Der Leistungsanspruch auf kieferorthopädische Behandlung nach § 29 SGB V

Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung haben nach § 29 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) einen Anspruch auf kieferorthopädische Behandlung. Der Anspruch besteht in medizinisch begründeten Indikationsgruppen, bei denen eine Kiefer- oder Zahnfehlstellung vorliegt, die das Kauen, Beißen, Sprechen oder Atmen erheblich beeinträchtigt oder zu beeinträchtigten droht. Bei dem Leistungsanspruch handelt es sich um eine Regelleistung. Auf die Leistung besteht dann ein Rechtsanspruch, wenn diese für Versicherte medizinisch begründet sind.

Die Leistungspflicht der Krankenversicherung ergibt sich nicht, sofern die kieferorthopädische Behandlung nur aus kosmetischen Gründen erforderlich wird. Sofern es zu Funktionsstörungen im Bereich des Gebisses oder der Kiefer kommt, beispielsweise wenn die Beiß- und Kaufähigkeit, die Artikulation der Sprache oder die Nasenatmung oder der Mundschluss eingeschränkt ist, kommt eine kieferorthopädische Behandlung zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung in Betracht.

Altersgrenze

Der Anspruch auf die kieferorthopädische Behandlung besteht grundsätzlich nur für Versicherte, die bei Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. In Ausnahmefällen kommt auch eine Leistung für Versicherte in Betracht, die bei Beginn der Behandlung bereits das 18. Lebensjahr vollendet haben, sofern eine schwere Kieferanomalie vorliegt, die eine kombinierten kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahme erfordert.

Der Gesetzgeber geht aufgrund der Festlegung der Altersgrenze davon aus, dass eine kieferorthopädische Behandlung vor Abschluss des Wachstums aus medizinischen und wirtschaftlichen Gründen indiziert ist. Erfolgt der Behandlungsbeginn nach Vollendung des 18. Lebensjahres, ist im Regelfall davon auszugehen, dass die Behandlung aus ästhetischen Gründen oder aus Gründen mangelnder zahnmedizinischer Vorsorge in früheren Jahren erfolgt. Daher wird ein Leistungsanspruch ab dem vollendeten 18. Lebensjahr nur bei schweren Kieferfehlstellungen gesehen. Schwere Kieferanomalien liegen insbesondere in folgenden Fällen vor:

  • Angeborene Missbildungen des Gesichts und der Kiefer. Hierzu zählen beispielsweise das Treacher-Collins-Syndrom, das Crouzon-Syndrom, das Binder-Syndrom und alle Lippen-, Kiefer-, und Gaumenspaltenformen, die durch angeborene Fehlbildungen oder Missbildungen verursacht sind.
  • Skelettale Dysgnathien.
  • Verletzungsbedingte Kieferfehlstellungen.
  • Prüfung der medizinischen Voraussetzungen

In geeigneten Fällen kann die Krankenkasse vor Durchführung der kieferorthopädischen Behandlung die medizinischen Voraussetzungen prüfen lassen. Hierfür wurde zwischen den Krankenkassenverbänden und den Vertragszahnärzten ein Gutachterverfahren vereinbart. Dieses Gutachterverfahren soll Vorrang vor einer Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) haben.

Auch während einer kieferorthopädischen Behandlung kann der MDK eingeschaltet werden, sofern auftretende Abweichungen oder sonstige Gründe dafür einen Anlass geben.

Eigenanteil des Versicherten

Nach § 29 Abs. 2 SGB V müssen Versicherte einen Anteil von 20 Prozent der Kosten als Eigenanteil leisten. Der Eigenanteil ist an den Vertragszahnarzt zu entrichten.

Sofern mindestens zwei Kinder mit ihrem Erziehungsberechtigten in einem gemeinsamen Haushalt leben, die bei Beginn der kieferorthopädischen Behandlung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ist für das zweite und jedes weitere Kind ein Eigenanteil von 10 Prozent zu leisten.

Nach Abschluss der Behandlung wird von der Krankenkasse der vom Versicherten getragene Eigenanteil in Höhe von 20 Prozent bzw. 10 Prozent wieder zurückerstattet. Hierfür muss der Krankenkasse ein entsprechender Nachweis vorgelegt werden, mit dem der Abschluss der Behandlung entsprechend des im Behandlungsplan bestimmten medizinisch erforderlichen Umfangs bestätigt wird. Dies kann formlos durch den Zahnarzt bzw. Kieferorthopäden bestätigt werden.

Sofern der Eigenanteil während der Behandlung von einem Dritten oder einem Träger der Sozialhilfe getragen wurde, kommt keine Zahlung an den Versicherten in Betracht. Die Erstattung erfolgt dann nur an die Stelle, die den Eigenanteil übernommen hat.

Sollte die kieferorthopädische Behandlung abgebrochen werden, kann der Eigenanteil nicht zurückerstattet werden. Um einen Abbruch handelt es sich dann, wenn diese vor dem im Behandlungsplan bestimmten Abschluss beendet wird. Eine Erstattung erfolgt jedoch in den Fällen, in denen die Behandlung objektiv nicht zum Abschluss gebracht werden konnte, beispielsweise wenn der Versicherte verstorben ist.

Krankenkassenwechsel während der kieferorthopädischen Behandlung

Aufgrund dessen, dass sich eine kieferorthopädische Behandlung über mehrere Jahre erstreckt (in der Regel muss mit einem Zeitraum von etwa vier Jahren gerechnet werden), kommt es in der Praxis oftmals vor, dass während der Maßnahme ein Wechsel in der Krankenkasse erfolgt. In diesem Fall übernimmt die neu zuständige Krankenkasse die weitere Leistungsgewährung für die kieferorthopädische Behandlung. Die Leistungshöhe (80 Prozent oder 90 Prozent) je nach Eigenanteil wird dabei unverändert weitergeführt.

Die Erstattung des Eigenanteils erfolgt nur von der Krankenkasse, die bei Abschluss der Behandlung zuständig ist. Von dieser werden die Eigenanteile erstattet, welche während der gesamten kieferorthopädischen Behandlung geleistet wurden.

Sollte ein Wechsel in die private Krankenversicherung erfolgt sein, wird von der zuletzt zuständigen gesetzlichen Krankenkasse der Eigenanteil erstattet. Erstattet wird in diesem Fall der Eigenanteil, welcher während der Versicherungszeit in der Gesetzlichen Krankenversicherung angefallen ist. Allerdings muss auch hier die Behandlung nach dem im Behandlungsplan bestimmten medizinisch erforderlichen Umfang abgeschlossen sein (s. hierzu auch Urteil des Bundessozialgerichts vom 08.03.1995, Az. 1 RK 12/94).

KFO-Richtlinien

§ 29 Abs. 4 SGB V beschreibt, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V befundbezogen die objektiv überprüfbaren Indikationsgruppen bestimmt, bei denen die Voraussetzungen vorliegen. Dabei sind auch einzuhaltende Standards zur kieferorthopädischen Befunderhebung und Diagnostik vorzugeben. Durch diese Rechtsvorschrift soll sichergestellt werden, dass die Indikationen nicht therapiebezogen, sondern befundbezogen und objektiv überprüfbar definiert werden.

Aufgrund des § 29 Abs. 4 SGB V hat der Gemeinsame Bundesausschuss die „Richtlinien für die kieferorthopädische Behandlung“ (kurz: KFO-R) erlassen.

Bildnachweis: © Robert Kneschke

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