Landessozialgericht Hessen 13.09.2007, L 3 U 160/07 ER

  • Aktenzeichen: L 3 U 160/70 ER
  • Spruchkörper: 3. Senat
  • Instanzenaktenzeichen: S 8 U 173/07 ER
  • Instanzgericht: Sozialgericht Frankfurt am Main
  • Gericht: Hessisches Landessozialgericht
  • Rechtskraft: rechtskräftig
  • Entscheidungstyp: Beschluss
  • Entscheidungsdatum: 13.09.2007

Gründe:

I.

Der Antragsteller macht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufig darlehensweise Gewährung der Kostenübernahme für eine stationäre Neurorehabilitation geltend.

Der 1955 geborene Antragsteller ist im Februar 2007 mit einem Touristenvisum aus dem Kosovo in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Er arbeitete im Rahmen eines Neu- und Erweiterungsbaus der Firma TG auf einer Baustelle in JUI-Stadt, auf der die WER GmbH tätig ist. Am 23. Mai 2007 erlitt der Antragsteller gegen 11.30 Uhr auf der Baustelle eine schwere Kopfverletzung, als sich eine Schalungskralle von einem Kran löste und den Antragsteller am Kopf traf. Der Antragsteller, der einen mit seinem eigenen Foto versehenen, aber auf den Namen seines Bruders, DTR. FRT., ausgestellten Sozialversicherungsausweis, und eine auf denselben Namen lautende AOK-Karte bei sich trug, wurde bewusstlos in die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik (BGUK) FRT-Stadt eingeliefert. Dort wurde der Antragsteller bis zu seiner Entlassung am 19. Juli 2007 stationär akutmedizinisch behandelt. Ausweislich des Entlassungsberichtes vom 20. Juli 2007 wurden ein Schädel-Hirn-Trauma mit okzipitaler Berstungsfraktur, okzipitaler Kontusionsblutung und rechtsseitigem subduralem Hämatom, eine beiderseitige Visusstörung durch Sehrindenimpression sowie ein posttraumatisches hirnorganisches Psychosyndrom mit fehlender Orientierung zu Zeit, Ort und Person diagnostiziert. Der Entlassungsbericht empfiehlt die Einleitung einer Neurorehabilitation. In einem Schreiben an die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hat der Ärztliche Direktor der BGUK FRT-Stadt unter dem 13. Juli 2007 ausgeführt, die Aufnahme einer stationären Rehabilitationsmaßnahme sei zum jetzigen Zeitpunkt indiziert, da sich hierdurch sicherlich eine Verbesserung der Selbständigkeit des Antragstellers erzielen und ggf. die Notwendigkeit einer lebenslangen pflegerischen Betreuung verhindern ließe.

Bei der Antragsgegnerin ging am 25.05.2007 eine telefonische Unfallmeldung ein. Darauf forderte sie die WER GmbH mit Schreiben vom 30. Mai 2007 zur Abgabe einer Unfallanzeige auf, die jedoch nicht erfolgte. Bei der AOK wurde durch die WER GmbH am 29. Mai 2007 eine rückwirkende Anmeldung eines DTR. FRT. zum 2. Mai 2007 vorgenommen.

Mit Bescheid vom 12. Juni 2007 lehnte die Antragsgegnerin die Anerkennung eines Arbeitsunfalls und die Gewährung von Leistungen ab. Hiergegen legte der Antragsteller am 18. Juli 2007 Widerspruch ein.

Am 20. Juli 2007 ging bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) ein Antrag auf darlehensweise Übernahme der Kosten für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ein. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Antragsteller in der Wohnung seines Bruders, DTR. FRT., von Angehörigen betreut und nicht mehr ärztlich versorgt. Das SG holte eine telefonische Stellungnahme des in der BGUK FRT-Stadt behandelnden Arztes Dr. DRG. ein, der angab, nach der akutmedizinischen Behandlung sei eine zeitnahe Rehabilitationsbehandlung indiziert. Zu diesem Zeitpunkt bestünde auch noch Aussicht darauf, die neurologischen Folgeschäden des Unfalls durch eine entsprechende Maßnahme zu mindern. Dies müsse allerdings möglichst bald erfolgen; je mehr Zeit vergehe, desto geringer seien die Erfolgsaussichten. Die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers legte eine eidesstattliche Versicherung des DRV. vom 29. Juni 2007 vor, der angab, als er am 2. Mai 2007 erstmals auf der Baustelle gearbeitet habe, sei der Antragsteller dort schon tätig gewesen. Sie hätten dann in der Folgezeit oft zusammen gearbeitet und jeden Tag zusammen gefrühstückt. Er wisse, dass der Antragsteller für einen Mann namens WQ. gearbeitet habe. Am 25. Mai 2007 sei dieser WQ. mit zwei Vorarbeitern namens WE. und WA. zu ihm gekommen, damit er sie zu dem Bruder des Antragstellers bringe, denn sie wollten den Antragsteller unter dem Namen des Bruders bei der Sozialversicherung anmelden. Er habe dies aber abgelehnt.

Das SG zog außerdem die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin bei. Hierin befanden sich u.a. in Kopie ein polizeilicher Vermerk zum Unfallereignis vom 23. Mai 2007 sowie polizeiliche Vernehmungsprotokolle des DRV., der am Unfalltag mit dem Antragsteller zusammengearbeitet hat, des WA. ZT, der als Polier auf der Baustelle tätig war, und des REW, der als Bauleiter eingesetzt war und angab, auf der Baustelle die Verantwortung für die WER GmbH zu tragen. Wegen des Inhaltes der Aussagen wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

Das SG hat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 26. Juli 2007 verpflichtet, vorläufig, längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, darlehensweise die Kosten für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zur Behandlung des Antragstellers zu übernehmen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, bei summarischer Prüfung des Sach- und Streitstandes sei ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es bestehe insbesondere mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Arbeitnehmereigenschaft des Antragsstellers. Dies ergebe sich aus der eidesstattlichen Versicherung des DRV. sowie den Aussagen des DRV., des WA. ZT und des REW vor der Polizei. Auch die weiteren Voraussetzungen zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls und der Gewährung der streitigen Rehabilitationsmaßnahme seien zumindest glaubhaft gemacht. Darüber hinaus bestehe auch ein Anordnungsgrund. Ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens sei unzumutbar. Eine Folgenabwägung falle deutlich zugunsten des Antragstellers aus. Das Interesse der Antragsgegnerin, die Kosten der Rehabilitationsmaßnahme nicht übernehmen zu müssen, trete deutlich hinter dem Interesse des Antragstellers zurück, das Risiko einer lebenslangen Pflegebedürftigkeit zu vermeiden.

Die Antragsgegnerin leitete daraufhin für den Antragsteller eine stationäre Rehabilitation in der Neurologischen Rehabilitationsklinik D-Stadt ein, die dieser am 2. August 2007 angetreten hat.

Gegen den Beschluss des SG vom 26. Juli 2007 hat die Antragsgegnerin am 2. August 2007 Beschwerde eingelegt. Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, das rechtliche Gehör sei mit der Entscheidung des SG verletzt worden, da ihr weder die von dort eingeholten telefonischen Auskünfte und Erklärungen noch der Entlassungsbericht der BGUK FRT-Stadt vom 20. Juli 2007 vor der Entscheidung des SG bekannt gegeben worden seien. Die tatsächliche Indikation einer zeitnahen stationären Rehabilitationsmaßnahme werde bestritten. Zudem sei das Tatbestandsmerkmal "versicherte Person" vorliegend nicht im Vollbeweis nachgewiesen. Es ergäben sich nicht einmal begründete Hinweise darauf, dass der Antragsteller Beschäftigter der WER GmbH gewesen sei. Es bestünden daher erhebliche Zweifel, ob die Antragsgegnerin der zuständige Leistungsträger sei. Zudem sei die Beiladung des Sozialhilfeträgers zwingend notwendig.

Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. Juli 2007 aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller und Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die erstinstanzliche Entscheidung. Der Senat hat eine Stellungnahme der den Antragsteller in der Neurologischen Rehabilitationsklinik D-Stadt behandelnden Ärzte vom 27. August 2007 angefordert. Chefarzt Dr. BGC hat hierin ausgeführt, die Ziele einer Verbesserung der halbseitigen Sehstörung, der Belastbarkeit und des Gleichgewichts, einer vollständigen Reorientierung sowie einer Beseitigung der Besiedelung mit einem multiresistenten LS. könnten derzeit nur angemessen durch eine stationäre Rehabilitation erreicht werden. Je später Rehabilitationsmaßnahmen einsetzten, desto geringer sei generell deren Erfolgsaussicht. Die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hat außerdem ein weiteres Schreiben des Ärztlichen Direktors der BGUK FRT-Stadt, Prof. Dr. ZF., vom 14. August 2007 vorgelegt, in dem die gegenüber dem SG erfolgte telefonische Erklärung des Dr. BGC zur Eilbedürftigkeit der Neurorehabilitation bestätigt wird. Im Falle einer weiteren Verzögerung sei es nicht auszuschließen, dass eine effektive Rehabilitation nicht mehr möglich sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten und in den medizinischen Unterlagen, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde kann in der Sache keinen Erfolg haben.

Die Antragsgegnerin kann sich nicht mit Erfolg auf eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör berufen. Auch wenn man von einem möglichen Verstoß ausgeht, ist dieser jedenfalls als während des Beschwerdeverfahrens geheilt anzusehen (zu dieser Möglichkeit vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 73 Rdnr. 16 a; BSG SozR 1500 § 84 Nr. 6). Die Antragsgegnerin hatte Gelegenheit, im Rahmen der ihr noch vom SG nach Erlass der einstweiligen Anordnung gewährten Akteneinsicht alle entscheidungserheblichen Unterlagen einzusehen und sich dazu im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zu äußern.

Das SG hat die Antragsgegnerin zu Recht im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zur darlehensweisen Übernahme der Kosten für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zur Behandlung des Antragstellers verpflichtet. Diese Verpflichtung erstreckt sich nunmehr auf die am 02.08.2007 in der Neurologischen Rehabilitationsklinik D-Stadt angetretene stationäre Reha-Behandlung.

Nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch bei der Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist gemäß § 86 b Abs. 3 SGG bereits vor Klageerhebung zulässig.

Der Antrag ist auch begründet, denn Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch bestehen. Anordnungsgrund ist die Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile. Der in der BGUK FRT-Stadt den Antragsteller behandelnde Arzt Dr. DRG. hat gegenüber dem SG telefonisch erklärt, dass eine Eilbedürftigkeit der Neurorehabilitation des Antragstellers besteht. Der Ärztliche Direktor der Klinik, Prof. Dr. ZF., hat mit Schreiben vom 14. August 2007 nochmals bestätigt, dass bei Eintreten einer zeitlichen Verzögerung aus medizinischer Sicht nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine effektive Rehabilitation nicht mehr möglich ist.

Ob ein Anordnungsanspruch besteht, richtet sich nach materiellem Recht. Er ist zu bejahen, wenn aufgrund einer vorläufigen rechtlichen Prüfung zu erwarten ist, dass das Hauptsacheverfahren für den Antragsteller zu einem positiven Ergebnis führen wird. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist eine Folgenabwägung vorzunehmen. Eine einstweilige Anordnung wird erlassen, wenn dem Antragsteller unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten nicht zugemutet werden kann, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 86 b Rdnr. 29). Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht (-BVerfG-, 3. Kammer des Ersten Senats, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05) ausgeführt:

"Ist dem Gericht [ ] eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl. BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, NVwZ-RR 2001, S. 694 (695)). Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, NJW 2003, S 1236 (1237)). Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern [ ]."

Zur Frage der Beschäftigung des Antragstellers oder der von der Antragsgegnerin gemutmaßten Tätigkeit als unversicherter Unternehmer werden umfassende Ermittlungen durch Beiziehung einer Vielzahl von Unterlagen sowie die Einvernahme verschiedener Zeugen erforderlich, aufgrund derer nach den Gesamtumständen des Falles nicht mit einer baldigen gerichtlichen Entscheidung zu rechnen ist. Unter Berücksichtigung des derzeitigen Sachstandes ist das Vorliegen einer versicherten Tätigkeit jedoch nicht ausgeschlossen, sondern zumindest als wahrscheinlich anzusehen. Allein die Tatsache verbotswidrigen Handelns durch den Antragsteller, indem er unter falschem Namen und unangemeldet tätig auf der Baustelle arbeitete, schließt jedenfalls entsprechend der ausdrücklichen Regelung des § 7 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – 7. Band (SGB VII) den Eintritt des Versicherungsfalls in Gestalt eine Arbeitsunfalls und damit auch das Entstehen eines für den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII maßgeblichen tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisses nicht aus; versicherungsrechtlich unschädlich im Rahmen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind u.a. Verstöße gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit, gegen das SGB III wegen Beschäftigung von nicht deutschen Arbeitnehmern ohne die erforderliche Erlaubnis nach §§ 284 ff. SGB III (s. §§ 404 ff. SGB III) oder gegen das Ausländergesetz (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 24. April 2007, Az.: L 3 U 242/03 m.w.N.).

Vorliegend ist zur Überzeugung des Senats das Vorliegen eines Arbeitsunfalls am 23. Mai 2007 ebenso wie die Kausalität dieses Ereignisses für die rehabilitationsbedürftigen Gesundheitsstörungen des Antragstellers als überwiegend wahrscheinlich anzusehen. Dies gilt zunächst für die Arbeitnehmereigenschaft des Antragstellers. Die mutmaßliche Arbeitgeberin des Antragstellers, die WER GmbH, hat am 29. Mai 2007 DTR. FRT. rückwirkend bei der AOK angemeldet. Unter diesem Namen war der Antragsteller auf der Baustelle tätig gewesen. Hierdurch wird zum Ausdruck gebracht, dass die Person, die unter diesem Namen tätig war, als Arbeitnehmer der WER GmbH gemeldet werden sollte. Bereits während der ersten polizeilichen Ermittlung zum Unfallhergang am 23. Mai 2007 gab ausweislich eines entsprechenden polizeilichen Vermerks vom selben Tag ein WCV auf der Baustelle an, der Antragsteller sei Angehöriger der WER GmbH. Am 25. Mai 2007 gab der WA. ZT im Rahmen einer Zeugenvernehmung gegenüber der Polizei an, dass er selbst auf der Baustelle als verantwortlicher Polier für die WER GmbH beschäftigt sei. Der Antragsteller sei damals seit rund vier Wochen bei der Firma gewesen. Dieser sei ihm von seinem Vorgesetzten, REW, geschickt worden. Er selbst kümmere sich nicht um die weiteren Gegebenheiten, er notiere die Namen auf den Stundenzetteln. Er habe auch dem Antragsteller und einem weiteren Kollegen den Auftrag für die am Unfalltag ausgeführten Arbeiten erteilt und diesbezüglich detaillierte Vorgaben gemacht. Auch nach diesen Angaben ist eine abhängige Beschäftigung des Antragstellers auf der Baustelle wahrscheinlich. Dies wird zusätzlich bestätigt durch die polizeiliche Zeugenvernehmung des nach seinen eigenen Angaben als Verantwortlicher für die WER GmbH auf der Baustelle tätigen REW. Dieser gab an, den Antragsteller unter dem Namen DTR. FRT. zu kennen. Er sei davon ausgegangen, dass dieser für die WER GmbH angemeldet sei, da er selbst dessen [falsche] Papiere an die Firmenleitung weitergegeben habe, u.a. eine Kopie des Sozialversicherungsausweises und der AOK-Karte. Bei dieser Ausgangslage ist nach Auffassung des Senats das Vorliegen einer versicherten Tätigkeit sehr viel wahrscheinlicher als eine selbständige unternehmerische Tätigkeit des Antragstellers auf der Baustelle. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist die versicherte Tätigkeit im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht im Vollbeweis festzustellen. Wie auch ansonsten im sozialgerichtlichen Verfahren sind die Grundsätze der objektiven Beweislast zu beachten, wobei es aber genügt, dass Tatsachen glaubhaft gemacht werden, d.h. überwiegend wahrscheinlich sind (§§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG, 920 Abs. 2 Zivilprozesssordnung –ZPO-, vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer § 86b Rdnrn. 16 b und 16 c).

Unstreitig ist es am 23. Mai 2007 während der Ausübung dieser glaubhaft gemachten versicherten Tätigkeit auf der Baustelle zu einem Unfall gekommen, bei dem der Antragsteller eine schwere Kopfverletzung erlitten hat. Ausweislich der vorliegenden medizinischen Berichte gehen mit dieser Kopfverletzung auch erhebliche neurologische Schäden einher, die im Rahmen der beantragten stationären Rehabilitation behandelt werden sollen.

Unter der Voraussetzung der wahrscheinlichen versicherten Tätigkeit besteht ein Anspruch des Antragstellers auf Leistungen der Rehabilitation im Rahmen der §§ 26, 27 Abs. 1 Nr. 7 und 33 SGB VII. Eine stationäre Behandlung in einer Rehabilitationseinrichtung wird erbracht, wenn die Aufnahme erforderlich ist, weil das Behandlungsziel anders nicht erreicht werden kann (§ 33 Abs. 1 SGB VII). Eine überwiegend wahrscheinliche Erforderlichkeit der stationären Rehabilitationsmaßnahme ergibt sich vorliegend zunächst durch die telefonische Stellungnahme des in der BGUK FRT-Stadt behandelnden Arztes Dr. DRG. gegenüber dem SG und nunmehr auch durch die schriftliche Äußerung des Ärztlichen Direktors der BGUK FRT-Stadt, Prof. Dr. ZF., vom 14. August 2007 sowie die gutachterliche Stellungnahme des Chefarztes der Neurologischen Rehabilitationsklinik D-Stadt, Dr. BGC, vom 27. August 2007. Unter Erfüllung der Voraussetzungen hat der Versicherte einen Rechtsanspruch auf die Gewährung der erforderlichen stationären Behandlung (vgl. Franke/Molkentin, LPK-Sozialgesetzbuch VII, 2. Aufl., Rdnr. 3 zu § 33; UY., SGB VII Kommentar, 2. Aufl., Rdnr. 4 zu § 33).

In Anbetracht der wegen der Eilbedürftigkeit im Rahmen des Antragsverfahrens auf Erteilung einer einstweiligen Anordnung vorliegend nicht abschließend möglichen Klärung der rechtlichen Qualität der Tätigkeit des Antragstellers auf der Baustelle und des insoweit letztlich offenen Ausgangs des Hauptsacheverfahrens, ist abschließend eine Interessenabwägung vorzunehmen. Unter Berücksichtigung der hier widerstreitenden Interessen der Beteiligten kann dem Antragsteller vorliegend nicht zugemutet werden, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Nach Angaben von Prof. Dr. ZF. muss im Falle einer Verzögerung der Neurorehabilitation im Anschluss an die akutmedizinische Behandlung damit gerechnet werden, dass sich der Zustand des Antragstellers durch eine verspätete Rehabilitationsmaßnahme nicht mehr wird verbessern lassen. Auch Dr. BJ. bestätigt, dass eine an die akutmedizinische Behandlung anschließende Rehabilitation generell medizinischer Standard ist und die Erfolgsaussicht der Rehabilitationsmaßnahme immer geringer wird, je später die Maßnahme einsetzt. Die Rehabilitationsziele einer Verbesserung der halbseitigen Sehschwäche, der Verbesserung der Belastbarkeit und des Gleichgewichts, einer vollständigen Reorientierung und der Beseitigung der Besiedelung mit einem multiresistenten LS. können nach Einschätzung der behandelnden Ärzte nur im Rahmen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme angemessen erreicht werden. Demnach wäre im Falle des Abwartens des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens und einer damit einhergehenden Verzögerung der Aufnahme der stationären Rehabilitationsmaßnahme mit einer dann ggf. nicht mehr umkehrbaren Verfestigung der beim Antragsteller nach Beendigung der akutmedizinischen Behandlung fortbestehenden neurologischen Gesundheitsbeeinträchtigungen zu rechnen. Eine damit einhergehende – wenn auch nur mögliche – Verletzung des Grundrechts des Antragstellers auf körperliche Unversehrtheit nach Art 2 Abs. 2 Grundgesetz (GG) ist im Rahmen des Eilverfahrens zu verhindern. Da der Antragsteller im Falle der Verzögerung der Rehabilitationsmaßnahmen in seiner Gesundheit schwere Beeinträchtigungen zu befürchten hat, muss im Rahmen der Folgenabwägung das dem gegenüber stehende finanzielle Interesse der Antragsgegnerin zurücktreten. Da auch der Ausgang des Rechtsstreits letztlich ungewiss ist, ist es im Rahmen der Interessenabwägung gerechtfertigt, dem Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige darlehensweise Übernahme der Kosten für die stationäre Rehabilitationsbehandlung zu gewähren.

Von der beantragten Beiladung hat der Senat abgesehen. Nach dem derzeitigen Verfahrensstand kommt ein anderer Leistungsträger jedenfalls nicht konkret in Betracht. Insbesondere hinsichtlich einer von der Antragsgegnerin in den Raum gestellten möglichen Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers bestehen in Anbetracht der aufenthaltsrechtlichen Situation des Antragstellers sehr viel stärkere Zweifel als an einer Leistungspflicht der Antragsgegnerin. Im Rahmen des Eilverfahrens könnte insofern auch nach entsprechender Beiladung eine andere Entscheidung nicht ergehen.

Die vom Antragsteller beantragte Prozesskostenhilfe war zu bewilligen. Nach §§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. 114 ZPO erhält ein Beteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Dies ist vorliegend gegeben, da der Kläger über keinerlei Einkünfte verfügt. Da die Beklagte Beschwerde eingelegt hat, ist gemäß § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO die hinreichende Aussicht auf Erfolg grundsätzlich nicht zu prüfen, im Übrigen kann aber auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Die Entscheidung ist endgültig (§ 177 SGG).

Die Veröffentlichung des Urteils erfolgt nach ausdrücklicher Genehmigung durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main. Eine Nutzung dieses Urteils von Sozialversicherung-kompetent.de zur gewerblichen Nutzung ist untersagt.

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