Landessozialgericht Hessen 06.11.2007, L 2 AR 7/06
Urteil, in dem für einen Rentner die Nachzahlung der Rente abgelehnt wurde.
- Spruchkörper: 2. Senat
- Aktenzeichen: L 2 AR 7/06
- Instanzenaktenzeichen: S 19 AR 5/06
- Instanzgericht: Sozialgericht Frankfurt am Main
- Gericht: Hessisches Landessozialgericht
- Entscheidungstyp: Urteil
- Entscheidungsdatum: 06.11.2007
- Rechtskraft: rechtskräftig
Tatbestand
Der Kläger beansprucht von der Beklagten die Nachzahlung von Rente.
Der 1936 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger türkischer Herkunft. Der Kläger erhielt von der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV- Bund) seit 1. Dezember 1972 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Diese wurde ab 1. Juli 2001 in eine Regelaltersrente umgewandelt und zuletzt mit Bescheid vom 2. April 2007 neu festgestellt für Bezugszeiten seit dem 1. Januar 1998 bis 30. Juni 2001. Die Rente wurde unter Berücksichtigung des Abkommens zwischen der und Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über soziale Sicherheit vom 30. April 1964 (Abk. Türkei Soz.Sich. BGBl. II, 1965, 1170) festgestellt, da neben Versicherungszeiten in der Deutschen Rentenversicherung Versicherungszeiten in der Türkei (101 Monate vertragsstaatliche Versicherungszeit - Blatt 798 der Beklagtenakte) nach Art. 27 Abs. 2 des Abkommens zu berücksichtigen waren. Nach dieser Abkommensvorschrift ist zunächst die Höhe der Rente zu berechnen, auf die ein Anspruch bestehen würde, wenn alle Versicherungszeiten ausschließlich nach deutschem Recht zurückgelegt worden wären. Hierbei nehmen die vertragsstaatlichen Zeiten jedoch nicht an der Bildung der Bemessungsgrundlage teil, sondern sind nur als Versicherungsjahre zu berücksichtigen. Die so errechnete Rente wird zu dem Teil gewährt, der im Verhältnis der vor Eintritt des Versicherungsfalles zurückgelegten Deutschen Versicherungszeit (einschließlich Ausfallzeiten ohne Zurechnungszeit) zur Gesamtversicherungszeit entspricht.
Nach seiner Angabe im Termin am 6. November 2007 bezieht der Kläger auch von der Beklagten eine Rente in geringer Höhe.
Am 27. Oktober 2005 beantragte der damals noch in B-Stadt wohnhafte Kläger von der Beklagten die Nachzahlung von Rente. Er erhielt daraufhin von der Beklagten ein an seine neue Wohnanschrift in I-Stadt adressiertes Ablehnungsschreiben vom 4. Januar 2006. Nach türkischem Gesetz könnten nur türkische Staatsangehörige ihre im Ausland abgelegten Dienstzeiten auf Antrag im Inland zwecks Sozialversicherung bewerten lassen. Falls der Kläger wieder zur türkischen Staatsangehörigkeit beitrete, könne eine neue Prüfung erfolgen.
Der Kläger sprach am 14. Februar 2006 beim Sozialgericht Frankfurt am Main mit dem Bescheid vom 4. Januar 2006 vor und erhob dagegen Klage. Er beanspruchte eine Verurteilung der Beklagten zur Rentennachzahlung.
Mit Gerichtsbescheid vom 6. September 2006 wies das Sozialgericht die Klage ab. Diese sei unzulässig. Für eine Klage gegen die Republik Türkei beziehungsweise einen türkischen Sozialversicherungsträger fehle es an der Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit, d.h. der Befugnis der deutschen Gerichte, über einen Anspruch gegen einen türkischen Sozialversicherungsträger zu entscheiden. Der Beklagte sei nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen und deutsche Gerichte dürften nicht über die Rechtmäßigkeit eines ausländischen Hoheitsaktes, hier die ablehnende Entscheidung vom 4. Januar 2006, entscheiden. Auch unter dem Gesichtspunkt einer internationalen Zuständigkeit ergebe sich nichts anderes.
Gegen den ihm am 20. September 2006 in der Türkei zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die vom Kläger am 20. November 2006 persönlich beim Sozialgericht Frankfurt am Main eingelegte Berufung, mit der er unter Hinweis auf das Abkommen vom 30. April 1964 und das Zusatzabkommen vom 2. November 1984 eine Nachzahlung von Rente beansprucht. Als deutscher Staatsbürger sei er berechtigt, vor einem deutschen Gericht seinen Nachzahlungsanspruch auf Rente gegenüber dem türkischen Sozialversicherungsamt zu verfolgen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. September 2006 aufzuheben und die Republik Türkei zur Nachzahlung einer höheren Rente zu verurteilen.
Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Verwaltungsakten des Klägers von der Deutschen Rentenversicherung Bund beigezogen. Außerdem lagen die Streitakten der früheren Verfahren des Klägers L 2 AR 1/06 und L 2 SF 58/06 vor.
Weiter hat der Senat noch eine Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 25. Juli 2007 zur Rentenzahlung der Republik Türkei an ehemalige türkische Staatsangehörige aus Zeiten früherer Zugehörigkeit zur türkischen Sozialversicherung eingeholt, die den Beteiligten zur Kenntnis gegeben wurde.
Zur Ergänzung des Tatbestandes und des Vorbringens des Klägers im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist unbegründet.
Das Sozialgericht hatte mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend entschieden, dass die vom Kläger gegen die Republik Türkei auf eine Rentennachzahlung gerichtete Klage unzulässig ist. Der Kläger, der eine Überprüfung des Ablehnungsbescheides des türkischen Sozialversicherungsamtes vom 4. Januar 2006 und Nachzahlung von türkischer Rente erreichen will, muss sich dazu an die nach türkischem Recht zuständige Stelle bzw. Behörde wenden. Darauf wurde er schon in seinem früheren Streitverfahren L 2 AR 1/06 (Senatsbeschluss vom 29. August 2006) hingewiesen. Der Wechsel des Klägers in die deutsche Staatsangehörigkeit hat nicht zur Folge, dass der beklagte türkische Staat deshalb von einem deutschen Gericht zur Zahlung einer höheren Rente aus türkischen Versicherungszeiten verurteilt werden könnte.
Da der Rechtsstreit vom Kläger eine Rentennachzahlung aus seiner türkischen Versicherung betraf, bedurfte es im vorliegenden Verfahren keiner Beiladung der DRV-Bund, die dem Kläger eine sog. Abkommensrente zahlt. Die vom Senat eingeholte Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 25. Juli 2007 hat allerdings bestätigt, dass beim sachlichen Anwendungsbereich des anzuwendenden deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommen unterschiedliche Auffassungen aus deutscher und türkischer Sicht bestehen, die bei einer beabsichtigten Revision des Abkommens beseitigt werden sollen. Ob sich dann eine für den Kläger günstige Beurteilung seines Rentenbegehrens ergibt, vermag der Senat nicht abzusehen. Dies ist auch nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Der Senat, der über den vom Kläger gegen die Beklagte geltend gemachten Nachzahlungsanspruch nicht befinden kann, bezieht sich zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe seines Beschlusses vom 29. August 2006, aber auch auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides, denen er sich anschließt (§ 153 Abs. 2. Sozialgerichtsgesetz – SGG). Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch kann nicht vor einem deutschen Gericht zulässig verfolgt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Gerichtskostenfreiheit auf einer entsprechenden Anwendung von § 183 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da es an den Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG fehlt.
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