Landessozialgericht Hessen 01.11.2011, L 3 U 50/07
- Aktenzeichen: L 3 U 50/07
- Spruchkörper: 3. Senat
- Instanzenaktenzeichen: S 1 U 687/02
- Instanzgericht: Sozialgericht Wiesbaden
- Gericht: Hessisches Landessozialgericht
- Entscheidungstyp: Urteil
- Entscheidungsdatum: 01.11.2011
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer von der Beklagten vorgenommenen Verrechnung einer ihr obliegenden Verletztenrentennachzahlung mit einem von der Beigeladenen geltend gemachten Rückforderungsanspruch.
Der 1954 geborene Kläger bezieht wegen eines in der Kindheit beim Zeitungsaustragen erlittenen Arbeitsunfalls Rente von der Beklagten. Diese wurde durch Bescheid vom 12. April 1984 ab 1. Januar 1979 nach einer MdE von 80 v.H. und nach dem Ortslohn eines Zeitungsausträgers berechnet. Aufgrund eines vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen S 4 U 260/84 geschlossenen gerichtlichen Vergleich errechnete die Beklagte im Ausführungsbescheid vom 28. Oktober 1987 den JAV nach dem Einkommen eines Studienrates zur Anstellung im hessischen Landesdienst nach der Besoldungsgruppe A13. Die dem Kläger zustehende Rente wurde rückwirkend ab 1. Dezember 1982 neu berechnet. Unter Berücksichtigung der damals festgestellten Höhe von 80 v.H. ergab sich eine monatliche Rente im Dezember 1982 in Höhe von 2.077,90 DM, die sich jährlich um den Anpassungsfaktor erhöhte. Abzüglich gezahlter Vorschussleistungen errechnete sich eine Rentennachzahlung vom 1. Dezember 1982 bis 30. November 1987 in Höhe von 64.060,50 DM.
Der Kläger bezog neben der Verletztenrente Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe. Weil der Kläger die Aufnahme eines Vollzeitstudiums angezeigt hatte, hob die Beigeladene die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab dem 1. April 1984 auf. Hiergegen erhob der Kläger beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage (Az.: S 14 AR 783/84) und beantragte gleichzeitig in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit teilweisem Erfolg die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide und die Weitergewährung von Arbeitslosenhilfe (Az.: S 14 AR 483/84 A). In Ausführung des Beschlusses des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 1984 gewährte die Beigeladene dem Kläger durch Bescheid vom 5. Oktober 1984 Arbeitslosenhilfe vom 2. Oktober 1984 bis 25. November 1987. Ab dem 26. November 1987 stellte sie die Zahlung von Arbeitslosenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit des Klägers ein.
Mit Schreiben vom 25. November 1987 machte die Beigeladene gegenüber der Beklagten wegen der für die Zeit vom 1. Dezember 1982 bis 31. März 1984 und 2. Oktober 1984 bis 25. November 1987 an den Kläger gezahlten Arbeitslosenhilfe einen Erstattungsanspruch gemäß § 104 SGB X in Höhe von 27.665,40 DM geltend. In Anbetracht der Erstattungsforderungen der Beigeladenen sowie der Stadt X-Stadt wegen deren Wohngeldzahlungen behielt die Beklagte aus der Nachzahlung von 64.060,50 DM einen Betrag von 32.961,40 DM ein. Der Kläger erhob hiergegen Klage beim Sozialgericht Frankfurt am Main. Während des Klageverfahrens entschied das Sozialgericht Frankfurt am Main im Hauptsacheverfahren über den Arbeitslosenhilfeanspruch des Klägers durch rechtskräftiges Urteil vom 5. April 1991 (Az.: S 14 AR 793/84) und verneinte einen Arbeitslosenhilfeanspruch des Klägers ab 1. April 1984 wegen fehlender Verfügbarkeit. Die Beigeladene hob daraufhin mit Bescheid vom 20. Februar 1992 ihre Entscheidung vom 5. Oktober 1984 über die vorläufige Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 2. Oktober 1984 bis 25. November 1987 auf und hörte den Kläger zu einer beabsichtigten Erstattungsforderung dieser Arbeitslosenhilfezahlung an. Gegen den Bescheid vom 20. Februar 1992 erhob der Kläger am 3. März 1992 Widerspruch. Mit Ergänzungsbescheid vom 31. März 1992 stellte die Beklagte fest, wegen der vom 2. Oktober 1984 bis 25. November 1987 geleisteten Arbeitslosenhilfe sei ein Betrag in Höhe von 16.959,15 DM vom Kläger zu erstatten. Von einer Beitreibung der Forderung werde bis zum Abschluss des gegen die Berufsgenossenschaft geführten Verfahrens auf Auszahlung der Verletztenrentennachzahlung abgesehen. Diese auf Auszahlung des einbehaltenen Betrages von 32.991,40 DM gerichtete Klage wurde durch Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. März 1993 abgewiesen. Das Hessische Landessozialgericht änderte durch Urteil vom 30. Oktober 1996 (Az.: L 3 U 610/93) das Urteil des Sozialgerichts und den Bescheid der Beklagten vom 27. November 1987 ab. Die Beklagte wurde verurteilt, dem Kläger von der einbehaltenen Rentennachzahlung einen weiteren Betrag von 22.277,07 DM auszuzahlen. Wegen der überzahlten Arbeitslosenhilfe bestehe für die Zeit vom 2. Oktober 1984 bis 25. Oktober 1987 kein Erstattungsanspruch der Bundesanstalt für Arbeit gemäß § 104 SGB X, weil für diesen Zeitraum Arbeitslosenhilfe zu Unrecht an den Kläger gezahlt worden sei.
Die Beigeladene erließ daraufhin am 18. Februar 1997 den noch ausstehenden Widerspruchsbescheid und verlangte von dem Kläger direkt die Rückzahlung von 16.959,15 DM. Die gegen die Bescheide vom 20. Februar 1992, 31. März 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 1997 beim Sozialgericht Nürnberg (Az.: S 5 AL 353/97) erhobene Klage (Urteil vom 11. November 1997) und die Berufung blieben ohne Erfolg. Das Bayerische Landessozialgericht führte in seinem Urteil vom 11. April 2001 (Az.: L 11 AL 97/98), das ohne mündliche Verhandlung erging, aus, Rechtsgrundlage für die Rückforderung der Arbeitslosenhilfe in der Zeit vom 2. Oktober 1984 bis 25. November 1987 sei § 50 Abs. 2 SGB X. Dieser Erstattungsanspruch der Bundesanstalt für Arbeit sei weder verjährt noch verwirkt. Mit Verfügung vom 23. Mai 2001 wurde das Urteil der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in ÄA. zugeleitet, mit der Bitte, das Urteil durch einfache Zustellung, aber mit Zustellungszeugnis, zu bewirken. Am 3. Juli 2001 ging ein am 26. Juni 2001 ausgestelltes Zustellungszeugnis der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in ÄA. bei dem Bayerischen Landessozialgericht – Zweigstelle Schweinfurt – folgenden Inhalts ein: "Auf Ersuchen des Bayerischen Landessozialgerichts zu Schweinfurt ist in Sachen Zustellungen an Herrn A. vom 23. Mai 2001 Az.: xxxxx Herrn A. im Amtsbezirk der Botschaft ÄA. am 31. Mai 2001 zugestellt worden."
Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 27. Juni 2001, eingegangen am 20. Juli 2001, an das Bayerische Landessozialgericht – Zweigstelle Schweinfurt – und führte aus: "In dem Berufungsverfahren A. A. gegen Bundesanstalt für Arbeit L 11 AL 27/98 beantrage ich gemäß § 139 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Berichtigung des Tatbestandes des Urteils vom 11. April 2001. Änderungen in der nachfolgenden Fassung sind hervorgehoben und unterstrichen, Einfügungen sind hervorgehoben. Streichungen sind m. E. nicht notwendig." Es folgte der vollständige Abdruck des Tatbestandes mit den von dem Kläger beantragten Änderungen. Danach führte der Kläger zur Begründung seines Antrags aus, es sollten die Voraussetzungen geschaffen werden, dass die Nichtzulassungsbeschwerde und dann die Revision entsprechend dem zutreffenden Tatbestand begründet werden könne. Hierzu sei die Berichtigung des Tatbestandes notwendig. Den Antrag des Klägers auf Berichtigung des Tatbestandes des Urteils vom 11. April 2001 lehnte das Bayerische Landessozialgericht in Schweinfurt durch Beschluss vom 22. August 2001 als unzulässig ab und führte zur Begründung aus, das Urteil sei dem Kläger am 31. Mai 2001 durch die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland ÄA. zugestellt worden. Die Frist von zwei Wochen zur Berichtigung des Tatbestandes sei schon verstrichen gewesen, als der Kläger seinen Berichtigungsantrag verfasste, und offensichtlich weit überschritten, als der Antrag eingegangen sei. Er sei deshalb als unzulässig abzulehnen. Im Übrigen sei der Tatbestand nicht berichtigungsfähig, weil das Urteil ohne mündliche Verhandlung ergangen sei. Der Beschluss wurde dem Kläger am 27. August 2001 per Einschreiben mit Rückschein zugesandt und ihm am 11. September 2001 ausgehändigt. Mit Schreiben vom 12. September 2001 sandte der Kläger den Beschluss an das Gericht zurück und bat, "gemäß § 138 SGG um Berichtigung der offenbaren Unrichtigkeit, das Urteil vom 11. April 2001 [ ] sei dem Kläger am 31. Mai 2001 durch die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland ÄA. zugestellt worden." Lediglich das Begleitschreiben der Botschaft zu der Postsendung sei so datiert gewesen. Den Antrag des Klägers auf Berichtigung des Beschlusses vom 22. August 2001 lehnte das Bayerische Landessozialgericht durch Beschluss vom 26. September 2001 ab. Eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 138 SGG sei nicht gegeben. Denn in dem Zustellungszeugnis der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, ÄA., vom 26. Juni 2001 sei unmissverständlich wörtlich ausgeführt, dass das Urteil des Senats vom 11. April 2001 dem Kläger "im Amtsbezirk der Botschaft ÄA. am 31. Mai 2001 zugestellt worden" sei. Der Kläger meldete sich daraufhin mit Schreiben vom 2. Oktober 2001 wieder beim Bayerischen Landessozialgericht und führte aus: "In dem Rechtsstreit A. gegen Bundesanstalt für Arbeit L 11 AL 27/98 sind nunmehr noch mehr "Abweichungen" von den Tatsachen als nur der Tatbestand des Urteils vom 11. April 2001 zu Tage getreten. Das obengenannte Urteil ist mir nicht am 31. Mai 2001 zugestellt worden; dies versichere ich an Eides statt. Um feststellen zu können, wer für das behauptete – nachweislich unzutreffende – "Zustellzeugnis" verantwortlich ist, bitte ich um Überlassung einer beglaubigten Abschrift. Die Wiederaufnahme des Berichtigungsverfahrens des Tatbestandes etc. und nicht zuletzt der Beginn der Rechtsmittelfrist hängt von diesem Punkt ab." Dem Kläger wurde daraufhin mit Schreiben vom 10. Oktober 2001 eine beglaubigte Abschrift des Zustellzeugnisses vom 26. Juni 2001 übersandt.
Am 16. Oktober 2001 ging bei dem Bayerischen Landessozialgericht ein Schreiben des Rechts- und Konsularreferats der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, ÄA., vom 5. Oktober 2001 ein. Darin wurde unter dem Betreff "Weiterleitung eines Widerspruchs – hier: A., Az.: L 11 AL 27/98" ausgeführt, "Herr A. verweigert die Annahme des Urteils vom 11. April 2001. Die entsprechenden Unterlagen füge ich wieder bei."
Mit Schreiben vom 28. November 2001 teilte die Beigeladene der Beklagten mit, sie habe nach dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. April 2001 gegen den Kläger einen Rückerstattungsanspruch aus überzahlter Arbeitslosenhilfe in Höhe von 16.959,15 DM bezüglich des Zeitraums vom 2. Oktober 1984 bis 25. November 1987, sie bat um Mitteilung, ob die Möglichkeit einer Verrechnung bestehe. Mit Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 12. Dezember 2001 (Az.: L 3 U 96/98) wurde die Beklagte verurteilt dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE von 100 v.H. ab 1. April 1989 zu gewähren. Nachdem die Beklagte den Erstattungsanspruch des Klägers vom 1. April 1989 bis 28. Februar 2002 errechnet hatte, teilte sie ihm mit Schreiben vom 16. Januar 2002 mit, ihm stehe ein Nachzahlungsbetrag von 27.397,94 EUR zu. Gleichzeitig bat sie den Kläger um Mitteilung, ob der von der Bundesanstalt für Arbeit mitgeteilte Rückforderungsanspruch in der genannten Höhe bestehe und er bereit sei, diesen aus dem Nachzahlungsbetrag zu befriedigen. Der Kläger bat mit Schreiben vom 23. Januar 2002 um Auszahlung des ungeminderten Nachzahlungsbetrages. Mit Schreiben vom 23. Januar 2002 ermächtigte die Beigeladene die Beklagte, die im Zeitraum vom 2. Oktober 1984 bis 25. November 1987 überzahlte Arbeitslosenhilfe in Höhe von 16.959,15 DM (8.671,08 EUR) mit der laufenden Unfallrente des Klägers zu verrechnen und übersandte der Beklagten das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. April 2001, telefonisch teilte sie mit, dieses Urteil sei rechtskräftig geworden. Mit Schreiben vom 30. Januar 2002 wurde der Kläger von der Beklagten zur beabsichtigten Verrechnung angehört. Weil er in einem am 1. Februar 2002 eingegangenen Schreiben ausgeführt hatte, dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts fehle es an der notwendigen Rechtskraft, wurde er um Aufklärung gebeten, ob er gegen dieses Urteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt habe. Zum Anhörungsschreiben der Beklagten und der Anfrage der Beklagten teilte er im Schreiben vom 4. Februar 2002 und 20. Februar 2002 mit, einer Verrechung müsse ein vollstreckbarer Anspruch zu Grunde liegen. Er mache darauf aufmerksam, dass es weder seine noch Sache der Beklagten sei, Feststellung zur Rechtskraft von Urteilen zu treffen. Des Weiteren legte er dar, weshalb das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts seines Erachtens offensichtlich rechtswidrig sei.
Mit Bescheid vom 15. März 2002 verrechnete die Beklagte unter Bezugnahme auf §§ 51, 52 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) den von der Beigeladenen geltend gemachten Rückzahlungsanspruch in Höhe von 8.671,08 EUR mit der für den Zeitraum vom 1. April 1989 bis 28. Februar 2002 festgestellten Rentennachzahlung in Höhe von 27.397,94 EUR. Zur Begründung führte sie aus, die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 2 und 52 SGB I lägen vor. Bei der mit Verwaltungsakt vom 16. Januar 2002 festgestellten Rentennachzahlung handele es sich um eine Nachzahlung für wiederkehrende laufende Geldleistungen, bis zu deren Hälfte eine Aufrechnung zulässig sei, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes über die Hilfe zum Lebensunterhalt nicht eintrete. Schon unter Berücksichtigung der vor Feststellung der Rentennachzahlung gewährten monatlichen Unfallrente zwischen 2.603,45 DM ab 4/1989 und 3.409,47 DM ab 7/2001 sei Hilfebedürftigkeit im Sinne der vorgenannten Vorschriften zu verneinen. Darüber hinaus sei die Verrechnung in Höhe von 8.671,08 EUR aus dem Nachzahlungsbetrag in Höhe von 27.397,94 EUR zu befriedigen, sodass dem Kläger ungeachtet des mit Bescheid vom 28. Januar 2002 festgestellten Zinsanspruchs in Höhe von 6.517,48 EUR noch eine Restnachzahlung von 18.726,86 EUR verbleibe. Die Pfändungsfreigrenzen des § 54 SGB I seien im Hinblick auf die dem Kläger gewährte Unfallrente deutlich überschritten. Hinweise, dass durch die Verrechnung Hilfebedürftigkeit im Sinne des Bundessozialhilfegesetzes eintrete, lägen nicht vor. Eine Möglichkeit, von der Verrechnung der Überzahlung mit dem Rentenanspruch in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens abzusehen, bestehe nicht. Durch die §§ 51, 52 SGB I werde ein Verbundsystem des Sozialversicherungsträgers geschaffen, die grundsätzlich im Interesse aller der Sozialversicherung unterstellten Beitragszahler und auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtmäßigkeit verwaltungsmäßigen Handelns, unrechtmäßige Zahlung zurückzufordern hätten. Anhaltspunkte, die eine Abweichung von diesem Grundsatz rechtfertigen könnten, seien für die Beklagte nicht erkennbar, zumal dem Kläger auch nach der Verrechnung genügend Einkünfte zur Sicherstellung seines Lebensunterhaltes zur Verfügung stünden, von der Verrechnung nur ein Teil der Rentennachzahlung betroffen sei und die laufenden Rentenzahlungen davor nicht berührt würden.
Mit seinem dagegen am 5. April 2003 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, der behauptete Anspruch des Arbeitsamtes bestehe nicht. Das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. April 2001 könne keinesfalls die behauptete Rechtskraftwirkung nach § 141 SGG haben, selbst dann nicht, wenn es rechtskräftig wäre. Seinem Klageantrag zufolge sei nur der Bescheid vom 20. Februar 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 1997 Gegenstand des Verfahrens gewesen, nicht hingegen der Rückforderungs- bzw. "Ergänzungsbescheid" vom 31. März 1992. Dieser sei ihm nie bekannt gegeben worden. Im Übrigen sei das Urteil nicht wirksam geworden, weil es nicht formgerecht zugestellt worden sei. Die Frist für die Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde laufe nicht wegen des Mangels der formgerechten Zustellung. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Der Kläger hat am 15. Mai 2002 beim Sozialgericht Wiesbaden Klage erhoben und vorgetragen, das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. April 2001 sei ihm mit Schreiben der Deutschen Botschaft vom 30. Mai 2001 per Einschreiben mit Rückschein zugesandt und ihm am 22. Juni 2001 ausgehändigt worden. Entsprechend dem zutreffenden Hinweis der Botschaft im Begleitschreiben, dass er nicht zur Annahme des von der Botschaft zugesandten zuzustellenden Schriftstücks verpflichtet sei, habe er die Urteilsausfertigung am 17. Juli 2001 an die Botschaft als Annahmeverweigerung zurückgesandt. Der Eingang sei von der Botschaft am 19. Juli 2001 auf dem Rückschein bestätigt. Eine Zustellung sei bisher nicht erfolgt, deswegen habe das Urteil keine Rechtskraftwirkung und es fehle an einer Zahlungsverpflichtung seinerseits. Mit Schriftsatz vom 22. August 2006 übersandte der Kläger eine Kopie des Zustellungszeugnisses, das ihm vom Bayerischen Landessozialgericht übersandt worden war. Nachdem ihm das Schreiben des Bayerischen Landessozialgerichts vom 17. Dezember 2004, indem dem Sozialgericht Wiesbaden mitgeteilt worden war, die Entscheidung vom 11. April 2001 sei rechtskräftig, zugesandt worden war, hat der Kläger ausgeführt, das Zustellzeugnis vom 26. Juni 2001 entspreche nicht den gesetzlichen Mindesterfordernissen eines gültigen Zustellungsprotokolls. Der Unterzeichner des Zustellungszeugnisses sei scheinbar davon ausgegangen, der Tag der Aufgabe zur Post gelte als Zustellungsdatum. Es erscheine auch, dass er das Zustellungszeugnis vier Tage nach der Aushändigung des Schreibens der Botschaft, dem das Urteil beigefügt gewesen sei, gefertigt habe, somit offensichtlich bei Rücklauf des Rückscheins. Die Botschaft habe im Schreiben vom 30. Mai 2006 auf die Rechtsfolge nicht erfolgter Zustellung bei Annahmeverweigerung hingewiesen. Diese Rechtsfolge sei am 17. Juli 2001 durch die Entgegennahme der Rücksendung des Urteils eingetreten. Das Bayerische Landessozialgericht scheine seine Behauptung der Rechtskraft nicht nur auf das den Erfordernissen eines Zustellungsprotokolls nicht entsprechende und sachlich unzutreffende Zustellungszeugnis zu stützen, sondern stütze sich auch auf ein Zustellungszeugnis, das, durch nach seiner Erstellung eingetretene Rechtsfolgen, überholt sei. Der Kläger hat das Begleitschreiben des Rechts- und Konsularreferats der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, ÄA. vom 30. Mai 2001 vorgelegt. Das Schreiben hat folgenden Inhalt: "Sehr geehrter Herr A., auf Ersuchen wird Ihnen ein Bescheid des Bayerischen Landessozialgerichts zugestellt. Hinweis: Sie sind nicht verpflichtet die zuzustellenden Schriftstücke anzunehmen. Sie müssen jedoch hierüber die Botschaft benachrichtigen und Schriftstücke unverzüglich zurücksenden. (Die Botschaft sieht hierfür vier Wochen als ausreichend an). Sie werden darauf hingewiesen, dass die zuzustellenden Schriftstücke auf Ersuchen der zuständigen deutschen Behörde Ihnen zu einem späteren Zeitpunkt durch die zuständigen thailändischen Behörden möglicherweise zwangsweise zugestellt werden können. Die Kenntnisnahme vom Inhalt der Schriftstücke bewirkt keine Zustellung." Des Weiteren legte der Kläger sein Schreiben vom 14. Juli 2001 vor, mit dem er das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. April 2001 an die Botschaft zurückgesandt hatte. Darin heißt es: "Nach Lektüre bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich das zuzustellende Schriftstück wegen den gravierenden Unrichtigkeiten in der Tatbestandsschilderung in dieser Fassung nicht annehmen kann. Meinen Antrag auf Berichtigung des Tatbestandes vom 27. Juni 2001 habe ich im Original bereits an das Landessozialgericht gesandt. Die Entscheidung bezüglich des Berichtigungsantrages muss das Gericht auf den Ausfertigungen vermerken." Laut von dem Kläger vorgelegten Einschreibenrückscheins wurde dieses Schreiben am 17. Juli 2001 der Post zur Beförderung übergeben und von der Deutschen Botschaft am 19. Juli 2001 in Empfang genommen.
Das Sozialgericht hat die Klage aufgrund mündlicher Verhandlung vom 19. Januar 2007 abgewiesen. Laut Einschreibenrückschein wurde dem Kläger das Urteil am 29. Januar 2007 ausgehändigt. Der Kläger hat dagegen am 13. Februar 2007 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und geltend gemacht, dass Sozialgericht führe in seinem Urteil aus, dass die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in ÄA. mit Schreiben vom 5. Oktober 2001 dem Bayerischen Landessozialgericht mitgeteilt habe, dass er die Annahme des Urteils vom 11. April 2001 verweigert habe. Weiter werde ausgeführt, dass ihm das Urteil durch Schreiben der Botschaft der Bundesrepublik ÄA. vom 30. Mai 2001 zugestellt worden sei. Nicht ausgeführt werde, wann und wie die Zustellung – etwa durch Zuhilfenahme des Gerichtsvollziehers des zuständigen Distriktsgerichts, wo eine Annahmeverweigerung nicht möglich sei – erfolgt sein solle. Da eine solche Zustellung nicht erfolgt sei, sei das Urteil noch nicht rechtskräftig. Die Rechtsmittelfrist habe noch nicht begonnen. Die Deutsche Botschaft habe irrtümlich Meldung über eine erfolgte Zustellung erteilt. Diese irrtümliche Meldung habe die Botschaft gegenüber dem Bayerischen Landessozialgericht berichtigt und mitgeteilt, dass wegen Annahmeverweigerung keine Zustellung erfolgt sei.
Auf Anfrage des Senats bei der Deutschen Botschaft ÄA., ob dort noch Unterlagen zu dem Zustellvorgang – insbesondere ein Rückschein – vorhanden sind, hat die Botschaft am 31. September 2011 mitgeteilt, die gewünschte Akte stehe nicht mehr zur Verfügung. Derartige Akten würden nur fünf Jahre aufbewahrt. Der Kläger hat daraufhin mit Schreiben vom 2. Oktober 2011 vorgetragen, das Urteil sei ihm an sein Postfach Nr. yyy beim QQ. Post Office in A-Stadt, das er 1990 eingerichtet habe, gesandt worden. Ende 1997 sei er ca. 25 km weit nach außerhalb der Stadt umgezogen und habe das Postfach immer seltener geleert, dies erkläre den langen Postlauf der Sendung. Allein das Datum 30. Mai 2001 der Ausfertigung des Begleitschreibens lege nahe, dass ihn das Schriftstück am 31. Mai 2001 nicht erreicht haben könne. Es dürfe als ausgeschlossen gelten, dass es noch am selben Tag die 300 km nach A-Stadt zum Hauptpostamt und bis zum QQ. Post Office zurückgelegt habe. Mit per Einschreiben mit Rückschein an die Deutsche Botschaft versandtem Schreiben vom 2. Oktober 2001 habe er die Deutsche Botschaft um Berichtigung des Zustellzeugnisses ersucht. Der Kläger übersandte dieses Schreiben in Kopie. Hinsichtlich dessen Inhalts wird auf Blatt 137 der Gerichtsakte verwiesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 19. Januar 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 15. März 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2002 aufzuheben.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben erklärt, sie seien mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die zum Verfahren beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte des Sozialgerichts Nürnberg (Az.: S 5 AL 353/97) und des Bayerischen Landessozialgerichts (Az.: L 11 AL 27/98) Bezug genommen.