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Bayerisches Landessozialgericht 11.07.2018, L 4 KR 488/17

  • Spruchkörper: 4. Senat
  • Aktenzeichen: L 4 KR 488/17
  • Instanzenaktenzeichen: S 29 KR 170/15
  • Instanzgericht: Sozialgericht München
  • Gericht: Bayerisches Landessozialgericht
  • Entscheidungstyp: Urteil
  • Entscheidungsdatum: 11.07.2018
  • Rechtskraft: rechtskräftig 

Tatbestand:

Die Klägerin und Berufungsbeklagte, Trägerin der S-Klinik N., begehrt die Zahlung der restlichen Vergütung in Höhe von 820,14 EUR - nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 3. September 2014 - durch die Beklagte und Berufungsklägerin. Es handelt sich hierbei um offene Behandlungskosten aus der Behandlung der Versicherten der Beklagten, D., geboren 1982, für die Zeit vom 28. März bis 1. April 2014. Hauptdiagnose war eine Analfistel (K60.3). Die Klägerin stellte mit Rechnung vom 3. April 2014 einen Gesamtbetrag von 2.608,88 EUR in Rechnung. Die Beklagte zahlte zunächst den geforderten Betrag vollständig, beauftragte jedoch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Begutachtung.

Der MDK gelangte in einer Stellungnahme vom 29. Juli 2014 unter Einbezug der Behandlungsunterlagen zu der Frage, ob die Kodierung der OPS (hier aus 2014) zutreffend erfolgt sei, zu dem Ergebnis, dass der OPS 5-496.3 ("Rekonstruktion des Anus und des Sphinkterapparates: Sphinkterplastik") nicht gesondert zu kodieren sei, während der OPS 5-491.12 (Operative Behandlung von Analfisteln: Exzision: Transsphinktär) medizinisch nachvollzogen werden könne. Während die Klägerin den DRG-Code G11B (Pyloromyotomie oder Anoproktoplastik und Rekonstruktion von Anus und Sphinkter, Alter über 9 Jahre) abrechnete, sah der MDK G26Z (Andere Eingriffe am Anus) einschlägig. Aufgrund des unterschiedlichen Kostengewichts ergab sich nach Berechnung der Beklagten hieraus eine Verrechnungssumme von 820,14 EUR. Die Beklagte rechnete am 3. September 2014 mit dem strittigen Differenzbetrag zwischen DRG G11B und DRG G26Z in Höhe der Klageforderung auf. Die Klägerin wandte sich gegen diese Stellungnahme des MDK. In einer weiteren Stellungnahme vom 21. Oktober 2014 legte der MDK nochmals dar, dass die Prozedur 5-496.3 nach den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) nicht nachvollziehbar sei. Der Verschluss des nach Fistelexzision verbliebenen Defekts sei Teil des Eingriffs 5-491.12 und nicht gesondert zu kodieren.

Die Klägerin hat am 6. Februar 2015 Klage zum Sozialgericht München erhoben. Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Arztes für Chirurgie und Sportmedizin, Dr. E., vom 13. April 2017 eingeholt. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für die von der Klägerin angesetzte DRG G11B vorlägen. Unter der Hauptdiagnose K60.3 sei die Exzision plus Sphinkterversorgung jeweils anzugeben. Da im Allgemeinen bereits die alleinige Sphinkterplastik aufwändig sei, ergebe diese für sich genommen bereits die von der Klägerin geforderte DRG G11B. Das Kapitel 5-491 umfasse definitiv keine Sphinkterrekonstruktion. Diese sei das eigentlich entscheidende Merkmal. Die Rekonstruktion bzw. Wiederherstellung der Kontinuität/Kontinenz sei der entscheidende und selbstständig zu betrachtende Anteil der Operation, der auch höhere Ressourcen verbrauche. Eine Sphinkterplastik gehöre nicht regelhaft zur Exzision.

Mit Gerichtsbescheid vom 7. Juli 2017 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 820,14 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 3. September 2014 zu bezahlen. Der Zahlungsanspruch bestehe, die Aufrechnung durch die Beklagte sei unwirksam. Der Beklagten habe als Grundlage für ihre zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Höhe der Klageforderung zugestanden. Die ursprüngliche Zahlung der Beklagten an die Klägerin sei mit Rechtsgrund erfolgt. Die Klägerin habe deshalb einen fälligen Vergütungsanspruch gegen die Beklagte in voller Rechnungshöhe und damit in Höhe des durch Aufrechnung unrechtmäßig zurückgeholten Teilbetrags (Klageforderung). Die Kammer ist hierbei dem Gutachten des Dr. E. gefolgt. Die pauschalen und deshalb im Einzelnen nicht nachvollziehbaren Vorwürfe der Beklagten gegen den Sachverständigen gingen ins Leere. Inhaltlich habe die Beklagte im Wesentlichen nur die MDK-Begutachtung zu bieten, die aber letztlich durch den Gerichtssachverständigen ausreichend mitverarbeitet worden sei. Gegen die am 13. Juli 2017 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte am 1. August 2017 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Klägerin habe eine zusätzliche Verschlüsselung vorgenommen, die explizit im OPS 2014 nicht vorgesehen sei. Sie hat auf den unstreitigen OPS 5-491.12 und die 2014 geltende Fassung des Kapitels 5-496 verwiesen. Wie dem Wortlaut zu entnehmen sei, sehe das Kapitel keine zusätzliche Verschlüsselung einer intraoperativen Naht vor. Ferner hat sie auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG, Urt. v. 18. September 2008, B 3 KR 15/07 R - juris) verwiesen. Nach der Rechtsprechung seien Abrechnungsbestimmungen des Krankenhausvergütungsrechts streng wortlautbezogen auszulegen (s.a. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 22. März 2017, L 5 KR 4740/15). Die medizinische Beurteilung trete in den Hintergrund. In diesem Zusammenhang hat sie sich gegen die Feststellung des Gutachters gewandt. Ab dem Kalenderjahr 2016 befinde sich im Kapitel 5-491 der Hinweis: "Eine gleichzeitige Rekonstruktion (5-496.3) oder Naht (5-496.0) des Sphinkters ist gesondert zu kodieren." Ab 2016 sei damit geregelt, dass eine entsprechende Naht, wie sie die Klägerin hier beanspruche, mit dem OPS 5-496.0 zu kodieren sei - nicht aber nach 5-496.3, da eine Sphinkterplastik nicht stattgefunden habe. Diese Regelung sei aber 2014 noch nicht vorgesehen gewesen.

Die Klägerin hat erwidert, es gehe nicht um die bloße "Ausführung einer Naht", sondern - gemäß dem OP-Bericht - um die Rekonstruktion des Schließmuskels mit einer Sphinkterplastik. Zu codieren seien OPS 5-491.12 (Exzision der Analfistel) und OPS 5-496.3 (Sphinkterplastik). Eine Sphinkterplastik sei kein methodisch notwendiger Bestandteil einer Exzision der Analfistel - dies wäre z.B. ein normaler Wundverschluss. Es handele sich um eine eigenständige zusätzliche Leistung. Gemäß den DKR (P001f) sei jede signifikante Prozedur zu verschlüsseln. Es liege hierin kein Verstoß gegen eine monokausale Kodierung. Es liege im Übrigen auch kein Verstoß gegen den Wortlaut der OPS vor: Nach dem Wortlaut der Kodiervorschriften seien alle signifikanten Prozeduren, die vom Zeitpunkt der Aufnahme bis zum Zeitpunkt der Entlassung vorgenommen werden und im OPS abbildbar sind, zu codieren. Eine Exklusivum sei nicht formuliert, so dass die Kombination von OPS 5-491.12 und 5-496.3 auch im Jahre 2014 zulässig gewesen sei. Die medizinischen Voraussetzungen hierfür lägen vor. Die Änderung im OPS (2016) habe nur eine klarstellende Funktion. Im Übrigen hat sich die Klägerin auf das Sachverständigengutachten bezogen. Das Gericht dürfe sich bei seiner Beurteilung sachverständlich beraten lassen.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme des Dr. E. vom 6. November 2017 eingeholt, der an seinem Gutachten festgehalten hat. Einem gerichtlichen Vergleichsvorschlag gemäß Beschluss vom 6. März 2018 hat die Klägerin nicht zugestimmt. Die Rekonstruktion des Schließmuskels mit der Sphinkterplastik sei im OP-Bericht klar beschrieben und medizinisch notwendig gewesen. Sie sei anstelle eines bloßen Wundverschlusses erfolgt; dies stelle einen gehörigen Mehraufwand für die Klinik bzw. den Operateur dar. Die "Schnitt-Naht-Zeit" habe vorliegend 41 Minuten betragen; üblicherweise sei eine solche Operation (ohne Sphinkterplastik) deutlich kürzer.

Die Beklagte hat nochmals ausgeführt, dass eine vom Sozialgericht vorgenommene "künstliche Spaltung" der monokausalen Kodierung widerspreche. Auf diese Weise lasse sich nahezu jede Operation in mehrere Teile spalten. Zur ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen hat sie dargelegt, dass eine Naht regelmäßig in den operativen OPS-Kodes abgedeckt werde. In den DKR (P001f) heiße es: "Normalerweise ist eine Prozedur vollständig mit all ihren Komponenten, wie z.B. Vorbereitung, Lagerung, Anästhesie, Naht, usw. in einem Kode abgebildet ( ...). Abweichungen davon sind in den Hinweisen beschrieben." Da eine Naht regelmäßig zu einem operativen Eingriff gehöre, gehöre diese auch zu dem OPS, der den Eingriff selbst abbilde. Vorliegend sei eine Exzision vorgenommen worden. Dass diese Ausschneidung im Falle einer Analfistel so belassen werde, sei wohl nicht zu erwarten. Dies habe auch der Sachverständige bestätigt. Daher gehe mit einer Exzision einer Analfistel nach dem OPS 5-491.1 automatisch und damit eingriffsimmanent auch die anschließende Versorgung einher.

Die Beklagte hat ferner mit Schriftsatz vom 3. Juli 2018 nochmals darauf hingewiesen, dass es allein Aufgabe des Gerichts sei, über die Auslegung und Anwendung von Abrechnungsvorschriften zu entscheiden. Dies falle nicht in den Kompetenzbereich eines ärztlichen Sachverständigen. Im Übrigen gehe der Sachverständige fehl. Eine zusätzliche Verschlüsselung komme nur im Falle einer Atypik in Betracht.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 7. Juli 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie die Klage- und Berufungsakte hingewiesen.

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