Beitragsseiten

Sozialgericht Fulda 15.05.2008, S 4 KR 572/06

  • Aktenzeichen: S 4 KR 572/06
  • Spruchkörper: 4. Kammer
  • Gericht: Sozialgericht Fulda
  • Entscheidungstyp: Urteil
  • Entscheidungsdatum: 15.05.2008
  • Normen: SGB V § 33, SGB V § 34

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten sich um die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin einen Daisy-Player zur Verfügung zu stellen.

Bei DAISY "Digital Accessible Information System" handelt es sich um einen relativ neuen technischen Standard für digitale Medien. Hörbücher für Blinde werden inzwischen international nicht mehr über Audiokassette, sondern als DAISY-CD vertrieben. Bis Ende 2009 sollen die Daisy-CDs die Audiokassetten vollständig abgelöst haben. Neben Hörbüchern mit Belletristik und klassischer Literatur u.a. sind auch Sachbücher, Lexika, Zeitschriften und Informationen der unterschiedlichen Verbände in diesem Format verfügbar. Das System bietet den u.a. Vorteil, dass mehrere Stunden gesprochener Text auf ein einziges Medium, eine CD, gespeichert werden kann. Der Hörer kann im Text von Überschrift zu Überschrift springen, sowie Seiten-, absatz- und satzweise navigieren. Um diese Vorzüge nutzen zu können, braucht man den Daisy-Player. Das reine Hören ist auch mit DVD- und CD-MP3-Playern möglich. Navigationsmöglichkeiten bieten derartige Geräte jedoch nicht, darüber hinaus ist das Abspielen fehleranfälliger. Das Format kann auch über den PC mit einem Windows Betriebssystem und einer speziellen Daisy-Player-Software oder mit Standardsoftware für MP3-Dateien abgespielt werden, je nach Software und Eigenschaften entstehen hierfür ggf. keine Kosten.

Im April 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten einen Daisy-Player. Sie ist hochgradig sehbehindert und hat eine Fernsehbrille, eine Leuchtlupe, ein Fernrohr und ein Bildschirmlesegerät (Videomatic MD). Beim Bildschirmlesegerät wird eine Textvorlage mittels einer Videokamera auf einen Bildschirm projiziert. Dabei kann man sehr viel stärker vergrößern als mit optischen Hilfsmitteln und außerdem Farben und Kontraste besser verändern. Bildschirmlesegeräte eignen sich vorzugsweise für das Lesen kürzerer Texte, da der überschaubare Bildschirmausschnitt bei starker Vergrößerung klein ist.

In ihrem Antrag gab die Klägerin an, seit vielen Jahren Mitglied der Blindenhörbücherei zu sein. Der Daisy-Player sei ein speziell für Blinde und Sehbehinderte entwickeltes Gerät. Er biete spezielle Suchfunktionen, die es bei den bisherigen Hörbüchern nicht gegeben habe. Sie werde das Gerät täglich mindestens eine Stunde nutzen. Das Fernsehlesegerät biete nicht die Möglichkeit Bücher zu lesen, da die Anstrengung zu groß sei. Sie nutze das Gerät für Kurzberichte, Briefe, Gebrauchsanweisungen, Packungsbeilagen etc. Um weiterhin Hörbücher und Zeitschriften zu hören benötige sie den Player. Dem Antrag waren ein ärztlicher Bericht und eine Beschreibung des Daisy Players beigefügt. Außerdem reichte die Klägerin einen Kostenvoranschlag über 375,00 EUR über einen Daisy-Player Victor Reader Classic ein.

Mit Bescheid vom 05.05.2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Sie führte aus, dass es sich bei dem Daisy-Player um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand handele, da er allgemein Verwendung finde und von einer großen Zahl von Personen benutzt werden könne. Die Eigenschaft als Verbrauchsgegenstand gehe auch nicht dadurch verloren, dass dieser durch gewisse Veränderungen oder Eigenschaften behindertengerecht ausgestattet sei. Der Daisy-Player sei mit einem MP3-Player vergleichbar. Außerdem sei er kein zugelassenes Hilfsmittel.

Mit Schreiben vom 22.05.2006 legte der Prozessbevollmächtigte Widerspruch ein. Er führte u.a. aus, dass das Hilfsmittelverzeichnis nicht abschließend sei. Der Player sei speziell für die Bedürfnisse blinder Menschen konzipiert. Er werde zur Deckung des Grundbedürfnisses der Information und Kommunikation benötigt. Ohne den Player könne sich ein Betroffener aktuelle Zeitschriften und neue Literatur nicht mehr zugänglich machen. MP3-Player würden nicht über eine Sprachführung bei der Bedienung verfügen und ermöglichten auch keine Navigation bei mit mehreren Gliederungsebenen strukturierten Texten. Der Player ermögliche es akustisch wie in einem Buch oder einer Zeitschrift zu blättern oder Markierungen einzubringen.

Mit Bescheid vom 04.07.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte u.a. aus, dass der Player nicht als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen sei, jedoch einen entsprechenden Gebrauchsgegenstand lediglich ersetze und damit nicht der Leistungspflicht unterfalle. Das Argument der Sprachführung greife nicht, da kein Anspruch auf eine optimale, dem neuesten Stand der Technik entsprechende Hilfsmittel bestehe, die lediglich Komfortbedürfnissen diene. Das Grundbedürfnis der Klägerin auf Information zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben werde bereits durch das Bildschirmlesegerät, das Radiohören und die persönliche Kommunikation ausreichend befriedigt.

Am 26.07.2006 hat der Prozessbevollmächtigte Klage erhoben. Er führt u.a. aus, dass der Daisy-Player und das Bildschirmlesegerät im Anwendungsbereich differierten. Nur mit dem Player würden ihr aktuelle Zeitschriften und Bücher zugänglich gemacht.

Der Prozessbevollmächtigte beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 05.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.07.2006 zu verurteilen, der Klägerin einen Daisy-Player zur Verfügung zu stellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf den Widerspruchsbescheid und führt ergänzend aus, dass im Fall der Klägerin die Fallkonstellation des Behinderungsausgleichs in Betracht komme. Es sei zu beachten, dass der Einsatz von Hilfsmitteln lediglich auf den Ausgleich der Behinderung selbst gerichtet sei. Es erfolge nur ein Basisausgleich. Als elementares Grundbedürfnis werde die Informationsbeschaffung angesehen. Hierfür habe die Klägerin das Bildschirmlesegerät. Darüber hinaus könne das Format auch mit einem MP3-Player und mit entsprechender Software am PC abgespielt werden. Hierbei handele es sich um Gebrauchsgegenstände, die den Player ersetzen könnten.

Die Kammer hat sich in der mündlichen Verhandlung die Funktionen eines Daisy-Players vorführen lassen.

Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte und die Gerichtsakte verwiesen.

Rentenversicherung

Gesetzliche Rentenversicherung

Krankenversicherung

Krankenversicherung

Gesetzliche Krankenversicherung

Pflegeversicherung

Gesetzliche Pflegeversicherung

Unfallversicherung

Gesetzliche Unfallversicherung