Landessozialgericht Hessen 23.02.2010, L 3 U 90/07
- Aktenzeichen: L 3 U 90/07
- Spruchkörper: 3. Senat
- Instanzenaktenzeichen: S 12 U 1434/02
- Instanzgericht: Sozialgericht Darmstadt
- Gericht: Hessisches Landessozialgericht
- Rechtskraft: rechtskräftig
- Entscheidungstyp: Urteil
- Entscheidungsdatum: 23.02.2010
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Unfallereignisses als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sowie dessen Entschädigung streitig.
Der Kläger ist 1970 geboren und hat in der Firma seines Bruders, Herr C. A., den Beruf des Gas- und Wasserinstallateurs erlernt. Zwischen ihm und der Firma A. GmbH Heizungs- und Lüftungsbau, deren Geschäftsführer der Bruder des Klägers ist, bestand zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Unfallereignisses ein Arbeitsvertrag, datierend vom 30. Dezember 1989, demzufolge der Kläger im Rahmen einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt war. Inhalt des Arbeitsvertrages war die Tätigkeit als Gruppenleiter für die Montage für den Heizungs- und Lüftungsbau sowie anfallende Reparaturarbeiten. Zugleich ist der Kläger mit einem 30 %igen Anteil Gesellschafter am Stammkapital der Firma A. GmbH.
Wie zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, erlitt der Kläger am 11. Mai 2001 um 16.30 Uhr einen Unfall, als er auf einem Haus in der A-Straße in A-Stadt, welches heute der Wohnsitz des Klägers ist, Spenglerarbeiten in Form der Montage von Regenrinnen ausübte; hierbei rutschte er aus und stürzte nach eigenen Angaben ca. 1,50 m tief mit der linken Körperhälfte auf ein Heizungsrohr. Wie zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht streitig ist, erlitt der Kläger hierbei eine Rippenserienfraktur sowie eine Nierenkontusion. Zum Zeitpunkt des Unfalls wohnte der Kläger noch bei seinem Vater in der D-Straße in E., er war jedoch bereits zur Hälfte als Eigentümer des Hauses in der A Straße im Grundbuch eingetragen.
In der Unfallanzeige vom 28. Juni 2001, erstellt durch die A. GmbH Heizungs- und Installation, wurde zur Arbeitszeit des Klägers angegeben, dass diese variabel sei, da er Mitunternehmer sei. Die Arbeitszeit des Klägers habe am Unfalltag um 7.00 Uhr begonnen. Die Beklagte erbrachte nach Übergabe des Verfahrens von der Berufsgenossenschaft Gas- und Wasserwerke zuständigkeitshalber zunächst Leistungen in Form medizinischer Behandlung und Verletztengeld und leitete Ermittlungen zur Frage der Versicherteneigenschaft zum Zeitpunkt des Unfalles erst im Laufe der medizinischen Heilbehandlung ein. Sie zog die Geschäftsunterlagen der Firma A. GmbH bei. Hierunter befanden sich ein an den Kläger adressierter Bewilligungsbescheid des Amtes für Regionalentwicklung, Landschaftspflege und Landwirtschaft vom 17. Juli 1997, mit dem ihm eine Förderung zur Wohnhaussanierung des Hauses in der A-Straße zugesagt wurde. Hierbei wurde von einem Investitionsvolumen in Höhe von 102.693,74 DM ausgegangen und ein bewilligter Zuschuss in Höhe von 30 % in Höhe von 28.600,00 DM zugesagt. Der diesbezügliche Antrag vom 27. Mai 1997 war vom Kläger selbst unterzeichnet, der alleine gegenüber dem Amt für Regionalentwicklung namentlich in Erscheinung getreten war. Des Weiteren wurden die Stundenzettel aus dem Zeitraum des Unfalles beigezogen, die Arbeiten auf verschiedenen Baustellen im Zeitraum Februar bis zum Unfall im Mai 2001 aufwiesen, jedoch keinerlei Arbeiten an dem die Unfallstelle bildenden Haus in der A-Straße in A-Stadt. Des Weiteren wurden Rechnungen der Firma A. GmbH an den Kläger für verschiedene Innen- und Außenarbeiten am Haus beigezogen, die den Zeitraum von 1999 bis 2001 betrafen.
Durch Bescheid vom 6. Juni 2002 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfallereignisses vom 11. Mai 2001 als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung ab und führte zur Begründung aus, dass nach dem Ergebnis ihrer Ermittlungen davon auszugehen sei, dass der Kläger den Unfall im Rahmen von Eigenbauarbeiten an seinem eigenen Bauvorhaben erlitten habe.
Der hiergegen erhobene Widerspruch vom 20. Juni 2002, den der Kläger im Wesentlichen damit begründete, dass er den Unfall im Rahmen von Arbeiten erlitten habe, die er im Rahmen seiner Beschäftigung bei der Firma A. GmbH aufgrund eines geförderten Dorferneuerungsprogramms erlitten habe, wozu er ein schriftliches Angebot über Spenglerarbeiten vom 27. Mai 1997, eine Abschlagsregelung über Heizungen und Installationsarbeiten vom 4. Dezember 1998 sowie den Bewilligungsbescheid des Amtes für Regionalentwicklung, Landschaftspflege und Landwirtschaft bezüglich der Förderung der Dorferneuerung vom 17. Juli 1997 zu den Akten reichte, wurde durch Widerspruchsbescheid vom 8. August 2002 als unbegründet zurückgewiesen.
Auf die hiergegen vor dem Sozialgericht Darmstadt (Sozialgericht) am 21. August 2002 erhobene Klage hat das Sozialgericht eine Stellungnahme des A-kreises hinsichtlich des Umfangs der Förderung von Handwerkerleistungen vom 23. Januar 2006 eingeholt, demzufolge entscheidend sei, dass Arbeiten nicht an einem Geschäftsgebäude sondern am Wohnhaus des Antragstellers ausgeführt wurden, sowie der Rechnungsbetrag an die Firma A. GmbH überwiesen werde. Des Weiteren zog das Sozialgericht die Akte des Landrats des A-kreises bei. In einer mündlichen Verhandlung vom 28. März 2007 hat das Sozialgericht den Bruder des Klägers, Herrn C. A. als Zeugen vernommen und durch Urteil vom 28. März 2007 die Klage abgewiesen. So habe der Kläger nicht als Beschäftigter im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung unter deren Schutz gestanden. Es habe nicht mit erforderlicher Gewissheit festgestanden, dass der Kläger während der Ausübung der Tätigkeit als Arbeitnehmer bei der Firma A. GmbH tätig gewesen sei. Zwar habe der Kläger zu diesem Zeitpunkt in einem Beschäftigungsverhältnis bei dieser Firma gestanden, jedoch habe der Zeuge selbst angegeben, den Kläger für diese Arbeiten nicht eingeteilt zu haben, vielmehr habe der Kläger die zum Unfall führende Verrichtung auf eigene Veranlassung ausgeübt und war zugleich Bauherr bezüglich dieses Bauvorhabens. Des Weiteren spreche gegen die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers zum Zeitpunkt des Unfalles, dass der Kläger am fraglichen Tag bereits 6 1/2 Stunden in B-Stadt auf einer anderen Baustelle tätig gewesen sei und damit die geleistete Arbeitszeit nach Abschluss dieser Arbeiten bereits 41,5 Stunden und somit bereits 1 1/2 Stunden mehr als arbeitsvertraglich geschuldet betragen habe. Zum angegebenen Unfallzeitpunkt um 16.30 Uhr hätte die Arbeitszeit des Klägers an diesem Tag bereits 9 1/2 Stunden gedauert, was zumindest an einem Freitag, der der 11. Mai 2001 war, weder üblich noch arbeitsvertraglich geschuldet war. Hinzu komme, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalles alleine auf der Baustelle tätig gewesen sei, die Firma A. GmbH jedoch bis zu 15 Arbeitnehmer beschäftige. Arbeiten mit relativ langen Kupferrinnen, wie sie der Kläger zum Unfallzeitpunkt ausgeübt habe, würden von einem Gewerbebetrieb mit der Personalstärke der Firma A. GmbH üblicherweise zumindest von zwei Arbeitnehmern ausgeübt. Des Weiteren ergebe sich aus den Rechnungsbelegen der Firma A. GmbH, dass für die Spenglerarbeiten am Wohnhaus des Klägers seitens der Firma A. GmbH lediglich die Materiallieferungen, nicht hingegen die Montagleistungen in Rechnung gestellt worden seien. Abgesehen von der fehlenden Erwähnung der Montageleistungen ergebe sich dies aus der Preisdifferenz zwischen dem Angebot der Firma A. GmbH aus dem Jahre 1997 und der Rechnung aus dem Jahre 2002. Die Preisdifferenz in Höhe von 13,53 DM pro laufenden Meter spreche nach Überzeugung der Kammer dafür, dass lediglich die Lieferung und nicht auch die Montage berücksichtigt worden sei. Eine überzeugende Begründung habe der Zeuge nicht geliefert. Schließlich spreche auch nicht die Förderung des Bauvorhabens durch den A-kreis dagegen, weil es ohne Weiteres möglich sei, dass die Ausübung der Arbeitsleistung für die Firma A. GmbH lediglich im Antragsverfahren gegenüber der Behörde angegeben und in Absprache mit dem zu diesem Zeitpunkt ebenfalls als Bauherr an dem Bauvorhaben beteiligten Bruder und Geschäftsführer der Firma A. GmbH zum Schein auf dem Angebot der Firma A. GmbH ausgeführt wurde, um die höchstmögliche Förderung zu erzielen, während der Kläger in der Realität die Arbeiten in Eigenleistung ausgeübt hat, um die mit der Beauftragung eines gewerblichen Unternehmers verbundenen höheren Nebenkosten in Form von Steuern und Sozialversicherungsabgaben einzusparen. Gegen das am 19. April 2007 dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellte Urteil richtet sich dessen Berufung vom 26. April 2007.
Der Kläger vertritt die Auffassung, dass er zum Unfallzeitpunkt als Beschäftigter der Firma A. GmbH an seinem Bauvorhaben tätig war. Es sei nicht einsehbar, warum die Aussagen seines Bruders so pauschal gewesen seien, um den Versicherungsschutz annehmen zu können. Für ihn habe es keinen Unterschied gemacht, ob er im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit oder als Eigenbauherr auf dem Dach arbeitete und den Unfall erlitt.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 28. März 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Juni 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 11. Mai 2001 als Arbeitsunfall anzuerkennen sowie in gesetzlicher Höhe zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
die Berufung abzuweisen.
Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Begründung des angegriffenen Urteils des Sozialgerichts. Es sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfallereignisses im Rahmen einer versicherten Tätigkeit tätig war.
Der Senat hat einen Erörterungstermin am 10. November 2009 durchgeführt und den Kläger eingehend persönlich zum Sachverhalt angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte als auch die beigezogene Akte des A-kreises Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.