Der Krankengeldanspruch für stationär mitaufgenommene Begleitpersonen

Zum 01.11.2022 wird die neue Rechtsvorschrift des § 44b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Kraft treten. Mit dieser Rechtsvorschrift wird ein Anspruch auf Krankengeld für stationär mitaufgenommene Begleitpersonen in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen. Die Begleitpersonen erhalten mit der neuen gesetzlichen Regelung einen Anspruch auf Krankengeld, wenn diese einen behinderten Menschen während dessen stationären Krankenhausbehandlung begleiten.

Hintergrund

Die Einführung des Krankengeldanspruchs für stationär mitaufgenommene Begleitpersonen erfolgte mit dem „Gesetz zum Erlass eines Tierarzneimittelgesetzes und zur Anpassung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ (kurz: TAMG). Dieses Gesetz wurde am 04.10.2021 im Bundesgesetzblatt (BGBl. 2021 I Nr. 70, Seiten 4530 ff.) veröffentlicht und ist damit in seinen wesentlichen Teilen am 05.10.2021 in Kraft getreten. Der neue Krankengeldanspruch nach § 44b SGB V tritt jedoch erst zum 01.11.2022 in Kraft.

Mit der neuen Rechtsvorschrift des § 44b SGB V wird ein Anspruch auf Krankengeld für eine aus dem engsten persönlichen Umfeld nach § 44b SGB V mitaufgenommene Begleitperson eingeführt, wenn diese einen Versicherten während einer stationären Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V begleitet. Der Versicherte bzw. der zu begleitende Versicherte muss eine Behinderung haben oder es muss eine drohende Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) vorliegen.

Anspruchsvoraussetzungen

Damit ein Anspruch auf Krankengeld nach § 44b SGB V besteht, muss ein Versicherter bei einer stationären Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V begleitet werden. Hierzu müssen folgende Punkte (nach § 44b SGB V) erfüllt werden:

  • Die Begleitung muss aus medizinischen Gründen erforderlich sein.
  • Beim begleiteten Versicherten müssen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB IX vorliegen.
  • Der begleitete Versicherte muss Leistungen nach Teils 2 des SGB IX, § 35a SGB VIII oder § 27d Abs. 1 Nr. 3 BVG erhalten. Hier ist der tatsächliche Leistungsbezug maßgebend; die Zugehörigkeit zum leistungsberechtigten Personenkreis ist nicht ausreichend.
  • Der begleitete Versicherte darf keine Leistungen nach § 113 Abs. 6 SGB IX in Anspruch nehmen.

Medizinisch notwendig ist eine Begleitung dann, wenn eine Einbindung der Begleitung in das therapeutische Konzept erfolgt oder wenn die Begleitperson in bestimmte Übungen eingewiesen werden muss, welche nach der stationären Krankenhausbehandlung weiter durchzuführen sind.

Durch die Begleitung muss dem Versicherten ein Verdienstausfall entstehen, welcher durch das Krankengeld nach § 44b SGB V ersetzt wird. Zugleich muss der stationär aufgenommene Versicherte als auch die Begleitperson gesetzlich krankenversichert sein.

Personenkreis der Begleitpersonen

Wie aus der Überschrift des § 44b SGB V „Krankengeld für eine bei stationärer Behandlung mitaufgenommene Begleitperson aus dem engsten persönlichen Umfeld“ erkennbar ist, kommt als Begleitperson nicht jede Person in Frage, welche einen Versicherten bei einer stationären Krankenhausbehandlung begleitet. Vielmehr muss es sich um eine Person aus dem engsten persönlichen Umfeld handeln. Im Regelfall handelt es sich um einen Elternteil, der sein Kind begleitet.

Nach § 44b Abs. 1 Nr. 2 SGB V muss es sich beim begleitenden Versicherten um einen nahen Angehörigen im Sinne von § 7 Abs. 3 des Pflegezeitgesetztes (PflegeZG) handeln oder aber auch um eine Person aus dem engsten persönlichen Umfeld.

Nahe Angehörige im Sinne von § 7 Abs. 3 PflegeZG sind die:

  • Eltern, Großeltern, Schwiegereltern, Stiefeltern
  • Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, Geschwister, Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegatten, Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Lebenspartner
  • Kinder, Adoptivkinder oder Pflegekinder, die Kinder, Adoptivkinder oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners, Schwiegerkinder und Enkelkinder.

Als „Personen aus dem engsten persönlichen Umfeld“ kommen Angehörige in Frage, die zum stationär behandelnden Versicherten die gleiche persönliche Bindung haben, wie diese im Regelfall bei einem nahen Angehörigen besteht.

Mit § 44b Abs. 2 SGB V wird angeordnet, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bis zum 01.08.2022 in einer Richtlinie nach § 92 SGB V Kriterien zur Abgrenzung des Personenkreises, der die Begleitung aus medizinischen Gründen benötigt, zu bestimmten hat. Dieser Personenkreis wird relativ eng gefasst sein. Nach dem Gesetzesentwurf kann es sich beispielsweise um Menschen ohne sprachliche Verständigungsmöglichkeiten oder um Menschen mit einer schweren geistigen Behinderung handeln. Diese Richtlinie wurde am 18.08.2022 vom G-BA beschlossen. Es handelt sich hierbei um die „Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 44b SGB V über den Personenkreis von Menschen mit Behinderung, die eine Begleitung im Krankenhaus aus medizinischen Gründen benötigen“ (kurz: Krankenhausbegleitungs-Richtlinie bzw. KHB-RL).

Medizinische Kriterien

Damit ein Anspruch nach § 44b SGB V realisiert werden kann, muss für die Mitaufnahme einer Begleitperson eine medizinische Notwendigkeit bestehen Die medizinischen Kriterien sind in § 2 der Krankenhausbegleitungs-Richtlinie geregelt. Hiernach muss sich die medizinische Notwendigkeit aus den Erfordernissen ergeben, welche in der Person der oder des stationär behandlungsbedürftigen Versicherten begründet sind. Dies ist dann der Fall, wenn ohne die Begleitperson die Krankenhausbehandlung nicht durchführbar ist oder ohne Begleitperson die Behandlungsziele nicht oder nicht im erforderlichen Ausmaß erreicht werden können oder deren Erreichung erheblich gefährdet wäre. Weitere Gründe sind, wenn die Begleitperson in das therapeutische Konzept im Krankenhaus eingebunden werden muss oder die Begleitperson in das therapeutische Konzept für die Zeit nach der Entlassung aus dem Krankenhaus einzubeziehen ist.

Eine Konkretisierung der Kriterien für die medizinische Notwendigkeit wird in einer Anlage zur Krankenhausbegleitungs-Richtlinie gegeben. Nach dieser Anlage wird zwischen drei Fallgruppen unterschieden.

Fallgruppe 1

Begleitung zum Zweck der Verständigung.

Erhebliche oder komplette Beeinträchtigung der Kommunikation, insbesondere im Bereich

  1. Kommunizieren, Sprechen, nonverbale Mitteilungen, Konversation und Gebrauch von Kommunikationsgeräten und -techniken oder
  2. der kognitiv-sprachlichen Funktion
    1. mit mangelnder Fähigkeit, die eigene Symptomatik oder Befindlichkeiten, wie Schmerzen oder Wünsche, deuten, beschreiben oder verstehen zu können oder
    2. mit mangelnder Fähigkeit, die Informationen und Anweisungen des Behandlungsteams des Krankenhauses wahrnehmen, verstehen oder umsetzen zu können.

Fallgruppe 2

Begleitung zum Zweck der Unterstützung im Umgang mit durch die Krankenhausbehandlung verbundenen Belastungssituationen, insbesondere bei fehlender Kooperations- und Mitwirkungsfähigkeit.

Schädigungen globaler oder spezifischer mentaler Funktionen, die sich insbesondere in Form von

  1. motorisch geprägten Verhaltensauffälligkeiten,
  2. eigen- und fremdgefährdendem Verhalten,
  3. Abwehr oder Verweigerung pflegerischer und anderer medizinischer Maßnahmen,
  4. Wahnvorstellungen, ausgeprägten Ängsten und Zwängen,
  5. Antriebslosigkeit somatischer oder psychischer Genese oder
  6. sozial inadäquaten Verhaltensweisen in erheblichem Ausmaß

äußern.

Fallgruppe 3

Begleitung zum Einbezug in das therapeutische Konzept während der Krankenhausbehandlung oder zur Einweisung in nach der stationären Krankenhausbehandlung weiterhin notwendige Maßnahmen.

Erhebliche Schädigungen oder Beeinträchtigungen, insbesondere

  1. gemäß der Fallgruppen 1 oder 2,
  2. neuromuskuloskeletaler und bewegungsbezogener Funktionen,
  3. der Atmungsfunktionen oder
  4. der Funktion der Nahrungsaufnahme, insbesondere des Schluckens.

Feststellung der medizinischen Notwendigkeit

Die medizinische Notwendigkeit für die stationäre Mitaufnahme einer Begleitperson trifft im Vorfeld der Krankenhausbehandlung der Vertragsarzt, der Vertragszahnarzt oder ein Vertragspsychotherapeut, wenn die Krankenhauseinweisung festgestellt wird.

Die medizinische Notwendigkeit kann auch durch einen Krankenhausarzt, einen Krankenhauszahnarzt oder einen Krankenhauspsychotherapeuten festgestellt. Werden.

Dauer und Höhe des Krankengeldanspruchs

Besteht ein Anspruch auf Krankengeld nach § 44b SGB V, wird die Höhe dieser neuen Entgeltersatzleistung nach § 47 SGB V berechnet. Die Berechnungsweise ist damit identisch wie bei einer eigenen Arbeitsunfähigkeit der Person, welche den Versicherten ins Krankenhaus begleitet.

Der Anspruch auf Krankengeld besteht für die Tage, an denen ein Versicherter während der Krankenhausbehandlung mit aufgenommen wird. Ebenfalls besteht ein Krankengeldanspruch, wenn eine ganztägige Begleitung vorliegt. Eine ganztägige Begleitung liegt vor, wenn die Anwesenheit im Krankenhaus inklusive der An- und Abreisezeit mindestens acht Stunden beträgt. Das heißt, dass nicht zwingend eine Übernachtung im Krankenhaus durch die Begleitperson vorliegen muss, damit der Anspruch auf Krankengeld nach § 44b SGB V realisiert werden kann.

Anspruch auf Kinder-Krankengeld bleibt unberührt

Nach § 44b Abs. 3 SGB V bleibt der Anspruch auf Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes (Kinder-Krankengeld) durch den neuen Krankengeldanspruch nach § 44b SGB V unberührt. Durch diese Regelung wird gewährleistet, dass Eltern, die ein Kind während der stationären Krankenhausbehandlung begleiten und zugleich auch die Anspruchsvoraussetzungen auf das Kinder-Krankengeld nach § 45 SGB V erfüllen, auch das höhere Kinder-Krankengeld beanspruchen können.

Anspruch auf Freistellung durch Arbeitgeber

Mit § 44b Abs. 4 SGB V wird geregelt, dass § 45 Abs. 3 SGB V entsprechend gilt. § 45 Abs. 3 SGB V bestimmt, dass Versicherte für die Zeit des Krankengeldanspruchs einen Anspruch auf unbezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung gegenüber ihrem Arbeitgeber haben, soweit nicht aus dem gleichen Grund Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung besteht.

Besteht ein Anspruch auf das Krankengeld nach § 44b SGB V, muss der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer – hier der Begleitperson eines Versicherten – einen Anspruch auf unbezahlte Freistellung einräumen.

Der Anspruch auf die Freistellung durch den Arbeitgeber besteht auch für Arbeitnehmer, die nicht mit einem Anspruch auf Krankengeld – dies sind beispielsweise privat Versicherte – versichert sind.

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