Übersicht der Änderungen aufgrund des PNG
Das Pflege-Neuausrichtungsgesetz (kurz: PNG) wurde am 29.10.2012 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und ist damit am 30.10.2012 in Kraft getreten. Durch das Pflege-Neuausrichtungsgesetz sieht der Gesetzgeber vor allem für Versicherte mit einer eingeschränkten Alltagskompetenz (dementielle oder psychische Erkrankung, geistige Behinderung) deutlich erweiterte Leistungen vor. Um diese Leistungen finanzieren zu können, wird der Beitragssatz ab Januar 2013 um 0,1 Beitragssatzpunkte auf 2,05 Prozent bzw. 2,30 Prozent für Kinderlose angehoben.
Wesentliche Punkte treten aufgrund des PNG bereits zum 30.10.2012 in Kraft. Weitere umfangreiche Änderungen gibt es zum 01.01.2013. Die einzelnen Punkte sind folgend zusammengefasst.
Beratung von Antragstellern
Rechtsgrundlage: § 7b SGB XI, in Kraft ab 30.10.2012
Unmittelbar nach Eingang eines Antrags auf Pflegeleistungen müssen die Pflegekassen entweder einen Beratungstermin anbieten. Dieser Beratungstermin ist innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang durchzuführen. Alternativ können die Pflegekassen auch einen Beratungsgutschein ausstellen, welcher bei zu benennenden Beratungsstellen eingelöst werden kann.
Begutachtung, Verfahren und Fristen
Rechtsgrundlage: § 18 SGB XI, in Kraft ab 30.10.2012
Für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit beauftragen die Pflegekassen den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) oder andere unabhängige Gutachter. Die Entscheidung muss dem Antragsteller innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang bei der Pflegekasse mitgeteilt werden. Über den Antrag muss innerhalb von zwei Wochen entschieden werden, wenn sich der Versicherte in häuslicher Umgebung befindet und die Pflegeperson die Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz oder die Familienpflegezeit in Anspruch nehmen möchte.
Der Versicherte, der die Pflegeleistungen beantragt bzw. bezieht, hat einen Anspruch darauf, dass ihm das Gutachten übermittelt wird. Dabei hat der Gutachter den Wunsch des Antragstellers bereits zu vermerken.
Nennung von unabhängigen Gutachter, in Kraft ab 01.06.2013
Ab dem 01.06.2013 hat die Pflegekasse dem Antragsteller mindestens drei unabhängige Gutachter zu nennen, wenn innerhalb von vier Wochen nach Antragseingang bei der Pflegekasse keine Begutachtung erfolgt ist oder unabhängige Gutachter mit der Prüfung beauftragt werden sollen.
Weiterleitung der Rehabilitationsempfehlung
Rechtsgrundlage: § 18a SGB XI, in Kraft ab 30.10.2012
Im Rahmen der Begutachtung gibt der MDK oder die Gutachter, welche von der Pflegekasse beauftragt werden, eine Stellungnahme dazu ab, ob Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation angezeigt sind. Zu dieser Empfehlung nimmt die Pflegekasse Stellung und leitet diese mit der Entscheidung über die Pflegekasse dem Antragsteller zu.
Dienstleistungsorientierung
Rechtsgrundlage: § 18b SGB XI, in Kraft ab 30.10.2012
Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen muss bis spätestens 31.03.2013 Richtlinien erlassen, die beschreiben, wie die Dienstleistungsorientierung im Begutachtungsverfahren gestärkt wird.
Pflegegeld
Rechtsgrundlage: § 37 SGB XI, in Kraft ab 30.10.2012
Versicherte erhalten während einer Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI und einer Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI das Pflegegeld für die Dauer von bis zu 28 Tagen je Kalenderjahr in Höhe des halben Anspruchs weitergewährt.
Das Pflegegeld wird für Pflegebedürftige, die sich in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen (§ 43a SGB XI) befinden, für die Tage der häuslichen Pflege ungekürzt gewährt.
Kombinationsleistung
Rechtsgrundlage: § 38 SGB XI, in Kraft ab 30.10.2012
Auch bei einer Kombinationsleistung wird das anteilige Pflegegeld während einer Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI und Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI für die Dauer von bis zu 28 Tagen je Kalenderjahr in Höhe des halben Anspruchs weitergewährt. Für die Berechnung ist der Anspruch auf das Pflegegeld vor Beginn der Verhinderungs- bzw. Kurzzeitpflege maßgebend.
Wohngruppenzuschlag
Rechtsgrundlage: § 38a SGB XI, in Kraft ab 30.10.2012
Pflegebedürftige, die in ambulant betreuten Wohngruppen mit häuslicher pflegerischer Versorgung leben und Pflegegeld, Pflegesachleistung oder Kombinationsleistung beziehen, haben einen Anspruch auf den Wohngruppenzuschlag. Der Wohngruppenzuschlag wird in Höhe von 200,00 Euro monatlich gewährt. Näheres kann unter Wohngruppenzuschlag nachgelesen werden.
Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen
Rechtsgrundlage: § 40 SGB XI, in Kraft ab 30.10.2012
Für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen müssen Versicherte keinen Eigenanteil (bisher grundsätzlich zehn Prozent) mehr leisten. Damit können sich die Pflegekassen für Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung mit einem Betrag in Höhe von 2.557 Euro beteiligen.
Neu ist, dass nun für eine Maßnahme mehrere Zuschüsse gewährt werden, wenn die Wohnumfeldverbesserung mehreren Pflegebedürftigen zugutekommt. Als maximaler Leistungsbetrag wurde ein Betrag von 10.228 Euro aufgenommen, wenn die Maßnahme für mehr als vier Pflegebedürftige erforderlich wird.
Tages- und Nachtpflege
Rechtsgrundlage: § 41 SGB XI, in Kraft ab 30.10.2012
Sofern von Pflegebedürftigen ambulante Pflegesachleistungen und teilstationäre Pflegeleistungen (Tagespflege/Nachtpflege) beansprucht wird, sind die Vergütungen für die ambulanten Pflegesachleistungen vorrangig vor den teilstationären Pflegeleistungen zu bezahlen. Dieses Verfahren wurde bislang in der Praxis von den Pflegekassen bereits praktiziert und nun gesetzlich geregelt.
Kurzzeitpflege
Rechtsgrundlage: § 42 SGB XI, in Kraft ab 30.10.2012
Kurzzeitpflege können zu Hause gepflegte Kinder nun bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres in geeigneten Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen und anderen geeigneten Einrichtungen beanspruchen. Hierfür ist erforderlich, dass die Pflege in einer von der Pflegekasse zur Kurzzeitpflege zugelassenen Pflegeeinrichtung nicht möglich ist oder nicht zumutbar erscheint.
Auch in Einrichtungen, welche stationäre Leistungen zur medizinischen Vorsorge oder medizinischen Rehabilitation erbringen, kann Kurzzeitpflege beansprucht werden, wenn eine Pflegeperson gleichzeitig während der Maßnahme mit untergebracht werden muss.
Förderung ehrenamtlicher Strukturen/Selbsthilfe
Rechtsgrundlage: § 45 SGB XI, in Kraft ab 30.10.2012
Die in § 45c SGB XI vorgesehenen Mittel können auch für die Förderung und den Auf- und Ausbau von Gruppen ehrenamtlich tätiger sowie sonstiger zum bürgerschaftlichen Engagement bereiter Personen verwendet werden, wenn die Unterstützung allgemeine Betreuung und Entlastung von Pflegebedürftigen oder von Personen mit erheblichem allgemeinem Betreuungsbedarf sowie deren Angehörigen zum Ziel hat. Dabei werden pro Kalenderjahr 0,10 Euro je Versicherten aufgebracht, welche zum Auf- und Ausbau von Selbsthilfegruppen, Selbsthilfeorganisationen und Selbsthilfekontaktstellen verwendet werden. Die Selbsthilfegruppen, -organisationen und –kontaktstellen müssen sich zum Ziel gesetzt haben, Pflegebedürftige und Personen mit erheblichem allgemeinem Betreuungsbedarf und deren Angehörige zu unterstützen.
Anschubfinanzierung Gründung ambulant betreuter Wohngruppen
Rechtsgrundlage: § 45e SGB XI, in Kraft ab 30.10.2012
Wohngruppen, welche sich für die ambulante Betreuung gründen, können eine Anschubfinanzierung erhalten. Die Anschubfinanzierung ist ein einmaliger Betrag in Höhe von 2.500 Euro, den jeder Pflegebedürftige der Wohngruppe erhalten kann, der sich an der Gründung beteiligt. Die Anschubfinanzierung wird dann gewährt, wenn auch ein Anspruch auf den Wohngruppenzuschlag nach § 38a SGB XI besteht. Insgesamt ist die Anschubfinanzierung auf 10.000 Euro je Wohngruppe begrenzt, sofern sich an der Gründung mehr als vier Pflegebedürftige beteiligen.
Für die Anschubfinanzierung wird ein Betrag von 30 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Ist dieser Betrag aufgebraucht wird die Anschubfinanzierung eingestellt, längstens wird die Leistung jedoch bis 31.12.2015 erbracht. Näheres kann unter Anschubfinanzierung Gründung Wohngruppen nachgelesen werden.
Beauftragung unabhängiger Gutachter
Rechtsgrundlage: § 53b SGB XI, in Kraft ab 30.10.2012
Bis zum 31.03.2013 muss der Spitzenverband Bund der Pflegekassen Richtlinien erlassen, welche die Zusammenarbeit der Pflegekassen mit anderen unabhängigen Gutachtern regelt. Dabei müssen insbesondere folgende Punkte geregelt werden:
- Anforderungen an die Unabhängigkeit und Qualifikation der Gutachter,
- Verfahren, welches sicherstellt, dass die unabhängigen Gutachter, die von der Pflegekasse beauftragt werden, nach denselben Maßstäben die Pflegebedürftigkeit feststellen und die Zuordnung zu einer Pflegestufe vornehmen wie der MDK,
- Sicherstellung der Dienstleistungsorientierung im Begutachtungsverfahren,
- Einbeziehung der Gutachten der von den Pflegekassen beauftragen Gutachter in das Qualitätssicherungsverfahren der Medizinischen Dienste.
Begutachtung durch unabhängige Gutachter
Rechtsgrundlage: § 97d SGB XI, in Kraft ab 30.10.2012
Gutachter, die von den Pflegekassen beauftragt werden, sind berechtigt, die personenbezogenen Daten des Antragstellers in dem Umfang zu erheben, zu nutzen und zu verarbeiten, wie dies für die Zwecke der Begutachtung erforderlich ist. Dabei sind die Daten vertraulich zu behandeln.
Die unabhängigen Gutachter sind berechtigt, das Ergebnis der Prüfung, ob Pflegebedürftigkeit, vorliegt mit der Empfehlung einer Rehabilitationsmaßnahme an die beauftragende Pflegekasse zu übermitteln. Das Ergebnis der Prüfung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit und die Rehabilitationsempfehlung darf nur den Personen zugänglich gemacht werden, die diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen.
Rentenversicherungspflicht von Pflegepersonen
Rechtsgrundlage: § 19 SGB XI, in Kraft ab 01.01.2013
Pflegepersonen können ab 01.01.2013 dann Leistungen zur sozialen Sicherung nach § 44 SGB XI erhalten, wenn sie einen oder mehrere pflegebedürftige Personen wenigstens 14 Stunden pflegen. Bislang kam eine Rentenversicherungspflicht für Pflegepersonen nur dann zustande, wenn die Pflege an einem Pflegebedürftigen mindestens 14 Stunden erfolgte. Werden nun mehrere Pflegebedürftige gepflegt, werden diese Pflegezeiten summiert.
Zur Beurteilung stellt der MDK fest, ob und in welchem Umfang eine Pflegeperson die häusliche Pflege erbringt. Wird dabei festgestellt, dass die Pflege des Pflegebedürftigen weniger als 14 Stunden wöchentlich beträgt, wird erfragt, ob noch weitere Pflegebedürftige gepflegt werden.
Für die Fälle, in denen die Mindeststundenzahl von 14 Stunden für die Rentenversicherungspflicht als Pflegeperson nur durch Subsummierung der Pflegezeiten bei mehreren Pflegebedürftigen erreicht wird, wird es eine Vereinbarung geben. Diese Vereinbarung soll die beteiligten Pflegekassen zur Mitteilung des Pflegeanteils verpflichten. Die Vereinbarung wird durch den Spitzenverband Bund der Pflegekassen, dem Verband der privaten Krankenversicherung e.V. und der Deutschen Rentenversicherung Bund geschlossen.
Beitragssatz
Rechtsgrundlage: § 55 SGB XI, in Kraft ab 01.01.2013
Der Beitragssatz zur Sozialen Pflegeversicherung wird ab 01.01.2013 um 0,1 Beitragssatzpunkte angehoben. Damit liegt der Beitragssatz in der Sozialen Pflegeversicherung ab Januar 2013 bei 2,05 Prozent. Kinderlose ab dem vollendeten 23. Lebensjahr zahlen noch zusätzlich den Kinderlosenzuschlag in Höhe von 0,25 Prozent.
Verbesserte Pflegeleistungen für Personen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz
Rechtsgrundlage: § 123 SGB XI, in Kraft ab 01.01.2013
Sofern von einem Versicherten die Alltagskompetenz erheblich eingeschränkt ist und die Voraussetzungen des § 45a SGB XI erfüllt werden, hat der Gesetzgeber mit § 123 SGB XI eine Übergangsregelung geschaffen. Diese Übergangsregelung gilt bis zur Umsetzung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs.
Versicherte ohne Pflegestufe (sogenannte Pflegestufe 0) haben ab Januar 2013 einen Anspruch auf Pflegegeld in Höhe von monatlich 120,00 Euro oder einen Anspruch auf Pflegeleistung in Höhe von bis zu 225,00 Euro oder auf Kombinationsleistungen. Ebenfalls können die Versicherten in der Pflegestufe 0 die Verhinderungspflege, Pflegehilfsmittel und Maßnahmen der Wohnumfeldverbesserung geltend machen.
Versicherte der Pflegestufe I erhalten bei Vorliegen der eingeschränkten Alltagskompetenz ab Januar 2013 ein zusätzliches Pflegegeld von monatlich 70,00 Euro bzw. zusätzliche Pflegesachleistungen in Höhe von monatlich 215,00 Euro.
Versicherte der Pflegestufe II erhalten bei Vorliegen der eingeschränkten Alltagskompetenz ab Januar 2013 ein zusätzliches Pflegegeld von monatlich 85,00 Euro bzw. zusätzliche Pflegesachleistungen in Höhe von monatlich 150,00 Euro.
Häusliche Betreuung
Rechtsgrundlage: § 124 SGB XI, in Kraft ab 01.01.2013
Mit § 124 SGB XI wurde eine weitere Übergangsregelung geschaffen, welche bis zum Inkrafttreten des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs gilt. Sofern ein Versicherter in eine der Pflegestufe I bis III eingestuft ist oder die Voraussetzungen des § 45a SGB XI (eingeschränkte Alltagskompetenz) erfüllt, kann die „häusliche Betreuung“ geltend gemacht werden. Damit werden von der Pflegekasse neben den Leistungen der Grundpflege und der häuslichen Betreuung nun auch Leistungen für die „häusliche Betreuung“ gezahlt, welche als pflegerische Betreuungsmaßnahmen erbracht werden.
Zu der häuslichen Betreuung gehören die Unterstützung und die sonstigen Hilfen im häuslichen Umfeld des Pflegebedürftigen oder seiner Familie. Insbesondere gehören zur häuslichen Betreuung die Unterstützung bei der Gestaltung des häuslichen Alltags, die Hilfen zur Entwicklung und Aufrechterhaltung einer Tagesstruktur, zur Durchführung bedürfnisgerechter Beschäftigungen und zur Einhaltung eines bedürfnisgerechten Tag-/Nacht-Rhythmus und die Unterstützung von Aktivitäten im häuslichen Umfeld, die dem Zweck der Kommunikation und der Aufrechterhaltung sozialer Kontakte dienen.
Zulageberechtigte, Pflegevorsorge
Rechtsgrundlage: § 126, § 127 SGB XI, in Kraft ab 01.01.2013
Bei Vorliegen einer privaten Pflege-Zusatzversicherung haben Versicherte der sozialen oder privaten Pflegeversicherung einen Anspruch auf Zulage. Die private Pflege-Zusatzversicherung muss auf den Namen des jeweiligen Versicherten lauten. Die Zulage wird für Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und für Personen, die vor Abschluss der privaten Pflege-Zusatzversicherung schon Leistungen nach dem SGB XI oder gleichwertige Vertragsleistungen aus der privaten Pflege-Pflichtversicherung beziehen oder bezogen haben, nicht gewährt.
Wird im Beitragsjahr ein monatlicher Beitrag von mindestens 10 Euro geleistet, beträgt die Zulage monatlich 5 Euro.