Eine Hinterbliebenenrente der Gesetzlichen Unfallversicherung

Die Leistungsvorschriften der Gesetzlichen Unfallversicherung sehen die Gewährung von Waisenrenten vor. Bei einer Waisenrente handelt es sich um eine Hinterbliebenenrente bzw. um eine Leistung an Hinterbliebene.

Die Anspruchsvoraussetzungen der Waisenrente sind in der Rechtsvorschrift des § 67 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), die Höhe der Waisenrente in der Rechtsvorschrift des § 68 SGB VII geregelt. Bevor die Gesetzliche Unfallversicherung im SGB VII geregelt wurde (vor dem 01.01.1997), war die Rechtsvorschrift für den Waisenrentenanspruch der § 595 Reichsversicherungsordnung (RVO).

Bei den Waisenrenten wird zwischen der Halbwaisenrente und der Vollwaisenrente unterschieden.

Anspruchsvoraussetzungen

Nach § 67 Abs. 1 SGB VII haben Kinder von verstorbenen Versicherten einen Anspruch auf eine Halbwaisenrente bzw. auf eine Vollwaisenrente.

Damit für die hinterbliebenen Kinder dieser Waisenrentenanspruch besteht, muss der Tod des Elternteils aufgrund eines Arbeitsunfalls (zu den Arbeitsunfällen zählen auch die Wegeunfälle) oder aufgrund einer Berufskrankheit eingetreten sein.

Hinterbliebene Kinder haben einen Anspruch auf die:

  • Halbwaisenrente, wenn sie noch einen Elternteil haben
  • Vollwaisenrente, wie sie keine Eltern mehr haben.

Kinder im Sinne des § 67 SGB VII

Neben den (leiblichen) Kindern des verstorbenen Versicherten werden nach § 67 Abs. 2 SGB VII auch folgende Kinder hinsichtlich des Anspruchs auf eine Waisenrente berücksichtigt:

  • Stiefkinder und Pflegekinder im Sinne des § 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB I, die in den Haushalt der Versicherten aufgenommen waren und
  • Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Versicherten aufgenommen waren oder von ihnen überwiegend unterhalten wurden.

Bei Pflegekindern im Sinne des § 56 Abs. 2 Nr. 2 SGB I handelt es sich um Personen, die mit dem Berechtigten durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Kinder mit Eltern verbunden sind.

Dauer des Anspruchs auf eine Waisenrente

Der Anspruch auf eine Rente an Hinterbliebene – zu denen die Waisenrente zählt – beginnt mit dem Todestag (§ 72 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).

Die Dauer des Anspruchs auf eine Waisenrente wird durch die Begrenzung auf ein bestimmtes Lebensalter des anspruchsberechtigten Waisenkindes definiert. Die Anspruchsgrundlage hierfür ist § 67 Abs. 3 SGB VII. Bei der Anspruchsdauer auf eine Waisenrente gibt es keine Unterscheidung zwischen der Halbwaisenrente und der Vollwaisenrente.

Vollendung des 18. Lebensjahres

Auf die Waisenrente der Gesetzlichen Unfallversicherung besteht grundsätzlich bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres ein Anspruch.

Vollendung des 27. Lebensjahres

Sollte sich das waisenrentenberechtigte Kind:

  • in Schulausbildung oder Berufsausbildung befinden,
  • sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Kalendermonaten befinden, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des § 32 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe d des Einkommensteuergesetzes liegt,
  • einen freiwilligen Dienst im Sinne des § 32 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe d des Einkommensteuergesetzes leisten oder
  • wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten

besteht der Anspruch auf die Waisenrente bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres.

Um eine Schulausbildung bzw. Berufsausbildung, welche den Anspruch über das 18. Lebensjahr bis maximal dem vollendeten 27. Lebensjahr rechtfertigt, handelt es sich dann, wenn die Ausbildung einen tatsächlichen zeitlichen Aufwand von mehr als 20 Stunden wöchentlich erfordert. Der tatsächliche zeitliche Aufwand ist ohne Bedeutung für Zeiten, in denen das Ausbildungsverhältnis trotz einer Erkrankung fortbesteht und damit gerechnet werden kann, dass die Ausbildung fortgesetzt wird. Das gilt auch für die Dauer der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz.

Nach Vollendung des 27. Lebensjahres

Wird die Schul- oder Berufsausbildung durch einen gesetzlichen Wehr- oder Zivildienst oder einen gleichgestellten Dienst unterbrochen oder verzögert, verlängert sich der Anspruch auf die Waisenrente um den Zeitraum der Unterbrechung/Verzögerung über das vollendete 27. Lebensjahr hinaus.

Ein freiwilliger Dienst im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe d Einkommensteuergesetz ist kein gleichgestellter Dienst, der eine Verlängerung des Waisenrentenanspruchs über das vollendeten 27. Lebensjahr hinaus rechtfertigt. Dieser Dienst rechtfertigt „nur“ den Waisenrentenanspruch über das 18. Lebensjahr hinaus bis längstens zum vollendeten 27. Lebensjahr.

Insgesamt ist festzuhalten, dass bei der Anspruchsdauer der Waisenrenten der Gesetzlichen Unfallversicherung die gleichen Grundsätze wie für die Waisenrenten der Gesetzlichen Rentenversicherung gelten.

Annahme als Kind

Wird die Waise als Kind angenommen, endet nach § 67 Abs. 5 SGB VII hierdurch der Anspruch auf eine Waisenrente nicht!

Höhe der Waisenrente

Die Höhe der Waisenrente ist in § 68 Abs. 1 SGB VII beschrieben. Danach beträgt die:

  • Halbwaisenrente: 20 vom Hundert (Prozent) des Jahresarbeitsverdienstes und die
  • Vollwaisenrente: 30 vom Hundert (Prozent) des Jahresarbeitsverdienstes.

Sofern für ein Kind ein Anspruch auf mehrere Waisenrenten aus der Gesetzlichen Unfallversicherung gegeben ist, kommt es nur zur Leistung der höchsten Rente. Sollten die Renten gleich hoch sein, wird die Waisenrente geleistet, welche aufgrund des frühesten Versicherungsfalls zu zahlen ist (§ 68 Abs. 3 SGB VII).

Die Monatsrente für die Halbwaisenrente wird wie folgt berechnet:

Jahresarbeitsverdienst x 20 Prozent / 12 Monate

Die Monatsrente für die Halbwaisenrente wird wie folgt berechnet:

Jahresarbeitsverdienst x 30 Prozent / 12 Monate

Der Jahresarbeitsverdienst

Der Jahresarbeitsarbeitsverdienst, welcher Grundlage für die Berechnung der Waisenrenten ist, wird in § 82 Abs. 1 SGB VII definiert. Danach werden als Jahresarbeitsverdienst das Arbeitsentgelt und das Arbeitseinkommen in den letzten zwölf Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist, herangezogen.

Für Versicherte, die im Zeitpunkt des Versicherungsfalls das 18. Lebensjahrvollendet haben, beträgt der Jahresarbeitsverdienst mindestens 60 vom Hundert der im Zeitpunkt des Versicherungsfalls maßgebenden Bezugsgröße.

Berechnungsbeispiel:

Ein Versicherter verstirbt aufgrund eines Arbeitsunfalls. Der Jahresarbeitsverdienst vor Eintritt des Versicherungsfalles beträgt 50.000,00 Euro. Der Versicherte hinterlässt ein Kind, welches

  1. Halbwaise
  2. Vollwaise

ist.

Berechnung – Variante a

Jahresarbeitsverdienst 50.000,00 Euro x 20 Prozent / 12 Monate = 833,33 Euro.

Die monatliche Halbwaisenrente beträgt damit 833,33 Euro.

Berechnung – Variante b

Jahresarbeitsverdienst 50.000,00 Euro x 30 Prozent / 12 Monate = 1.250,00 Euro.

Die monatliche Vollwaisenrente beträgt damit 1.250,00 Euro.

Keine Einkommensanrechnung

In der Vergangenheit wurde ein eigenes Einkommen des waisenrentenberechtigten Kindes auf die Waisenrente angerechnet. Die Rechtsgrundlage hierfür war § 68 Abs. 2 SGB VII, welche mit Artikel 4 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (5. SGB IV-ÄndG) vom 15.04.2015 (BGBl. I S. 583) für die Zeit ab dem 01.07.2015 aufgehoben wurde.

Das bedeutet, dass es seit dem 01.07.2015 bei den Waisenrenten der Gesetzlichen Unfallversicherung zu keiner Einkommensanrechnung mehr kommt.

Zusammentreffen mit Rente aus Gesetzlicher Rentenversicherung

Besteht ein Anspruch auf eine Waisenrente aus der Gesetzlichen Unfallversicherung, sind im Regelfall auch die Voraussetzungen für eine Waisenrente aus der Gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt. Für diesen Fall sehen die gesetzlichen Vorschriften (§ 93 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI) vor, dass die Rente der Unfallversicherung auf die Rente der Rentenversicherung angerechnet wird.

Zu der Anwendung des § 93 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI kommt es auch dann, wenn die Waisenrenten aus den beiden Sozialversicherungszweigen nach verschiedenen Versicherten geleistet werden. In diesem Zusammenhang ist nicht die Identität des verstorbenen Versicherten, sondern die Identität des Waisenrentenberechtigten maßgebend.

Höchstbetrag Hinterbliebenenrente führt zu evtl. Kürzung

Mit § 70 SGB VII wird für Hinterbliebenenrenten ein Höchstbetrag festgesetzt. Die Renten der Hinterbliebenen dürfen nach § 70 Abs. 1 SGB VII zusammen 80 vom Hundert des Jahresarbeitsverdienstes nicht übersteigen. Sollten die Hinterbliebenenrenten in Summe diesen Betrag übersteigen, werden sie gekürzt. Dies erfolgt bei Witwen und Witwern, früheren Ehegatten und Waisen nach dem Verhältnis der Höhe.

Verwandte der aufsteigenden Linie, Stief- oder Pflegeeltern sowie Pflegekinder haben nach § 70 Abs. 2 SGB VII nur Anspruch, soweit Witwen und Witwer, frühere Ehegatten oder Waisen den Höchstbetrag nicht ausschöpfen.

Berechnungsbeispiel:

Ein Versicherter verstirbt aufgrund eines Arbeitsunfalls. Die Witwe und drei Waisen haben je einen Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente.

Die Witwenrente beträgt 40 Prozent des Jahresarbeitsverdienstes, die Waisenrenten je 20 Prozent des Jahresarbeitsverdienstes.

Der maßgebende Jahresarbeitsverdienst beträgt 50.000,00 Euro.

Konsequenz:

Die Witwenrente beträgt (50.000,00 Euro x 40 Prozent / 12 Monate) 1.666,67 Euro. Jede Waisenrente beträgt (50.000,00 Euro x 20 Prozent / 12 Monate) 833,33 Euro.

Die Hinterbliebenenrenten betragen in Summe 100 Prozent des Jahresarbeitsverdienstes. Daher muss es entsprechend der Regelung des § 70 SGB VII zu einer anteiligen Kürzung kommen. Die Kürzung erfolgt, indem die ungekürzte errechnete Hinterbliebenenrente mit dem Höchstbetrag multipliziert und mit der Summe aller Hinterbliebenenrente dividiert wird.

Der Höchstbetrag für alle Hinterbliebenenrente beträgt (50.000,00 Euro x 80 Prozent / 12 Monate) 3.333,33 Euro.

Witwenrente: 1.666,67 Euro x 3.333,33 Euro / 4.166,67 Euro = 1.333,33 Euro

Waisenrente (je Waise): 833.33 Euro x 3.333,33 / 4.166,67 Euro = 666,67 Euro

Für die Witwe besteht somit ein Witwenrentenanspruch von 1.333,33 Euro, je Waise ein Anspruch auf eine Halbwaisenrente in Höhe von 666,67 Euro monatlich.

Bildnachweis: © africa-studio.com (Olga Yastremska and Leonid Yastremskiy)

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