Große Witwen- und Witwerrente nach § 46 Abs. 2 SGB VI

Während die kleine Witwenrente bzw. die kleine Witwerrente eine Unterhaltszuschussfunktion erfüllt, erfüllt die große Witwenrente bzw. die große Witwerrente eine Unterhaltsersatzfunktion. Bei dem anspruchsberechtigten Personenkreis geht der Gesetzgeber davon aus, dass diesem eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Daher soll durch die Gewährung einer großen Witwen-/Witwerrente der Unterhalt ersetzt werden. Die Anspruchsvoraussetzungen für die große Witwen-/Witwerrente ist in § 46 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VI – geregelt.

Im April 2023 nahmen insgesamt 4.861.621 Hinterbliebene die große Witwen- bzw. Witwerrente in Anspruch.

Höhe der großen Witwen-/Witwerrente

Die kleine Witwen-/Witwerrente wird in Höhe von 25 Prozent der Rente gewährt, auf die der Verstorbene zum Zeitpunkt des Todes einen Anspruch gehabt hätte. Die große Witwen-/Witwerrente wird hingegen in Höhe von 55 Prozent geleistet.

Nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden Recht wurde die große Witwen-/Witwerrente in Höhe von 60 Prozent geleistet. § 255 SGB VI regelt, welcher Personenkreis noch einen Anspruch auf die große Witwenrente in Höhe von 60 Prozent (Rentenartfaktor 0,6) hat. Dies sind Hinterbliebene, wenn

  • der Ehegatte vor dem 01.01.2002 verstorben ist oder
  • die Ehe vor dem 01.01.2002 geschlossen wurde und mindestens ein Ehegatte vor dem 02.01.1962 geboren ist.

Wird die Rente vor dem vollendeten 65. Lebensjahr des Verstorbenen beansprucht, wird ein Rentenabschlag von bis zu 10,8 Prozent in Abzug gebracht.

Andererseits wird bei der Berechnung der Witwen-/Witwerrente ein Zuschlag gewährt, wenn die große Witwen-/Witwerrente in Höhe von 55 Prozent gewährt wird und die/der anspruchsberechtigte Versicherte Kinder erzogen hat (s. hierzu: Zuschlag bei Witwen-/Witwerrenten). In diesem Fall erhöht eine Kinderkomponente die Witwen-/Witwerrente.

Anspruchsberechtigter Personenkreis

Auf die große Witwen-/Witwerrente besteht dann ein Anspruch, wenn ein grundsätzlicher Anspruch auf die kleine Witwen-/Witwerrente besteht. Diese Anspruchsvoraussetzungen können Sie unter Kleine Witwenrente, kleine Witwerrente nachlesen. Daneben muss noch eine weitere der folgend genannten Voraussetzungen vorliegen.

Kindererziehung

Ein Tatbestand, weshalb die große Witwenrente geleistet wird, ist nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, wenn die Witwe bzw. der Witwer ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten erzieht, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Um zu beurteilen, ob ein Kind „erzogen“ wird, ist nach § 1631 BGB vorzunehmen. Danach besteht die Pflicht, aber auch das Recht, ein minderjähriges Kind zu pflegen, zu beaufsichtigen, zu erziehen und den Aufenthalt zu bestimmen. Die Erziehung endet spätestens mit der Volljährigkeit (Vollendung des 18. Lebensjahres). Allerdings endet die Erziehung bereits dann, wenn das Kind in einem Heim auf Anordnung des Vormundschaftsgerichts untergebracht ist oder das minderjährige Kind heiratet und die Personensorge entsprechend § 1633 BGB auf die Vertretung in persönlichen Angelegenheiten beschränkt ist.

Als Kinder kommen sowohl die Kinder der Witwe/des Witwers oder die Kinder des Verstorbenen in Frage. Kinder können in diesem Sinne sowohl leibliche Kinder oder Adoptivkinder sein. Nach § 46 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 SGB VI wird der „Kinderbegriff“ um die Stief- und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB I) erweitert, sofern sie in den Haushalt der Witwe, des Witwers bzw. des Lebenspartners aufgenommen werden und um die Enkel und Geschwister, wenn sie in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen werden oder durch die Witwe, Witwer oder überlebenden Lebenspartner überwiegend unterhalten werden.

Nach § 46 Abs. 2 Satz 3 SGB VI können die genannten Kinder im Sinne der großen Witwen-/Witwerrente auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres anerkannt werden, wenn diese wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten.

Erreichen einer bestimmten Altersgrenze

Nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI entsteht der Anspruch auf die große Witwen/Witwerrente grundsätzlich erst dann, wenn der hinterbliebene Ehegatte bzw. Lebenspartner das 47. Lebensjahr vollendet hat. Diese Altersgrenze wurde mit Wirkung vom 01.01.2008 festgesetzt. Zuvor lag die Altersgrenze noch beim vollendeten 45. Lebensjahr.

§ 242a Abs. 4 SGB VI sieht eine Vertrauensschutzregelung vor, nach der bis zum 31.12.2011 die große Witwen-/Witwerrente bereits ab dem 45. Lebensjahr beansprucht werden kann. Ab dem Jahr 2012 wird die Altersgrenze schrittweise auf das 47. Lebensjahr angehoben. In welchen Schritten die Anhebung der Altersgrenze erfolgt, kann in der folgenden Tabelle abgelesen werden. Ab dem Jahr 2029 kann demnach die große Witwen-/Witwerrente erst ab dem vollendeten 47. Lebensjahr beansprucht werden.

Todesjahr des Versicherten Anhebung um Monate auf Alter
im Kalenderjahr   Jahr    Monat   
2012 1 45 1
2013 2 45 2
2014 3 45 3
2015 4 45 4
2016 5 45 5
2017 6 45 6
2018 7 45 7
2019 8 45 8
2020 9 45 9
2021 10 45 10
2022 11 45 11
2023 12 46 0
2024 14 46 2
2025 16 46 4
2026 18 46 6
2027 20 46 8
2028 22 46 10
ab 2029 24 47 0

Entsprechend der §§ 26 SGB X; 187 Abs. 2 BGB und 188 Abs. 2 BGB wird ein Lebensjahr am Vortag des jeweiligen Geburtstages vollendet. Um den Anspruch auf die große Witwen-/Witwerrente zu realisieren, muss das genannte Lebensalter nicht bereits zum Zeitpunkt des Todes erreicht sein.

Nach § 115 Abs. 3 Satz 2 SGB VI ist der Rentenversicherungsträger verpflichtet, die große Witwen-/Witwerrente zu leisten, sobald die maßgebende Altersgrenze vom Rentenberechtigten erreicht wird und bis zur maßgebenden Altersgrenze eine kleine Witwen-/Witwerrente bezogen wird. Wird hingegen die kleine Witwen-/Witwerrente nicht mehr geleistet, weil diese bereits für 24 Monate bezogen wurde, muss die große Witwen-/Witwerrente erneut beantragt werden, sobald die maßgebende Altersgrenze hierfür erreicht wird. In diesen Fällen wird der Rentenversicherungsträger nicht von Amts wegen tätig.

Bestehen einer Erwerbsminderung

Nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI kann eine große Witwen-/Witwerrente auch dann gewährt werden, wenn die Witwen/Witwer erwerbsgemindert sind.

Bezüglich der Erwerbsminderung wird auf § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI abgestellt. Zudem besteht ein Anspruch auf die große Witwen-/Witwerrente, wenn die Witwe, der Witwer, der überlebende Lebenspartner

  • vor dem 02.01.1961 geboren und im Sinne von § 240 Abs. 2 SGB VI berufsunfähig ist (vgl. § 242a Abs. 2 Nr. 1 SGB VI) oder
  • am 31.12.2000 berufs- oder erwerbsunfähig im Sinne der bis 31.12.2000 geltenden Fassung der §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 2 SGB VI waren und dies seitdem ununterbrochen sind (vgl. § 242a Abs. 2 Nr. 2 SGB VI).

Rechtsgültig verheiratet

Zwingende Voraussetzung für die Witwen-/Witwerrente ist, dass zum Zeitpunkt des Todes die bzw. der Hinterbliebene mit der/dem Verstorbenen rechtsgültig verheiratet war bzw. eine eingetragene Lebenspartnerschaft bestand.

Ob eine rechtsgültige Ehe vorliegt, wird grundsätzlich nach dem deutschen Eherecht beurteilt, welches nicht nur für deutsche, sondern auch für ausländische Staatsangehörige gilt, wenn die Heirat in der Bundesrepublik Deutschland erfolgt.

Eine Ehe ist auch dann für deutsche und ausländische Staatsangehörige wirksam, wenn diese unter Beachtung des Eherechts des jeweiligen Landes im Ausland geschlossen wird. Sofern im Ausland die Möglichkeit besteht, gleichzeitig mehrere Personen rechtsgültig zu heiraten – was in Deutschland ausgeschlossen ist – haben mehrere Personen einen Anspruch auf die Witwen-/Witwerrente. Die Rentenzahlung wird dann anteilig an die anspruchsberechtigten Hinterbliebenen geleistet. Die anteilige Aufteilung erfolgt nach § 34 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) und § 91 SGB VI anteilig nach dem Verhältnis der jeweiligen Einzelehedauer zur Gesamtehedauer.

Bei einer eingetragenen Lebenspartnerschaft im Ausland besteht ebenfalls ein Anspruch auf die Witwen-/Witwerrente. In diesem Fall muss jedoch die eingetragene Lebenspartnerschaft im Ausland der einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nach deutschem Recht entsprechen.

Zu beachten ist, dass die/der Hinterbliebene nur dann als verheiratet gilt, wenn eine Ehe bzw. eingetragene Lebenspartnerschaft nach den staatlichen Regeln besteht. Seit dem Jahr 2009 kann eine kirchliche Trauung auch ohne standesamtliche Trauung erfolgen. Sollte eine rein kirchliche Eheschließung vorliegen, löst diese keinen Anspruch auf eine Witwen-/Witwerrente aus.

Heiratsvermerk in Sterbeurkunde

Im Rahmen der Beantragung der Witwen- bzw. Witwerrente ist immer auch eine Sterbeurkunde beim zuständigen Rentenversicherungsträger mit einzureichen. Bei den Sterbeurkunden ist erforderlich, dass diese einen Heiratsvermerk enthalten. Durch den Heiratsvermerk ist ersichtlich, dass die Witwe bzw. der Witwer zum Zeitpunkt des Todes mit dem Verstorbenen verheiratet war bzw. dass eine rechtsgültige Lebenspartnerschaft bestanden hat. Der Heiratsvermerk ist auch dann erforderlich, wenn die Rentenzahlung für das Sterbevierteljahr beim Rentenservice beantragt wird. Es sollte daher unbedingt darauf geachtet werden, dass durch die Standesämter eine Sterbeurkunde mit Heiratsvermerk ausgestellt wird. Wird eine Sterbeurkunde online beantragt, ist die Variante „Beglaubigte Abschrift aus dem Sterberegister“ zu wählen.

Kein Rentenanspruch

Auf die große Witwen-/Witwerrente besteht in folgenden Fällen kein Anspruch bzw. ist der Rentenanspruch eingeschränkt.

Vorsätzlich herbeigeführter Tod

§ 105 SGB VI schließt den Anspruch auf die große Witwen-/Witwerrente aus, wenn der Tod des Ehegatten/Lebenspartners vom Angehörigen – also dem grundsätzlich Hinterbliebenenrentenberechtigten – vorsätzlich herbeigeführt wurde. Für die Prüfung des Tatbestandes der vorsätzlichen Tötung wird das Strafgerichtsurteil als Grundlage genommen.

Überlebende Lebenspartner

Für überlebende Lebenspartner ist nach § 105a SGB VI der Anspruch auf eine Witwen-/Witwerrente ausgeschlossen, wenn aus den Rentenanwartschaften des Verstorbenen ein Ehegatte für denselben Zeitraum einen Witwen-/Witwerrentenanspruch hat.

Rentensplitting unter Ehegatten/Lebenspartner

Seit dem 01.01.2002 besteht für Ehegatten und seit dem 01.01.2005 auch für Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz die Möglichkeit zur Durchführung eines Rentensplittings. Im Rahmen des Rentensplittings unter Ehegatten bzw. Rentensplittings unter Lebenspartnern werden die während der Splittingzeit erworbenen dynamischen Rentenanwartschaften unter den Ehegatten/Lebenspartnern partnerschaftlich geteilt. Wurde ein Rentensplitting unter Ehegatten/Lebenspartnern durchgeführt, schließt dies einen künftigen Anspruch auf eine große Witwen-/Witwerrente aus.

Das Rentensplitting kann dann sinnvoll sein, wenn aufgrund des Hinzuverdienstes die Witwen-/Witwerrente nicht zur Auszahlung kommt und der/dem Hinterbliebene/n aus dem Rentenkonto des Verstorbenen Entgeltpunkte auf das Rentenkonto übertragen werden.

Kurze Ehedauer/kurze Dauer Lebenspartnerschaft

Von einer Versorgungsehe bzw. Versorgungslebenspartnerschaft spricht man, wenn die Ehe/Lebenspartnerschaft zum Zeitpunkt des Todes noch nicht mindestens ein Jahr bestanden hat. Dies hat zur Folge, dass ein Anspruch auf die große Witwen-/Witwerrente grundsätzlich ausgeschlossen ist und ein Rentenanspruch verneint wird. Allerdings kann diese „Vermutung“ widerlegt werden. Wenn nachgewiesen wird, dass nicht der überwiegende Zweck der Heirat/Lebenspartnerschaft darin bestand eine Hinterbliebenenrente zu erlangen, kann dennoch ein Anspruch auf die große Witwen-/Witwerrente bestehen. Die Versorgungsehen/Versorgungspartnerschaften können verneint werden, wenn zum Zeitpunkt der Eheschließung/Begründung der Lebenspartnerschaft der Tod nicht vorhersehbar war, z. B. bei einem Unfalltod des Versicherten.

Der Ausschluss des Anspruchs auf die große Witwen-/Witwerrente aufgrund einer (angenommenen) Versorgungsehe/Versorgungslebenspartnerschaft findet nach § 242a Abs. 3 SGB VI keine Anwendung, wenn die Ehe/Lebenspartnerschaft vor dem 01.01.2002 geschlossen bzw. begründet wurde.

Liegt eine Versorgungsehe vor, kann für die/den Hinterbliebene/n die Beantragung eines Rentensplittings unter Ehegatten ratsam sein, sofern dies zu einen Zuschlag an Entgeltpunkten führt. Die Rechtsvorschriften über die die Durchführung des Rentensplittings unter Ehegatten enthalten keinen Ausschluss, wenn eine Versorgungsehe vorliegt. Das heißt, dass auch bei Vorliegen einer Versorgungsehe das Rentensplitting durchgeführt werden kann, was dann zu einem Zuschlag an Entgeltpunkten bei der/dem Hinterbliebenen führt, sofern diese/dieser während der Ehezeit geringere Entgeltpunkte aufgebaut hat als die/der Verstorbene. In diesem Zusammenhang muss jedoch beachtet werden, dass sich aufgrund der Kürze der Ehezeit (die Ehe kann bei Vorliegen einer Versorgungsehe nur weniger als ein Jahr bestanden haben) kein wesentlicher bzw. hoher Zuschlag an Entgeltpunkten ergeben kann.

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