Landessozialgericht Hessen 18.11.2011,  L 9 U 66/07

  • Aktenzeichen: L 9 U 66/07
  • Spruchkörper: 9. Senat
  • Instanzenaktenzeichen: S 1 U 863/04
  • Instanzgericht: Sozialgericht Wiesbaden
  • Gericht: Hessisches Landessozialgericht
  • Rechtskraft: rechtskräftig
  • Entscheidungstyp: Urteil
  • Entscheidungsdatum: 18.11.2011

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer beidseitigen Kniegelenksarthrose als "Wie"- Berufskrankheit, nach § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebes Buch (SGB VII) streitig.

Der Kläger ist 1952 geboren und von Beruf Fliesenleger. Seit 1967 war er in diesem Beruf ununterbrochen tätig. Mit am 12. September 2002 bei der Beklagten eingegangenem Arztbrief des Dr. PR. wurde der Verdacht des Bestehens einer Berufskrankheit angezeigt mit der Begründung, dass der Kläger im Jahre 1973 während der Arbeit beim Aufstehen starke Schmerzen im linken Kniegelenk verspürt habe, die durch einen Meniskusriss entstanden seien. Der Meniskusriss sei nunmehr operiert worden. In der Folge habe sich eine sekundäre Arthrose des medialen Gelenkabschnitts am linken Kniegelenk entwickelt. Die Beklagte leitete ein Verfahren wegen des Verdachts des Bestehens einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) ein, in welchem der Kläger angab, in der Zeit von 1967 bis 1971 eine Ausbildung zum Fliesenleger absolviert, von 1972 bis 1973 Wehrdienst geleistet und von 1974 bis ins Jahr 2002 beruflich mit der Verlegung von Wand und Bodenfliesen beschäftigt gewesen zu sein, wobei er zirka 40 Prozent der Arbeitszeit kniend verbracht habe. Im Zeitraum von 1958 bis 1978 habe er in der Freizeit Fußball und Handball gespielt. Beschwerden seien erstmals 1976 aufgetreten. Die Beklagte veranlasste eine Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 18. Oktober 2002, derzufolge der Kläger von 1970 bis 2002 beruflich überdurchschnittlich den Meniskus belastend tätig gewesen sei, so dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK der Nr. 2102 erfüllt seien. Dr. XY. vertrat in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 7. Februar 2003 die Auffassung, dass im Bereich des rechten Kniegelenks eine sekundäre Meniskopathie vorliege, die für eine Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV irrelevant sei. Es ließen sich eine deutliche Chondropathie am medialen Tibiakopf und am femoropatellaren Gleitlager sowie deutliche bis schwere Knorpelschäden II bis III gradig an der medialen Femurrolle finden. Am linken Kniegelenk fänden sich flächenhaft ausgeprägte arthrotische Veränderungen. Hinsichtlich des Innenmeniskusschadens vom August 1997 würden medizinische Daten fehlen. Damals sei eine Anerkennung als Arbeitsunfall nicht erfolgt und kein BK-Verfahren eingeleitet worden. Da der Kläger bis 1978 Fußball gespielt habe, sei die Meniskopathie vermutlich außerberuflich erworben. Der Landesgewerbearzt schloss sich der Stellungnahme des medizinischen Beraters der Beklagten an.

Durch Bescheid vom 1. April 2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 2102 der Anlage zur BKV mit der Begründung ab, dass im Bereich des rechten Kniegelenks die vorliegende Meniskopathie Folge schwerer Knorpelschäden und daher sekundär sei. Durch die Arthrose und die Knorpelschäden bedingt sei es zu gestörter Gelenkmechanik mit hochgradig erhöhter Gleitreibung zwischen den Gelenkflächen untereinander und zwischen den Gelenkflächen und den zwischengelagerten Menisken zu einem Verschleiß der Menisken gekommen, so dass auch insoweit eine primäre Meniskopathie nicht vorliege. Im Rahmen des daraufhin durchgeführten Widerspruchsverfahrens vertrat Dr. PR. mit Schreiben vom 24. April 2003 die Auffassung, aus dem OP-Bericht vom 18. September 2002 ergebe sich bezüglich des linken Kniegelenks, dass zum Zeitpunkt der OP kein Meniskusgewebe mehr im linken Kniegelenk medialseitig vorgelegen habe, so dass sich der zu erwartende ausgeprägte Knorpelschaden sekundär nach Innenmeniskektomie entwickelt habe. Bezüglich des rechten Kniegelenks sei aufgrund langjähriger Zwangsbelastung als Fliesenleger eine degenerative Veränderung des Innenmeniskus entstanden. Eine solche degenerative berufsbedingte Meniskopathie könne als Folgeschaden auch zur Arthrosis deformans führen. Der von der Beklagten angehörte Beratungsarzt NH. vertrat in seiner Stellungnahme vom 6. Mai 2003 die Auffassung, dass mangels medizinischer Unterlagen für die Zeit ab 1977 eine Anerkennung des Schadens im Bereich des linken Kniegelenks als BK Nr. 2102 ausscheide. Bezüglich des rechten Kniegelenks führte er aus, dass bei degenerativen Veränderungen üblicherweise das mediale Kompartiment früher bzw. stärker betroffen sei, als das laterale. Lägen kombinierte Schäden von Meniskus und Knorpel im medialen Kompartiment vor, so müsse geprüft werden, welcher Schaden zuerst eingetreten sei. Aus dem OP-Bericht vom 21. Februar 2001 ergebe sich, dass degenerative Veränderungen des lateralen Knorpels ersten Grades gegeben seien, während der Meniskus keine Degenerationszeichen aufgewiesen habe. Damit sei offenkundig, dass zunächst der Gelenkknorpel und dann erst in einem zweiten Schritt der Meniskus degeneriert sei. Durch Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2003 wies die Beklagte den Widerspruch in dem Verfahren auf Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV zurück.

Im Rahmen eines daraufhin eingeleiteten Klageverfahrens (Aktenzeichen S 1 U 719/03) holte die Kammer sodann ein fachorthopädisches Gutachten bei Dr. RK. ein, der bezüglich der Funktionseinschränkungen ausführte, die Beweglichkeit des rechten Kniegelenks liege bezüglich Streckung/Beugung bei 0-0-130 Grad und links bei 0-0-120 Grad. Konkurriende Faktoren für die Meniskusschäden seien beim Kläger die konstitutionell bedingte varische Beinachse (O-Beine), die dazu geführt habe, dass der innere Gelenkanteil während der Belastung beim Gehen mehr belastet werde, als der äußere. Weiterhin sei die sportliche Betätigung bis zum Jahre 1978 im Handball und Fußballsport als ein prädisponierender Faktor für eine Kniegelenksdegeneration anzusehen. Es sei davon auszugehen, dass auch ohne die jahrelange Belastung der Kniegelenke durch Fliesenlegerarbeiten im zeitlichen Rahmen eine Kniegelenksarthrose entstanden wäre. Auszuschließen sei jedoch nicht eine erhöhte Belastung des Meniskus mit fortschreitender Degeneration, die bei dem Prozess im rechten Kniegelenk mitgewirkt habe. Im Bereich des linken Kniegelenks sei von einer degenerativen Meniskopathie auszugehen, die früh durch eine totale Meniskektomie im Jahre 1977 therapiert worden sei (Gutachten vom 13. Dezember 2004). Durch Beschluss vom 28. April 2006 hat das Sozialgericht das Klageverfahren S 1 U 719/03 ruhend gestellt.

Durch Bescheid vom 1. April 2004 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen im Zusammenhang mit der Kniearthrose im Sinne einer Gonarthrose ab, da weder eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII in Verbindung mit der BKV noch eine Krankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII vorliege. Neue medizinisch wissenschaftliche Erkenntnisse, die belegen würden, dass Fliesenleger aufgrund besonderer Einwirkungen bei ihrer beruflichen Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung an Kniegelenksarthrosen erkrankten, lägen nicht vor. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 20. April 2004 Widerspruch, den die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2004 zurückwies.

Hiergegen richtet sich die Klage vom 4. Juni 2004. Im Laufe des Verfahrens teilte mit Schreiben vom 20. Juni 2005 das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung dem Gericht mit, dass der ärztliche Sachverständigenbeirat, Sektion Berufskrankheiten, zwischenzeitlich eine wissenschaftliche Empfehlung für eine neue Berufskrankheit bezüglich der Verursachung der Gonarthrose durch Tätigkeiten im Knien beschlossen habe. Aufgrund dieser Empfehlung hat der TAD der Beklagten unter dem 28. Mai 2006 eine Stellungnahme zur Frage des Vorliegens der arbeitstechnischen Voraussetzungen einer solchen Berufskrankheit abgegeben. Darin stellt er fest, dass die Tätigkeit des Klägers mit einer belastenden Tätigkeit von 17.526,20 Stunden mit einer Stunde pro Schicht geeignet sei, eine derartige Berufskrankheit auszulösen.

Das Gericht veranlasste ein fachorthopädisches Sachverständigengutachten bei Dr. C. vom 18. September 2006, in welchem dieser die Auffassung vertrat, dass die sportliche Betätigung des Klägers im Hinblick auf ihren zeitlichen Umfang und die Rolle als Torwart gegenüber der Belastung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit zu vernachlässigen sei, zumal sie im Zeitpunkt des ersten Meniskusschadens im linken Kniegelenk 1977 lediglich vier Jahre gegenüber acht Jahren beruflicher Tätigkeit umfasst habe. Aus der Anamnese des Klägers lasse sich weder eine familiäre Belastung von Gelenkarthrosen erkennen, noch bestünden beim Kläger Arthrosen anderer Gelenke als der Kniegelenke. Die O Bein-Fehlstellung sei nicht Ursache, sondern Folge der weitgehend medialen Kniegelenksarthrose. Dies folge aus dem Umstand, dass bis zum Untersuchungstag die Beinachse nur leicht varisch beidseitig sei und zu diesem Zeitpunkt schon eine mediale Kniegelenksarthrose vorgelegen habe. Die varische Beinachse müsse als Folge des medialen Knorpelschadens und der damit verbundenen Gewebsreduktion im Bereich des inneren Kniegelenks gewertet werden. Als weitere prädisponierende Ursache für das Eintreten von Kniegelenksarthrosen käme eine Adipositas in Betracht. Der Kläger liege jedoch nur geringfügig über dem Body-Mass-Index (BMI), so dass bei ihm keine Adipositas, sondern lediglich ein Übergewicht bestehe, und eine erforderliche wesentliche Adipositas als arthrosefördernde Ursache ausscheide. Im Bereich des linken Kniegelenks sei aufgrund der Meniskusverletzung von 1977 mit einer totalen Meniskusentfernung ein wesentlicher Vorschaden, der auch ohne kniebelastende Tätigkeit im Laufe des Lebens die Degeneration gefördert hätte, gegeben. Jedoch habe das andere Kniegelenk, wie durch den arthroskopischen Untersuchungsbefund von 2001 nachgewiesen, eine mediale und retropatellare Knorpelschädigung im Sinne einer Kniegelenksarthrose erlitten, ohne dass dort ein Meniskusschaden seit 1977 vorgelegen habe. Daher könne der mediale Meniskusschaden nicht als alleinige Ursache für die eingetretene, medial betonte Kniegelenksarthrose des linken Kniegelenks herangezogen werden. Angesichts der belegten erheblichen beruflichen Belastung müsse diese als wesentliche Ursache für die in beiden Kniegelenken aufgetretene Kniegelenksarthrose verantwortlich gemacht werden. Im Bereich des linken Kniegelenks stelle der Meniskusschaden von 1977 eine primäre Meniskopathie dar, die sekundär die Entstehung einer Arthrose gefördert habe. Jedoch wäre es auch im linken Kniegelenk ohne diesen primären Meniskusschaden zu einer Arthrose gekommen, wie der Vergleich mit dem rechten Kniegelenk zeige. Der festgestellte Meniskusschaden im Innenmeniskushinterhornbereich des medialen Gelenkanteils lasse sich nur schwer von den parallel einhergehenden kniegelenks-arthrotischen Veränderungen differenzieren. Die festgestellten Knorpelveränderungen befänden sich in der Hauptbelastungszone, also in dem Kontaktbereich Oberschenkel-/Unterschenkelknochen bei gestrecktem Kniegelenk im Stand, währen bei hockender und kniender Tätigkeit oder auch im Fersensitz das Innenmeniskushinterhorn erheblichen Belastungen ausgesetzt sei. Knorpelschäden und Meniskusschäden würden sich gegenseitig bedingen und seien somit nur schwer voneinander zu differenzieren. Der Vergleich zum lateralen Gelenkkompartiment helfe dabei wenig, da der äußere Meniskus aufgrund seiner Anatomie wesentlich geringeren Schwerkräften ausgesetzt sei, weil er nicht im gesamten Verlauf mit der Gelenkkapsel fest verwachsen sei. Aufgrund des bradytrophen Meniskusgewebes durch die nur in der Basis vorhandene Blutgefäßversorgung komme es im Bereich der Menisken zeitlich eher zu Gewebsschädigungen. Somit spreche einiges für den zeitlichen Vorsprung eines degenerativen Meniskusschadens gegenüber einem degenerativen Knorpelschaden. Im Ergebnis sei die feststellte Kniegelenksarthrose eindeutig Folge der kumulativen Einwirkdauer von kniebelastenden Tätigkeiten währen des Berufslebens. Aufgrund der Kniegelenksarthrose bestünden beim Kläger Schmerzen beim Gehen mit Einschränkung der Gesamtgehstrecke. Betont würden diese Schmerzen beim Treppensteigen oder hockender Tätigkeit. Die Kniebeugung sei für die Tätigkeiten des alltäglichen Lebens nur unwesentlich beidseits eingeschränkt bei einer Kniebeugefähigkeit von 120 Grad beidseits. Im Hinblick auf diese Beugefähigkeit sei eine MdE von 20 v. H. angemessen.

Die Beklagte legte daraufhin eine Stellungnahme ihres beratenden Arztes auf unfallchirurgisch-orthopädischem Fachgebiet von Prof. Dr. NH. vom 25. Januar 2007 vor, der darin die Auffassung vertrat, dass beim Kläger zwei außerberufliche Risikofaktoren vorlägen: Zum einen ein deutliches Übergewicht und zum anderen chronischer Nikotinabusus. Darüber hinaus sei von einer vorbestehenden angedeuteten O-Bein-Fehlstellung beidseits auszugehen, die keinesfalls nur Folge der aktuell sich darstellenden Kniegelenksarthrose sei. Die varische Stellung des rechten Kniegelenks sei bereits im Jahre 2000 bei noch regelrecht vorhandener Gelenkspaltweite medial wie lateral dokumentiert. Die im linken Kniegelenk gegebene Meniskopathie in Folge des Meniskusrisses im Jahre 1977 stelle per definitionem eine präarthrotische Deformität dar, auf deren Boden sich eine posttraumatische Gonarthrose entwickele. Eine solche posttraumatische Gonarthrose sei per definietionem keine Gonarthrose im Sinne einer zu diskutierenden Berufskrankheit. Die gelenkverformenden Veränderungen im linken Kniegelenk erfüllten die Definition einer posttraumatischen Gonarthrose nach komplettem Innenmeniskusverlust. Auch im Bereich des rechten Kniegelenks sei keine Gonarthrose im Sinne einer Berufskrankheit gegeben. Das Vorliegen der sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen alleine erbringe nicht den Vollbeweis. Auch im Bereich des rechten Kniegelenks sei im Jahre 2001 eine spontane Ruptur eines massiv degenerativ veränderten Innenmeniskus erfolgt, wobei sich zu dieser Zeit weit fortgeschrittene Knorpelschäden am medialen Femurkondylus und am medialen Tibiaplateau gefunden hätten, während im lateralen Kompartiment des Femorotibialgelenks nur erstgradige Knorpelschäden vorgelegen hätten. Gerade diese stark geschädigten Bereiche seien jedoch nicht Hauptbelastungszone beim Arbeiten im Knien und Hocken.

Durch Urteil vom 2. März 2007 hat das Sozialgericht Wiesbaden die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 2004 verurteilt, die Gonarthrose des Klägers im Bereich beider Kniegelenke als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen und dem Kläger wegen der Folgen dieser Berufskrankheit Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v. H. ab August 2006 zu gewähren. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass beim Kläger zum einen die im Rahmen des Sachverständigenbeirats geforderten 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht vorgelegen hätten. Aus der Stellungnahme des TAD der Beklagten folge, dass der Kläger einer Einwirkungsdauer von 17.526 Stunden und 20 unterlegen habe bei einer täglichen Einwirkung von mindestens 1,5 Stunden. Auch die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen seien gegeben. Sowohl aus dem Gutachten des Dr. RK. wie aus dem Gutachten des Dr. C. ergebe sich, dass an den seit Jahren bestehende Kniegelenksbeschwerden angesichts der erfolgten Eingriffe in den Jahren 1977 und 2001 kein Zweifel bestehe. Die Beweglichkeit bei Beugung und Streckung im rechten und linken Kniegelenk von jeweils 0-0-120 Grad und eine eingeschränkte Kniebeugefähigkeit seien gegeben. Schließlich sei auch die Diagnose einer Gonarthrose und die damit verbundenen degenerativen Veränderungen im Bereich der Kniegelenke röntgenologisch gesichert. Auch dies folge insbesondere aus dem Gutachten von Dr. C ... Schließlich sei zur Überzeugung der Kammer das gegebene Krankheitsbild einer Gonarthrose im Sinne der in Rede stehenden Berufskrankheit mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich auf die Arbeitsbelastung zurückzuführen. Das Gericht schloss sich hierbei den Gutachten von Dr. C. voll inhaltlich an. Zwar sei mit dem Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen und dem erforderlichen Krankheitsbild nicht automatisch auch der Beweis für die Ursächlichkeit des Zusammenhangs gegeben, jedoch habe sich Dr. C. überzeugend mit den in Rede stehenden konkurrierenden Ursachen auseinandergesetzt und gleichwohl die Ursächlichkeit der arbeitsbedingten Belastungen bejaht. Insbesondere habe er dargelegt, dass beim Kläger ein geringgradig erhöhter Body-Maß-Index jedoch keine Adipositas gegeben sei. Auch die Bewertung der Fehlstellung der Beine, die in der medizinischen Wissenschaft umstritten sei, habe Dr. C. überzeugend nicht als Ursache für die Kniegelenksarthrose qualifiziert. Des Weiteren habe Dr. C. überzeugend ausgeführt, dass die festgestellten Knorpelveränderungen sich laut Arthroskopiebericht in der Hauptbelastungszone der Knie und damit im Kontaktbereich Oberschenkel-/Unterschenkelknochen bei gestrecktem Kniegelenk im Stand befänden, während bei hockender und kniender Tätigkeit oder auch im Fersensitz das Innenmeniskushinterhorn erheblichen Belastungen ausgesetzt sei, die eine Zermürbung ausreichend begründeten. Dies folge auch aus dem Operationsbericht vom 21. Februar 2001. Schließlich habe Dr. C. zu der als konkurrierenden Faktor angeführten Meniskektomie aus dem Jahre 1977 überzeugend ausgeführt, dass diese zwar die Entstehung einer Gonarthrose begünstigt habe, jedoch dass auch im Bereich des rechten Kniegelenks eine Gonarthrose gegeben und daher davon auszugehen sei, dass auch ohne die Entfernung des Meniskus im linken Kniegelenk gleichwohl mit der Entstehung einer Gonarthrose zu rechnen gewesen sei. Die sportlichen Aktivitäten seien als konkurrierende Faktoren zu vernachlässigen. Schließlich bestehe auch keine familiäre Disposition. Die bestehende Restbeweglichkeit beider Kniegelenke mit 0-0-120 Grad rechtfertige angesichts der Funktionseinbuße eine MdE von 20 v. H ...

Gegen das beiden Beteiligten am 13. März 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23. März 2007 und der Kläger am 12. April 2007 Berufung eingelegt.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die beim Kläger bestehende Gonarthrose auf außerberufliche Faktoren zurückzuführen sei, und bezieht sich hierzu auf die Stellungnahmen ihres Beratungsarztes. Zumindest könne der Kausalzusammenhang zwischen beruflicher Einwirkung und Erkrankung nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 2. März 2007 aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen sowie das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 2. März 2007 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 2004 zu verurteilen, dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. bereits ab 1. November 2003 zu bewilligen.

Er bezieht sich zur Begründung im Wesentlichen auf die angegriffene Entscheidung sowie das Ergebnis der Beweisaufnahme. Es sei jedoch nicht einzusehen, warum die Erkrankung nicht bereits seit seiner Antragstellung als rentenberechtigend akzeptiert worden sei, weil diese bereits damals bestanden habe.

Medizinische Stellungnahmen der Beklagten durch Dr. RS. und Dr. RT. vom 22. Februar 2008 wurden als nicht verwertbar unter Verschluss genommen und aus der Akte entfernt.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme durch den Gerichtssachverständigen Dr. C. vom 14. Januar 2010 eingeholt, in welcher dieser dem beratenden Arzt der Beklagten Prof. Dr. NH. insofern zustimmt, als dass die gelenkverformenden Veränderungen am linken Kniegelenk die Definition einer posttraumatischen Kniegelenksarthrose nach komplettem Innenmeniskusverlust erfüllten, wobei auch hier die berufliche Exposition des Klägers die nunmehr vorliegende Kniegelenksarthrose beschleunigt haben dürfte. In allen dem Gutachter vorliegenden Studien im Zusammenhang zwischen kniebelastender Tätigkeit und Entstehung einer Kniegelenksarthrose werde das Krankheitsbild aber nie auf Teilkompartimente des Kniegelenks begrenzt, was der Auffassung des Beratungsarztes entgegenstehe, dass, da die festgestellten Knorpelveränderungen sich laut Arthroskopiebericht in der Hauptbelastungszone im Kontaktbereich Oberschenkel-/Unterschenkelknochen bei gestrecktem Kniegelenk im Stand befänden, keine Kausalität gegeben sei. Ohne die langjährige Exposition als Fliesen- und Natursteinverleger wäre es bei dem Kläger weder zwangsläufig zu einer Arthrose des rechten Kniegelenkes gekommen, noch hätte die Ausprägung der Kniegelenksarthrose links in diesem Maße zum heutigen Zeitpunkt stattgefunden.

Der Senat veranlasste eine weitere ergänzende Stellungnahme bei Dr. C. vom 24. Januar 2011, in welcher dieser einräumte, es sei medizinisch richtig, dass eine komplette Meniskusentfernung, wie sie aus 2002 bei der Rearthroskopie habe festgestellt werden können, eine Präarthrose darstelle. Es könne jedoch auch nicht ignoriert werden, dass insgesamt 17.526 Stunden kniebelastende Tätigkeit das linke Knie stärker geschädigt habe, als es der Zustand durch die Meniskusentfernung am linken Kniegelenk allein erbracht hätte. Die Befunde am rechten Kniegelenk entsprächen nach der arthroskopischen Klassifikation von Outerbrige II bis III im Bereich des medialen Femurcondylus dem Stadium II im Bereich des medialen Tibiakopfes sowie im Bereich des femoropatellaren Gleitlagers. Diese Klassifikation erfolge nach anderen Kriterien als die angeführte Klassifikation nach Kellgren. Die Klassifikation nach Kellgren sei eine Einteilung des radiologischen Status des arthrotisch veränderten Gelenkes, wobei die gefundenen Veränderungen eindeutig dem Stadium III nach Kellgren zuzuordnen seien.

Hierzu hat die Beklagte eine Stellungnahme ihres beratenden Arztes Dr. EK. vom 3. Mai 2011 vorgelegt, in welcher dieser im Wesentlichen ausführt, dass beim Kläger nicht berücksichtigt worden sei, dass die Operation von 1977 Folge der sportlichen Betätigung des Klägers sei. Außerdem seien die Veränderungen im rechten Knie in logischer Weise nicht nachzuvollziehen, weil die Veränderungen im linken Knie erheblich stärker gewesen seien als rechts. Des Weiteren müsse man bei der beruflichen Belastung verstärkt die Knorpeldegeneration im hinteren Teil erwarten und nicht in der Hauptbelastungszone bei normaler Kniebelastung beim Gehen oder Stehen. Die epidemiologischen Berichte, die Dr. FB. anführe, seien nicht verwertbar. Des Weiteren seien weitere Ko-Faktoren zu berücksichtigen. Dies gelte insbesondere für die vom Kläger verrichteten Ballsportarten. Es müssten zudem bei meniskusbelastenden Tätigkeiten nach so vielen Jahren am Außenmeniskus Veränderungen zu finden sein, wenn auch aus anatomischen Gründen in geringerem Maße. Dies sei nicht der Fall, da bei der kniebelastenden Tätigkeit alle Menisci belastet würden. Zusammenfassend bestünden beim Kläger auf der linken Seite eine durch die Meniskusexstirpation ausgelöste medial betonte Gonarthrose. Rechts sei die Arthrose auf die verschiedenen beschriebenen nicht berufsbedingten Ursachen zurückzuführen.

Hierzu hat der Senat eine weitere ergänzende Stellungnahme bei Dr. C. vom 12. September 2011 veranlasst, in welcher dieser ausführt, dass es möglich sei, dass der Meniskusschaden des linken Kniegelenks im Alter von 25 Jahren Folge der sportlichen Betätigung als Torwart im Fußball gewesen sei, dass es jedoch genügend gleichaltrige Menschen gebe, die ohne eine sportliche Betätigung ebenfalls einen Meniskusschaden aufwiesen. Somit sei die Behauptung, dass die sportliche Betätigung des Klägers damals die Ursache für den Meniskusschaden im linken Kniegelenk gewesen sei, eine Vermutung, die sich retrospektiv überhaupt nicht beweisen lasse. Aus seiner Sicht sei auch richtig, dass die Arthrose im linken Kniegelenk durch die berufsbedingte Belastung plus der stattgehabten Meniskusoperation einen weiter fortgeschrittenen Befund ergebe als dies am rechten Gelenk zu erwarten gewesen sei. Dies bedeute jedoch nicht, dass am rechten Kniegelenk keine Arthrose vorliege; dort liege sehr wohl eine Arthrose vor, die den geforderten Voraussetzungen einer Berufskrankheit entspreche. Letztlich habe auch Dr. EK. hinsichtlich des belastungskonformen Schadensbildes eingeräumt, dass es unbestritten sei, dass mechanische Druckbelastungen zu Knorpelschäden führen würden. In den über 17.000 Stunden beruflicher Tätigkeit habe der Kläger sicherlich nicht nur gehockt, sondern auch gekniet, und die Vielfältigkeit der Kniebewegungen bei einem Beruf als Fliesenleger lasse sich nicht auf ein oder zwei Knieoperationen beschränken. Die außerberuflich bedingten konkurrierenden Faktoren träten seiner Meinung nach immer noch eindeutig hinter die berufsbedingten Belastungen der Kniegelenke während der Lebensarbeitszeit zurück. Außerdem müsse man ansonsten, wenn die Argumentation des Dr. EK. greife, bei jedem Breitensportler, der vier Jahre den Fußball- oder Handballsport in der Jugend ausübe, einen Meniskusschaden und eine Kniegelenksarthrose im Alter erwarten, was nicht der Fall sei. Die Biomechanik und die bio- mechanische Belastung des Außenmeniskus unterliege ganz anderen Prinzipien als die des Innenmeniskus, da der Außenmeniskus im hinteren Bereich nicht fest mit der Kapsel verwachsen sei und somit allein schon andere anatomische Bedingungen im Bereich des lateralen Gelenkkompartimentes bestünden.

Wegen der weiteren Einzelheiten und Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Beklagtenakte Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Die form- und fristgerecht und auch nach §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaften Berufungen sowohl der Beklagten als auch des Klägers sind zulässig.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist alleine die Anerkennung einer beidseitigen Gonarthrose des Klägers als "Wie"-Berufskrankheit gem. § 9 Abs 2 SGB VII. Hingegen ist Streitgegenstand nicht die Anerkennung einer BK Nr. 2112 der Anlage zur BKV in der Fassung vom 11. Juni 2009 (BGBl I 1273). Insoweit wäre die Klage bereits unzulässig, da darüber noch kein Verwaltungsverfahren (§ 78 SGG) durchgeführt wurde und das erstinstanzliche Urteil sich darauf nicht bezieht. Bei der Anerkennung einer "Wie"-BK einerseits und einer BK andererseits handelt es sich um zwei verschiedene Streitgegenstände im Sinne verschiedener Ansprüche (s. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2008 - B 2 KN 3/07 U R und BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 - B 2 U 5/08 R - juris).

Die Klage ist auch nicht bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden oder hat sich erledigt, weil etwa durch die Einführung des BK 2112 ein Anspruch auf Anerkennung einer "Wie"-BK im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII erloschen wäre. Dieser besteht vielmehr nach wie fort, sofern seine Voraussetzungen gegeben sind, da die BKV von 2009 erst ab dem Tag ihres Inkrafttretens am 1. Juli 2009 Rechtswirkungen entfaltet und für die Rechtslage zuvor aus ihr keine Rechtsfolgen hergeleitet werden können. Nicht der Anerkennungsbescheid des Versicherungsträgers ist "konstitutiv" für die Feststellung einer "Wie"- BK, sondern das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für den Eintritt des Versicherungsfalls (BSG, Urteil vom 2. Dezember 2008 - B 2 KN 1/08 U R - juris unter Hinweis auf BVerfG 30, 367, 386 f.; Jarras, GG, Art. 20 Rdnr. 68).

Weder die Berufung der Beklagten noch die des Klägers sind jedoch begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, beim Kläger das Bestehen einer Gonarthrose (erst) ab August 2006 als Berufskrankheit anzuerkennen und nach einer MdE in Höhe von 20 v. H. zu entschädigen.

Nach der Öffnungsklausel des § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Die sich aus dieser Vorschrift ergebenden Tatbestandsmerkmale für die Feststellung einer "Wie"- BK bei einem Versicherten sind das Nicht-Vorliegen der Voraussetzungen für eine in der BKV bezeichnete Krankheit, das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als BK nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie die individuellen Voraussetzungen für die Feststellung dieser Krankheit als "Wie"- BK im Einzelfall bei dem Versicherten. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung enthält diese Vorschrift keine "Härteklausel", nach der jede durch eine versicherte Tätigkeit verursachte Krankheit als "Wie"- BK anzuerkennen wäre (BSG, Urteil vom 27. April 2010 - B 2 U 13/09 R - juris; BSG vom 23. Juni 1977 - 2 RU 53/76 - BSGE 44, 90 = SozR 2200 § 551 Nr. 9; BSG, Urteil vom 14. November 1996 - 2 RU 9/96 - BSGE 79, 250 = 3-2200 § 551 Nr. 9; zuletzt BSG, Urteil vom 27. April 2010 - B 2 U 13/09 R - juris).

Der Senat ist vom Vorliegen dieser Voraussetzungen überzeugt und schließt sich der Begründung des Sozialgerichts an (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das erste Tatbestandsmerkmal ist hinsichtlich der vom Kläger begehrten Anerkennung einer Gonarthrose aufgrund von beruflichen Einwirkungen für die Zeit vor Inkrafttreten der neuen BKV zum 1. Juli 2009 (Art. 1 Nr. 3 Buchst. c V vom 11. Juni 2009 BGBl. I 1273) erfüllt, weil zu dieser Zeit in der Anlage 1 zur BKV, in der die als BK durch Rechtsverordnung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII bezeichneten Krankheiten aufgeführt sind, keine Gonarthrose aufgelistet war.

Soweit § 9 Abs. 2 SGB VII voraussetzt, dass die Bezeichnungsvoraussetzungen einer Krankheit als BK vorliegen - nämlich eine versicherte Tätigkeit nach §§ 2, 3, 6 SGB VII , durch die bestimmte Personengruppen in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sind, diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben und dies nach neueren Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft (vgl. BSG vom 23. März 1999 - B 2 U 12/98 R - BSGE 84, 30, 34 f. = SozR 3-2200 § 551 Nr. 1; BSG vom 4. Juni 2002 - B 2 U 20/01 R) - , sind auch diese Voraussetzungen gegeben. Das BSG hat kürzlich klargestellt, dass mit der in der bisherigen Rechtsprechung verlangten "gruppentypischen" oder "gruppenspezifischen Risikoerhöhung" (vgl. BSG vom 4. Juni 2002 - B 2 U 20/01 R) keine neuen über das Gesetz hinausgehenden Voraussetzungen geschaffen werden sollten, sondern diese Begrifflichkeiten nur der Umschreibung der aufgezeigten Voraussetzungen dienen (BSG, Urteil vom 27. April 2010 - B 2 U 13/09 R - juris; vgl. a. P. Becker, MedSach 2011, 108, 109). Voraussetzung ist demnach der generelle Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen, denen eine bestimmte Personengruppe in erheblich höherem Maße ausgesetzt sein muss, und einer oder mehrere Erkrankungen dieser Gruppe (s. P. Becker, SGb 2006, 449 ff.). Dass Berufe wie der des Fliesenlegers, den der Kläger langjährig ausgeübt hat, im Vergleich zur übrigen Bevölkerung durch eine erhöhte kniende Tätigkeit gekennzeichnet sind, ist allgemein bekannt und zwischen den Beteiligten unstreitig. Dass auch ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang zwischen knieender Tätigkeit und Gonarthrose und ab einer bestimmten Intensität bzw. Dauer dieser Kniebelastung auch von einer wesentlichen Kausalität auszugehen ist, folgt bereits aus dem Umstand, dass inzwischen seit 2009 die Gonarthrose als BK 2112 der Anlage zur BKV eingeführt wurde, und insofern der Verordnungsgeber von seinem bestehenden gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht hat (vgl. BSG vom 23. März 1999 - B 2 U 12/98 R - a. a. O).

Aber auch für den Zeitraum vor Einführung der neuen BK lagen die Voraussetzungen der Anerkennung einer Gonarthrose als "Wie"- BK vor, weil die zur späteren Bezeichnung als BK in der Anlage führenden wissenschaftlichen Erkenntnisse spätestens seit 2006 vorlagen. Es muss sich insoweit um neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zum Zeitpunkt der Entscheidung handeln, die in der letzten Änderung der BKV noch nicht berücksichtigt wurden (BSG, Urteil vom 21. Januar 1997; s. auch BSGE 44, 90, 94). Dies ist der Fall, wenn sie überhaupt erst nach dem Erlass der letzten Berufskrankheitenverordnung gewonnen worden sind oder zu diesem Zeitpunkt im Ansatz vorhanden waren, aber trotz Nachprüfung als nicht ausreichend bewertet wurden und sich erst danach zur sogenannten BK-Reife verdichtet haben (vgl. BSGE 21, 296, 298). Derartige Erkenntnisse liegen in der Regel vor, wenn die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf den jeweils in Betracht kommenden Gebieten über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt sind. Es muss sich um gesicherte Erkenntnisse handeln, d. h. sie müssen durch Forschung und praktische Erfahrungen gewonnen worden sein. Nicht erforderlich ist, dass diese Erkenntnisse die einhellige Meinung aller Mediziner sind (BSG vom 21. Januar 1997 2 Ru 97/96; s. auch Kassler Kommentar/Rieke § 9 SGB VII Rdnr. 24; ebenso Schönberger/Mehrtens/Valentin, 7. Aufl., 1.7.2.1 S. 100). Eine besonders hohe Bedeutung kommt der Meinung des Sachverständigenbeirates beim zuständigen Ministerium, Sektion Berufkrankheiten, zu, der sich durch gebündelte Fachkompetenz auszeichnet (Giesen, Zbl Arbeitsmed 43 (1993) 39, 45). Dies gilt insbesondere dann, wenn dieser eine konkrete Anerkennungsempfehlung ausgesprochen hat (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2002 - B 2 U 20/01 R - juris; Koch in Lauterbach, UV, § 9 Rdnr. 288a und 290). Aus der im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung vom 20. Juni 2005 folgt, dass der ärztliche Sachverständigenbeirat, Sektion Berufskrankheiten, bereits zu diesem Zeitpunkt eine wissenschaftliche Empfehlung für eine neue BK bezüglich der Verursachung von Arthrose durch Tätigkeiten im Knien beschlossen hatte.

Auch die individuellen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Gonarthrose als "Wie"- BK liegen im Falle des Klägers vor. Voraussetzung für die Feststellung jeder Erkrankung als BK und damit auch als "Wie"- BK ist, dass die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen sowie die Erkrankung, für die Entschädigungsleistungen beansprucht werden, i. S. des Vollbeweises nachgewiesen sind. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (s. BSGE 45, 1, 9 sowie BSGE 19, 52, 53 und BSGE 7, 103, 106). Erforderlich ist eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, nach der kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen vorgenannter Tatbestandsmerkmale zweifelt (BSGE 6, 144 vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl. 2008, § 128, Rdnr. 3b). Darüber hinaus muss die sog. haftungsbegründende Kausalität zwischen den berufsbedingten Einwirkungen und der erforderlichen Erkrankung zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bejaht werden. Dies ist dann der Fall, wenn bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, dass die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können (s. BSG, Urteil vom 2. Juni 1959, SozR Nr. 20 zu § 542 RVO). Jedoch ist der ursächliche Zusammenhang nicht bereits dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSGE 60, 58, 59).

Der Kläger war - wie zwischen den Beteiligten letztlich nicht streitig ist - während seiner beruflichen und versicherten Tätigkeit als Fliesenleger seit 1966 mit kniebelastenden Tätigkeiten befasst. Ob im Rahmen der Anerkennung einer "Wie"- BK die in der BK 2112 als Dosiswert vorausgesetzten 13.000 Stunden kniebelastender Tätigkeiten verlangt werden dürfen oder dies eine unzulässige Vorwirkung von Gesetzen wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2005 - 1 BvR 235/00 – juris), kann vorliegend dahinstehen, da zwischen den Beteiligten jedenfalls zu Recht nicht streitig ist, dass der Kläger mehr als 13.000 Stunden, nämlich 17.526,20 Stunden mit mindestens einer Stunde pro Schicht beruflich bedingter kniebelastender Tätigkeiten vorzuweisen hat und somit den mittlerweile normativ vorgegebenen Dosiswert erfüllt. Insofern ist vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen, sofern man diese auch bei einer "Wie"- BK in Höhe der inzwischen eingeführten Listen-BK 2112 der Anlage zur BKV verlangt, jedenfalls auszugehen.

Beim Kläger besteht auch das Schadensbild einer beidseitigen Kniegelenksarthrose, wie aus dem im Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten sowie den ergänzenden Stellungnahmen des Sachverständigen Dr. C. folgt. Dieser hat in Auswertung der angefertigten Röntgenaufnahmen deutliche osteophytäre Randanbauten an den Gelenkflächen von Femur und Tibia medial betont, kalkdichte Schatten des Außenminiskus im Sinne einer Chondrokalzinose und einen deutlich reduzierten medialen Gelenkspalt gegenüber lateral beschrieben. Diese Diagnose ist zwischen den Beteiligten letztlich auch nicht streitig.

Der Senat geht des Weiteren davon aus, dass die bestehende Gonarthrose mit hinreichender Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich durch die versicherte Tätigkeit als Fliesenleger verursacht wurde.

Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und Erkrankungen im BK-Recht gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung, die als Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie hat, nach der Ursache eines Erfolges jedes Ereignis ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (sog. condicio sine qua non, s. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 = BSGE 96, 196 ff.). Aufgrund der Unbegrenztheit der Bedingungstheorie werden im Sozialrecht als rechtserheblich aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens und Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen der erstbehandelnden Ärzte sowie der gesamten Krankengeschichte. Trotz dieser Ausrichtung am individuellen Versicherten ist bei der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs im Einzelfall der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge zwischen Ereignissen und Gesundheitsschäden zugrunde zu legen. Letzterer bestimmt sich unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde (s. BSG, Urteile vom 27. Juni 2006, Az.: B 2 U 7/05 R sowie B 2 U 20/04 R).

Nach Auffassung des Senats ergibt sich vorliegend bereits aus der Erfüllung und sogar Überschreitung der nach der inzwischen eingeführten BK 2112 geforderten 13.000 Stunden kniebelastender Tätigkeit beim Kläger eine tatsächliche Vermutung für die Verursachung der Gonarthrose hierdurch (vgl. BSG, Urteil vom 26. Januar 2007 B 2 U 15/05 R). Enthält eine einzelne Listennummer "harte" Kriterien wie hier die Nr. 2112 den Nachweis der Einwirkung einer berufsbedingten kniebelastenden Tätigkeit von mindestens 13.000 Stunden bei mindestens einer Stunde pro Schicht und sind diese im Vollbeweis nachgewiesen, liegt eine Tatsachenvermutung vor, die auf die Verursachung der festgestellten Gonarthrose i. S. der Listennummer schließen lässt (vgl. BSG Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 25/03 R -; BSG, Urteil vom 30. Januar 2007 - B 2 U 15/05 R - juris). Die Annahme einer solchen tatsächlichen Vermutung folgt aus der Konzeption der durch die Verordnung zur Änderung der BKV neu gefassten Nr. 2112 vom 11. Juni 2009 und der dazu vom Verordnungsgeber gegebenen Erklärung (BR Drucks 242/09 S. 18 ff.). Nach der Begründung der Bundesregierung zur neuen Listen BK 2112 heißt es:

"Als kumulative Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens werden mindestens 13 000 Stunden und eine Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht festgesetzt. Diese Kriterien beruhen auf Erkenntnissen aus epidemiologischen Studien. In der bisher größten zu dieser Thematik durchgeführten Fall-Kontroll-Studie zeigte sich bei einer Belastungsdauer von insgesamt rund 13 000 Stunden ein mehr als verdoppeltes, signifikant erhöhtes Gonarthroserisiko für Personen mit hoher beruflicher Exposition durch kniende oder hockende Tätigkeit. Auch für die Voraussetzung der mindestens einstündigen Kniegelenksbelastung pro Schicht wurde die Verdoppelungsdosis in epidemiologischen Studien festgestellt. Dabei ist zu beachten, dass die beiden Grenzwerte voneinander unabhängig sind. Die Mindestdauer pro Arbeitsschicht stellt den unteren Grenzwert dar, bei dem die einzelne tägliche Belastung überhaupt geeignet ist, Kniegelenksschädigungen zu verursachen Als "bestimmte Personengruppe", die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung kniebelastenden Tätigkeiten ausgesetzt sind, gelten Versicherte mit einer Tätigkeit im Knien oder vergleichbarer Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13 000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht. "

Aus der Begründung ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei Erreichen der 13.000 Stunden kniebelastender Tätigkeiten von der sog. Verdoppelungsdosis ausgeht, die den statistischen Schluss zulässt, dass ab dieser Belastungsdauer mehr als die Hälfte der Betroffenen eine Gonarthrose hierdurch erleiden, was den Schluss zulässt, dass eine Person mit dieser Einwirkung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Gonarthrose deswegen erlitten hat.

Die Anwendung dieser tatsächlichen Vermutung aus der eingeführten Listen-BK Nr. 2112 auf die Gonarthrose als "Wie"- BK stellt keine unzulässige Vorwirkung von (materiellen) Gesetzen dar, weil diese im Zusammenhang mit dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG zu beachtende Grenze ebenso wie das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Rückwirkungsverbot nur bei Eingriffen zu Lasten des Bürgers, nicht jedoch zu seinen Gunsten gilt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2005 - 1 BvR 235/00 - juris).

Diese tatsächliche Vermutung durch den Verordnungstext wird im Falle des Klägers nicht durch mögliche alternative außerberufliche Ursachen aufgrund eines belastungsuntypischen oder nicht belastungskonformen Schadensbildes erschüttert. Ein positives Schadensbild der Gonarthrose existiert ohnehin nicht (Seehausen, MedSach 2010, 205, 206). Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass die medizinischen Voraussetzungen im Hinblick auf ein belastungskonformes Schadensbild nicht vorlägen. Ausdrücklich wird in der Verordnungsbegründung ausgeführt: "Über das Zusammenwirken mit anderen konkurrierenden Faktoren wie z. B. dem Zustand nach einem außerberuflichen Kniegelenkstrauma liegen aus epidemiologischen Studien keine Erkenntnisse vor. Hier ist im Rahmen der Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung des Ausmaßes des konkurrierenden Faktors und der Höhe der beruflichen Einwirkungen gutachterlich zu prüfen, ob der notwendige Ursachenzusammenhang mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann".

Dahinstehen kann bereits der zwischen dem Gerichtssachverständigen und dem medizinischen Berater geführte Streit, ob eine etwaige Adipositas des Klägers als konkurrierende Ursache die Anerkennung als "Wie"- BK ausschließen würde. Vorsorglich weist der Senat aber darauf hin, dass selbst wenn der Kläger unter Adipositas leidet oder gelitten hätte, dies als konkurrierender Faktor ausscheidet, wie sich aus der Verordnungsbegründung (BR-Drucks 242/09 S. 18 ff.) ergibt:

"Adipositas ist als konkurrierende Einwirkung bei der Ursachenfeststellung nicht zu berücksichtigen. Übergewicht stellt zwar einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Gonarthrose dar. Nach epidemiologischen Erkenntnissen besteht aber zwischen beruflicher Einwirkung im Sinne dieser Berufskrankheit und Adipositas ein nahezu multiplikatives, das heißt voneinander unabhängiges Zusammenwirken hinsichtlich des Gonarthroserisikos. Auch bei adipösen Personen ist das berufliche Gonarthroserisiko daher in etwa verdoppelt."

Auch die seitens des beratenden Arztes der Beklagten als konkurrierende, nicht versicherte, weil anlagebedingt angeführte Ursache der O-Bein-Fehlstellung ist nicht geeignet, den wesentlichen Ursachenzusammenhang beim Kläger zwischen beruflich veranlasster knieender Tätigkeit und erlittener Gonarthrose auszuschließen, da insofern nur von einer nicht eindeutigen Risikoerhöhung ausgegangen wird (Seehausen, MedSach 2010, 205, 206). Der Gerichtssachverständige Dr. C. hat zudem bereits im erstinstanzlichen Gutachten überzeugend dargelegt, dass das Vorhandensein einer medialen Kniegelenksarthrose bei nur leicht vorhandener varischen Beinachse beidseits dafür spricht, dass die Fehlstellung Folge der Arthrose und nicht umgekehrt ist. Damit fehlt es auch am Nachweis einer primären Varusgonarthrose (Seehausen a. a. O.; s. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 649).

Zur Überzeugung des Senates steht daher fest, dass der beruflichen Einwirkung der kniebelastenden Tätigkeiten im Falle des Klägers zumindest die Rolle einer wesentlichen Mitursache bei der Entstehung der beim Kläger festgestellten Gonarthrose zukommt. So hat der Gerichtssachverständige Dr. C. überzeugend und widerspruchsfrei dargelegt, dass eine seitens der Beklagten angestellte Vermutung, die sportliche Betätigung des Klägers sei die Ursache für den Meniskusschaden im linken Kniegelenk gewesen, retrospektiv nicht beweisbar sei. Insofern räumt der Gerichtssachverständige ein, dass die Arthrose im linken Kniegelenk sowohl durch die berufsbedingte Belastung als auch der stattgehabten Meniskusoperation den heute weiter fortgeschrittenen Befund ergibt, als dies am rechten Gelenk zu erwarten ist, dass aber auch am rechten Kniegelenk eine Arthrose vorliegt, die den Voraussetzungen einer Berufskrankheit entspricht. Der Gerichtssachverständige führt des Weiteren überzeugend aus, selbst wenn der Knorpelschaden sich nicht auf die hinteren Anteile von Schienenkopf- und Oberschenkelknochen beschränkt, dies nicht einem belastungskonformen Schadensbild entgegensteht, da der Kläger in seinem Beruf nicht nur gehockt, sondern auch gekniet habe. Insgesamt kommt der Gerichtssachverständige unter Einbeziehung der Bedenken des beratenden Arztes der Beklagten und Abwägung der dafür und dagegen sprechenden Gesichtspunkte zu dem Ergebnis, dass zwar auch außerberuflich bedingt konkurrierende Faktoren existieren, dass diese aber hinter die berufsbedingten Belastungen der Kniegelenke während der Lebensarbeitszeit zurücktreten. Diese Wertung des Sachverständigen ist schlüssig und überzeugend, zumal bereits die Dauer und Intensität der beruflichen Belastung und der sportlichen Betätigung nicht in einem Verhältnis zueinander stehen, dass der sportlichen Betätigung die alles überragende und die beruflichen Einwirkungen verdrängende Rolle zukommen könnte. Überzeugend führt der Sachverständige Dr. C. aus, das der intraoperativ gefundene Arthroskopiebefund des rechten Kniegelenks gerade nicht dafür spricht, dass die Längsschliffe des Knorpels im Femurcondylus-Gleitlager Folge eines Reibens eines degenerierten Meniskus sind, da ein degenerierter Meniskus das retropatellare Gleitlagen nicht tangiert, sondern allenfalls Schäden im femoropatellaren Gelenk hinterlässt. Insgesamt hat Dr. C. überzeugend dargelegt, dass auch die Bedenken des medizinischen Beraters der Beklagten nicht der Annahme eines belastungskonformen Schadensbildes im Hinblick auf eine durch kniende Tätigkeit verursachte Berufskrankheit entgegenstehen. Das Gutachten des Dr. C. ist in sich schlüssig und widerspruchsfrei und steht im Einklang mit dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand, wie er sich für den Senat anhand der einschlägigen Fachliteratur ergibt (s. nur Seehausen, MedSach 2010, 205, 206 und Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 649), derzufolge aktuelle kernspintomografische Dokumentationen keine berufsassoziierten Betroffenheiten einzelner Gelenkkompartimente zeigen, sondern diese in allen drei Gelenkkompartimenten festgestellt wurden.

Nicht zu beanstanden war auch die Verurteilung zu einer Rentengewährung nach einer MdE in Höhe von 20 v. H. Die MdE richtet sich nach dem Umfang, der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bewertung der MdE des Klägers stellt eine tatsächliche Feststellung gemäß § 128 Abs. 2 SGG dar, die das Berufungsgericht nach freier, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnener Überzeugung zu treffen und zu begründen hatte (BSGE 37, 177, 179; 41, 99, 100; HLSG, Urteile vom 15. November 2000, Az.: L 3 U 104/99 sowie vom 28. September 2005, Az.: L 3 U 165/04). Sie erfolgt in Anlehnung an § 287 Zivilprozessordnung (ZPO) im Wege einer annäherungsweisen Schätzung. Ärztliche Sachverständigengutachten sind bei Beantwortung dieser Frage meist unverzichtbar. Bei der Bemessung der MdE sind die von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungswerte zu beachten, die für die Entscheidung im Einzelfall zwar nicht verbindlich, aber als Maßstab für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in den zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis heranzuziehen sind (BSG, Urteil vom 26. Juni 1985 - SozR 2200 § 581 Nr. 23 und Urteil vom 30. Mai 1988 SozR 2200 § 581 Nr. 28). Danach ist die Festsetzung einer MdE in Höhe von 20 v. H. nicht zu beanstanden und es wird im Übrigen wird auf die überzeugende und ausführliche Begründung des Sozialgerichts Kassel verwiesen.

Dabei geht auch der Senat davon aus, dass das Vorliegen des Krankheitsbildes mit rentenberechtigendem Ausmaß erst mit der Untersuchung des Klägers durch Dr. C. am 11. August 2008 im Rahmen des Gutachtensauftrags mit dem erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen ist. Eine frühere Entstehung dieses Gesundheitsschadens ist zwar möglich, nicht aber sicher, weshalb vor diesem Zeitpunkt auch keine Rentenansprüche mit Erfolg geltend gemacht werden können. Die Berufung des Klägers konnte daher keinen Erfolg haben.

Im Ergebnis waren daher die Berufung der Beklagten sowie diejenige des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG vorliegen.

 

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