Besondere Voraussetzungen für Stief- und Enkelkinder

Familienangehörige können im Rahmen der Familienversicherung nach § 10 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Gesetzlichen Krankenversicherung kostenfrei mitversichert werden, sofern hierfür die Voraussetzungen vorliegen. Im Regelfall handelt es sich bei den Familienversicherten um den Personenkreis der Ehegatten und der leiblichen Kinder. Näheres zu den Anspruchsvoraussetzungen nach § 10 SGB V kann unter Familienversicherung nachgelesen werden.

Generelles zum überwiegenden Unterhalt

Unter bestimmten Voraussetzungen können neben den leiblichen Kindern unter anderem auch Stiefkinder und Enkelkinder bei einem Mitglied familienversichert werden. Was den Personenkreis der Stief- und Enkelkinder betrifft, kam es durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) ab dem 11.05.2019 zu einer Rechtsänderung.

Ab dem 11.05.2019 können Stief- und Enkelkinder dann – bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen für eine Familienversicherung – dann familienversichert werden, wenn diese in den Haushalt des Mitglieds aufgenommen wurden oder vom Mitglied überwiegend unterhalten werden. Bei einer Aufnahme des Stief- bzw. Enkelkinds in den Haushalt des Mitglieds ist überwiegende Unterhalt durch das Mitglied nicht mehr erforderlich.

Damit der überwiegende Unterhalt von den Krankenkassen einheitlich beurteilt wurde, wurden seitens der Spitzenverbände der Krankenkassen die „Richtlinien für die Feststellung des überwiegenden Unterhalts im Rahmen der Familienversicherung für Stief- und Enkelkinder (§ 10 Abs. 4 SGB V)“ erlassen. Die Richtlinien wurden mit „ÜberwUhR“ abgekürzt.

Die ÜberwUhR sind noch für die Beurteilung der Familienversicherung von Stief- und Enkelkindern für Zeiträume bis einschließlich 10.05.2019 maßgebend. Demzufolge sind auch die folgenden Ausführungen nur für die Familienversicherung von Stief- und Enkelkindern bis 10.05.2019 mit der erforderlichen Beurteilung des überwiegenden Unterhalts von Bedeutung.

Die ÜberwUhR wurden durch die „Grundsätzlichen Hinweise zur Feststellung der Haushaltsaufnahme sowie des überwiegenden Unterhalts im Rahmen der Familienversicherung für Stief- und Enkelkinder“ ersetzt. Diese grundsätzlichen Hinweise sind für die Beurteilung der Familienversicherung von Stief- und Enkelkindern für Zeiträume ab dem 11.05.2019 maßgebend. Näheres hierzu kann unter Familienversicherung | Stief- und Enkelkinder nachgelesen werden.

Ein Mitglied unterhält einen Familienangehörigen im Sinne der Familienversicherung dann überwiegend, wenn mehr als die Hälfe dessen Unterhaltsbedarf aus dem Einkommen des Mitglieds aufgebracht werden.

Der überwiegende Unterhalt muss, damit die Familienversicherung für Stief- und Enkelkinder in Frage kommt, vom Mitglied tatsächlich gewährt werden. Nur die Verpflichtung oder seitens der Kinder die Berechtigung, diesen Unterhalt einzufordern, ist für die Beurteilung irrelevant.

Zu berücksichtigendes Einkommen

Bei der Berechnung des überwiegenden Unterhalts wird stets das Nettoeinkommen herangezogen. Dies erfolgt auch dann, wenn dieses bzw. ein Teil hiervon nicht zum beitragspflichtigen Entgelt im Sinne der Sozialversicherung zählt.

Unberücksichtigt bleiben Leistungen für Kinder (z. B. Kindergeld, Ausbildungszulagen usw.) und Zuschläge, welche mit Rücksicht auf den Familienstand gewährt werden.

Werden im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht, werden diese den einzelnen Familienangehörigen personenbezogen zugeordnet. Ist eine Zuordnung auf einen einzelnen Familienangehörigen nicht möglich, werden die Leistungen anteilig entsprechend der Anzahl der Personen der Bedarfsgemeinschaft aufgeteilt.

Wie der Unterhaltsbedarf ermittelt wird

Der Unterhaltsbedarf jedes einzelnen Familienangehörigen ist festzustellen, damit der überwiegende Unterhalt beurteilt werden kann. Der überwiegende Unterhalt wird dann von einem Mitglied geleistet – mit der Folge, dass das Stief- oder Enkelkind dann auch familienversichert werden kann – wenn dieses (Mitglied) mehr als die Hälfte von dem Unterhaltsbedarf des Stief-/Enkelkindes aus seinem Einkommen aufgebracht wird. Kann ein Angehöriger – hier das Enkel- oder Stiefkind – mit seinen eigenen Einkünften bereits die Hälfte des auf ihn entfallenden Unterhaltsbedarfs decken, liegt kein überwiegender Unterhalt durch das Mitglied mehr vor.

Beispiel:

Ein Ehepaar lebt mit einem Stiefkind (Stiefkind des Ehemannes) in einem gemeinsamen Haushalt. Das Stiefkind verfügt über kein eigenes Einkommen.

Das Mitglied erzielt ein Netto-Einkommen von 1.600 Euro, die Ehefrau ein Netto-Einkommen in Höhe von 600,00 Euro.

Berechnung:

Person Einkommen Unterhaltsbedarf Überschuss Fehlbetrag
Mitglied 1.600,00 Euro 733,33 Euro 866,67 Euro  
Ehefrau 600,00 Euro 733,33 Euro   133,33 Euro
Stiefkind 0,00 Euro 733,33 Euro   733,33 Euro
Gesamt 2.200,00 Euro      

Unterhaltsbedarf: 2.200,00 Euro : 3 Personen = 733,00 Euro
Hälfte des Unterhaltsbedarf: 733,33 Euro : 2 = 366,67 Euro

Das Mitglied bringt mindestens die Hälfte des Unterhaltsbedarf des Stiefkinds auf. Damit wird das Stiefkind vom Mitglied überwiegend unterhalten.

Berücksichtigung des Wertes der Haushaltsführung und Kinderbetreuung

Für die Beurteilung des überwiegenden Unterhalts werden nicht nur die geldwerten Einnahmen zum Lebensunterhalt berücksichtigt. Auch der Wert der Haushaltsführung und Kinderbetreuung wird angesetzt, sollte sich aus der ersten Berechnung – also ohne Berücksichtigung der Haushaltsführung und Kinderbetreuung – kein überwiegender Unterhalt durch das Mitglied errechnen.

Als Wert der Haushaltsführung werden die Werte nach Tabelle 21 (Durchschnittsentgelte entsprechend § 69 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch) angesetzt.

Als Wert der Kinderbetreuung wird der Wert angesetzt, welcher dem Kinderzuschuss aus der Gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.

Der folgenden Tabelle können die Werte ab dem Jahr 2004 entnommen werden:

Jahr Wert der Haushaltsführung Wert der Kinderbetreuung
2004 1.383,00 Euro 78,00 Euro
2005 1.398,00 Euro 78,00 Euro
2006 1.404,00 Euro 78,00 Euro
2007 1.411,00 Euro 78,00 Euro
2008 1.425,00 Euro 78,00 Euro
2009 1.447,00 Euro 78,00 Euro
2010 1.479,00 Euro 78,00 Euro
2011 1.474,00 Euro 78,00 Euro
2012 1.505,00 Euro 78,00 Euro
2013 1.551,00 Euro 78,00 Euro
2014 1.594,00 Euro 78,00 Euro
2015 1.626,00 Euro 78,00 Euro
2016 1.667,00 Euro 78,00 Euro
2017 1.708,00 Euro 78,00 Euro
2018 1.748,00 Euro 78,00 Euro
2019 1.791,00 Euro 78,00 Euro

Der Wert der Haushaltsführung wird als Gesamtbetrag nur einmal für den Familienverbund bzw. für Mitglied und Ehegatten/Lebenspartner (im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes) angesetzt. Der Wert der Kinderbetreuung wird für jedes im Haushalt des Mitglieds lebende unverheiratete Kind angesetzt.

Eine Begrenzung des Betrages für den Wert der Haushaltsführung und Kinderbetreuung gibt es, wenn lediglich das Mitglied über geldwerte Einnahmen verfügt. In diesem Fall wird für die Haushaltsführung/Kinderbetreuung maximal der Betrag angesetzt, über den das Mitglied an Geldmitteln verfügt. Gleiches gilt, wenn auch der Ehegatte/Lebenspartner über Einnahmen verfügt; auch hier erfolgt eine Begrenzung auf den Gesamtbetrag von beiden Ehegatten/Lebenspartnern.

Die Aufteilung des Wertes der Haushaltsführung und der Kinderbetreuung auf das Mitglied und den Ehegatten/Lebenspartner erfolgt – abhängig von den individuellen Verhältnissen – nach der folgenden Tabelle:

Status Haushaltsführung Kinderbetreuung
Ehemann in % Ehefrau
in %
Ehemann
in %
Ehefrau
in %
Ehemann arbeitet voll, Ehefrau ist zu Hause 10 90 10 90
Ehemann arbeitet voll, Ehefrau arbeitet halbtags 15 85 10 90
Ehemann arbeitet voll, Ehefrau arbeitet voll 50 50 10 90
Ehemann arbeitet halbtags, Ehefrau ist zu Hause 20 80 20 80
Ehemann arbeitet halbtags, Ehefrau arbeitet halbtags 20 80 20 80
Ehemann arbeitet halbtags, Ehefrau arbeitet voll 35 65 30 70
Ehemann ist zu Hause, Ehefrau ist zu Hause 50 50 30 70
Ehemann ist zu Hause, Ehefrau arbeitet halbtags 40 60 40 60
Ehemann ist zu Hause, Ehefrau arbeitet voll 60 40 50 50

Wird die Haushaltsführung von einer anderen Person als der Ehefrau und des Ehegatten übernommen, ist dieser anderen Person der Wert der Haushaltsführung und Kinderbetreuung zuzurechnen.

Beispiel (Berechnung für das Jahr 2019):

Ein Ehepaar lebt mit einem Stiefkind (Stiefkind des Ehemannes) in einem gemeinsamen Haushalt. Das Stiefkind verfügt über kein eigenes Einkommen.

Das Mitglied erzielt ein Netto-Einkommen von 1.300 Euro, die Ehefrau ein Netto-Einkommen in Höhe von 600,00 Euro. Das Kind selbst hat ein Einkommen von 300,00 Euro. Das Mitglied und die Ehefrau arbeiten beide voll.

Berechnung:

Person Einkommen Unterhaltsbedarf Überschuss Fehlbetrag
Mitglied 1.300,00 Euro 766,67 Euro 533,33 Euro  
Ehefrau 600,00 Euro 766,67 Euro   166,67 Euro
Stiefkind 400,00 Euro 766,67 Euro   333,33 Euro
Gesamt 2.300,00 Euro      

Unterhaltsbedarf: 2.300,00 Euro : 3 Personen = 766,67 Euro
Hälfte des Unterhaltsbedarf: 766,67 Euro : 2 = 383,34 Euro

Vom Stiefkind selbst wird mindestens die Hälfte des Unterhaltsbedarf eingebracht. Damit unterhält das Mitglied das Stiefkind nicht überwiegend. Daher muss in einer zweiten Berechnung überprüft werden, ob unter Einbeziehung des Wertes der Haushaltsführung und der Kinderbetreuung der überwiegende Unterhalt erreicht wird.

Person Einkommen Unterhaltsbedarf Überschuss Fehlbetrag
Mitglied 1.300,00 Euro
+ 895,50 Euro
+7,80 Euro
= 2.203,30 Euro
1.389,67 Euro 813,63 Euro  
Ehefrau 600,00 Euro
+ 895,50 Euro
+ 70,20 Euro
= 1.565,70 Euro
1.389,67 Euro 176,03 Euro  
Stiefkind 400,00 Euro  1.389,67 Euro   989,67 Euro
Gesamt 4.169,00 Euro      

Unterhaltsbedarf: 4169,00 Euro : 3 Personen = 1.389,67 Euro
Hälfte des Unterhaltsbedarf: 1.389,67 Euro : 2 = 694,84 Euro

Das Mitglied bringt – unter Berücksichtigung des Wertes der Haushaltsführung und Kinderbetreuung – mindestens die Hälfte des Unterhaltsbedarf des Stiefkinds auf. Damit wird das Stiefkind vom Mitglied überwiegend unterhalten.

Getrennte Haushaltsführung

Ab April 2019 ist der überwiegende Unterhalt für die Beurteilung der Voraussetzungen für eine Familienversicherung nur noch dann zu prüfen, wenn das Stief-/Enkelkind nicht im Haushalt des Mitglieds aufgenommen wurde. Die Berechnung des überwiegenden Unterhalts muss dann nach den Regelungen erfolgen, die bei einer getrennten Haushaltsführung anzuwenden sind.

Bei einer getrennten Haushaltsführung leistet dann das Mitglied den überwiegenden Unterhalt, wenn mehr als die Hälfte des Unterhaltsbedarfs des zu beurteilenden Stief-/Enkelkindes getragen wird. Dies ist dann gegeben, wenn das Mitglied mehr Unterhaltsmittel beiträgt, als der Angehörige selbst bzw. von anderer Seite zur Verfügung hat.

Der überwiegende Unterhalt wird auch dann geleistet, wenn das Mitglied nachweist, dass die Unterhaltsverpflichtungen dem Stief- bzw. Enkelkind gegenüber erfüllt werden.

Keine Prüfung überwiegender Unterhalt bei Kindern familienversicherter Kinder

Seit dem 30.03.2005 kam es durch das „Gesetz zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht“ (kurz: Verwaltungsvereinfachungsgesetz) zu einer Erleichterung. Handelt es sich bei dem Enkelkind um ein Kind eines familienversicherten Kindes, muss keine Prüfung des überwiegenden Unterhalts erfolgen. Die Kinder familienversicherter Kinder werden damit – sofern die übrigen Voraussetzungen für die Familienversicherung nach § 10 SGB V erfüllt sind – ohne überwiegende Unterhaltsprüfung familienversichert.

Mit der gesetzlichen Regelung wurde im Jahr 2005 eine Lücke im Versicherungsschutz geschlossen, wenn zum Beispiel die Mutter des Kindes nach § 10 SGB V (bei einem Elternteil) familienversichert ist und der Kindsvater entweder nicht bekannt oder selbst noch familienversichert ist.

Im Regelfall handelt es sich bei dem Mitglied von Kindern familienversicherter Kinder um einen Großelternteil. Im Rahmen der Familienversicherung nach § 10 SGB V tritt das Kindeskind nicht als Enkelkind, sondern als Kind des familienversicherten Kindes in Erscheinung.

Das Kindeskind muss nicht unbedingt bei der Krankenkasse familienversichert werden, bei dem ein Elternteil familienversichert ist. Wenn die Voraussetzungen für die Familienversicherung mehrfach erfüllt werden, besteht ein Kassenwahlrecht. So kann beispielsweise das Kindeskind bei der Krankenkasse der Großmutter familienversichert werden, während die Mutter des Kindeskindes bei ihrem Vater (also bei dem Großvater des Kindeskindes) familienversichert ist.

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