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Landessozialgericht Hessen 17.09.2015, L 8 KR 282/12

  • Aktenzeichen: L 8 KR 282/12
  • Spruchkörper: 8. Senat
  • Instanzenaktenzeichen: S 32 KR 487/11
  • Instanzgericht: Sozialgericht Frankfurt
  • Gericht: Hessisches Landessozialgericht
  • Entscheidungstyp: Urteil
  • Entscheidungsdatum: 17.09.2015

Tatbestand:

Im Streit steht die Vergütung des Zusatzentgeltes ZE2008-27-5 für die Gabe des Blutgerinnungspräparates Novoseven® im Rahmen einer vollstationären Krankenhausbehandlung des bei der Beklagten versicherten C.

Dieser wurde in der Zeit vom 1. Juni 2009 bis 16. Juni 2009 im Krankenhaus des Klägers vollstationär behandelt. Am 2. Juni 2009 erfolgte ein Herzklappeneingriff mit Herz-Lungen-Maschine. Aufgrund postoperativer Komplikationen und einer hierdurch verursachten temporären Blutgerinnungsstörung erfolgte am 3. Juni 2009 die Versorgung des Versicherten mit dem Blutgerinnungspräparat Novoseven®.

Am 30. Juni 2009 stellte der Kläger der Beklagten hierfür eine Vergütungsforderung in Höhe von 29.193,70 EUR in Rechnung. Als Grundlage hierfür führte er unter anderem die Fallpauschale F03a (Herzklappeneingriff mit Herz-Lungen-Maschine mit komplizierender Konstellation) an. Darüber hinaus machte der Kläger ein Zusatzentgelt in Höhe von 3.484,32 EUR für die Gabe des Blutgerinnungspräparates Novoseven® geltend. Am 22. Juli 2009 beauftragte die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Überprüfung dieser Vergütungsforderung. In dem Gutachten vom 6. Mai 2010 führte der MDK aus, dass keine angeborene oder dauerhaft erworbene Blutgerinnungsstörung bei dem Versicherten vorliege. Die Beklagte führte daraufhin mit Schreiben vom 18. Mai 2010 gegenüber dem Kläger aus, dass das geltend gemachte Zusatzentgelt für die Gabe des Blutgerinnungspräparates nicht gesondert vergütet werden könne. Da die Rechnungsbegleichung durch die Beklagte bereits erfolgt sei, bat diese um die entsprechende Gutschrift sowie Neuberechnung bis zum 18. Juni 2010. Anderenfalls erfolge die Verrechnung des streitigen Betrages zum 19. Juni 2010.

Mit der unter dem 31. August 2011 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhobenen Klage hat der Kläger die Zahlung des Zusatzentgeltes für die Gabe des Blutgerinnungspräparates Novoseven® bei dem Versicherten der Beklagten im Rahmen der stationären Krankenhausbehandlung in Höhe von 3.484,32 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20. Juni 2010 geltend gemacht. Derartige Zusatzentgelte könnten gemäß § 17b Abs.1 Satz 12 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) von den zuständigen Gremien für Leistungen, Leistungskomplexe oder Arzneimittel vereinbart werden. Hierzu gehöre insbesondere die Behandlung von Blutern mit Blutgerinnungsstörungen. Die Vertragsparteien hätten auf Bundesebene hierzu bislang keine entsprechenden Regelungen getroffen. Es seien daher krankenhausindividuelle bzw. landesbezogene Vereinbarungen nötig, die in Hessen seit vielen Jahren in Form einer "Empfehlungsvereinbarung" existiere. Diese sei zwischen den Krankenkassenverbänden und der Hessischen Krankenhausgesellschaft e.V. geschlossen worden. Ausweislich der Präambel wie auch § 1 dieser Vereinbarung seien die Vertragsparteien übereinstimmend der Auffassung, dass auch für die Behandlung erworbener Blutgerinnungsstörungen mit Blutgerinnungsfaktoren Zusatzentgelte zu zahlen seien. Zu den erworbenen Gerinnungsstörungen gehörten auch temporäre Blutgerinnungsstörungen.

Die Beklagte hat hierauf erwidert, der Versicherte sei nicht Bluter im Sinn der "Empfehlungsvereinbarung". Ausweislich des Begutachtungsergebnisses des MDK habe weder eine dauerhafte noch eine angeborene Blutgerinnungsstörung vorgelegen. Der Versicherte sei lediglich temporär aufgrund der durchgeführten Operation auf Blutgerinnungsfaktoren angewiesen und daher "nur vorübergehend Bluter" gewesen. Eine erworbene Hämophilie liege nur dann vor, wenn diese im Gegensatz zu einer seit Geburt bestehenden Störung durch eine spontane Entwicklung von Faktor VIII-Hemmern entstehe. Hierbei handele es sich um einen mehr oder weniger dauerhaften Zustand einer Gesundheitsstörung. Der Versicherte sei nur operationsbedingt einmalig auf die Gabe von Novoseven® angewiesen gewesen. Eine Bluterkrankheit habe daher nicht vorgelegen.

Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat die Klage mit Urteil vom 28. Juni 2012 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Vergütungsanspruch aufgrund des geltend gemachten Zusatzentgelts sei nicht gegeben. Die Beklagte habe zu Recht die Rechnung des Klägers um den eingeklagten Betrag gekürzt. Der Zinsanspruch bestehe folglich ebenso nicht. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs des Klägers sei § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie dem Vertrag über die Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für das Land Hessen. Danach seien allgemeine Krankenhausleistungen regelmäßig über Diagnoseorientierte Fallpauschalen - DRG - abzurechnen. Soweit dies zur Ergänzung der Fallpauschale in eng begrenzten Ausnahmefällen erforderlich sei, könnten die Vertragsparteien nach § 17b Abs. 1 Satz 12 KHG Zusatzentgelte für Leistungen, Leistungskomplexe oder Arzneimittel vereinbaren, insbesondere für die Behandlung von Blutern mit Blutgerinnungsfaktoren. Dies sei in der Anlage zur Fallpauschalenverordnung geschehen und weitere krankenhausindividuelle Zusatzentgelte in der Anlage 4 i.V.m. Anlage 6 zur Fallpauschalenverordnung 2009 vereinbart worden. Danach sei auch die Behandlung von Blutern mit Blutgerinnungsfaktoren als Tatbestand für einen Anspruch auf Zusatzentgelt genannt. In Hessen bestehe darüber hinaus zur weiteren Konkretisierung die Empfehlungsvereinbarung zwischen den Krankenkassenverbänden und der Krankenhausgesellschaft für die Vergütung der Behandlung von Blutern mit Blutgerinnungsfaktoren. In der Präambel der jeweils maßgebenden Fassung sei ausgeführt, dass die Vertragsparteien übereinstimmend der Auffassung seien, dass die bei der Behandlung von angeborenen oder erworbenen Gerinnungsstörungen eingesetzten Blutgerinnungsfaktoren als Teil der allgemeinen Krankenhausleistungen im Rahmen von Zusatzentgelten außerhalb des Erlösbudgets sowie der Erlössumme vergütet würden. Bei der am 3. Juni 2009 erfolgten Gabe von Novoseven® an den Versicherten C. handele es sich nicht um die Behandlung einer angeborenen oder erworbenen Blutgerinnungsstörung im Sinn dieser Regelungen. Bei diesem habe operationsbedingt lediglich ein temporärer Mangel der Gerinnungsfaktoren vorgelegen. Zwischen den Parteien der Empfehlungsvereinbarung bestehe keine bindende Definition darüber, was unter einem "Bluter" zu verstehen sei. Auch gebe es keine gesetzliche Definition dieses Begriffes. In Betracht komme vorliegend einzig, die Behandlung des Versicherten als die Behandlung einer erworbenen Blutgerinnungsstörung anzusehen. Nach dem Wortlaut enthalte die "erworbene" Blutgerinnungsstörung keine zeitliche Einschränkung. Insoweit sei auch eine temporär begrenzte Blutgerinnungsstörung - wie der akute Mangel an Blutgerinnungsfaktoren nach der Operation - mit umfasst. Gestützt werde dieses Ergebnis von dem Wortlaut der Empfehlungsvereinbarung Stand 2011. In der Anlage 1 zur Empfehlungsvereinbarung seien verschiedene Präparate zur Behandlung von Blutern mit Blutgerinnungsfaktoren aufgezählt. Das Präparat Haemocomplettan werde hiernach nur bei Blutern mit angeborenen oder dauerhaft erworbenen Blutgerinnungsstörung angewendet. Im Umkehrschluss könne man hieraus entnehmen, dass die Gabe des hier streitigen Novoseven® bei lediglich erworbenen Blutgerinnungsstörungen in Betracht komme und erworbene Blutgerinnungsstörungen auch den vorliegenden postoperativen Mangel an Gerinnungsfaktoren umfasse. Dem stehe jedoch der Sinn und Zweck eines Zusatzentgeltes entgegen. Die Behandlung von Blutern werde generell als so kostenintensiv und unvorhersehbar eingestuft, dass die Behandlungskosten in aller Regel nicht annähernd mit den üblichen Fallpauschalen abgegolten werden könnten. Daher seien die Medikamentenkosten für Bluter aus den Budgets ausgegliedert und entsprechende Sonderentgelte vereinbart worden. Hiermit nicht vereinbar sei die Vergütung der einmaligen Gabe eines Blutgerinnungsmittels infolge postoperativer Komplikationen. Diese Behandlung stelle keine derart außergewöhnliche oder unvorhersehbare Konstellation dar, dass sie die Vergütung mit Zusatzentgelten rechtfertige. Eine erworbene Hämophilie liege nur dann vor, wenn diese im Gegensatz zu einer seit Geburt bestehenden Störung durch eine spontane Entwicklung von Faktor VIII-Hemmer entstehe. Hierbei handele es sich jedoch auch um einen mehr oder weniger dauerhaften Zustand einer Gesundheitsstörung, welcher nicht mit einer postoperativen Begleiterscheinung gleichzusetzen sei. Auch stehe der Übernahme der hier streitigen Kosten der Wortlaut der unterschiedlichen Fassungen der Empfehlungsvereinbarung entgegen. Die Fassung Stand 2009 habe noch keine Einschränkungen in Anlage 1 enthalten. In der Fassung Stand 2010 sei sodann die Einschränkung betreffend das Präparat Haemocomplettan zur Anwendung nur im Zusammenhang mit einem hereditären Mangel an sonstigen Gerinnungsfaktoren erfolgt. In der Fassung Stand 2011 sei sodann die Einschränkung dieses Präparats zur Anwendung von angeborenen oder dauerhaft erworbenen Blutgerinnungsstörungen aufgenommen worden. Eine eindeutige Klarstellung dahin gehend, dass die Gabe von Blutgerinnungspräparaten auch bei einer erst während der Krankenhausbehandlung erworbenen Blutgerinnungsstörung, welche die einmalige Gabe eines Blutgerinnungsfaktoren bedinge, zeitlich äußerst begrenzt sei und danach für den Patienten nicht mehr bestehe, von dem vereinbarten Zusatzentgelt umfasst sei, sei demgegenüber nicht erfolgt. Letztlich könne auch ein vom Kläger zitiertes Rundschreiben der Hessischen Krankenhausgesellschaft vom 11. Juli 2011 zu keinem anderen Ergebnis führen, da es sich hierbei um Beteiligtenvortrag handele. Dieses Schreiben spiegele lediglich die Rechtsauffassung einer der Vertragsparteien wieder. Die Beklagte vertrete hingegen die gegenteilige Auffassung. Zwar sei grundsätzlich der Wille der Vertragschließenden für die Auslegung eines Vertrages maßgebend. Sei dieser jedoch nicht eindeutig erkennbar, sei eine gerichtliche Auslegung geboten. Im konkreten Fall führe diese zu dem genannten Ergebnis.

Das Urteil ist den (damaligen) Prozessbevollmächtigte des Klägers am 4. Juli 2012 zugestellt worden. Am 3. August 2012 ist die Berufung des Klägers beim Hessischen Landessozialgericht eingegangen.

Der Kläger ist der Ansicht, für die die Abrechnung des ZE2008-27-5 bestehe eine ausdrückliche Rechtsgrundlage in der Vereinbarung des krankenhausindividuellen Zusatzentgeltes durch die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG, deren Grundlage die Empfehlungsvereinbarung im Lande Hessen vom 1. Mai 2008 sei. Dieses ZE2008-27-5 beziehe sich nach der Genehmigung durch das Regierungspräsidium ausdrücklich auf das verabreichte Präparat Novoseven®, das in Rechnung gestellt wurde. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG seien die Vergütungsregelungen streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben. Daneben bestehe kein Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen (Verweis auf BSG, Urteil vom 13. Dezember 2001 - B 3 KR 1/01 R). Der in den Anlagen 4 und 6 der zur Fallpauschalenverordnung 2008 (und auch der Folgeversionen bis 2012) aufgeführte Begriff "Bluter" unterscheide nicht zwischen angeborenen und erworbenen Blutgerinnungsstörungen. Auch das von den Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG vereinbarte krankenhausindividuelle Entgelt treffe keine diesbezügliche Unterscheidung. Somit sei rechtlich davon auszugehen, dass mangels Unterscheidungskriterien alle Bluter, die mit Blutgerinnungsfaktoren behandelt werden, dem vereinbarten krankenhausindividuellem Zusatzentgelt unterfielen. Die zur Auslegung des ZE2008-27-5 heranzuziehende Empfehlungsvereinbarung umfasse im Anwendungsbereich ausdrücklich die Behandlung von erworbenen Blutgerinnungsstörungen (§ 1 der Empfehlungsvereinbarung). Dies werde konkretisiert in der Anlage 1 zur Empfehlungsvereinbarung, wonach in der Fußnote ausdrücklich das Präparat Novoseven® auf das Klinikum des Klägers bezogen werde. Damit komme eindeutig zum Ausdruck, dass der Kläger berechtigt sei, das Blutgerinnungspräparat Novoseven® auch für erworbene Blutgerinnungsstörungen einzusetzen und abzurechnen. Insbesondere treffe das ZE2008-27-5 keine weitere Unterscheidung danach, ob es sich um eine erworbene dauerhafte oder eine erworbene temporäre Gerinnungsstörung handele. Vielmehr knüpfe die Abrechnung an den Begriff Bluter an, der begrifflich sowohl angeborene als auch erworbene Gerinnungsstörungen umfasse. Hätten die Vertragsparteien auf Bundesebene nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG eine Eingrenzung, Beschränkung oder Differenzierung gewollt, hätte dies in der Definition des ZE2008-27 zum Ausdruck kommen können. Gleiches gelte für die Vertragsparteien der Entgeltvereinbarung 2008 nach § 11 KHEntgG. Da die Vergütungsregelungen streng nach ihrem Wortlaut zu handhaben seien, sei eine weitere Unterscheidung oder Auslegung nach Sinn und Zweck nicht angezeigt. Das Sozialgericht löse sich von dem strengen Wortlaut des ZE2008-27, in dem es unzulässiger Weise auf den Sinn und Zweck der Regelung eines Zusatzentgeltes abstelle. Dies sei nicht Aufgabe der Sozialgerichte, die weitere Bewertungen und Abwägungen bei der routinemäßigen Abwicklung von Entgelten nicht anstellen dürften. Ergäben sich bei einem Entgelt Ungereimtheiten oder Wertungswidersprüche bei der Abrechnung, sei es ausschließlich Aufgabe der Vertragsparteien auf Bundesebene nach § 9 Abs. 1 SGB V hierzu Abhilfe zu schaffen. Aber selbst wenn man ergänzende Überlegungen wie das Sozialgericht anstelle, wäre zu berücksichtigen, dass die abgerechnete DRG-Fallpauschale FO3A die eingesetzten Blutgerinnungsprodukte nicht abdecke. Die Präparate zur Behandlung der Blutgerinnungsstörung bei dem Versicherten mit Novoseven® und Hämocomplettan überschritten die in der DRG berücksichtigten Arzneimittelkosten um ein Vielfaches (Präparate zur Behandlung von Blutgerinnungsstörungen 4.160,72 EUR gegenüber 584,00 EUR Arzneimittelkosten in der DRG FO3A). Dabei sei davon auszugehen, dass die Arzneimittelkosten in der DRG FO3A auch die übrigen, im vorliegenden Fall verabreichten Medikamente und Erythrocytenkonzentrate abdecken sollten. Daraus erschließe sich, dass es gerade Sinn und Zweck des ZE2008-27 sei, den erhöhten Aufwand für die Gabe von Blutgerinnungsfaktoren abzudecken, da diese im Einzelfall hohen Kosten durch die zu Grunde gelegte DRG-Fallpauschale nicht sachgerecht abgedeckt würden. Dies sei gerade der Grund, warum die Selbstverwaltung auf Bundesebene das ZE2008-27 als krankenhausindividuelles Entgelt nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG i.V.m. Anlagen 4/6 zur FPV 2008 festgelegt habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. Juni 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.484,32 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20. Juni 2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, das Zusatzentgelt ZE2008-27-5 sei für den vorliegenden Fall nicht abrechenbar. Das ZE2008-27-5 stelle als krankenhausindividuelles Entgelt nach § 6 Abs. 1 und 3 KHEntgG ein Entgelt für eine "Leistung, die noch nicht mit den DRG-Fallpauschalen und Zusatzentgelten sachgerecht vergütet ist" dar (§ 6 Abs. 1 S.1 KHEntgG). § 6 Abs. 3 S. 2 KHEntgG nehme die Zusatzentgelte "für die Behandlung von Blutern" von der nach S. 1 zu bildenden Erlössumme aus. Der Gesetzesbegründung zu § 6 KHEntgG sei zu entnehmen: "Bereits heute zeichnet sich ab, dass bestimmte medizinische Leistungsbereiche mit den DRG-Fallpauschalen noch nicht sachgerecht vergütet werden können ... Die Entgelte für diese Leistungen sind krankenhausindividuell zu vereinbaren." Der Gesetzgeber habe mit der Möglichkeit der Zusatzentgelte für bestimmte, in der Regel kostenintensive Fallgruppen eine Vergütungsmöglichkeit geschaffen. Nicht von den Zusatzentgelten abgedeckt werden sollten Ausreißerfälle, also solche Fälle, die zwar mit einer DRG abgegolten werden könnten, aber aus irgendeinem bestimmten Grund für das Krankenhaus besonders kostenintensiv gewesen seien. Um einen solchen Fall handele es sich vorliegend. Der Versicherte C. sei kein Bluter. Der Begriff des Bluters sei zwar nicht definiert. Fakt sei aber, dass unter dem Begriff des Bluters gemeinhin eine Person verstanden werde, die unter Hämophilie, einer vererbbaren Blutgerinnungsstörung leide. Ebenso würden als Bluter Patienten mit einer erworbenen Blutgerinnungsstörung bezeichnet. Die erworbene Hämophilie sei eine seltene Gerinnungsstörung des Blutes, bei der es zum plötzlichen Auftreten von meist ausgeprägter Blutungsneigung bei zuvor unauffälligen Patienten komme. Die Blutungsneigung sei oft lebensbedrohlich und die Therapie dieser Erkrankung extrem teuer. Die erworbene Hämophilie werde durch Antikörper hervorgerufen, die gegen den körpereigenen Gerinnungsfaktor VIII gerichtet seien und dessen Funktion blockierten. Auch bei dieser Erkrankung seien die Patienten regelmäßig nicht durch eine einmalige Behandlung geheilt, sondern sie seien möglicherweise langfristig behandlungsbedürftig. Hier liege der entscheidende Unterschied des Begriffes des Bluters zu Patienten, zu deren Behandlung nur vorübergehend die Gabe eines Blutgerinnungsmittels erforderlich sei. Diese Patienten seien schon von der Begriffsdefinition her nicht als Bluter zu bezeichnen, da sie nicht unter der Bluterkrankheit leiden, sondern auf Grund einer anderen Erkrankung behandelt würden und in der Regel in Folge einer postoperativen Komplikation kurzfristig mit Blutgerinnungsmitteln versorgt werden müssten. Auch die seitens der Klägerin aufgeführten "Empfehlungsvereinbarungen für die Vergütung der Behandlung von Blutern mit Blutgerinnungsfaktoren" betreffe die Behandlung von Blutern. Wie ausgeführt sei der Versicherte nicht Bluter im Sinne der Krankheitsdefinition.

Hierauf hat der Kläger erwidert, entgegen der Auffassung des Beklagten treffe das ZE 2008-27-5 keine Unterscheidung zwischen dauerhaften oder erworbenen temporären Gerinnungsstörungen. Eine Einengung des Begriffs "Bluter", wie sie die Beklagte vornehme, sei dem Zusatzentgelt ZE 2008-27-5 nicht zu entnehmen. Gerade wenn man die Annahme der Beklagten teile, dass der Begriff Bluter nicht definiert sei, sei er für alle denkbaren Fallgestaltungen anzuwenden. Eine einschränkende Interpretation würde gegen den Grundsatz verstoßen, dass Abrechnungsregeln strikt nach ihrem Wortlaut und nicht nach einseitigen Interpretationen anzuwenden seien. Die Rechtsauffassung der Klägerin werde gestützt durch den Bescheid des Regierungspräsidiums Gießen vom 30. August 2008 für die Budget- und Entgeltvereinbarung für 2008. Dort werde expressis verbis das hier verabreichte Novoseven® aufgeführt. Auch dort sei keine Einschränkung des Begriffes Bluter enthalten. Dies gelte auch für die Folgevereinbarung für das Jahr 2009. Auch dort werde unter Abschnitt E3.2 - Aufstellung der Zusatzentgelte ZE 2008-27 Bluter - das Zusatzentgelt Novoseven® aufgeführt. Nicht nachvollziehbar sei die Auffassung der Beklagten, dass den Empfehlungsvereinbarungen auf Landesebene keine Bedeutung zuzumessen sei. Die Beklagte selbst werde vom VdAK als Bevollmächtigter der Ersatzkassen vertreten. Insoweit gelte die Empfehlungsvereinbarung auch für die Beklagte. Die Anlage 1, auf die die Empfehlungsvereinbarung vom 18. April 2008 verweise, enthalte wiederum unter laufender Nummer 5 das Präparat Novoseven®. Mit einer Fußnote werde ausdrücklich der Preis für die Klägerin festgelegt. Gleiches gelte für die Folgevereinbarungen auf Landesebene. Erst ab dem Jahr 2011 sei nur bei einem Präparat, nämlich Haemocomplettan, eine Einschränkung vorgesehen worden, wonach die Anwendung "nur bei Blutern mit angeborenen oder dauerhaft erworbenen Blutgerinnungsstörungen" erfolgen dürfe. Die übrigen Präparate, einschließlich Novoseven® unterlägen keiner Einschränkung bezüglich ihres Anwendungsbereiches. Daraus sei der zwingende Schluss zu ziehen, dass die übrigen Präparate auch bei perioperativ erworbenen, vorübergehenden Blutgerinnungsstörungen angewandt und abgerechnet werden dürften. Dies gelte erst Recht für die Empfehlungsvereinbarungen der Vorjahre (wie hier 2008/2009), in denen für kein Präparat eine Einschränkung des Anwendungsbereiches vorgesehen gewesen sei. Auch die dargelegte historische Entwicklung auf Landesebene stütze daher die Rechtsaufassung der Klägerin.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

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