Bundessozialgericht vom 22.06.2023, B 2 U 11/20 R

Ein bedeutendes Urteil hat das Bundessozialgericht am 22.06.2023 zu den Berufskrankheiten gesprochen. Das Urteil, das unter dem Aktenzeichen B 2 U 11/20 R erging, beschäftigt sich mit der Frage, ob bei Rettungssanitätern eine posttraumatische Belastungsstörung (kurz: PTBS) als Berufskrankheit anerkannt werden kann – und zwar auch dann, wenn diese Diagnose bzw. Krankheit nicht in der Berufskrankheiten-Verordnung aufgeführt ist.

Die Berufskrankheiten sind in § 9 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) gesetzlich beschrieben. Hierbei handelt es sich um Krankheiten, die von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung und mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet werden, wenn diese Versicherte infolge einer den Unfallversicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden. Bei dieser Rechtsverordnung handelt es sich um die Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Mit der Entscheidung durch das Bundessozialgericht wird die Frage, ob eine PTBS eine Berufskrankheit sein kann, nach einem jahrelangen Rechtsstreit endgültig geklärt. Zuvor hatten sich das Sozialgericht Stuttgart (Urteil vom 08.11.2018, S 1 U 1682/17) und das Landessozialgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 13.12.2019, L 8 U 4271/18) mit der Frage beschäftigt, ob die PTBS des Klägers als Berufskrankheit anerkannt werden kann.

Anerkennung als „Wie-Krankheit“

Das sozialgerichtliche Streitverfahren endete für den Kläger positiv, da die Posttraumatische Belastungsstörung durch das höchste Sozialgericht Deutschlands als Berufskrankheit im Sinne der Gesetzlichen Unfallversicherung anerkannt wurde. Die Krankheit wurde als „Wie-Berufskrankheit“ vom 2. Senat des Bundessozialgerichts bestätigt.

Bei dem Kläger handelt es sich um einen Rettungssanitäter, der in dieser Tätigkeit zahlreiche traumatisierende Ereignisse erlebt hatte. Zu diesen Ereignissen zählen unter anderem miterlebte Suizide, ein Amoklauf und auch weitere das Leben sehr belastende Momente.

Als im Jahr 2016 eine Posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurde, lehnte der beklagte Unfallversicherungsträger die Anerkennung als Berufskrankheit ab. Diese Ablehnung bestätigte zunächst das Sozialgericht Stuttgart (erste sozialgerichtliche Instanz) und später das Landessozialgericht Baden-Württemberg (zweite sozialgerichtliche Instanz).

Das Bundessozialgericht hob die für den Kläger negativen Entscheidungen auf und führt in dem Rechtsstreit unter dem Aktenzeichen B 2 U 11/20 R aus, dass Rettungssanitäter in ihrer Tätigkeit mit einem erhöhten Risiko traumatisierenden Ereignissen ausgesetzt sind. Nach dem Stand der Wissenschaft sind diese Einwirkungen abstrakt-generell eine Posttraumatische Belastungsstörung. Durch das international anerkannte Diagnosesystem ist dieser Ursachenzusammenhang bestätigt. Daher hat das Bundessozialgericht mit der Entscheidung die bisherige Rechtsprechung zu den Berufskrankheiten im Sinne des SGB VII weiterentwickelt und die PTBS grundsätzlich als „Wie-Krankheit“ und damit als Versicherungsfall der Gesetzlichen Unfallversicherung anerkannt.

Die Klage wurde durch das Bundessozialgericht allerdings nochmals an das Landessozialgericht (Tatsacheninstanz) zurückverwiesen, da von der Vorinstanz nicht eindeutig geklärt wurde, ob die beim Kläger vorliegenden PTBS tatsächlich auf die Tätigkeit als Rettungssanitäter zurückzuführen ist.

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