eine abschlagsfreie Altersrente beansprucht werden kann. Die gesetzlichen Neuregelungen im Rahmen der „Rente mit 63“ enthalten daher auch Vertrauensschutzregelungen, die gewährleisten, dass der Förderanspruch nicht entfällt, wenn nun die abschlagsfreie Altersrente nun bereits vor dem vereinbarten Ende beansprucht werden kann. Nach § 15h AltZG wird der Förderanspruch in diesen Fällen nicht ausgeschlossen.

Arbeits- und tarifvertragliche Regelungen

Die Arbeits- und Tarifverträge sehen teilweise in Anlehnung an die bisherige Förderregelung des Altersteilzeitgesetzes eine vorzeitige Beendigung einer Altersteilzeitbeschäftigung vor, sofern eine abschlagsfreie Altersrente beansprucht werden kann. Hier ergeben sich bei solchen Regelungen sozialversicherungsrechtliche und beitragsrechtliche Auswirkungen im Hinblick auf die Behandlung der Altersteilzeitbeschäftigung.

Zu dem Zeitpunkt, zu dem eine Kenntnis von einer absehbaren vorzeitigen Beendigung der Altersteilzeitbeschäftigung vorliegt, ist eine Prüfung vorzunehmen, ob die Voraussetzungen der Altersteilzeitarbeit noch bis zum (dann vorgezogenen) Beschäftigungsende erfüllt sind.

Wird die Altersteilzeitarbeit im Blockmodell (erst Arbeitsphase, dann Freistellungsphase) gestaltet, kann das vorzeitige Ende nur durch eine entsprechende Anpassung der Arbeits- und Freistellungsphasen erfolgen. Sofern die Freistellungsphase bereits begonnen hat, ist die Halbierung der Arbeitszeit nicht mehr gewährleistet. Damit wird auch eine wesentliche Voraussetzung der Altersteilzeitarbeit nicht mehr erfüllt. In der Folge liegt auch keine Altersteilzeitarbeit mehr vor. Hier besteht ggf. nur noch die Möglichkeit, die Beschäftigung mit einer Wertguthabenvereinbarung entsprechend § 7b SGB IV fortzusetzen. In diesem Fall entfällt der Anspruch auf die Steuer- und Beitragsfreiheit der bisherigen Aufstockungsbeträge. Zusätzlich entfällt auch der Anspruch, zusätzliche Beiträge zur Rentenversicherung für Altersteilzeitarbeit zu leisten.

Damit ein vorzeitiges Ende der Altersteilzeitbeschäftigung vermieden wird, haben verschiedene Tarifvertragsparteien einen Vertrauensschutz für ihre Beschäftigten eingeräumt, damit ein Fortbestand der Altersteilzeitbeschäftigung bis einen möglichen Anspruch auf die Rente mit 63 gegeben ist.

Sollte eine Altersteilzeitbeschäftigung bis zum möglichen Beginn einer Altersrente mit Abschlägen vereinbart worden sein, kann sich nun für bestimmte Beschäftigte eine günstigere Rente ergeben, wenn die abschlagsfreie Altersrente zu einem späteren Zeitpunkt nach dem Ende der Altersteilzeitarbeit beansprucht werden kann. Sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine weitere Beschäftigung nach dem Ende der Altersteilzeitarbeit bis zur „Rente mit 63“ vereinbaren, steht dies der Altersteilzeitbeschäftigung nicht entgegen.

Vollendung 65. Lebensjahr ohne Erfüllung der Wartezeit

In den Fällen, in denen bei Vollendung des 65. Lebensjahres die Wartezeit von 45 Jahren noch nicht erfüllt wurde, besteht noch kein Anspruch auf die Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Der Anspruch besteht allerdings dann mit dem Monat, für den der letzte Pflichtbeitrag zur Erfüllung der Wartezeit von 45 Jahren bzw. 540 Monaten geleistet wird. Dabei sehen die Vorschriften vor, dass der Leistungsfall am letzten Tag des Monats eintritt, für den der letzte Pflichtbeitrag geleistet wird.

Hinzuverdienstgrenze

Ab dem Kalenderjahr 2023 müssen keine Hinzuverdienstgrenzen mehr beachtet werden. Diese wurden mit dem „Achten Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze“ (8. SGB IV-Änderungsgesetz), welches der Bundestag am 01.12.2022 beschlossen hat, aufgehoben.

Bis zum Kalenderjahr 2022 mussten hingegen Hinzuverdienstgrenzen beachtet werden. Auch wenn die Altersrente für besonders langjährig Versicherte ohne Rentenabschläge vor Erreichen der Regelaltersgrenze beansprucht werden kann, galt bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze eine Hinzuverdienstgrenze von (grds.) 6.300,00 Euro je Kalenderjahr. Wurde die Hinzuverdienstgrenze überschritten, kam es zu einer Kürzung der Rentenzahlung. Ab Erreichen der Regelaltersgrenze konnte aufgrund der gesetzlichen Regelungen, welche bis 31.12.2022 galten, bereits ein Hinzuverdienst in beliebiger Höhe erzielt werden; es kam bereits dann zu keiner Rentenkürzung mehr.

Seit 01.07.2017 lag die Hinzuverdienstgrenze bei kalenderjährlich 6.300,00 Euro. Die bis Juni 2017 geltende Hinzuverdienstgrenze von monatlich 450,00 Euro wurde durch die kalenderjährliche Hinzuverdienstgrenze ersetzt, damit der Hinzuverdienst über das Jahr hinweg flexibler erzielt werden konnte.

Kam es zu einer Überschreitung der kalenderjährlichen Hinzuverdienstgrenze von 6.300,00 Euro (hier handelt es sich um eine bundesweit einheitliche Hinzuverdienstgrenze, die für alle Altersfrührentner gilt), wurde der übersteigende Betrag zu 40 Prozent auf die Rente angerechnet.

Außerdem musste bis zum Kalenderjahr 2022 noch mit dem sogenannten Hinzuverdienstdeckel eine besondere bzw. weitere Hinzuverdienstgrenze beachtet werden, sofern die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht wurde. Mit dem Hinzuverdienstdeckel sollte erreicht werden, dass ein Altersfrührentner – also ein Rentner vor Erreichen der Regelaltersgrenze – nicht eine Rente mit einem Hinzuverdienst erzielen kann, die in der Summe höher sind als der höchste Verdienst der letzten 15 Jahre vor Rentenbeginn. Wurde mit der Rente und dem Hinzuverdienst der individuell errechnete Hinzuverdienstdeckel überschritten, kam es zu einer weiteren Rentenkürzung.

Für die Kalenderjahre 2020 bis 2022 wurde aufgrund der Corona-Pandemie die Hinzuverdienstgrenze von grd. 6.300,00 Euro auf das 14fache der monatlichen Bezugsgröße angehoben und zugleich der Hinzuverdienstdeckel ausgesetzt.

Näheres zum Hinzuverdienst kann auch unter Altersrente und Hinzuverdienstgrenzen nachgelesen werden.

Fazit

Ab dem Jahr 2012 wurde die neue Altersrente für besonders langjährig Versicherte eingeführt. Die Rente hat für die Versicherten Bedeutung erlangt, die ab 1947 geboren wurden, da für diese Versicherten die Regelaltersgrenze erstmals angehoben wurde.

Rechtsprechung

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.06.2016, L 9 R 695/16

Am 21.06.2016 hatte sich das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit der „Rente mit 63“ beschäftigt und mit Urteil unter dem Aktenzeichen L 9 R 695/16 entschieden, dass die (im Regelfall) Nicht-Anrechnung von Zeiten der Arbeitslosigkeit in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn rechtmäßig ist.

Geklagt hatte ein Versicherter, der im August 1951 geboren wurde. Er war bei einem großen Automobilhersteller in Stuttgart beschäftigt gewesen und musste sein Arbeitsverhältnis per Auflösungsvertrag zum 31.12.2011 aus gesundheitlichen Gründen beenden. Der Kläger erhielt eine Abfindung in Höhe von 45.000 Euro. In den Jahren 2012 und 2013 erhielt er Arbeitslosengeld. Im Juli 2014 beantragte er die „Altersrente für besonders langjährig Versicherte“ für die Zeit ab September 2014. Zu dieser Zeit wurde die Altersgrenze für die Inanspruchnahme dieser Rente (vorübergehend) auf das 63. Lebensjahr abgesenkt.

Der zuständige Rentenversicherungsträger lehnte den Antrag auf die „Altersrente für besonders langjährig Versicherte“ ab, da für die hierfür erforderliche Wartezeit von 540 Beitragsmonaten 15 Monate fehlten. Die Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs wurden vom Rentenversicherungsträger nicht angerechnet, wogegen der Versicherte den sozialgerichtlichen Klageweg beschritt. Nach seiner Ansicht liegt mit der Regelung – grundsätzliche Nicht-anrechnung von Arbeitslosigkeit in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn – ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor.

Anstatt der beantragten „Altersrente für besonders langjährig Versicherte“ wurde die niedrigere „Altersrente wegen Arbeitslosigkeit“ bewilligt.

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg kam zu dem Ergebnis, dass die Regelungen zur Anrechnung von Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind. Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung ließen die Richter allerdings die Revision zum Bundessozialgericht zu.

Für die Richter des 9. Senats am LSG Baden-Württemberg sind die Erwägungen des Gesetzgebers nachvollziehbar, dass mit den Regelungen bei der „Rente mit 63“ Fehlanreize hinsichtlich einer Frühverrentung vermieden werden sollen und es auch nicht zu einer faktischen „Rente mit 61“ kommen soll.

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 14.12.2017, L 10 R 2182/16

Wird bei Vollendung des Lebensalters, zu dem die „Altersrente für besonders langjährig Versicherte“ grundsätzlich in Anspruch genommen werden kann, die erforderliche Wartezeit von 45 Jahren nicht erfüllt, kann für länger in der Vergangenheit liegende Lücken im Rentenversicherungskonto keine nachträgliche freiwillige Beitragszahlung erfolgen.

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hatte mit Urteil vom 14.12.2017, Az. L 10 R 2182/16 über den Sachverhalt entscheiden müssen, in dem der Kläger in den Jahren 2006 und 2007 in seinem Rentenversicherungskonto eine Lücke von zwölf Monaten hatte. Diese fehlenden Monate verhinderten, dass der im Jahr 1952 geborene Kläger mit dem vollendeten 63. Lebensjahr die erforderliche Wartezeit erfüllt hat. Der Antrag auf Nachzahlung von freiwilligen Rentenversicherungsbeiträgen wurde sowohl von der zuständigen Rentenkasse als auch vom Landessozialgericht Baden-Württemberg abgelehnt.

Freiwillige Rentenversicherungsbeiträge können für ein Kalenderjähr längstens bis zum 31.03. des Folgejahres geleistet werden (§ 197 Abs. 2 SGB VI). Darüber hinaus sieht eine gesetzliche Regelung (§ 197 Abs. 3 SGB VI) die Zahlung für länger zurückliegende Zeiten vor, wenn es sich um einen Fall mit einer besonderen Härte handelt. Diese besondere Härte konnte von den Richtern jedoch nicht bestätigt werden, auch wenn die abschlagsbehaftete Altersrente, welche der Versicherte mit dem vollendeten 63. Lebensjahr beanspruchen konnte, 200 Euro monatlich niedriger war als die zum selben Zeitpunkt berechnete „Altersrente für besonders langjährig Versicherte“.

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25.02.2014, L 13 AL 283/12

Plant ein Arbeitnehmer im Vorhinein, nach der Altersteilzeitarbeit, welche mit dem Arbeitgeber vereinbart wird, zunächst Arbeitslosengeld zu beziehen, um die zeitliche Lücke bis zum – ggf. auch abschlagsfreien – Rentenbeginn zu überbrücken, kann das Arbeitsamt eine Sperrzeit verhängen. Zu diesem Ergebnis kam das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 25.02.2014 unter dem Aktenzeichen L 13 AL 283/12. Anders würde es sich verhalten, wenn sich während der Altersteilzeitarbeit eine wesentliche rechtliche Änderung ergibt (s. unten: Urteil Bundessozialgericht vom 12.09.2017, B 11 AL 25/16 R).

Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 01.07.2020, L 1 R 457/18

Liegen Zeiten einer Arbeitslosigkeit im Anschuss an ein Beschäftigungsverhältnis in einer Transfergesellschaft vor, können auch diese Zeiten auf die 45jährige Wartezeit angerechnet. Zu diesem Ergebnis kam das Bayerische Landessozialgericht mit Urteil vom 01.07.2020 (Az. L 1 R 457/18). Voraussetzung für die Berücksichtigung der Arbeitslosenzeiten ist jedoch, dass nach einer eingetretenen Insolvenz des letzten Arbeitgebers ein Beschäftigungsverhältnis bei einer Transfergesellschaft besteht und es danach zu keinem weiteren Beschäftigungsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber kommt. Zudem muss der Aufhebungsvertrag und der befristete Arbeitsvertrag mit der Transfergesellschaft vom Insolvenzverwalter unterzeichnet worden sein.

Der Kläger war bis zum 31.01.2012 bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Nachdem dieser im November 2011 Insolvenz angemeldet hatte, wurde er vom 01.02.2012 bis 31.10.2012 in einer Transfergesellschaft beschäftigt und unterlag daher der Versicherungspflicht. Vom 01.11.2012 bis zum Beginn der Altersrente im Juli 2015 war der Kläger arbeitslos. Diese Zeit der Arbeitslosigkeit hatte der Rentenversicherungsträger für die letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn nicht bei der 45jährigen Wartezeit angerechnet, sodass der Anspruch auf die abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte verneint wurde. Diese Entscheidung hob das Bayerische Landessozialgericht mit Urteil vom 01.07.2020 auf und hat bei der vorliegenden Konstellation auch die Zeiten der Arbeitslosigkeit in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn auf die Wartezeit angerechnet. Damit stand dem Kläger die abschlagsfreie Rente zu.

Bundessozialgericht, Urteile vom 17.08.2017

Dass die letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn nicht – mit Ausnahme einer Insolvenz oder vollständigen Geschäftsauflösung des Arbeitgebers – in die Wartezeit mit eingerechnet werden dürfen, hat das Bundessozialgericht in zwei Urteilen vom 17.08.2017 (Az. B 5 R 8/16 R und B 5 R 16/16 R) bestätigt. Die Richter des höchsten Sozialgerichts Deutschlands führten aus, dass gegen die gesetzliche Regelung keine Verfassungsbedenken bestehen und auch der Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt werde.

Ein Kläger erhielt von seinem Arbeitgeber eine Kündigung, welche dieser mit einer drohenden Insolvenz begründet hat. Der Arbeitgeber hatte dann tatsächlich zwei Monate nach der erfolgten Kündigung Insolvenz angemeldet. Der Antrag des Versicherten auf Gewährung der abschlagsfreien Altersrente für besonders langjährig Versicherte wurde von der zuständigen Rentenkasse mangels Erfüllung der Wartezeit abgelehnt. Hierbei wurde die Zeit des Bezugs von Arbeitslosengeld vor dem Rentenbeginn nicht angerechnet, womit sieben Monate für die erforderliche Wartezeit fehlten. Die Nicht-Anrechnung der Zeit der Arbeitslosigkeit wurde damit begründet, dass die Kündigung bereits vor der Insolvenz erfolgt ist und damit die Ausnahmeregelung in diesem Fall nicht angewendet werden kann. Die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers wurde vom Bundessozialgericht bestätigt.

Bundessozialgericht, Urteil vom 12.09.2017, B 11 AL 25/16 R

Durch die – durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz – (vorübergehende) Absenkung der Altersgrenze, ab der die Altersrente für besonders langjährig Versicherte in Anspruch genommen werden kann, haben viele Versicherte nach dem Ende einer ursprünglich vereinbarten Altersteilzeitarbeit nicht sofort die Rente beantragt. Stattdessen meldeten sich die Versicherten zunächst arbeitslos. Dass in diesen Fällen vom Arbeitsamt keine Sperrzeit verhängt werden darf, hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 12.09.2017 (Az. B 11 AL 25/16 R) entschieden.

Geklagt hatte eine Versicherte, die mit ihrem Arbeitgeber einen Altersteilzeitvertrag abgeschlossen hatte, mit dem das unbefristete in ein befristetes Beschäftigungsverhältnis umgewandelt wurde. Nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses wollte sie eine Altersrente vorzeitig (mit Abschlägen) in Anspruch nehmen. Nachdem es zwischenzeitlich zu den Verbesserungen aufgrund des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes kam, hatte sie die Zeit von wenigen Monaten bis zum abschlagsfreien Beginn der Altersrente für besonders langjährig Versicherte durch eine Meldung beim Arbeitsamt überbrückt. Die Agentur für Arbeit lehnte die Zahlung von Arbeitslosengeld aufgrund einer verhängten Sperrzeit von zwölf Wochen ab, da das Beschäftigungsverhältnis von ihr ohne wichtigem Grund gelöst worden sein soll.

Der Entscheidung der Agentur für Arbeit konnten die Richter des Bundessozialgerichts nicht folgen. Eine Sperrzeit darf nicht verhängt werden, wenn das Beschäftigungsverhältnis aus einem wichtigen Grund gelöst wurde. Dieser wichtige Grund ist in diesem Fall gegeben, da – abweichend von den ursprünglichen Plänen – einige Monate später eine Altersrente ohne Abschläge bezogen werden konnten.

Bundessozialgericht, Urteil vom 28.06.2018, B 5 R 25/17 R

Mit Urteil vom 28.06.2018 (Az. B 5 R 25/17 R) hat das Bundessozialgericht über die Anrechenbarkeit von Bezugszeiten von Arbeitslosengeld entschieden, wenn diese in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn liegen. Speziell wurde die Frage beantwortet, ob diese Zeiten auch dann nicht auf die 45jährige Wartezeit angerechnet werden können, wenn diese vor dem 01.07.2014 – also vor dem Inkrafttreten der zum 01.07.2014 im Rahmen des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes – vorliegen. Ebenfalls wurde mit dem Urteil die „vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers“ im Grundsatz entschieden.

Mit dem Urteil vom 28.06.2018 urteilten die Richter des höchsten Sozialgerichts Deutschlands, dass Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs innerhalb der letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn auch dann nicht auf die Wartezeit von 45 Jahren angerechnet werden, wenn diese Zeiten vor dem 01.07.2014 liegen.

Ebenfalls wurde mit dem Urteil vom 28.06.2018 ausgeführt, dass auf die 45jährige Wartezeit Zeiten mit Arbeitslosengeldbezug in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt werden. Eine Anrechnung ist allerdings dann möglich (von der Ausnahme rückausgenommene Fälle), wenn die Arbeitslosigkeit aufgrund der vollständigen Geschäftsaufgabe entstand. Die vollständige Geschäftsaufgabe ist im Gesetz allerdings nicht näher beschrieben. Wie der 5. Senat des Bundessozialgerichts ausgeführt hat, ist die vollständige Geschäftsaufgabe nach Sinn und Zweck der Norm im Sinne des Wegfalls des gesamten Unternehmens, also des Wegfalls des konkreten rechtlichen Arbeitgebers, zu verstehen.

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