Einkommensanrechnung bei Renten wegen Todes, § 97 SGB VI
Die Hinterbliebenenrenten, welche die Gesetzliche Rentenversicherung leisten kann, sollen das Entgelt, das Einkommen oder den Unterhalt ersetzen, welches durch den Tod des Versicherten entfallen ist. Daher erfüllen die Renten wegen Todes für die Hinterbliebenen eine Ersatzfunktion oder Zuschussfunktion. Sofern ein Rentenberechtigter allerdings noch ein ihm verbliebenes Leistungsvermögen so einsetzen kann, dass er durch eine Erwerbstätigkeit noch selbst ein Erwerbseinkommen erzielt, erfüllt die Hinterbliebenenrente nur noch eine Unterhaltszuschussfunktion. Das heißt, dass auf die Rente ein Einkommen des Rentenberechtigten anzurechnen ist, sodass diese nicht mehr in voller Höhe auszuzahlen ist.
Historie
Zu der Einkommensanrechnung kam es, weil das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 1975 den Gesetzgeber aufforderte, eine gesetzliche Regelung zu schaffen, mit der der geänderten Rolle der Frau Rechnung getragen wird. Frauen hatten bereits in den 1970er Jahren zunehmend eine Berufstätigkeit ausgeübt und damit auch selbst eigene Rentenanwartschaften erworben. Die Regelung musste der Gesetzgeber bis Ende 1984 schaffen.
Am 01.01.1986 wurden mit dem Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz (HEZG) die Hinterbliebenenrenten reformiert. Männer und Frauen hatten ab diesem Zeitpunkt unter gleichen Bedingungen einen Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente. Zugleich wurden Einkünfte über einem bestimmten Freibetrag bei der Rente berücksichtigt und angerechnet. Übergangsbestimmungen gewährleisteten, dass die neuen Regelungen vor allem für Frauen negative Auswirkungen hatten. Zudem wurden Wahlmöglichkeiten geschaffen, nach denen noch das bis 31.12.1985 geltende Recht gewählt werden konnte. Diese Regelungen wurden mit Einführung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) zum 01.01.1992 in das aktuelle Rentenrecht übernommen und auch auf die Waisenrenten an über 18-jährige Rentenbezieher ausgedehnt.
Betroffene Hinterbliebenenrenten
Von der Einkommensanrechnung sind folgende Hinterbliebenenrenten betroffen:
- Witwenrenten/Witwerrenten nach § 46 Abs. 1 und 2 SGB VI
- Witwenrenten/Witwerrenten an vor dem 01.07.1977 geschiedene Ehegatten nach § 243 SGB VI
- Witwenrenten/Witwerrenten nach dem vorletzten Ehegatten nach § 46 Abs. 3 SGB VI und § 243 Abs. 3 SGB VI
- Halbwaisenrenten/Vollwaisenrenten an ein Kind, welches das 18. Lebensjahr bereits vollendet hat (§ 48 SGB VI) – gilt nur für die Zeit bis Juni 2015
- Erziehungsrenten nach § 47 SGB VI und § 243a SGB VI
Die Einkommensanrechnung
Rechtsgrundlage für die Einkommensanrechnung ist § 97 Abs. 1 SGB VI, wonach Einkommen im Sinne der §§ 18a bis 18 e SGB IV, das mit einer Witwen-, Witwer-, Erziehungs- oder (bis Juni 2015) Waisenrente an ein über 18 Jahre altes Kind zusammentrifft, auf die Rente angerechnet wird.
Zu einer Einkommensanrechnung kommt es allerdings nicht, wenn die Rente für das sogenannte Sterbevierteljahr zu leisten ist. Als Sterbevierteljahr gilt das Monat des Todes und die drei folgenden Kalendermonate. Dies trifft allerdings nicht auf die Waisenrenten, die Witwen-/Witwerrenten an vor dem 01.07.1977 geschiedene Ehegatten und die Erziehungsrenten zu.
Ein Einkommen wird nicht vollständig auf die Hinterbliebenenrente angerechnet. Grundsätzlich kommt es nur zu einer Einkommensanrechnung, welches den gesetzlich definierten Freibetrag überschreitet. Hiervon werden dann 40 Prozent auf die Rente angerechnet (vgl. § 97 Abs. 2 SGB VI).
Freibetrag
Bei den Hinterbliebenenrenten gibt es Freibeträge. Das heißt, dass es zu keiner Einkommensanrechnung und damit zu keiner Rentenkürzung kommt, sofern die gesetzlich definierten Freibeträge nicht überschritten werden.
Der Freibetrag beträgt bei Witwen- und Witwerrenten und bei Erziehungsrenten das 26,4fache des aktuellen Rentenwerts. Bei Waisenrenten betrug der Freibetrag (dieser ist ab Juli 2015 entfallen) das 17,6fache des aktuellen Rentenwerts.
Hat die bzw. der Rentenberechtigte ein Kind, das einen Anspruch auf eine Waisenrente hat oder nur deshalb nicht hat, weil es sich nicht um das Kind des Verstorbenen handelt, wird der Freibetrag erhöht. Die Erhöhung erfolgt je Kind um einen Betrag in Höhe des 5,6fachen des aktuellen Rentenwerts.
Sofern für ein Kind ein Anspruch auf eine Waisenrente entsteht oder ein Anspruch endet oder wenn der gewöhnliche Aufenthalt von den alten Bundesländern (Rechtskreis West) in die neuen Bundesländer (Rechtskreis Ost) oder umgekehrt verlegt wird, kommt es zu einer Änderung des Freibetrags.
Da ab dem 01.07.2023 ein einheitlicher aktueller Rentenwert für den Rechtskreis West und Ost gilt, gibt es für Gesamt-Deutschland ab Juli 2023 auch einheitliche Freibeträge. Die Unterscheidung bei den Freibeträgen zwischen Rechtskreis West und Rechtskreis Ost ist damit entfallen!
Folgend ist die Übersicht der in den letzten Jahren geltenden Freibeträge:
Zeit (Werte in Euro) | Witwen-/Witwer- | Waisenrenten | Freibetrag je Kind | |||
West | Ost | West | Ost | West | Ost | |
07/24 bis 06/25 | 1.038,05 | entfallen | 220,19 | |||
07/23 bis 06/24 | 992,64 | entfallen | 210,56 | |||
07/22 bis 06/23 | 950,93 | 937,73 | entfallen | entfallen | 201,71 | 198,91 |
07/21 bis 06/22 | 902,62 | 883,61 | entfallen | entfallen | 191,46 | 187,43 |
07/20 bis 06/21 | 902,62 | 877,27 | entfallen | entfallen | 191,46 | 186,09 |
07/19 bis 06/20 | 872,52 | 841,90 | entfallen | entfallen | 185,08 | 178,58 |
07/18 bis 06/19 | 845,59 | 810,22 | entfallen | entfallen | 179,37 | 171,86 |
07/17 bis 06/18 | 819,19 | 783,82 | entfallen | entfallen | 173,77 | 166,26 |
07/16 bis 06/17 | 803,88 | 756,62 | entfallen | entfallen | 170,52 | 160,50 |
07/15 bis 06/16 | 771,14 | 714,12 | entfallen | entfallen | 163,58 | 151,48 |
07/14 bis 06/15 | 755,30 | 696,70 | 503,54 | 464,46 | 160,22 | 147,78 |
07/13 bis 06/14 | 742,90 | 679,54 | 495,26 | 453,02 | 157,58 | 144,14 |
07/12 bis 06/13 | 741,05 | 657,89 | 494,03 | 438,59 | 157,19 | 139,55 |
07/11 bis 06/12 | 725,21 | 643,37 | 483,47 | 428,91 | 153,83 | 136,47 |
07/10 bis 06/11 | 718,08 | 637,03 | 478,72 | 424,69 | 152,32 | 135,13 |
07/09 bis 06/10 | 718,08 | 637,03 | 478,72 | 424,69 | 152,32 | 135,13 |
07/08 bis 06/09 | 701,18 | 616,18 | 467,46 | 410,78 | 148,74 | 130,70 |
Zu berücksichtigendes Einkommen
Welches Einkommen nach § 97 SGB VI bei einer Hinterbliebenenrente angerechnet wird, ist in den §§ 18a bis 18e SGB IV (Viertes Buch Sozialgesetzbuch) definiert.
Bei den Hinterbliebenenrenten werden nach § 18a SGB IV die folgenden Einkommen berücksichtigt:
- Erwerbseinkommen
- Erwerbsersatzeinkommen (also Leistungen, die für den Ersatz des Einkommens erbracht werden)
- Vermögenseinkommen und
- Elterngeld
Erwerbseinkommen
Unter Erwerbseinkommen versteht man das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen und ein vergleichbares Einkommen. Arbeitsentgelt sind nach § 14 SGB IV alle laufenden und einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung. Arbeitsentgelt, das eine Pflegeperson von einem Pflegebedürftigen erhält, wird bei der Einkommensanrechnung nicht berücksichtigt, wenn dieses das Pflegegeld im Sinne des § 37 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) nicht übersteigt. Arbeitseinkommen ist der Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit, welcher nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelt wird. Als vergleichbares Einkommen werden beispielsweise Überbrückungsgelder vom Arbeitgeber oder Abgeordneten-Entschädigungen verstanden.
Erwerbsersatzeinkommen
Beim Erwerbsersatzeinkommen wird zwischen dem kurzfristigen und dem dauerhaften Erwerbsersatzeinkommen unterschieden. Dabei handelt es sich nach § 18a Abs. 1 Nr. 2 SGB IV jeweils um Leistungen, welche zum Ersatz des Erwerbseinkommens erbracht werden.
§ 18 Abs. 3 Nr. 1 SGB IV nennt als kurzfristiges Erwerbsersatzeinkommen das Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Mutterschaftsgeld, Übergangsgeld, Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld, Krankentagegeld und vergleichbare Leistungen.
Zum dauerhaften Erwerbsersatzeinkommen gehören die Einkommensarten, welche in § 18a Abs. 3 Nr. 2 bis 10 SGB IV genannt sind. Dies sind beispielsweise die Renten der Gesetzlichen Rentenversicherung wegen Alter oder verminderter Erwerbsfähigkeit und (soweit ein der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz entsprechender Betrag überschritten wird) die Verletztenrenten der Gesetzlichen Unfallversicherung. Auch Betriebsrenten, Altersrenten und Erwerbsminderungsrenten aus privaten Lebens- und Rentenversicherungen gehören zum dauerhaften Erwerbsersatzeinkommen in diesem Sinne.
Wichtig dabei ist, dass ein dauerhaftes Erwerbsersatzeinkommen nur dann angerechnet werden darf, wenn es sich um eine Rente aus eigener Versicherung handelt. Daher können Hinterbliebenenrenten bei der Einkommensanrechnung nicht als Einkommen berücksichtigt werden!
In der Vergangenheit kam es zu einer Änderung hinsichtlich der Anrechenbarkeit von Erwerbsersatzeinkommen. Eine wesentliche Änderung ergab sich zum 01.01.2002.
Für die Zeit bis 31.12.2001 wurde ein kurzfristiges Erwerbsersatzeinkommen nicht angerechnet, wenn dieses nicht von einem Sozialleistungsträger geleistet wurde. Hierzu zählt z. B. das Krankengeld von einer privaten Krankenversicherung.
Ebenfalls wurden bis 31.12.2001 Betriebsrenten, private Versorgungsrenten, Höherversicherungsanteile aus einer Versichertenrente, Zusatzrenten der öffentlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtung und Vermögenseinkommen nicht als Einkommen bei den Hinterbliebenenrenten angerechnet. Diese bisherigen Regelungen gelten noch für bestimmte Versicherte, denen ein Vertrauensschutz eingeräumt wurde. Nach der Vertrauensschutzregelung kommt es bei Hinterbliebenen bei diesen Einkunftsarten zu keiner Anrechnung, wenn
- eine Witwen- oder Witwerrente bezogen wird und der Ehepartner vor dem 01.01.2002 verstorben ist oder
- eine Witwen- oder Witwerrente bezogen wird und der Ehepartner zwar nach dem 31.12.2001 verstorben ist, die Ehe jedoch vor dem 01.01.2002 geschlossen und mindestens ein Ehepartner vor dem 02.01.1962 geboren wurde.
Diese Regelungen gelten auch für eingetragene Lebenspartnerschaften und wenn eine Erziehungsrente bezogen wird.
Vermögenseinkommen
Auch ein Vermögenseinkommen wird (seit dem 01.01.2002) bei der Einkommensanrechnung berücksichtigt. Dabei handelt es sich um Kapitaleinkünfte, Zins- und Gewinnanteile aus einer ausgezahlten Versicherungssumme, Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften und Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
Elterngeld
Das Elterngeld, welches ab dem Jahr 2007 das bisherige Erziehungsgeld abgelöst hat, wird seit dem 01.01.2007 – auch wenn es sich hier um eine steuerfreie Leistung handelt – bei der Einkommensanrechnung bei den Hinterbliebenenrenten berücksichtigt.
Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens
§ 18b SGB IV regelt, in welcher Höhe das Einkommen bei der Einkommensanrechnung zu berücksichtigen ist. Vom Brutto-Einkommen werden zunächst Pauschalwerte in Abzug gebracht. Die Pauschalwerte variieren je nach Einkommensart. Damit möchte der Gesetzgeber erreichen, dass durch den Abzug nach den Pauschalwerten ein relativ realistisches Netto-Einkommen errechnet wird.
Erstmaliges Zusammentreffen von Rente und Einkommen
Als Einkommen wird grundsätzlich das Einkommen des letzten Kalenderjahres (dividiert durch 12 Monate) herangezogen. § 18b Abs. 3 SGB IV sieht diesbezüglich eine Ausnahme vor. Wurde im letzten Jahr kein Einkommen oder nur Erwerbsersatzeinkommen erzielt, gilt für die Einkommensanrechnung das laufende Einkommen. Das – also die Berücksichtigung des laufenden Einkommens – gilt auch bei der erstmaligen Feststellung der Hinterbliebenenrente, wenn das laufende Einkommen im Durchschnitt voraussichtlich um wenigstens zehn Prozent geringer ist als das Einkommen des letzten Kalenderjahres. Mit dieser Regelung möchte der Gesetzgeber erreichen, dass es für die Rentenberechtigten nicht zu großen finanziellen Nachteilen kommt, sofern das aktuelle tatsächliche Einkommen wesentlich geringer ist als das Einkommen des letzten Jahres.
Beim Einkommen werden Einmalzahlungen bzw. jährliche Sonderzuwendungen wie beispielsweise Urlaubsgeld oder Weihnachtsgratifikation mit einem Zwölftel beim laufenden Einkommen berücksichtigt.
Erzielt der Rentenberechtigte ein schwankendes Einkommen, muss eine Durchschnittsberechnung erfolgen. Hier ist ab dem Monat des Zusammentreffens von Rente und Einkommen und den folgenden drei Monaten ein Durchschnitt zu bilden. Schwankendes Einkommen liegt dann vor, wenn in allen vier Kalendermonaten ein unterschiedliches Einkommen erzielt wurde.
Änderung der Einkommenshöhe
Sofern sich Änderungen beim laufenden Einkommen ergeben, werden diese – je nach Konstellation – zu unterschiedlichen Zeitpunkten rentenrechtlich berücksichtigt.
Ist das Einkommen komplett weggefallen, kommt der § 97 SGB VI überhaupt nicht mehr zum Tragen. Das bedeutet, dass die Einkommensanrechnung mit dem Wegfall des vollständigen Einkommens sofort endet und die Rente in voller Höhe geleistet wird.
Erfolgt eine Einkommenserhöhung, werden diese grundsätzlich mit der nächsten Rentenanpassung berücksichtigt. Die Rentenanpassungen (Erhöhung des aktuellen Rentenwertes) erfolgen immer zum 01.07. eines Jahres.
Einkommensminderungen sind ebenfalls erst mit der nächsten Rentenanpassung, also zum nächsten 01.07., zu berücksichtigen. Ist das Einkommen jedoch um mindestens zehn Prozent geringer als das berücksichtigte Einkommen ist, wird die Einkommensminderung vom Zeitpunkt des Eintritts an berücksichtigt. Kommt eine Einkommensminderung nur aufgrund des Bezugs eines kurzfristigen Erwerbsersatzeinkommens zustande, wird das geminderte Einkommen nur für die Zeit der Zahlung des Erwerbsersatzeinkommens berücksichtigt.
Beispiel:
Aufgrund des Todes ihres Ehemannes erhält eine Frau eine Witwenrente, welche grundsätzlich in Höhe von 1.300 Euro monatlich geleistet wird. Im Jahr 2012 und 2013 erhält die Rentenberechtigte, die in den alten Bundesländern wohnt, aufgrund einer eigenen Erwerbstätigkeit ein Brutto-Einkommen in Höhe von 24.000 Euro.
Ihre Tochter (zugleich die Tochter des verstorbenen Ehemannes) hat einen Anspruch auf eine Waisenrente.
Konsequenz:
Der Freibetrag beträgt im Kalenderjahr (bis Juni) 2013 (26,4 x 28,07 Euro =) 741,05 Euro. Hinzu kommt die Erhöhung des Freibetrags, weil ein Kind mit einem Waisenrentenanspruch vorhanden ist. Der Freibetrag erhöht sich daher um (5,6 x 28,07 Euro =) 157,19 Euro. Insgesamt hat die Frau damit einen Freibetrag von 898,24 Euro.
Von dem erzielten Brutto-Einkommen werden pauschal 40 Prozent in Abzug gebracht, sodass monatlich (24.000 Euro abzgl. 40 Prozent / 12 Monate) 1.200 Euro herangezogen werden. Der Freibetrag wird damit um (1.200,00 Euro – 898,24 Euro) 301,76 Euro überschritten. Die Witwenrente wird um 40 Prozent dieses Betrages gekürzt, sodass eine Brutto-Rente von [1.300 Euro – (301,76 Euro x 40 Prozent)] 1.179,30 Euro geleistet werden kann.
Mehrere Rentenansprüche
§ 97 Abs. 3 SGB VI regelt, wie ein Einkommen anzurechnen ist, wenn ein Rentenberechtigter einen Anspruch auf mehrere Hinterbliebenenrenten hat. Nach dieser Rechtsvorschrift ist ein Einkommen zuerst auf die Waisenrente, dann auf die Witwen-/Witwerrente und zuletzt auf die Witwen-/Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten anzurechnen.
Der Freibetrag kann insgesamt nur einmal berücksichtigt werden. Dabei ist der Freibetrag ausschlaggebend, der sich für die vorrangige Rente ergibt.
Trifft eine Erziehungsrente mit einer Hinterbliebenenrente zusammen, ist nach § 97 Abs. 4 SGB VI bei der Einkommensanrechnung auf die Hinterbliebenenrente das Einkommen zu Grunde zu legen, das sich nach Durchführung der Einkommensanrechnung auf die Erziehungsrente ergibt. Für den Fall, dass sowohl ein Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente sowohl aus der Gesetzlichen Unfallversicherung und auch aus der Gesetzlichen Rentenversicherung besteht, ist nach § 97 Ab. 3 Sätze 2 und 3 SGB VI ein erzieltes Einkommen vorrangig auf die Rente der Unfallversicherung anzurechnen. Sollte es zu keiner Zahlung der Hinterbliebenenrente aus der Unfallversicherung kommen, da die Einkommensanrechnung entsprechend hoch ist, wird ein verbleibendes Einkommen bei der Hinterbliebenenrente der Rentenversicherung angerechnet; ein Freibetrag wird hier dann nicht mehr berücksichtigt. Der Unfallversicherungsträger bestimmt in diesem Fall die Höhe des anzurechnenden Einkommens; diese Entscheidung ist dann für den Rentenversicherungsträger verbindlich (vgl. § 18b Abs. 6 SGB IV).
Übergangsregelungen
Nachdem am 01.01.1986 die Einkommensanrechnung bei den Hinterbliebenenrenten eingeführt wurde, mussten auch zur Abmilderung der negativen Folgen Übergangsregelungen geschaffen werden. Diese Übergangsregelungen sind in § 314 und § 314a SGB VI beschrieben. Von den Übergangsregelungen werden nur die Witwen- und Witwerrenten, die Witwen- und Witwerrenten nach dem vorletzten Ehegatten und die Waisenrenten erfasst.
Ist ein Versicherter vor dem 01.01.1986 verstorben oder die haben Ehegatten bis zum 31.12.1988 eine wirksame Erklärung über die weitere Anwendung des bis zum 31.12.1985 geltenden Hinterbliebenenrentenrechts abgegeben haben, kommt es zu keiner Einkommensanrechnung. Näheres zu dieser Thematik kann unter: Witwerrente nach Recht bis 31.12.1985 nachgelesen werden.
Ebenfalls kommt es auch bei den Witwen- und Witwerrenten an vor dem 01.07.1977 geschiedene Ehegatten bei Vorliegen einer entsprechenden Erklärung zu keiner Einkommensanrechnung.
Ist der Versicherte vor dem 01.01.1986 verstorben und wurde eine erneute Ehe der Witwe oder des Witwers für nichtig erklärt oder aufgelöst, erfolgt gemäß § 314 Abs. 2 SGB VI auch bei den Witwen- oder Witwerrenten nach dem vorletzten Ehegatten im Sinne des § 46 Abs. 3 SGB VI keine Einkommensanrechnung.
Rechtsprechung
Unfallrente wird auf Witwen-/Witwerrente angerechnet
Es ging um die Frage, ob Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung auch nach dem ab 01.01.2002 geltenden Recht als Erwerbseinkommen auf eine Witwenrente anzurechnen sind.
Hierzu wurde durch das Bundessozialgericht am 17.04.2012 (Az. B 13 R 15/11 R) im Revisionsverfahren entschieden, dass eine Anrechnung zu erfolgen hat, wodurch das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.01.2011 (Az: L 9 R 153/09) aufgehoben wurde.
Zum Fall
Zur gerichtlichen Entscheidung musste es kommen, weil einem Mann nach dem Tod seiner Ehefrau seine Unfallrente auf die Witwerrente angerechnet wurde. Der Kläger bezog selbst eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen durch die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) in Höhe von 1.100 Euro, sowie eine Unfallrente wegen 20 %iger Erwerbsminderung von der Bau-Berufsgenossenschaft (Bau-BG) in Höhe von 675 Euro. Als seine Frau im Dezember 2007 verstarb, beantragte der Kläger eine große Witwerrente, welche ihm von der DRV Bund auch genehmigt wurde. Allerdings erfolgte die Bewilligung mit der Einschränkung, dass die Witwerrente nur für das Sterbevierteljahr gezahlt würde und danach weggefallen wäre, da seine bereits bezogenen Renten zusammengerechnet die berechnete Witwerrente von ca. 300 Euro übersteigen würden. Mit der Zusammenrechnung der Renten war der Mann nicht einverstanden.
Der eingelegte Widerspruch und die nachfolgende Klage hatten keinen Erfolg, weshalb der Kläger vor das Landessozialgericht zog. Dieses war der Meinung dass eine Anrechnung nicht erfolgen dürfe und verurteilte die Beklagte, dem Mann ab 01.04.2008 eine Witwerrente ohne Anrechnung der Verletztenrente zu gewähren. Das Gericht war der Auffassung, dass hier nicht die Regelung des § 18 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB IV (Viertes Buch Sozialgesetzbuch) greift, die eine Verletztenrente explizit als anzurechnendes Erwerbseinkommen bezeichnet. Es komme hier vielmehr eine Neuregelung des § 18 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB IV zum Tragen, nach der steuerfreie Einnahmen des § 3 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht anzurechnen sind. Weiter führte das Gericht aus, dass der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung stringent die Richtlinien des EStG anwenden und eine steuerfreie Verletztenrente ausdrücklich nicht berücksichtigen wollte. Außerdem wird hierzu in Satz 2 Nr. 1 speziell keine Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz aufgezeigt.
Zum Urteil
Das Bundessozialgericht war nicht dieser Auffassung. Es stellte vielmehr eindeutig fest, dass sich das Urteil des LSG nicht auf einen offensichtlichen Gesetzestext zurückführen lässt. Es führte hierzu aus, dass zum einen nach dem eindeutigen Wortlaut des § 18 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB IV Ersatzeinkommen zu berücksichtigen ist, wozu auch die Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung zählt, da sie im § 18 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB IV ausdrücklich bezeichnet wird. Zum anderen weist aber § 18 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB IV eindeutig darauf hin, dass steuerfreie Einnahmen nach § 3 EStG nicht als Einkommen zu bewerten sind. Der § 3 Nr. 1 Buchstabe a EStG weist nun Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, also auch Verletztenrenten, eindeutig als steuerfreies Einkommen aus. Bei einer zielgerechten Würdigung des Wortlautes muss man aber eindeutig davon ausgehen, dass der Ausschlusstatbestand für steuerfreie Einkommen von der Spezialregelung des § 18 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB IV eindeutig in den Hintergrund gedrängt wird.
Das Bundessozialgericht legte mit seinem Urteil die Anrechenbarkeit von Verletztenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Hinterbliebenenrenten eindeutig fest. Betroffen sind hiervon nicht nur alle Fälle bei denen der Tod bzw. die Eheschließung nach dem 31.12.2001 eingetreten sind und keiner der Partner vor dem 02.01.1962 geboren ist, sondern auch die Altfälle, bei denen Tod bzw. Eheschließung vor dem 01.01.2002 eingetreten sind und mindestens ein Partner vor dem 02.01.1962 geboren ist.
Aufstockungsbeträge bei Altersteilzeit sind kein Erwerbsersatzeinkommen
Nach dem bis 31.12.2001 geltenden Recht wurde Einkommen auf eine Witwenrente angerechnet. Ist es nun statthaft eine solche Anrechnung weiterhin vorzunehmen? Darüber hatte das Bundessozialgericht am 17.04.2012 zu entscheiden (Az: B 13 R 73/11 R).
Zum Fall
Kläger war ein Mann (geb. 02.01.1962) der seit dem 01.01.2002 verheiratet war (§ 114 SGB IV). Er befand sich bereits in Altersteilzeit als seine Ehefrau im September 2007 starb. Von seinem Arbeitgeber erhielt der Mann neben einem monatlichen Bruttolohn von ca. 2.200 Euro einen steuerfreien Aufstockungsbetrag von monatlich ca. 700 Euro (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. A Altersteilzeitgesetz – AltTZG).
Der Rentenversicherungsträger wollte bei der Beurteilung der Hinterbliebenenrente die Aufstockungsbeträge entsprechend anrechnen, weshalb der Versicherte den Klageweg beschritt.
Zum Urteil
In seinem Urteil vom 17.04.2012 gab das Bundessozialgericht dem Kläger recht und legte ganz klar fest, dass die während einer Altersteilzeit gezahlten steuerfreien Aufstockungsbeträge (§ 18a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB IV, Fassung gültig bis 31.12.2001) nicht auf eine Hinterbliebenenrente anzurechnen sind, da es sich hierbei weder um Arbeits- oder vergleichbares Einkommen noch Erwerbsersatzeinkommen handelt. Diese Aufstockungsbeträge sind somit nicht als Erwerbseinkommen zu behandeln.
Die Richter des Bundessozialgerichts waren bei ihrer Entscheidungsfindung der Auffassung, dass nach der inhaltlichen Formulierung des § 18a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB IV des Altersvermögensergänzungsgesetzes in der Fassung ab 01.01.2002 steuerfreie Aufstockungsbeträge ausnahmsweise als Einkommen auf eine Hinterbliebenenrente anzurechnen sind. Der Begriff „Erwerbseinkommen“, der im § 114 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV selbst nicht genauer definiert wird, umfasst Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen und vergleichbares Einkommen. Wobei steuerfreie Aufstockungsbeträge nach der bis 31.12.2001 gültigen Rechtslage bzw. Vorschriften nicht als leistungs- bzw. beitragsrechtliches Arbeitsentgelt zu betrachten gewesen waren. Diese Auffassung wurde durch den 5. Senat des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 17.04.2007 (SozR 4-2400 § 18a Nr.1) genau begründet und entschieden Der jetzt urteilende Senat unterstrich diese Auffassung und schloss sich ihr vollkommen an.
Der Meinung des Rentenversicherungsträgers folgten die Richter nicht. Vielmehr waren sie der Meinung, dass die steuerfreien Aufstockungsbeträge auch kein dem Erwerbseinkommen vergleichbares Einkommen nach § 18a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB IV in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung sind, was durch den 5. Senat bereits ebenso beurteilt wurde. Aufstockungsbeträge sind zwar durch die Formulierung des § 14 SGB IV ausdrücklich erfasst, sind aber als lohnsteuerfreie Zuschläge nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, wenn man die Vorschriften von § 17 Abs. 1 SGB IV und § 1 Arbeitsentgeltverordnung heranzieht. Steuerfreie Aufstockungsbeträge sind eindeutig nicht einer Tätigkeit mit Erwerbseinkommen zuzuordnen, da sie nicht für eine entsprechende Arbeitsleistung gezahlt werden, sondern dem Arbeitnehmer als Leistung aus dem AltTZG durch die Bundesagentur für Arbeit zustehen und gezahlt werden.
Auswirkung
Das Urteil des Bundessozialgerichts führte dazu, dass die Rentenversicherungsträger, nach ausführlichen Beratungen, die neue Regelung nicht nur für den entsprechenden Einzelfall sondern auch auf alle zukünftigen Fälle anwenden werden. Die bisher vertretene Meinung wird, auch für Fälle in denen nicht das seit 01.01.2002 geltende Recht zur Anwendung kam, nicht weiter aufrechterhalten.
Der Bundesvorstand der Deutschen Rentenversicherung Bund hat weitergehend definitiv beschlossen, dass steuerfreie Aufstockungsbeträge auch im Rahmen der Anwendung des § 96a SGB VI als nicht anzurechnendes Einkommen zu betrachten sind. Diese Entscheidung ist ohne zeitliche Begrenzung gültig, da hier keine entsprechende Änderung der Rechtsprechung zum 01.01.2002 erfolgt ist.