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Landessozialgericht Hessen 30.10.2008, L 8 P 19/07

  • Spruchkörper: 8. Senat
  • Aktenzeichen: L 8 P 19/07
  • Instanzenaktenzeichen: S 12 P 2239/04
  • Instanzgericht: Sozialgericht Kassel
  • Gericht: Hessisches Landessozialgericht
  • Entscheidungstyp: Urteil
  • Entscheidungsdatum: 30.08.2008
  • Rechtskraft: rechtskräftig

Tatbestand:

Der Kläger ist Erbe seiner 1919 geborenen Mutter E. M. (M.), die 2008 verstarb. Sie hatte gegenüber der Beklagten einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 57,60 EUR zuzüglich Zinsen wegen aus ihrer Sicht verspäteter Bezahlung von Pflegegeld geltend gemacht. Frau M. erhielt seit Jahren Pflegegeld für selbstbeschaffte Pflegehilfen nach § 37 Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) nach der Pflegestufe 3, wobei der Kläger als Pflegeperson und Prozessbevollmächtigter wirkte.

Frau M. erhob am 11. August 2004 gegen die Beklagte beim Amtsgericht in Bad Homburg vor der Höhe Klage auf Leistung von Schadensersatz zuzüglich Zinsen, wobei sie geltend machte, die Beklagte überweise das ihr zustehende Pflegegeld regelmäßig nicht zeitgerecht. Es stehe ihr nicht am 1. des jeweiligen Monats um 0.00 Uhr zur Verfügung. Sie lasse regelmäßig am letzten Bankarbeitstag des Vormonats ihr Konto durch ihren Sohn abfragen und sich mit Bargeld versorgen. Wenn, wie so oft, an diesem Tag die Gutschrift des Pflegegeldes nicht erfolgt sei, mache dies weitere Fahrten zur Bank erforderlich, wodurch regelmäßig weitere Fahrkosten entstünden, die sich als Vermögensschaden darstellten und sich pro Fahrt (hin und zurück) auf 4,80 EUR (8 km x 2 x 0,30 EUR) beliefen. Von März bis Mai 2003 seien insoweit 6 zusätzliche Fahrten zur Bank angefallen, von November 2003 bis Februar 2004 nochmals 6, was bei insgesamt 12 Fahrten einem Betrag von 57,60 EUR entspreche.

Ähnliche vorgerichtlich geltend gemachte Ansprüche hatte die Beklagte mit Schreiben vom 01.06.2004 abgelehnt. Den geltend gemachten Schadensersatzanspruch leitete Frau M. aus §§ 823 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) her.

Das Amtsgericht verwies den Rechtsstreit mit Beschluss vom 28. September 2004 an das Sozialgericht Kassel, da der Rechtsweg zu den Ordentlichen Gerichten nicht gegeben sei. Bei dem Anspruch auf Zahlung des Pflegegeldes handele es sich um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch gegenüber dem Sozialleistungsträger. Das Vermögen sei kein sonstiges Recht im Sinne von § 823 BGB, so dass deliktische Ansprüche nicht ersichtlich seien. Dem klägerischen Vortrag sei auch nicht zu entnehmen, dass Amtshaftungsansprüche geltend gemacht würden.

In dem vor dem Sozialgericht fortgeführten Prozess machte Frau M. geltend, die Beklagte müsse um eine rechtzeitige Zahlung des Pflegegeldes zu bewirken die Überweisungsakte so gestalten, dass die Gutschrift auf ihrem Konto am letzten Bankarbeitstag des dem Zahlungsmonat vorangehenden Monats eingehe. Eine solche Anweisungspraxis werde auch in dem Kommentar von Hauck/Noftz zum Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I) gefordert (§ 41 RdNr. 7).

Die Beklagte ist dem entgegen getreten und hat geltend gemacht, die zitierte Kommentarstelle beziehe sich ausschließlich auf die Auszahlung laufender Geldleistungen durch die Rentenversicherungsträger bzw. die Unfallversicherung. Vergleichbare Vorschriften existierten für die gesetzliche Pflegeversicherung nicht. Hier würden die allgemeinen Vorschriften über die Fälligkeit sowie über die Rechtzeitigkeit der Leistungshandlung gelten, insbesondere die §§ 270, 271 BGB. Das Bundessozialgericht (BSG) habe mit Urteil vom 25. Oktober 1994 (Az.: 3/1 RK 51/93) entschieden, dass Pflegegeld zu Beginn des Monats zu zahlen sei, was von ihr auch nicht bestritten werde. Dies bedeute jedoch nicht, dass das Pflegegeld abweichend von den Vorschriften über die Leistungszeit und den Leistungsort in den §§ 270, 271 BGB zum Monatsbeginn auf dem Konto des Versicherten gutgeschrieben sein müsste. Das Frau M. zustehende Pflegegeld habe sie für den Monat März 2003 am 24. Februar 2003 angewiesen, für den Monat April 2003 am 28. März 2003, für den Monat Mai 2003 am 6. Mai 2003, für den November 2003 am 28. Oktober 2003, für den Dezember 2003 am 3. Dezember 2003, für Januar 2004 am 29. Dezember 2003 und für Februar 2004 am 29. Januar 2004. Soweit es im März 2003 und im November 2003 zunächst zu Kürzungen nach § 34 Abs. 2 SGB XI wegen stationärer Krankenhausaufenthalte gekommen sei, seien die entsprechenden Nachzahlungen dann am 26. März 2003 bzw. am 3. Dezember 2003 angewiesen worden. Hätte die Klägerin jeweils zu einem Zeitpunkt die Bank aufgesucht, zu dem unter Einrechnung üblicher Banklaufzeiten das Pflegegeld dem Konto hätte gutgeschrieben sein müssen, so wären ihr die zusätzlichen Fahrten erspart geblieben. Durch die jeweils zeitversetzte Gutschrift des Pflegegeldes zu Beginn des Monats habe auch kein finanzieller Engpass für Frau M. eintreten können; es sei unerheblich, ob z.B. das Pflegegeld am letzten Tag des Vormonats auf dem Konto sei oder zu Beginn des Fälligkeitsmonats, wenn sich die Zeitspanne im darauf folgenden Monat entsprechend darstelle.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 23. Mai 2007 abgewiesen, jedoch die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Argumentation der Beklagten in ihrer Klageerwiderung sei zutreffend und werde übernommen, wobei in entsprechender Anwendung von § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von einer weiteren Darstellung abgesehen werde. Weiter hat das Sozialgericht auf das Urteil des Landessozialgerichtes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. Mai 2003 (L 6(16) P 40/02) Bezug genommen. Darin sei ausführlich und überzeugend dargelegt worden, dass das SGB XI selbst keine ausdrückliche Regelung zur Fälligkeit des Anspruches auf Pflegegeld enthalte. Weder aus § 41 SGB I noch aus der Rechtsprechung des BSG zur Fälligkeit des Pflegegeldes erschließe sich, dass das Pflegegeld grundsätzlich auch genau am 1. Kalendertag des Monas zur Verfügung stehen müsse. Ein Vergleich mit anderen Leistungsgesetzen, die den Zahlungszeitpunkt ausdrücklich regelten, verdeutliche dies. Auch diene das Pflegegeld im Gegensatz zu den Renten- und Versorgungsbezügen nicht der Deckung des laufenden Lebensunterhaltes. Es sei sogar bewusst so bemessen worden, dass es im Regelfall nicht einmal sämtliche für die Pflege anfallenden Kosten abdecke. Mit der Gewährung von Pflegegeld wolle der Gesetzgeber indirekt vor allem die Motivation von Familienangehörigen, Freunden oder Bekannten des Pflegebedürftigen stärken, um eine sonst drohende vermehrte Inanspruchnahme von stationärer Pflege zu vermeiden. Insoweit stelle das Pflegegeld wegen seiner relativ geringen Höhe letztlich nur eine Anerkennung oder einen Anreiz dar, nicht aber eine echte Gegenleistung für Pflegedienste. Die Berufung sei zugelassen worden, da eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu den hier streitigen Fragen nach wie vor fehle.

Gegen das ihr am 22. Juni 2007 zugestellte Urteil hat Frau M. am 13. Juli 2007 Berufung eingelegt. Sie hat mitgeteilt, eine über den bisherigen Vortrag hinausgehende Begründung sei nicht beabsichtigt.

Ihr Sohn und Prozessbevollmächtigter hat mit Schreiben vom 25. April 2008 mitgeteilt, dass seine Mutter am 8. April 2008 verstorben sei. Er sei Alleinerbe. Diese Angabe hat das Amtsgericht, Nachlassgericht Melsungen, auf Anfrage des Senats bestätigt.

Der nunmehrige Kläger beantragt

als Rechtsnachfolger seiner Mutter, das Urteil des Sozialgerichtes Kassel vom 23. Mai 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm als Schadensersatz 57,60 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 4 v. H. seit dem 11. August 2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben übereinstimmend einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist, verwiesen.

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