Die Individualprophylaxe nach § 22 SGB V

Nach § 22 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte, die das sechste, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, einen Anspruch auf Individualprophylaxe. Die Individualprophylaxe dient der Verhütung von Zahnerkrankungen und kann vom anspruchsberechtigten Personenkreis in jedem Kalenderhalbjahr beansprucht werden.

Die Individualprophylaxe ergänzt die in § 21 SGB V vorgeschriebene Gruppenprophylaxe. Das heißt, dass für Versicherte vom sechsten bis zum zwölften bzw. sechzehnten Lebensjahr sowohl die Gruppenprophylaxe wie auch die Individualprophylaxe beansprucht werden kann (der Anspruch auf gruppenprophylaktische Maßnahmen besteht vom sechsten bis zum zwölften, für bestimmte Personenkreis bis zum sechzehnten Lebensjahr).

Mit den Leistungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen, zu denen die Individualprophylaxe zählt, möchte der Gesetzgeber priorisiert die prophylaktischen – die einer Erkrankung vorbeugenden – Maßnahmen mit dem Ziel zur Verfügung stellen, dass die Zahnersatzleistungen hinausgezögert oder (im Idealfall) vollständig vermieden werden.

Die Rechtsvorschrift des § 22 SGB V befindet sich im Dritten Kapitel (Leistungen der Krankenversicherung) und hier im Dritten Abschnitt (Leistungen zur Verhütung von Krankheiten) im Fünften Buch Sozialgesetzbuch. Darüber hinaus haben die Spitzenverbände der Krankenkassen in Ihren Rundschreiben vom 09.12.1988 (RdSchr. 88c), vom 09.12.1992 (RdSchr. 92b) und vom 17.06.1997 (RdSchr. 97c) Ausführungen zur Individualprophylaxe gegeben. Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), welche dieser nach § 22 Abs. 5 SGB V erlassen musste, regeln das Nähere über Art, Umfang und Nachweis der individualprophylaktischen Leistungen.

Historie

Die Rechtsvorschrift des § 22 SGB V wurde mit Einführung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ab dem 01.01.1989 geschaffen. Die Reichsversicherungsordnung (RVO), welche die Vorschriften für die Gesetzliche Krankenversicherung weitestgehend bis zum 31.12.1988 enthielt, sah diese oder eine ähnliche Leistung nicht vor.

Bis zum 31.12.1992 bestand „nur“ für Versicherte ab dem vollendeten zwölften Lebensjahr ein Anspruch auf die Individualprophylaxe. Ab dem 01.01.1993 wurde der anspruchsberechtigte Personenkreis durch die Herabsetzung des Lebensalters auf das vollendete sechste Lebensjahr vergrößert.

Bis zum 31.12.1999 sah die (damalige) Rechtsvorschrift des § 22 Abs. 4 SGB V noch einen Anspruch auf die Individualprophylaxe für Erwachsene – ab dem vollendeten 18. Lebensjahr – vor. Dieser Leistungsanspruch wurde für die zeit ab 01.01.2000 vom Gesetzgeber mit der Begründung aufgehoben, dass erwachsene Versicherte selbst für die Aufrechterhaltung ihrer Zahngesundheit verantwortlich sind.

Inhalt der Individualprophylaxe

Der Leistungsinhalt der Individualprophylaxe wird in § 22 Abs. 2 SGB V geregelt. Danach besteht im Rahmen der Individualprophylaxe ein Anspruch auf folgende Leistungen:

  • Befund des Zahnfleisches
  • Aufklärung über die Krankheitsursachen
  • Vermeidung von Krankheitsursachen
  • Erstellen von diagnostischen Vergleichen zur Mundhygiene, zum Zustand des Zahnfleisches und zur Anfälligkeit gegenüber Karieserkrankungen
  • Motivation und Einweisung bei der Mundpflege
  • Maßnahmen zur Schmelzhärtung der Zähne

Die genannten Leistungen der Individualprophylaxe dienen dazu, dass auf dem zahnmedizinischen Gebiet die häufigsten Erkrankungen bei entsprechender Eigenvorsorge und regelmäßiger Inanspruchnahme weitgehend vermieden bzw. ein Fortschreiten entstandener Schäden dauerhaft verhindert werden. Bei den häufigsten Erkrankungen auf zahnmedizinischem Gebiet handelt es sich um Karies und Parodontal-Erkrankungen.

Als begleitende Maßnahme empfiehlt der G-BA in den IndProphR, dass zur Schmelzhärtung eine lokale Fluoridierung durchgeführt wird. Dies kann mit einem Lack, Gel oder Ähnlichem erfolgen.

Der Erfolg bzw. Misserfolg sämtlicher Prophylaxemaßnahmen hängt maßgeblich von der Mitarbeit bzw. Mitwirkung des Versicherten ab. Von daher nimmt die Motivation der Versicherten an der Mitarbeit an den Prophylaxemaßnahmen einen hohen Stellenwert ein.

Fissurenversiegelung der Molaren

Neben den o. g. Leistungen besteht im Rahmen der Individualprophylaxe nach § 22 Abs. 3 SGB V darüber hinaus noch für Versicherte, die das sechste, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, ein Anspruch auf Fissurenversiegelung der Molaren.

Bei den Moaren handelt es sich um die ersten bleibenden Backenzähne. Diese brechen etwa um das sechste Lebensjahr durch. Da es sich bei diesen Zähnen bereits um die bleibenden Zähne und um keine Milchzähne mehr handelt, sind diese bei einer mangelnden Mundhygiene besonders gefährdet.

Die Fissurenversiegelung sieht im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung die Fissuren und Grübchen der Molaren 6 und 7 (der letzten beiden Zähne vor den Weisheitszähnen) vor. Versiegelt werden jedoch nur die kariesfreien Fissuren und Grübchen. Sollte eine Fissur bereits kariös erkrankt sein, ist nach Punkt C Abs. 2 IndProphR keine Fissurenversiegelung angezeigt.

Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses

Aufgrund der gesetzlichen Anordnung in § 22 Abs. 5 SGB V, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) das Nähere über Art, Umfang und Nachweis der individualprophylaktischen Leistungen regeln muss, hat dieser die „Richtlinien über Maßnahmen zur Verhütung von Zahnerkrankungen (Individualprophylaxe)“ – kurz: „IndProphR“ herausgegeben. Diese Richtlinien sind am 04.06.2003 (einen Tag nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger, BAnz Nr. 226, Seite 24 966 vom 03.12.2003) in Kraft getreten.

Eintragung im Bonusheft

Sollte eine Versorgung mit Zahnersatz (nach § 55 SGB V) erforderlich sein, ist die Höhe des befundbezogenen Festzuschusses unter anderem von den durchgeführten Prophylaxemaßnahmen nach § 22 SGB V abhängig. Ob bis zum vollendeten 18. Lebensjahr Prophylaxemaßnahmen (bzw. ab dem vollendeten 18. Lebensjahr kalenderjährliche zahnärztliche Untersuchungen) durchgeführt wurden, wird im sogenannten Bonusheft dokumentiert.

Entsprechend der Regelungen unter Punkt B Abs. 2 IndProphR wird bei 12- bis 17-jährigen Versicherten für jedes Kalenderhalbjahr in das Bonusheft das Datum der Erhebung des Mundhygienestatus eingetragen.

Hinweis: Versicherte bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr

Versicherte bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr – also bis zum Zeitpunkt, ab dem die Individualprophylaxe nach § 22 SGB V beansprucht werden kann – haben ebenfalls einen Anspruch auf Früherkennungsuntersuchungen auf Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten.

Mit § 26 Abs. 1 Satz 5 SGB V (§ 26 SGB V beschreibt den Anspruch auf Gesundheitsuntersuchungen für Kinder und Jugendliche) wird für Versicherte bis zum vollendeten 18. Lebensjahr ein Anspruch auf Früherkennungsuntersuchungen auf Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten begründet. Zu den Früherkennungsuntersuchungen gehören insbesondere die Inspektion der Mundhöhle, die Einschätzung oder Bestimmung des Kariesrisikos, die Ernährungs- und Mundhygieneberatung sowie Maßnahmen zur Schmelzhärtung der Zähne und zur Keimzahlsenkung.

Durch diese Regelung wird bereits für Kinder bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr der Rechtsanspruch auf die Früherkennungsuntersuchungen auf Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten geregelt. Ab dem vollendeten sechsten Lebensjahr wird dieser Rechtsanspruch mit der Individualprophylaxe erweitert und konkretisiert.

Die Leistungen auf Früherkennungsuntersuchungen auf Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten können nach § 26 Abs. 1 Satz 6 SGB V bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr von den Ärzten und Zahnärzten erbracht werden.

Bildnachweis: © Robert Kneschke

Weitere Artikel zum Thema:

Rentenversicherung

Rentenversicherung

Gesetzliche Rentenversicherung

Krankenversicherung

Krankenversicherung

Gesetzliche Krankenversicherung

Pflegeversicherung

Pflegeversicherung

Gesetzliche Pflegeversicherung

Unfallversicherung

Unfallversicherung

Gesetzliche Unfallversicherung