Bundessozialgericht 28.06.2018, B 5 R 25/17 R

  • Spruchkörper: 5. Senat
  • Aktenzeichen: B 5 R 25/17 R
  • 1. Instanz: Sozialgericht Lüneburg, Urteil vom 08.03.2016, Az. S 33 R 445/14
  • 2. Instanz: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16.11.2016, Az. L 2 R 176/16
  • 3. Instanz: Bundessozialgericht
  • Entscheidungstyp: Urteil
  • Entscheidungsdatum: 28.06.2018
  • Rechtskraft: rechtskräftig

Gründe:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte für die Zeit ab 1.7.2014.

Der am.2.1951 geborene Kläger trat nach einer beruflichen Ausbildung vom 1.8.1967 bis 31.7.1970 am 1.8.1970 in das Berufsleben ein. Vom 1.4.1971 bis zum 30.9.1972 sowie vom 18.8. bis zum 14.9.1975 und vom 19. bis 30.1.1976 unterbrach er seine berufliche Tätigkeit zwecks Ableistung des Wehrdienstes und für die Zeit vom 24.2. bis 30.6.1978 zwecks Absolvierung einer Fachschulausbildung. Der Versicherungsverlauf enthält für die Zeit vom 1.8. bis 14.11.1973, vom 1.7. bis 11.8.1974 sowie vom 23.4. bis 9.6.1975 Lücken, für die Zeit vom 1.7. bis 2.9.1978 von der Bundesagentur für Arbeit (BA) gemeldete Zeiten und für die Zeit vom 3.9. bis 10.9.1978 wiederum eine Lücke.

Der Kläger war zuletzt bei der B. des D GmbH (b ), der Muttergesellschaft eines Konzerns, als Sachbearbeiter Finanzen und Rechnungswesen für den Bereich Außenbüro H. in der zum Konzern gehörenden Zentralabteilung Finanzen und Rechnungswesen mit Hauptsitz in E. bei D. beschäftigt. Die Konzerngruppe besteht aus den Unternehmen: B. des D GmbH (b ), B. GmbH (b ), i. gesellschaft des b mbH (auf den Jugendbereich spezialisiertes Tochterunternehmen mit Dienstleistungen in den Bereichen Jugend, Bildung und Beruf) sowie die w. (Tochterunternehmen für die Bereiche Personaltransfer, Personalentwicklung und Beratungsdienstleistungen). Die Muttergesellschaft b war in verschiedene Bereiche untergliedert, so in den Bereich Hauptverwaltung mit einem Außenbüro in H ... Zum 30.6.2012 wurde das Außenbüro des Betriebs der Hauptverwaltung in H. aufgrund betriebsorganisatorischer Veränderungen, die zu einer interessenausgleichspflichtigen Maßnahme führten, geschlossen.

Mit Schreiben vom 20.3.2012 kündigte die Arbeitgeberin dem Kläger fristgerecht zum 31.12.2012 aus dringenden betrieblichen Gründen. In der Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich vom 23.1.2012 wurde unter Ziffer 3 vereinbart, dass bei der Arbeitgeberin an den Standorten des Betriebs der Hauptverwaltung ua in H. die dort aufgeführten Stellen ersatzlos wegfielen. Ferner wurde festgestellt, dass Einigkeit bestehe, dass es nicht um einen Interessenausgleich gemäß § 1 Abs 5 Kündigungsschutzgesetz gehe. Unter Ziffer 4 ist festgelegt worden, dass ua das Außenbüro Finanzen und Rechnungswesen H. des Betriebs der Hauptverwaltung zum 30.6.2012 endgültig stillgelegt wird. Unter Ziffer 6 ist bestimmt: "Alle im Betrieb der Hauptverwaltung - einschließlich der o.g. Standorte - beschäftigten Arbeitnehmer, deren Stellen nach Maßgabe dieses Interessenausgleichs endgültig ersatzlos wegfallen und deren individuelle Kündigungsfrist über das o.g. jeweilige Stilllegungsdatum des entsprechenden Außenbüros hinausreicht, werden ab Stilllegung des betreffenden Außenbüros bis zum Ablauf der individuellen Kündigungsfrist unwiderruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Anrechnung von Urlaubs-, Gutstunden- oder Freizeitausgleichsansprüchen und ohne Anrechnung eines etwaigen Zwischenverdienstes freigestellt."

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2012 bezog der Kläger ab Januar 2013 Arbeitslosengeld (Alg). Die BA, Agentur für Arbeit Ü. , stellte mit Ruhensbescheid vom 17.1.2013 fest, dass der Anspruch des Klägers auf Alg für die Zeit vom 1.1. bis 21.1.2013 ruhe, weil der Kläger von seinem bisherigen Arbeitgeber einen finanziellen Ausgleich für nicht genommenen Urlaub erhalten habe. Für die Zeit vom 22.1.2013 bis 20.1.2015 bewilligte die BA dem Kläger für eine Anspruchsdauer von insgesamt 720 Tagen Alg und entrichtete aufgrund des Leistungsbezugs Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Bis Dezember 2012 legte der Kläger insgesamt 536 Beitragsmonate in der gesetzlichen Rentenversicherung zurück.

Am 8.5.2014 beantragte er bei der Beklagten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab 1.7.2014. Zugleich gab er an: "Sofern ich aufgrund einer Gesetzesänderung die abschlagsfreie Altersrente mit 45 Beitragsjahren ab dem 1. Juli 2014 in Anspruch nehmen kann, wünsche ich vorrangig die Gewährung dieser Altersrente."

Mit Bescheid vom 11.6.2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Teilzeitarbeit beginnend ab 1.7.2014 unter Berücksichtigung eines Abschlags von 0,060 bei der Berechnung des Zugangsfaktors wegen Verminderung für 20 Kalendermonate, in denen die Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch genommen werde. Gegen die Bewilligung der Altersrente mit Abschlägen erhob der Kläger am 10.7.2014 Widerspruch und beantragte zugleich, die Gewährung der abschlagsfreien Altersrente mit 45 Beitragsjahren gemäß seinem Rentenantrag vom 8.5.2014 zu bescheiden.

Mit Bescheid vom 5.9.2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab, weil der Kläger die Mindestversicherungszeit für diese Rente nicht erfülle. Bis zum 1.7.2014 enthalte das Versicherungskonto des Klägers statt der erforderlichen 540 Monate nur 536 Wartezeitmonate. Dies reiche für den Anspruch auf eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte nicht aus. Die Zeiten des Leistungsbezugs von Alg in den letzten zwei Jahren vor dem Rentenbeginn könnten nicht mitgezählt werden, weil der Arbeitgeber nicht seine gesamte Betriebstätigkeit eingestellt habe. Die Aufgabe eines Standortes, einer Filiale oder die Zusammenlegung von Betriebsteilen sei nicht ausreichend, um den Tatbestand der vollständigen Geschäftsaufgabe zu begründen.

Mit seiner hiergegen bei dem SG Lüneburg erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Nach Nachholung und Abschluss des Vorverfahrens mit Widerspruchsbescheid vom 6.1.2015, mit dem die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurückwies, hat das SG die Klage mit Urteil vom 8.3.2016 abgewiesen.

Mit Urteil vom 16.11.2016 hat das LSG Niedersachsen-Bremen die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte stehe nicht entgegen, dass dem Kläger mit Bescheid vom 11.6.2014 zum 1.7.2014 eine andere Altersrente, nämlich wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit gemäß § 237 SGB VI bewilligt worden sei. Zwar schließe § 34 Abs 4 Nr 3 SGB VI nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters oder für Zeiten des Bezugs einer solchen Rente den Wechsel in eine andere Rente wegen Alters aus. Ein Wechsel im Sinne dieser Vorschrift sei allerdings nicht gegeben, wenn die Anspruchsvoraussetzungen für die gewünschte abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte - wie hier geltend gemacht - vorher oder gleichzeitig mit der bewilligten Altersrente vorlägen. Ein Anspruch auf eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte scheitere aber daran, dass der Kläger die erforderliche Wartezeit von 45 Jahren nicht zum 1.7.2014 erfüllt habe. Bis Dezember 2012 habe der Kläger nur 536 Monate an rentenrechtlichen Zeiten zurückgelegt, die auf die 45-jährige Wartezeit anrechenbar seien. Die 18 Monate des Alg-Bezugs mit Beitragszahlung durch die BA von Januar 2013 bis Juni 2014 könnten nicht auf die Wartezeit angerechnet werden, weil sie in den letzten zwei Jahren vor dem gewünschten Rentenbeginn lägen und daher nach den Vorgaben des § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 SGB VI für die Berechnung der 45-jährigen Wartezeit nicht berücksichtigungsfähig seien. Die (Rück-)Ausnahmeregelung, wonach solche Zeiten gleichwohl angerechnet werden dürften, wenn der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitsgebers bedingt sei, greife nicht ein. Letzter Arbeitgeber des Klägers sei (seit dem 19.1.2004) die B. des D GmbH (b ). Diese Gesellschaft habe lediglich verschiedene Standorte, so auch den des Klägers in H. , aufgrund einer geplanten Betriebsänderung in der Hauptverwaltung geschlossen und daher dem Kläger aus dringenden betrieblichen Gründen gekündigt. Aus Sicht der Arbeitgeberin des Klägers habe es sich dabei um eine notwendige Betriebsänderung gehandelt. Eine solche bedeute weder eine vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers noch könne sie einer solchen gleichgesetzt werden. Die Arbeitgeberin des Klägers habe nicht ihre gesamte, alle Standorte, Filialen und Betriebsteile umfassende Betriebstätigkeit komplett eingestellt. Der Tatbestand des § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 SGB VI stelle nicht auf eine irgendwie geartete "Geschäftsaufgabe", sondern speziell auf eine "vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers" ab. Es genüge damit nach dem Gesetzeswortlaut gerade nicht, dass der Arbeitgeber irgendein "Geschäft" aufgebe, sondern er müsse seine gesamten wirtschaftlichen Aktivitäten vollständig aufgeben. Die b bestehe hingegen noch fort und werbe auf ihrer Website, dass der Unternehmensverbund Schulungsstätten an über 200 Standorten in ganz Deutschland (darunter weiterhin auch H. ) mit 45 000 Teilnehmern betreibe. Die Gesetzesmaterialien und die Systematik der gesetzlichen Vorgaben böten auch keine tragfähige Grundlage für die Annahme, dass eine über den Wortlaut hinausgehende Interpretation der erläuterten (Rück-)Ausnahmevorschrift dem gesetzgeberischen Willen entsprechen würde. Ebenso wenig sei ein anderes Verständnis der Norm im Wege verfassungskonformer Auslegung möglich. Diese ende dort, wo sie - wie hier - mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch träte. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung bestünden nicht.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision (Beschluss vom 17.8.2017 - B 5 R 396/16 B) rügt der Kläger eine Verletzung von § 51 Abs 3a Nr 3a SGB VI iVm § 236b SGB VI sowie Art 3 Abs 1 und 3 GG.

Zum einen habe das LSG das Tatbestandsmerkmal der "vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers" in § 51 Abs 3a SGB VI fehlerhaft ausgelegt. Der Begriff der vollständigen Geschäftsaufgabe werde, soweit erkennbar, in keinem anderen bundesdeutschen Gesetz verwandt. Von daher sei aus anderen gesetzlichen Bestimmungen kein direkter Anhaltspunkt dafür zu finden, wie stark einschränkend oder aber weit auslegend der Begriff zu fassen sei. Umgangssprachlich komme dem Wort Geschäft bereits eine unterschiedliche Bedeutung zu. Man könne es betreten (räumlich), eines abschließen, machen (kaufmännisch) oder verrichten (biologisch). Am ehesten führe hier die räumliche Variante zu einem Ergebnis: Im Sinne der Umgangssprache sei ein Geschäft auch eines von möglicherweise bundesweit mehreren hundert Ladenlokalen. Dies spreche dafür, dass auch die Schließung eines Betriebs, Betriebsteilsstandorts oder einer Filiale ausreiche. Juristisch werde der Begriff - jeweils in Zusammensetzung - ebenfalls mannigfaltig verwandt. Zusammenfassend sei darauf hinzuweisen, dass bürgerliches, Arbeits-, Gesellschafts- und Sozialrecht zahlreiche Regelungen bereithielten, die - untechnisch gesprochen - das Verschwinden eines Arbeitgebers vom Markt regelten. Der Gesetzgeber hätte hieran anknüpfen oder auf bestehende Regelungen verweisen können. Dass er einen völlig neuen Begriff gewählt habe, lege nahe, dass er die in den vorhandenen Begriffen enthaltenen Wertungen nicht als Maßstab habe wählen wollen. Jedenfalls liege in einer Betriebsänderung - die das LSG hier ausdrücklich festgestellt habe - eine vollständige Geschäftsaufgabe. Diese liege der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers zugrunde. Die Betriebsänderung als vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers des Klägers sei als kausal für den Bezug von Entgeltersatzleistungen durch diesen anzusehen.

Ferner verletze das angefochtene Urteil Art 3 Abs 1 und 3 GG. Zum einen würden Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den Beitragsmonaten 1 bis 516 auf die 45-jährige Wartezeit angerechnet, während dies in den Beitragsmonaten 517 bis 540 grundsätzlich nicht der Fall sei. Zum anderen werde bei Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den Beitragsmonaten 517 bis 540 nach der Ursache der Arbeitslosigkeit differenziert und würden nur die Ursachen "Insolvenz" und "vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers" im Unterschied zu allen sonstigen Ursachen privilegiert, in dem diese Zeiten doch auf die Wartezeit angerechnet werden könnten. Beide Ungleichbehandlungen seien nicht gerechtfertigt und unverhältnismäßig. Insbesondere handele es sich um Ungleichbehandlungen größerer Intensität, weil die Versicherten durch eine Verhaltensänderung nur schwer der Ungleichbehandlung ausweichen könnten bzw im Hinblick auf unverschuldete Arbeitslosigkeit - und damit alle Unterarten der betriebsbedingten Kündigung - überhaupt keine Einflussmöglichkeit der betroffenen Versicherten bestünde. Ferner seien die vom Gesetzgeber geregelten Ausnahmetatbestände nicht geeignet, Missbrauch zu verhindern. Sie seien im Gegenteil im besonderen Maße missbrauchsanfällig und die Regelung der Ausnahmetatbestände weder vertretbar noch nachvollziehbar. Letztlich seien die Ungleichbehandlungen auch nicht angemessen. Mit der Regelung zur Sperrzeit nach § 159 SGB III existiere bereits eine Bestimmung, die daran anknüpfe, ob ein Versicherter seine Beschäftigungslosigkeit herbeigeführt habe oder unverschuldet in eine solche geraten sei. Außerdem könne zur Vermeidung von Missbräuchen die Berücksichtigungsfähigkeit von Zeiten des Alg-Bezugs in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn davon abhängig gemacht werden, ob die BA eine Sperrzeit verhängt habe. Es gebe somit ein milderes Mittel, das besondere Härten zu vermeiden helfe. Zumindest aber sei § 51 Abs 3a SGB VI teleologisch derart zu reduzieren, dass er auf Personen wie den Kläger keine Anwendung finde. Dieser sei zu einer Zeit arbeitslos geworden, als die Norm noch nicht existiert habe. Eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Alg und anschließender Rente, die der Gesetzgeber habe verhindern wollen, sei seinerzeit nicht möglich gewesen, weil die Regelung zur Zeit der Arbeitslosigkeit des Klägers nicht existent gewesen bzw publiziert worden sei, sodass nicht von einer entsprechenden Kenntnis des Klägers ausgegangen werden könne. Schließlich stelle die Ausschlussregelung in § 51 Abs 3a SGB VI eine mittelbare Altersdiskriminierung dar.

Der Kläger beantragt,

  1. die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 16. November 2016 und des Sozialgerichts Lüneburg vom 8. März 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 2014 und den Widerspruchsbescheid vom 6. Januar 2015 aufzuheben und
  2. die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab 1. Juli 2014 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

II

Die zulässige Revision ist nicht begründet.

Zu Recht hat das LSG die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab 1.7.2014. Er erfüllt die gesetzlichen Voraussetzungen für diese Rente nicht (dazu A.). Auch verstößt § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 2 und 3 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) vom 23.6.2014 (BGBl I 787) nicht gegen die Verfassung (dazu B.). Eine Aussetzung des Verfahrens und eine Vorlage an das BVerfG nach Art 100 Abs 1 GG kommen daher nicht in Betracht.

A. Einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage ist § 236b Abs 1 iVm Abs 2 S 1 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes vom 23.6.2014.

1. Ein Anspruch des Klägers auf die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach dieser Vorschrift scheitert nicht bereits daran, dass er seit dem 1.7.2014 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit bezieht. Zwar bestimmt § 34 Abs 4 Nr 3 SGB VI, dass nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters oder für Zeiten des Bezugs einer solchen Rente der Wechsel in eine andere Rente wegen Alters ausgeschlossen ist. Diese Regelung betrifft aber nicht den Anspruch auf eine andere Altersrente, die vor oder gleichzeitig mit der bindend bewilligten oder bezogenen Altersrente beginnt (Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD für ein Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung - BT-Drucks 16/3794 S 33 Erl zu Nr 7 (§ 34) Buchst c).

2. Ein Anspruch des Klägers aus § 236b Abs 1 iVm Abs 2 S 1 SGB VI ist aber deswegen nicht gegeben, weil dessen Voraussetzungen nicht vorliegen. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte, die vor dem 1.1.1953 geboren sind, Anspruch auf eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet (Abs 1 Nr 1) und die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt haben (Abs 1 Nr 2). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zwar ist der Kläger vor dem 1.1.1953 - am.2.1951 - geboren und hatte am 1.7.2014 das 63. Lebensjahr vollendet. Er erfüllt jedoch nicht die 45-jährige Wartezeit.

Welche Zeiten auf die 45-jährige Wartezeit angerechnet werden, regelt § 51 Abs 3a S 1 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes vom 23.6.2014. Danach werden auf die Wartezeit von 45 Jahren Kalendermonate angerechnet mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit (Nr 1), Berücksichtigungszeiten (Nr 2), Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung (Nr 3 Buchst a), Leistungen bei Krankheit (Nr 3 Buchst b) und Übergangsgeld (Nr 3 Buchst c), soweit sie Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind (Teils 1), wobei Zeiten nach Buchst a in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt werden (Teils 2), es sei denn, der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung ist durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt (Teils 3). Ferner werden auf die Wartezeit von 45 Jahren unter bestimmten Voraussetzungen Kalendermonate mit freiwilligen Beiträgen angerechnet (Nr 4).

Nach den nicht angegriffenen und damit bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat der Kläger bis Dezember 2012 536 Kalendermonate zurückgelegt, die auf die 45-jährige Wartezeit (= 540 Monate) anrechenbar sind. Die darüber hinaus von Januar 2013 bis Juni 2014 zurückgelegten 18 Monate des Bezugs von Alg, einer Entgeltersatzleistung der Arbeitsförderung (§ 3 Abs 4 Nr 1 SGB III), sind nach den Vorgaben des § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 2 und 3 SGB VI nicht anrechnungsfähig.

a) Die genannten Zeiten hat der Kläger zum einen in den letzten zwei Jahren vor dem gewünschten Rentenbeginn 1.7.2014 zurückgelegt (Teils 2).

Eine teleologische Reduktion des Teils 2 dergestalt, dass von ihm nur Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung erfasst werden, die nach dem 1.7.2014 (oder einem anderen Zeitpunkt wie etwa der Publizierung der Regelung) liegen, kommt nicht in Betracht.

Eine teleologische Reduktion setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus (Grüneberg in Palandt, BGB, 77. Aufl 2018, Einleitung RdNr 49). Eine solche ist nicht erkennbar. Unter welchen Voraussetzungen bzw mit welchen Begrenzungen Zeiten des Bezugs von Alg auf die Wartezeit von 45 Jahren anrechnungsfähig sein sollten, ist während des Gesetzgebungsverfahrens unter verschiedenen Gesichtspunkten diskutiert worden. Im Rahmen der öffentlichen Anhörung vom Sachverständigen ist insbesondere auch angesprochen worden, ob nur Zeiten der Arbeitslosigkeit vor dem 1.7.2014 im Rahmen der Wartezeit berücksichtigungsfähig sein sollten (vgl schriftliche Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände vom 29.4.2014 zur öffentlichen Anhörung vom Sachverständigen, Ausschussdrucks 18(11)82, S 20, 28; schriftliche Stellungnahme des Prof. Dr. Eckart Bomsdorf vom 28.4.2014 zur öffentlichen Anhörung vom Sachverständigen, Ausschussdrucks 18(11)82, S 62, 63). Angesichts dessen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber eine weitere zeitliche Differenzierung zwischen anrechnungsfähigen und nicht anrechnungsfähigen Zeiten des Bezugs von Alg bewusst oder unbewusst nicht geregelt hat.

b) Zum anderen ist der Alg-Bezug nicht durch eine vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers - die vorliegend allein als Rückausnahmefall in Betracht kommt - bedingt (Teils 3).

Der Bezug von Alg ist nur dann durch eine vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt, wenn das gesamte Unternehmen des konkreten rechtlichen Arbeitgebers als Basis vorhandener Beschäftigungen wegfällt, dh die gesamte Unternehmensorganisation insbesondere durch Entlassung aller Arbeitnehmer, dh Beendigung sämtlicher Beschäftigungen, und Veräußerung oder sonstige Weggabe aller Sachmittel aufgelöst wird.

aa) Ein solches Verständnis des im Gesetz nicht näher umschriebenen und auch durch den allgemeinen Sprachgebrauch nicht eindeutig bestimmten Begriffs der "vollständigen Geschäftsaufgabe" (dazu (1)) ergibt sich unter Berücksichtigung des Bedeutungsgehalts ähnlicher Wortverbindungen (dazu (2)) sowie von Sinn und Zweck der Norm (dazu (3)) und systematischen Erwägungen (dazu (4)).

(1) § 51 Abs 3a SGB VI definiert den Begriff "vollständige Geschäftsaufgabe" nicht. Ebenso wenig lässt sich insoweit ein eindeutiges allgemeines Sprachverständnis unter Betrachtung des Teilworts "Geschäft" feststellen. "Geschäft" bedeutet zB "Handel, Umsatz, Nutzen, Überschuss, Rendite" (Duden Bd 8, Das Synonymwörterbuch, 6. Aufl 2014, S 444 Definitionen "Geschäft" Ziff 1) oder etwa "Betrieb, Firma, gewerbliches/kaufmännisches Unternehmen, Handelsfirma, Handelsgeschäft, Handelsunternehmen, Laden, Einzelhandelsgeschäft, Kaufhalle, Kaufhaus, Ladengeschäft" (Duden, aaO, S 445 Definitionen "Geschäft" Ziff 2) oder auch "Amt, Aufgabe, Pflicht, Obliegenheit" (Duden, aaO, Definitionen "Geschäft" Ziff 3). Von diesen Inhaltsbestimmungen kommen im hier maßgeblichen Zusammenhang lediglich die Synonyme im Sinne von organisatorischen oder örtlichen Einheiten (Duden, aaO, Definitionen unter Ziff 2) in Betracht, weil nur sie in der Lage sind, die Beschäftigung von Menschen zu veranlassen, bzw nur in ihnen Beschäftigung ausgeübt werden kann. Diese Begrenzung erlaubt indes noch nicht die Bestimmung eines eindeutigen Inhalts des Worts "Geschäft", weil die berücksichtigungsfähigen Definitionen sowohl das Unternehmen als Gesamtheit als auch einzelne Unternehmensteile wie zB Standorte erfassen. Ein allgemeiner rechtlicher Sprachgebrauch ist ebenfalls nicht ersichtlich (vgl nur Creifelds, Rechtswörterbuch, 22. Aufl 2017, S 559 und Gabler, Lexikon, Recht in der Wirtschaft, 1998, S 425, die keinerlei Definition enthalten).

Die weiteren (Teil-)Begriffe "vollständig" und "-aufgabe" der Gesamtformulierung, die ua bedeuten "erschöpfend, ganz, gesamt, komplett, lückenlos, voll" (Duden, aaO, S 1047 Definitionen "vollständig" Buchst a) bzw "abschaffen, auflösen, räumen, schließen, liquidieren" (Duden, aaO, S 118 Definitionen "aufgeben" Ziff 3 b) indizieren allerdings, dass das Gesetz unter dem Wort "Geschäft" das gesamte Unternehmen und nicht (auch) Unternehmensteile verstanden wissen will.

(2) Zu diesem Ergebnis führt ebenfalls eine Betrachtung ähnlicher Wortverbindungen wie die in § 111 S 3 Nr 1 BetrVG verwendete Formulierung "Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen" oder die "vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit" iS von § 165 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB III.

Zwar scheidet eine Definition der "vollständigen Geschäftsaufgabe" im Sinne dieser Begrifflichkeiten aus. Da der Gesetzgeber in § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 3 SGB VI nicht den Begriff "Betrieb" verwendet hat, liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er in dieser Norm unter "Geschäft" den Betrieb im Sinne des BetrVG verstanden wissen will. Ebenso wenig kommt eine Übertragung des Sinngehalts "vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit" in Betracht. Denn Teils 3 stellt nicht auf die Beendigung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ab, sondern auf den Wegfall der Einheit, in der eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird; zudem kann eine Tätigkeit unabhängig von dem Schicksal dieser Einheit beendet werden (vgl auch BSGE 51, 296, 297 = SozR 4100 § 141b Nr 18 S 73).

Allerdings können aus den in § 111 S 3 Nr 1 BetrVG und § 165 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB III verwendeten Formulierungen Anhaltspunkte für das Wortverständnis des Begriffs "vollständige Geschäftsaufgabe" in § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 3 SGB VI abgeleitet werden.

Die in § 111 S 3 Nr 1 BetrVG vorgenommene Differenzierung zeigt zunächst, dass der Gesetzgeber durchaus deutlich macht, ob er eine Rechtsfolge an das Schicksal der gesamten Unternehmenseinheit oder (auch) an das Schicksal ihrer Teile knüpft. Hinsichtlich § 165 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB III ist relevant, dass die "vollständige" Beendigung der Betriebstätigkeit im Sinne der Norm grundsätzlich das Ende jeder vom Arbeitgeber veranlassten, dem Betriebszweck dienenden Tätigkeit erfordert (BSG Urteil vom 8.2.2001 - B 11 AL 30/00 R - Juris RdNr 17 zur Vorgängervorschrift des § 141b Abs 3 Nr 2 AFG). Beide Formulierungen sprechen mithin dafür, dass das Gesetz in § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 3 SGB VI die Aufgabe des gesamten Unternehmens meint.

Im Einzelnen verlangt die Stilllegung des Betriebs in § 111 S 3 Nr 1 BetrVG die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern bestehenden Betriebs- und Produktions- oder Dienstleistungsgemeinschaft, die ihre Veranlassung und zugleich ihren sichtbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, den bisherigen Betriebszweck aufzugeben (vgl BAG Beschluss vom 27.6.1995 - 1 ABR 62/94 - Juris RdNr 21 mwN; vgl auch Hohenstatt/Willemsen in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht, 8. Aufl 2018, § 111 BetrVG RdNr 23).

In Anlehnung an diese Definitionen ist unter einer vollständigen Geschäftsaufgabe das Ende und damit die Auflösung der gesamten Unternehmensorganisation insbesondere durch Entlassung aller Arbeitnehmer und Veräußerung oder sonstige Weggabe aller Sachmittel zu verstehen.

Ob sich die erforderliche gesamte Auflösung der Unternehmensorganisation in weiterer Anlehnung an § 165 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB III und im Sinne einer teleologischen Reduktion des Anwendungsbereichs des § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 3 SGB VI auf das Inland beschränkt, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.

(3) Dieses Auslegungsergebnis, die vollständige Geschäftsaufgabe im Sinne der Auflösung der gesamten Unternehmensorganisation und damit des Wegfalls des gesamten Unternehmens als Basis vorhandener Beschäftigungen, wird bestätigt durch den sich aus den Gesetzesmaterialien ergebenden Sinn und Zweck des § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 2 und 3 SGB VI.

Welches Verständnis dem Begriff "vollständige Geschäftsaufgabe" bei der Konzeption des § 51 Abs 3a SGB VI zugrunde gelegt worden ist, geben die Gesetzesmaterialien nicht ausdrücklich an. Der ursprüngliche Entwurf des § 51 Abs 3a SGB VI sah weder eine Ausnahme von der Anrechenbarkeit der Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung auf die 45-jährige Wartezeit noch eine Rückausnahmeregelung für bestimmte Fälle vor (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) vom 25.3.2014 - BT-Drucks 18/909, S 7 Anl 1 Art 1 Nr 2 Buchst c und S 13 f Begründung A.I.). Erst im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens empfahl der Ausschuss für Arbeit und Soziales zwecks Vermeidung von Fehlanreizen, die sich aus der Anrechnung von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung auf die Wartezeit von 45 Jahren bei der Altersrente für besonders langjährig Versicherte ergeben könnten, diese Zeiten nicht zu berücksichtigen, wenn sie in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn lägen; um Härtefälle zu verhindern, sollten diese Zeiten zwei Jahre vor Rentenbeginn nur dann anrechnungsfähig sein, wenn sie durch Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt seien (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) vom 21.5.2014 - BT-Drucks 18/1489, S 5 und S 26 zu Buchst b). Welche Voraussetzungen an das Vorliegen einer vollständigen Geschäftsaufgabe zu stellen sind, ist dabei nicht erläutert worden.

Anhaltspunkte für die Bedeutung des Begriffs "vollständige Geschäftsaufgabe" bzw "durch eine vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt" lassen sich aber der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22.7.2014 (BT-Drucks 18/2186) entnehmen, in der die Formulierung Vermeidung bzw Verhinderung von "Fehlanreizen" wieder aufgenommen wird. Im Einzelnen heißt es dort (BT-Drucks 18/2186, S 9):

"Bereits bei Kabinettsbeschluss bestand Einigkeit, dass im parlamentarischen Verfahren zu prüfen sein wird, wie Frühverrentung verhindert werden kann. Denn Ziel der sogenannten Rente ab 63 soll nicht sein, bereits zwei Jahre vor Rentenbeginn aus dem Erwerbsleben auszuscheiden und über den Bezug von Arbeitslosengeld in die abschlagsfreie Rente zu gehen. Um derartige Missbräuche von vornherein auszuschließen, werden Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs in den letzten zwei Jahren vor Eintritt in die abschlagsfreien Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab 63 Jahre nicht mitgezählt. Eine Ausnahme gilt für diejenigen Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs, die durch eine Insolvenz oder eine vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers verursacht wurden. Denn in diesen Fällen liegt typischerweise keine missbräuchliche Frühverrentung vor.

Zutreffend ist, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch aus anderen Gründen als einer Insolvenz oder einer vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers unverschuldet arbeitslos werden können. Die Einführung großzügigerer Kriterien als einer Insolvenz oder einer vollständigen Geschäftsaufgabe wäre jedoch missbrauchsanfällig und daher ungeeignet, Fehlanreize zu verhindern. Denn in anderen als den geregelten Ausnahmefällen ist kein Nachweis darüber möglich, dass für die Arbeitslosigkeit allein Gründe maßgeblich waren, die frei von missbräuchlichen Absichten sind."

Das Ziel, eine missbräuchliche Frühverrentung von vornherein auszuschließen, ist regelmäßig nur erreichbar, wenn unter Geschäftsaufgabe die Aufgabe des gesamten Unternehmens des Arbeitgebers zu verstehen ist.

Wird das gesamte Unternehmen des Arbeitgebers aufgegeben, dh aufgelöst bzw geschlossen oder abgeschafft (Duden, aaO, S 118 Definition "aufgeben" Ziff 3 b), fällt die Basis jedweder möglichen Beschäftigung weg, mit der Folge, dass zumindest im Regelfall eine missbräuchliche Beendigung von Beschäftigungen zwecks Frühverrentung durch ein Zusammenwirken von Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgeschlossen ist. Wo keinerlei Beschäftigungsbasis mehr existiert, weil der Arbeitgeber diese aufgibt, scheidet eine Beschäftigung von Arbeitnehmern zwingend und schlechthin aus. Für eine missbräuchliche, der Frühverrentung dienende Beendigung von Arbeitsverhältnissen einzelner Arbeitnehmer lässt dieser Sachverhalt keinen Raum. Dabei kann unter Zugrundelegung allgemeiner Lebenserfahrung als sicher ausgeschlossen werden, dass ein Arbeitgeber sein Unternehmen aufgibt, um einzelnen Arbeitnehmern eine vorzeitige Verrentung zu ermöglichen.

Verstünde man dagegen unter "Geschäft" iS von § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 3 SGB VI auch einen Unternehmensteil, kann ein missbräuchliches Zusammenwirken von Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht ausgeschlossen werden. In diesem Fall wäre es möglich, ältere Arbeitnehmer zunächst in den Teil des Unternehmens oder an solche Standorte umzusetzen, die ohnehin aus betrieblichen Erwägungen des Arbeitgebers geschlossen werden sollen, und danach diesen Geschäftsteil aufzugeben. Interne, nicht dokumentierte Absprachen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind insoweit immer möglich.

(4) Für das hier vertretene Begriffsverständnis spricht ferner der zweite gesetzlich geregelte Rücknahmetatbestand, die Insolvenz des Arbeitgebers. Insolvenzbedingt ist der Alg-Bezug nur dann, wenn sich die Beendigung einer Beschäftigung - die ihrerseits Ursache der Arbeitslosigkeit als Voraussetzung für Alg ist (§ 136 Abs 1 Nr 1 SGB III) - als Ergebnis einer verfahrensrechtlich durch die InsO gelenkten Tätigkeit darstellt, was der Fall ist, wenn die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses auf der Erklärung, zB Kündigung, einer Person beruht, deren Handlungsbefugnis durch die InsO begründet ist. Als solche Person kommt der (vorläufige) Insolvenzverwalter oder der Arbeitgeber in der Funktion als Schuldner in Eigenverwaltung in Betracht (vgl dazu im Einzelnen Urteil des Senats vom 17.8.2017 - B 5 R 8/16 R - SozR 4-2600 § 51 Nr 1 RdNr 20 ff, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).

(a) Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, ernennt das Insolvenzgericht im Regelfall einen Insolvenzverwalter (§ 27 Abs 1 S 1 InsO). Mit der Eröffnung des Verfahrens tritt der Insolvenzverwalter in die Arbeitgeberstellung ein (Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, 2. Aufl 2010, S 643 RdNr 4; Müller-Glöge/Preis/Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 18. Aufl 2018, Einführung InsO RdNr 37, § 113 RdNr 1). Damit ist er aus den Arbeitsverhältnissen, die auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortbestehen (§ 108 Abs 1 S 1 InsO), nach Maßgabe der geltenden Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, Arbeitsvertragsregelungen und Gesetze berechtigt und verpflichtet (Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO). Die Kündigungs- und Anfechtungsbefugnis gehen auf ihn über (Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO; Berscheid, Arbeitsverhältnisse in der Insolvenz, 1999, RdNr 518). Bereits vor der Eröffnung hat das Insolvenzgericht die Befugnis, vorläufige Maßnahmen zur Sicherung des Schuldnervermögens anzuordnen. Bei der Anordnung der vorläufigen Verwaltung wird differenziert zwischen der sog "schwachen" Verwaltung mit Zustimmungsvorbehalt gemäß § 21 Abs 2 S 1 Nr 2 Alt 2 InsO und der sog "starken" Verwaltung mit Verfügungsverbot gemäß § 21 Abs 2 S 1 Nr 2 Alt 1, § 22 InsO (Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO, S 641 RdNr 2). Die Anordnung der "schwachen" vorläufigen Verwaltung hat keine Auswirkung auf die Arbeitgeberstellung; der Insolvenzschuldner bleibt Arbeitgeber (Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO; Berscheid, aaO, RdNr 499). Eine von ihm ausgesprochene Kündigung von Arbeitsverhältnissen ist jedoch nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam, sofern sich nichts anderes aus den Anordnungen des Insolvenzgerichts ergibt (vgl BAG Urteil vom 10.10.2002 - 2 AZR 532/01 - Juris RdNr 23 ff; Rüntz in Kayser/Thole, Insolvenzordnung, 8. Aufl 2016, S 227 RdNr 17). Ordnet das Insolvenzgericht die "starke" vorläufige Verwaltung an, so geht mit diesem Zeitpunkt die Arbeitgeberstellung, insbesondere das Kündigungsrecht auf den Insolvenzverwalter über (vgl Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO; Berscheid, aaO, RdNr 492).

Im Regelinsolvenzverfahren hat damit der Arbeitgeber nach Eröffnung des Verfahrens keine Möglichkeit mehr, Arbeitsverhältnisse zu beenden und ist auch vor dem Eröffnungsbeschluss bei Anordnung vorläufiger Maßnahmen zumindest von der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters bei Kündigungen abhängig.

Ordnet das Gericht dagegen ausnahmsweise (dazu Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO, S 498 RdNr 7) Eigenverwaltung an (§§ 270 ff InsO), erhält der Schuldner zwar die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse, unterliegt aber der umfassenden Aufsicht und Überwachung eines vom Insolvenzgericht eingesetzten Sachwalters (§ 270 Abs 1 S 1 InsO; Undritz in Schmidt, InsO, 19. Aufl 2016, § 270 InsO RdNr 25; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 3. Aufl 2017, § 270 RdNr 29). Dabei schließt der Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen (§§ 21 ff InsO) grundsätzlich nicht aus (Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO, S 502 RdNr 14).

Bei Anordnung der Eigenverwaltung wird der Schuldner daher zumindest in seinen Verfügungen kontrolliert.

(b) Die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse gemäß § 26 Abs 1 S 1 InsO führt etwa bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften, Genossenschaften und Offenen Handelsgesellschaften sowie Kommanditgesellschaften, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, zu deren Auflösung (§ 60 Abs 1 Nr 5 GmbHG, § 262 Abs 1 Nr 4 AktG, § 81a Nr 1 GenG, § 131 Abs 2 Nr 1 HGB, § 161 Abs 2 HGB). Die Auflösung führt zur Abwicklung (Liquidation) der Gesellschaft (vgl Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl 2017, § 60 RdNr 2; Kamanabrou in Oetker, HGB, 5. Aufl 2017, § 131 RdNr 19; Füller in Bürgers/Körber, Aktiengesetz, 4. Aufl 2017, § 262 RdNr 12) und anschließender Beendigung (vgl Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl 2016, § 60 RdNr 19 mwN; vgl zur Löschung vermögensloser Gesellschaften und Genossenschaften § 394 FamFG). Damit entfällt in diesen Fällen das Unternehmen als Basis der Beschäftigung des Arbeitnehmers, sodass eine missbräuchliche Kündigung insoweit ebenfalls ausscheidet. Dies gilt letztlich ebenso, wenn der Arbeitgeber eine natürliche Person ist. Auch diese ist im Fall ihrer - durch Beschluss des Insolvenzgerichts nachgewiesenen - Vermögenslosigkeit wirtschaftlich nicht in der Lage, ein Unternehmen fortzuführen.
(c) Die zweite Alternative der Insolvenz, die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse, entspricht der vollständigen Geschäftsaufgabe im Sinne des Wegfalls des gesamten Unternehmens. Die erste Alternative der Insolvenz, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens einschließlich der Anordnung vorläufiger Maßnahmen, ist der vollständigen Geschäftsaufgabe im obigen Sinne in der Wirkung vergleichbar. Beide Ereignisse schließen typischerweise einen Missbrauch aus, die vollständige Geschäftsaufgabe in tatsächlicher Hinsicht durch Wegfall der Beschäftigungsbasis und das eröffnete Insolvenzverfahren in rechtlicher Hinsicht durch Wegfall der uneingeschränkten Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers.

bb) Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Revision vermögen nicht zu überzeugen.

Zwar ist der Hinweis des Klägers zutreffend, dass im Fall der Insolvenz der verfügungsberechtigte Insolvenzverwalter an die Stelle des Arbeitgebers tritt und die Verfügungsbefugnis gerade Voraussetzung ist, um ein Arbeitsverhältnis durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag beenden zu können. Diese Erwägung lässt indes den Umstand unberücksichtigt, dass die Norm eine missbräuchliche Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch ein Zusammenwirken von Arbeitgeber und Arbeitnehmer verhindern will, sodass es insoweit allein auf den Wegfall der Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers ankommt. Zwar kann ein missbräuchliches Zusammenwirken zwischen Insolvenzverwalter und Arbeitnehmer nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Angesichts dessen, dass es sich bei dem Insolvenzverwalter um eine unabhängige, unternehmensfremde Person handelt, die den Arbeitnehmern nicht durch eine möglicherweise jahrelange Zusammenarbeit mit einem hieraus gewachsenen Vertrauensverhältnis verbunden ist, kann dies aber für den Regelfall und damit typischerweise nicht angenommen werden.

Die ferner vom Kläger vertretene Auffassung, die vollständige Geschäftsaufgabe in dem vom Senat verstandenen Sinne sei einer hierfür erforderlichen Kündigung oder Aufhebung von Arbeitsverhältnissen vorgelagert, was rechtlich nicht möglich sei, verkennt, dass die Geschäftsaufgabe ein Prozess, ein Abwicklungsverfahren ist, an dessen Ende erst der völlige Wegfall der Unternehmensorganisation und damit der Wegfall der Basis von Beschäftigungen steht. Die vollständige Geschäftsaufgabe und der ihr zugrunde liegende ernsthafte Willensentschluss des Unternehmers vollzieht sich insbesondere in der Beendigung laufender Geschäftsvorgänge, der Unterlassung neuer, dem Unternehmenszweck dienender Geschäfte, der - ggf sukzessiven - Entlassung aller Arbeitnehmer, dem Abbau vorhandener Sachmittel sowie der Abmeldung des Gewerbes oder einer Löschung im Handelsregister. Wie weit dieser Prozess fortgeschritten bzw welche dieser Schritte verwirklicht sein müssen, um im Einzelfall zur Anrechenbarkeit von Zeiten des Alg-Bezugs in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn auf die 45-jährige Wartezeit zu führen, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

cc) Eine vollständige Geschäftsaufgabe im dargelegten Sinne liegt hier nämlich schon im Ansatz nicht vor. Nach den nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) besteht die Arbeitgeberin des Klägers, die B. des D GmbH (b ) fort und wirbt damit, dass der Unternehmensverbund Schulungsstätten an über 200 Standorten in ganz Deutschland (darunter weiterhin auch in H. ) betreibt. Entscheidungsrelevant ist allein, dass aufgrund der weiteren Existenz der Arbeitgeberin für den Kläger bei dieser - unabhängig von dem geschlossenen Arbeitsvertrag und dem dort vereinbarten Einsatzort - weiterhin Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen.

3. Eine analoge Anwendung des § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 3 SGB VI auf Fälle des Alg-Bezugs aufgrund der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wegen Auflösung eines Standorts des Arbeitgebers oder gar auf sämtliche unfreiwilligen und unverschuldeten Beendigungen von Arbeitsverhältnissen kommt nicht in Betracht.

Eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke im Gesetz voraus (BGHZ 149, 165, 174; BGH NJW 2007, 992, 993 und 2008, 1446 Tz 14; BAG NJW 2003, 2473, 2474 f; BFH NJW 2006, 1837). Eine solche liegt hier nicht vor. Dem Gesetzgeber war bewusst, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch aus anderen Gründen als einer Insolvenz oder einer vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers unverschuldet arbeitslos werden können. Er hat sich trotz dieser Erkenntnis lediglich für die zwei genannten Rückausnahmen entschieden, weil in allen anderen Fällen kein Nachweis darüber möglich sei, dass die Arbeitslosigkeit nicht auf missbräuchlichen Absichten beruhe (vgl Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22.7.2014 - BT-Drucks 18/2186, S 9). Der Gesetzgeber hat daher wissentlich und willentlich eine nur enge Rückausnahmeregelung geschaffen.

B. § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 2 und 3 SGB VI stehen mit der Verfassung in Einklang.

1. Eine Verletzung von Art 3 Abs 3 GG wegen Altersdiskriminierung scheidet schon deshalb aus, weil der Katalog der in der Grundrechtsnorm aufgeführten Merkmale abschließend ist und das Merkmal "Alter" nicht enthält (BAGE 61, 151, 161).
2. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liegt ebenfalls nicht vor.

a) Es ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar, dass Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung gemäß § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 2 SGB VI in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn entgegen der Grundregel des Teils 1 nicht auf die Wartezeit von 45 Jahren angerechnet werden.

Der allgemeine Gleichheitssatz iS von Art 3 Abs 1 GG gebietet zwar, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl nur BVerfGE 117, 272, 300 f = SozR 4-2600 § 58 Nr 7; stRspr).

Die Regelung des Teils 2 benachteiligt die Personengruppe, die Zeiten iS des Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a SGB VI in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn zurückgelegt hat, gegenüber der Personengruppe, die derartige Zeiten vor diesem Zeitraum absolviert hat und damit der Grundregel des Teils 1 unterfällt.

Die unterschiedliche Behandlung der dargestellten Gruppen durch den Gesetzgeber wird durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt.

Da eine Anordnung des Gesetzgebers, Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung, soweit sie Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind, auf die 45-jährige Wartezeit anzurechnen, angesichts der weiten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit (BVerfGE 122, 1, 23; 130, 240, 254 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1; BVerwGE 101, 86, 95; BSGE 70, 62, 67 = SozR 3-5750 Art 2 § 62 Nr 6) aus Verfassungsgründen nicht geboten war, kann es ihm grundsätzlich auch nicht verwehrt sein, für sie zeitliche Grenzen zu setzen. Insoweit liegt ein Vergleich mit der Zulässigkeit von Stichtagsregelungen nahe (vgl BVerfGE 80, 297, 311 = SozR 5795 § 4 Nr 8).

Dem Gesetzgeber ist es durch Art 3 Abs 1 GG nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Einführung eines Stichtags überhaupt notwendig ist und sich die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiert und damit sachlich vertretbar ist (vgl zB BVerfGE 101, 239, 270; 117, 272, 301 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7; BVerfGE 123, 111, 128; 126, 369, 399 = SozR 5050 § 226 Nr 9).

Einer Prüfung anhand dieser Kriterien hält § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 2 SGB VI stand.

aa) Der Gesetzgeber durfte die Einführung einer zeitlichen Begrenzung der Anrechnung von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung auf die Wartezeit von 45 Jahren im Sinne eines Berücksichtigungsausschlusses in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn für notwendig halten.

Die Ausschlussregelung iS des Teils 2 ist in das Gesetz aufgenommen worden, um eine missbräuchliche Frühverrentung von vornherein zu verhindern. Die sog "Rente ab 63" dient - wie bereits oben ausgeführt - nicht dem Ziel, bereits zwei Jahre vor Rentenbeginn aus dem Erwerbsleben auszuscheiden und über den Bezug von Alg in die abschlagsfreie Rente zu wechseln (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22.7.2014 - BT-Drucks 18/2186, S 9). Der Gesetzgeber durfte von der Gefahr einer missbräuchlichen Frühverrentung ausgehen. Es liegt im Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers, bei einer nicht eindeutig geklärten und auch nicht ohne Weiteres aufklärbaren Sachlage seinen Entscheidungen über zu ergreifende Maßnahmen eine Gefährdungsprognose zugrunde zu legen, wobei er sich allerdings nicht auf eine der Lebenserfahrung geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebenssachverhalte stützen darf (BVerfGE 138, 136 RdNr 144 mwN). Die Gefährdungsprognose des Gesetzgebers ist nicht zu beanstanden.

Die Einschätzung einer missbräuchlichen Frühverrentung kann sich nicht auf empirisch nachweisbare Befunde stützen; ebenso wenig ist ein derartiger Sachverhalt im Voraus aufklärbar oder vorhersehbar, weil das Rentenzugangsgeschehen multifaktoriell ist und sich aus dem Zusammenwirken verschiedener Akteure, wie zB individuellen Überlegungen aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebersicht, ergibt (vgl schriftliche Stellungnahme der BA zur öffentlichen Anhörung vom Sachverständigen am 5.5.2014 - Ausschussdrucks 18(11)82 S 32, 33). Es stellt auch keine der Lebenserfahrung widersprechende Würdigung des Lebenssachverhalts dar, dass ältere Arbeitnehmer, die bereits ein langes und in der Regel anstrengendes Erwerbsleben absolviert, die 45-jährige Wartezeit möglicherweise aber dennoch nicht erfüllt haben, sich unter Inanspruchnahme von Alg aus dem Erwerbsleben verabschieden, um ggf über den Leistungsbezug die noch nicht erfüllte Wartezeit zu erreichen und anschließend mit 63 in die abschlagsfreie Rente zu wechseln. Die Möglichkeit, ein langes Erwerbsleben bei vorhandener sozialer - und zudem privilegierter - Absicherung vorzeitig beenden zu können, stellt einen nicht zu leugnenden Anreiz dar (so auch die Einschätzung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der BA - schriftliche Stellungnahmen zur öffentlichen Anhörung vom Sachverständigen am 5.5.2014 - Ausschussdrucks 18(11)82, S 27, 28 und 33, 34; vgl auch schriftliche Stellungnahme des Prof. Dr. Bomsdorf zur öffentlichen Anhörung vom Sachverständigen am 5.5.2014 und Information des ULA-Deutschen Führungskräfteverbandes - Ausschussdrucks 18(11)82 S 63, 65 und 82), der durch interne Absprachen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unschwer umgesetzt werden kann. Angesichts dieser Lebenswirklichkeit hält der Senat den moralischen Vorwurf der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, die Ausschlussregelung stelle Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter den "Generalverdacht" einer missbräuchlichen Absprache über die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses (Sachstand WD 6 - 3000 - 133/14 S 9), für nicht gerechtfertigt. Erst recht vermag er nicht die Legitimität der gesetzgeberischen Erwägung in Frage zu stellen.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Erforderlichkeit der in Teils 2 getroffenen Regelung auch nicht deshalb zu verneinen, weil mit der Regelung zur Sperrzeit in § 159 SGB III bereits eine Bestimmung existiert, die die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses zu Lasten der Gemeinschaft der gegen Arbeitslosigkeit Versicherten sanktioniert.

Abgesehen davon, dass es im hier maßgeblichen Zusammenhang um eine andere Versichertengemeinschaft geht, ist dem Gebot der Erforderlichkeit nur dann nicht genügt, wenn das Ziel der staatlichen Maßnahme durch ein anderes, gleich wirksames Mittel erreicht werden kann, das das betreffende Grundrecht nicht oder deutlich weniger fühlbar einschränkt (BVerfGE 68, 193, 219; 90, 145, 172; 92, 262, 273; 126, 112, 144 f).

Das mit der Ausschlussregelung iS des Teils 2 verfolgte Ziel zu verhindern, dass Versicherte frühzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden und über den Bezug von Alg in die abschlagsfreie Rente wechseln, kann durch die Sperrzeit iS des § 159 SGB III nicht verhindert werden. Die Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt nach § 159 Abs 3 SGB III maximal zwölf Wochen. Wäre der Alg-Bezug nach diesem Zeitraum auf die 45-jährige Wartezeit anrechenbar, wäre - wie der Fall des Klägers zeigt - über die verbleibenden anrechnungsfähigen 21 Monate Alg-Bezug die Wartezeit erfüllbar und damit das Ziel erreichbar, das der Gesetzgeber mit der in Teils 2 getroffenen Regelung gerade vermeiden wollte.

Darüber hinaus vertritt der Kläger die Rechtsauffassung, Teils 2 wäre nicht angemessen bzw erforderlich, weil der Gesetzgeber die Anrechnungsfähigkeit von Zeiten des Alg-Bezugs in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn von dem Eintreten oder Nicht-Eintreten einer Sperrzeit hätte abhängig machen können ( "dabei werden Zeiten nach Buchstabe a in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt, wenn die Bundesagentur für Arbeit insoweit den Eintritt einer Sperrzeit im Sinne des § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch festgestellt hat.").

Der Kläger verkennt, dass eine derartige Regelung das Ziel des Gesetzgebers, eine missbräuchliche Frühverrentung zu verhindern, nicht gleich wirksam wie die jetzige Bestimmung erreichen könnte. Denn auch die BA kann nicht belastbar überprüfen, ob der Kündigung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber bzw einem Aufhebungsvertrag eine missbräuchliche Absprache der Arbeitsparteien zugrunde liegt.

bb) Ein Ausschluss der Anrechnung für die letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn orientiert sich auch am gegebenen Sachverhalt und ist damit vertretbar.

Die Altersrente für besonders langjährig Versicherte wird gemäß § 236b SGB VI frühestens ab Vollendung des 63. Lebensjahres geleistet. Die Personen, die von der Ausschlussregelung des Teils 2 betroffen sind, haben daher mindestens das 61. Lebensjahr vollendet. Versicherte dieser Altersgruppe erhalten nach § 147 Abs 2 SGB III - vorbehaltlich des Vorliegens der weiteren dort normierten Anspruchsvoraussetzungen - Alg für 24 Monate, mithin also zwei Jahre. Der vom Gesetzgeber im Teils 2 gewählte Ausschlusszeitraum entspricht damit dem Zeitraum, in dem Alg maximal vor dem Rentenbeginn bezogen werden kann.

Obwohl der Teils 2 damit Versicherte einer bestimmten Altersgruppe erfasst, knüpft die Norm, auch nicht mittelbar, an ein personengebundenes Abgrenzungskriterium ähnlich denen des Art 3 Abs 3 GG an (vgl hierzu Jarass in ders/Pieroth, GG, 15. Aufl 2018, Art 3 RdNr 24). Persönlichkeitsmerkmale in diesem Sinne sind dadurch gekennzeichnet, dass auf ihr Vorhandensein oder Fehlen der Einzelne keinen oder nur einen begrenzten Einfluss nehmen kann (BVerfGE 96, 288, 302; vgl auch BVerfGE 90, 22, 26; 122, 39, 52; 126, 400, 418). § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 2 SGB VI knüpft an den Zustand der Arbeitslosigkeit an, dem die Betroffenen durch eigenes Verhalten begegnen können, indem sie ein neues Arbeitsverhältnis eingehen.

Dies ist auch bezogen auf die von Teils 2 betroffene Altersgruppe der Versicherten keine unrealistische Möglichkeit.

In der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung vom 25.3.2014 (BT-Drucks 18/909, Begründung A. I. S 14) ist darauf hingewiesen, dass sich seit dem Jahr 2000 die Erwerbsbeteiligung der 60- bis 64-Jährigen von knapp 20 % auf 46,5 % im Jahr 2012 mehr als verdoppelt hat. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung realisierten immer mehr Unternehmen, dass ältere Erwerbstätige dringend gebraucht würden, um dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Entsprechend sei die Wertschätzung der Unternehmen gegenüber ihren älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern deutlich gestiegen. Die Unternehmen investierten im eigenen Interesse zunehmend in altersgerechte Arbeitsbedingungen, Weiterbildung und Gesundheitsmanagement. Es seien keine Anzeichen erkennbar, dass sich dieser Trend umkehren könnte. Dem entspricht die Hintergrundinformation der BA Statistik vom Dezember 2015 (S 2 und 7): Danach hat die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung älterer Arbeitnehmer in den letzten Jahren auch aus demografischen Gründen stark zugenommen. Seit 2009 sei die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten über 63 kontinuierlich gestiegen. Nach Einführung der "Rente ab 63" im Juli 2014 habe sich zwar die Beschäftigtenzahl verringert; ein Zusammenhang mit der Einführung der Rente könne plausibel vermutet werden. In der Altersgruppe der 61- und 62-Jährigen ist von 2010 bis Ende 2015 ein Beschäftigungsanstieg zu verzeichnen. Ebenso weist der Versichertenbericht 2017 der Deutschen Rentenversicherung (S 47) darauf hin, dass der Anteil aktiv Versicherter zwischen 60 und 64 Jahren im Zeitverlauf zugenommen hat.

cc) Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass die Regelung des Teils 2 eine Härte für ihn - und vergleichbar betroffene Personen - darstellt, weil die Kündigung durch seine Arbeitgeberin zu einem Zeitpunkt (20.3.2012) erklärt worden ist, zu dem der Entwurf des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes noch nicht vorgelegen hat, sodass missbräuchliche Absichten bezogen auf die ab 1.7.2014 neu geregelte Altersrente für besonders langjährig Versicherte nicht vorgelegen haben können. Gleichwohl ist der Teils 2 zur Überzeugung des Senats mit dem allgemeinen Gleichheitssatz zu vereinbaren, weil jede Stichtagsregelung gewisse Härten mit sich bringt und Art 3 Abs 1 GG dem Gesetzgeber nicht aufgibt, die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung zu wählen (BVerfGE 84, 348, 359; 110, 412, 436; 122, 151, 714 = SozR 4-2600 § 237 Nr 16). Dies gilt umso mehr, als der Kläger seinerzeit kein Vertrauen auf die Anrechenbarkeit von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung innerhalb der letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn auf die 45-jährige Wartezeit haben konnte, weil derartige Zeiten nach der damaligen Rechtslage insoweit überhaupt nicht berücksichtigungsfähig waren (vgl § 51 Abs 3a SGB VI idF von Art 1 Nr 17 des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007, BGBl I 554).

b) Ebenso erweist sich die Rückausnahmeregelung des § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 3 SGB VI, nach dem Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn in den Fällen angerechnet werden, in denen dieser Bezug durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt ist, als mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar.

Da die Rückausnahmeregelung des Teils 3 die Personengruppen begünstigt, die aufgrund einer Insolvenz oder vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers zwei Jahre vor Rentenbeginn Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung beziehen, kommen als Vergleichsgruppen solche Personengruppen in Betracht, die aus anderen betriebsbedingten Gründen ihren Arbeitsplatz verloren haben und ebenfalls im vorgenannten Zeitraum Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung beziehen. Ihnen wird anders als den begünstigten Personengruppen diese Zeit nicht auf die 45-jährige Wartezeit angerechnet, was grundsätzlich zu einem Rentenausschluss führt, falls die Wartezeit nicht bereits zu diesem Zeitpunkt erfüllt ist.

aa) Die unterschiedliche Behandlung der dargestellten Gruppen durch den Gesetzgeber wird durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt.

Der Gesetzgeber hat die Anrechnung von Zeiten des Alg-Bezugs in den letzten zwei Jahren vor Eintritt in die abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab 63 Jahre grundsätzlich ausgeschlossen, um - wie bereits oben dargelegt - eine missbräuchliche Frühverrentung zu verhindern. Versicherte sollen nicht bereits zwei Jahre vor Rentenbeginn aus dem Erwerbsleben ausscheiden und über den Bezug von Alg in die abschlagsfreie Rente gehen. Eine Ausnahme gilt für diejenigen Zeiten des Alg-Bezugs, die durch eine Insolvenz oder die vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers verursacht werden, weil in diesen Fällen typischerweise keine missbräuchliche Frühverrentung vorliegt. Nach der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22.7.2014 (BT-Drucks 18/2186, S 9) ist die Einführung großzügigerer Kriterien missbrauchsanfällig und daher ungeeignet, Fehlanreize zu verhindern. In anderen als den geregelten Ausnahmefällen sei kein Nachweis darüber möglich, dass für die Arbeitslosigkeit allein Gründe maßgeblich waren, die frei von missbräuchlichen Absichten sind.

Diese Gründe sind sachgerecht. Der Arbeitgeber verliert im Fall der Insolvenz, dh der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw der Anordnung vorläufiger Maßnahmen vor der Eröffnung die Verfügungs- bzw uneingeschränkte oder unkontrollierte Verfügungsbefugnis über sein Unternehmen und bei einer Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse das Unternehmen als Basis von Beschäftigungen (vgl A. 2. b aa (4a-b)) mit der Folge, dass zumindest im Regelfall rechtlich oder faktisch eine missbräuchliche Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zwecks Frühverrentung durch ein Zusammenwirken von Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgeschlossen ist. Letzteres gilt auch für die vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers (vgl A. 2. b aa (3)).

Der vom Kläger vertretenen Ansicht, die Ausnahmetatbestände des Teils 3 seien nicht geeignet, einen Missbrauch zu verhindern, sondern im Gegenteil in besonderem Maße missbrauchsanfällig, vermag der Senat nicht zuzustimmen.

Zwar ist es zutreffend, dass eine Kündigung oder Aufhebung von Arbeitsverträgen auf Arbeitgeberseite das Vorhandensein einer Person voraussetzt, die mit einer entsprechenden Verfügungsbefugnis ausgestattet ist. Im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht diese aber nicht unter, sondern vielmehr vom Arbeitgeber auf den Insolvenzverwalter über, womit ein Zusammenwirken zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer - und nur darum geht es in dem hier maßgeblichen Zusammenhang - verhindert wird. Im Fall der Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse und im Fall der vollständigen Geschäftsaufgabe behält der Arbeitgeber die Verfügungsbefugnis und ist mithin selbst in der Lage, zur Abwicklung seines Unternehmens ua Arbeitsverträge zu kündigen. Da in diesen Fällen die finanzielle Grundlage für die Fortführung des Geschäfts fehlt bzw dieses aus persönlichen oder sonstigen arbeitgeberbedingten Gründen vom Unternehmer aufgegeben wird, ist kein Raum für die Annahme, dass Arbeitsverhältnisse gekündigt werden, um einzelnen Arbeitnehmern ein frühzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben unter Inanspruchnahme von Alg und anschließender Rente zu ermöglichen.

Für alle sonstigen Fälle eines betriebsbedingten Verlustes des Arbeitsplatzes lässt sich ein Missbrauch dagegen nicht von vornherein ausschließen. Zwischen einem Arbeitgeber, der die unkontrollierte und uneingeschränkte Verfügungsbefugnis über seinen laufenden Betrieb hat, und Arbeitnehmern sind vielmehr interne Absprachen über die Auflösung von Arbeitsverhältnissen möglich, die sich eines Nachweises entziehen.

bb) Schließlich liegen auch keine Fälle unzulässiger Typisierung vor.

Insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen - wie der Normierung von Voraussetzungen für den Anspruch einer gesetzlichen Rente - sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl nur BVerfGE 103, 310, 319; 113, 167, 236 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 136; stRspr); der Gesetzgeber hat sich dabei am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, solange eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl nur BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob durch sie eintretende Härten und Ungerechtigkeiten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (vgl nur BVerfGE 133, 377, 413). Außerdem ist zu beachten, dass die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers besonders groß bei einer bevorzugenden Typisierung ist (BVerfGE 17, 1, 24 = SozR Nr 52 zu Art 3 GG; BVerfGE 103, 310, 319).

(1) Die in den Teils 3 aufgenommenen Ausnahmefälle stellen gemessen am Normzweck Regelfälle dar. Der Gesetzgeber hat die Anrechnung von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung innerhalb der letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn auf die Wartezeit ausgenommen, um von vornherein eine missbräuchliche Frühverrentung auszuschließen (BT-Drucks 18/2186, S 9). Hiervon hat er lediglich die Fälle der Insolvenz und der vollständigen Geschäftsaufgabe rückausgenommen, weil in diesen typischerweise keine Frühverrentung vorliegt, während in anderen Fällen kein Nachweis möglich ist, dass die Arbeitslosigkeit nicht auf missbräuchlichen Absichten beruht (BT-Drucks, aaO).
(2) Auch wird durch die vom Gesetzgeber vorgenommene Typisierung nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt.
Nach der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 2.9.2016 (BT-Drucks 18/9513, S 4) sind von 199 560 im Jahre 2014 erledigten Anträgen auf Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte 195 833 Anträge bewilligt und 1653 Anträge abgelehnt worden, wobei die Ablehnung von 1425 Anträgen wegen Nichterfüllung der Wartezeit erfolgt ist. Damit sind lediglich 0,714 % der 2014 erledigten Anträge an der Nichterreichung der 45-jährigen Wartezeit gescheitert. Im Jahr 2015 ist dieser Anteil noch geringer ausgefallen. Von 264 236 erledigten Anträgen auf Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte sind 260 394 Anträge bewilligt und 1488 abgelehnt worden, von denen 1250 auf dem Ablehnungsgrund "Wartezeit nicht erfüllt" beruhen (BT-Drucks 18/9513, S 4; s auch Statistikportal der Rentenversicherung, https://statistik-rente.de [Hinweis von Sozialversicherung-kompetent.de: Der Link ist aktuell nicht mehr erreichbar!], Rentenanträge, Berichtszeitraum Januar bis Dezember 2015). Dies entspricht einem Anteil von 0,4731 % an den erledigten Rentenanträgen.

Zwar handelt es sich bei diesen Werten nicht um eine präzise Berechnung der Auswirkungen der zum 1.7.2014 in Kraft getretenen Regelung des § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 2 iVm 3 SGB VI. Denn die og Zahlen erfassen auch Personen, die nach altem Recht (vor dem 1.7.2014) eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch nehmen konnten (vgl BT-Drucks 18/9513, S 3 und 4; Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22.2.2018, BT-Drucks 19/876, S 2), und auf die sich die umstrittene Regelung möglicherweise nicht ausgewirkt hat. Außerdem könnte ein Teil der Ablehnungsfälle aufgrund nicht erfüllter Wartezeit auf anderen Gründen als der Regelung des Teils 2 iVm Teils 3 beruhen. Insoweit ist insbesondere zu bedenken, dass nicht nur Versicherte aus der Arbeitslosigkeit heraus, sondern auch "Beschäftigte", "geringfügig Beschäftigte", Personen "ohne Versicherungsereignis" und "Sonstige" die Gewährung einer "Rente ab 63" beantragt haben (so Versichertenbericht der Deutschen Rentenversicherung 2016, S 24 über die Rentenzugänge aus diesen Gruppen im Jahr 2014). Bei den zuletzt genannten Gruppen kann die Wartezeit von 45 Jahren ebenso nicht erfüllt sein, ohne dass hierfür die umstrittene Regelung ursächlich gewesen sein dürfte. Auch unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte behalten die ermittelten Werte indes eine hinreichend verlässliche Aussagekraft. Da nur weniger als ein Prozent aller erledigten Rentenanträge an der nicht erfüllten Wartezeit gescheitert sind, erlaubt dieser Befund trotz einer gewissen Ungenauigkeit die Aussage, dass die Ausschlussregelung in Verbindung mit den eng gefassten Rückausnahmen nur einen geringen Anteil von Personen erfasst.

Die nachfolgenden Jahre bestätigen dieses Ergebnis. Nach dem Statistikportal der Rentenversicherung (https://statistik-rente.de [Hinweis von Sozialversicherung-kompetent.de: Der Link ist aktuell nicht mehr erreichbar!], Rentenanträge) ergeben sich für den Zeitraum Januar 2016 bis April 2018 folgende Werte:

Im Jahre 2016 betrug die Ablehnung wegen nicht erfüllter Wartezeit 0,3316 % (erledigte Anträge: 240 337; Bewilligungen: 237 186; Ablehnungen: 986, davon wegen nicht erfüllter Wartezeit: 797), im Jahr 2017 0,2778 % (erledigte Anträge: 235 054; Bewilligungen: 231 743; Ablehnungen: 873, davon wegen nicht erfüllter Wartezeit: 653) und im Zeitraum Januar bis April 2018 0,3188 % (erledigte Anträge: 75 905; Bewilligungen: 74 709; Ablehnungen: 341, davon wegen nicht erfüllter Wartezeit: 242).

Mithin sind ebenso im zuletzt dargestellten Zeitraum weniger als ein Prozent aller beschiedenen Rentenanträge an der nicht erfüllten Wartezeit gescheitert. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass auch in den Jahren 2016 bis April 2018 dieser Ablehnungsgrund nicht zwingend auf den Teils 2 und 3 des § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a SGB VI beruhen muss, sondern die Wartezeit auch aus anderen Gründen nicht erfüllt sein kann.

(3) Schließlich wiegt die Ungleichbehandlung nicht sehr intensiv. Versicherte, die mangels Anrechenbarkeit von Zeiten des Alg-Bezugs in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn die Wartezeit von 45 Jahren nicht erfüllen, können die fehlenden Beitragsmonate durch Ausübung einer (geringfügigen) versicherungspflichtigen Beschäftigung nachträglich erwirtschaften. Angesichts der Arbeitsmarktlage ist die Möglichkeit, eine neue Beschäftigung aufzunehmen, in der Altersgruppe der Versicherten über 60 auch realistisch (vgl dazu B. 2. a bb).

Angesichts der nachträglich möglichen Erfüllung der 45-jährigen Wartezeit durch Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung stellt die Regelung des Teils 2 iVm 3 für die nicht privilegierten Personengruppen entgegen der Ansicht der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages (Sachstand WD 6 - 3000 - 133/14 S 10 f) keine unzumutbare Belastung dar.

(4) Schließlich wäre die durch die Ungleichbehandlung entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar.

Bei einer Privilegierung auch solcher Personen, die aus anderen Gründen als der Insolvenz oder der vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers betriebsbedingt ihren Arbeitsplatz verlieren, könnte die Regelung ihre Zweckbestimmung, Missbrauchsfälle von vornherein auszuschließen, nicht erreichen. Nach der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22.7.2014 ist in anderen als den geregelten Ausnahmefällen kein Nachweis darüber möglich, dass für die Arbeitslosigkeit allein Gründe maßgeblich waren, die frei von missbräuchlichen Absichten sind (BT-Drucks 18/2186, S 9; vgl auch BT-Drucks 19/876, S 8). In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22.2.2018 hat die Bundesregierung erneut hervorgehoben, dass eine offenere Formulierung der Rückausnahmetatbestände, die mit der Notwendigkeit einer Erforschung des Motivs der eingetretenen Arbeitslosigkeit verbunden sei, eine verwaltungspraktikable Umsetzung der Norm unmöglich gemacht hätte (vgl BT-Drucks 19/876, S 8). Diese Erwägungen sind vor dem Hintergrund stets möglicher, nicht dokumentierter Absprachen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nachvollziehbar und plausibel sowie legitim, da auch praktische Erfordernisse der Verwaltung für die Frage der Zulässigkeit einer typisierenden Regelung berücksichtigungfähig sind (vgl BVerfGE 84, 348, 360 mwN).

(5) Letztlich ist im Rahmen der Prüfung eines Gleichheitsverstoßes zu bedenken, dass es sich bei der Rückausnahme des Teils 3 um eine bevorzugende Typisierung handelt, bei der die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers weiter gespannt ist als bei einer benachteiligenden Typisierung (BVerfGE 17, 1, 23 f = SozR Nr 52 zu Art 3 GG; BVerfGE 65, 325, 356; 103, 310, 319).

Ob eine bevorzugende oder benachteiligende Typisierung vorliegt, ist ausgehend vom Normalfall zu beurteilen, dh ausgehend von dem Fall, der nach Sinn und Zweck des Gesetzes in der Regel erfasst werden soll und erfasst wird (BVerfGE 17, 1, 23 f = SozR Nr 52 zu Art 3 GG). Grundsätzlich will der Gesetzgeber keine Anrechnung von Zeiten des Bezugs von Leistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn, um eine missbräuchliche Frühverrentung zu verhindern (BT-Drucks 18/2186, S 9). Ausgehend hiervon stellt die Rückausnahme der in Teils 3 privilegierten Personengruppen eine Bevorzugung dar. Die Zahl der infolge der Typisierung bevorzugten Personen dürfte sich in solchen Grenzen halten, die angesichts der bei Bevorzugungen weit gespannten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers hingenommen werden kann (vgl hierzu BVerfGE 17, 1, 25 = SozR Nr 52 zu Art 3 GG).

Nach dem Versichertenbericht der Deutschen Rentenversicherung 2016 (S 24) wechseln in die Altersrente für besonders langjährig Versicherte vor allem beschäftigte Personen. Im Jahr 2014 stellten "Beschäftigte" 77 % der Zugänge in diese Rente. Die restlichen 23 % entfielen auf "geringfügig Beschäftigte", "Arbeitslose", Personen "ohne Versicherungsereignis" und "Sonstige". Der Anteil der Arbeitslosen lag hierbei bei nur knapp 10 %. Hiervon wird nach der Lebenserfahrung nur ein Teil zu denjenigen gehören, die Leistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn infolge einer Insolvenz oder vollständigen Geschäftsaufgabe ihres Arbeitgebers bezogen haben und nur über die Rückausnahmeregelung des Teils 3 und die hierdurch mögliche Anrechnung dieser Zeiten die Wartezeit erfüllt haben. Eine nicht mehr hinnehmbare Begünstigungsquote von mehr als 10 % (vgl zur Höhe der Begünstigungsquote BVerfGE 17, 1, 23 ff, insbes 25 und allgemein Jarass, aaO, Art 3 RdNr 38) wird auf keinen Fall erreicht.

3. Ebenso wenig liegt eine Verletzung des Art 14 Abs 1 S 1 GG vor.

Was zum "Inhalt" des Eigentums gehört, bestimmen entsprechend Art 14 Abs 1 S 2 GG die Gesetze (BVerfGE 52, 1, 27). Der Gesetzgeber schafft auf der Ebene des objektiven Rechts diejenigen Rechtssätze, die die Rechtsstellung des Eigentümers begründen und ausformen; sie können privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur sein (BVerfGE 58, 300, 330).

Die Anrechnung von Zeiten des Alg-Bezugs auf die 45-jährige Wartezeit ist erst durch § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a SGB VI mit Wirkung zum 1.7.2014 angeordnet worden, wobei zugleich die Berücksichtigung dieser Zeiten für die letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn ausgeschlossen worden ist. Die Vorschrift hat damit nicht in eine den Versicherten bereits zuerkannte Rechtsposition eingegriffen, sondern ihnen vielmehr von Anfang an nur eine beschränkte Rechtsposition eingeräumt. Art 14 GG schützt aber lediglich Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen (BVerfGE 68, 193, 222 = SozR 5495 Art 5 Nr 1; BVerfGE 78, 205, 211; 95, 173, 187 f).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

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