Kinderlosenzuschlag in der Pflegeversicherung nach § 55 Abs. 3 SGB XI

Versicherte der Gesetzlichen/Sozialen Pflegeversicherung haben nach § 55 Abs. 3 SGB XI nach Ablauf des Monates, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderlosenzuschlag zu zahlen.

Dieser Beitragszuschlag beträgt für die Zeit ab 01.07.2023 0,6 Prozent.

Der Beitragszuschlag betrug in der Zeit

  • vom 01.01.2005 bis 31.12.2021: 0,25 Prozent
  • vom 01.01.2022 bis 30.06.2023: 0,35 Prozent.

Der Beitragszuschlag für Kinderlosen ist in der Pflegeversicherung neben dem allgemeinen Beitragssatz von derzeit 3,4 Prozent (gültig ab 01.07.2023) zu zahlen, wenn der Versicherte keine Kinder hat.

Zu einer umfassenden Neuregelung des Kinderlosenzuschlags kam es zum 01.07.2023, da das Bundesverfassungsgericht die bisherige Regelung, bei der die Anzahl der Kinder des Versicherten keine Berücksichtigung fanden, beanstandet wurden und das höchste Gericht Deutschlands den Gesetzgeber zur Nachbesserung aufgefordert hat.

Allgemeines

Der Beitragszuschlag für Kinderlose wurde durch das Kinder-Berücksichtigungsgesetz zum 01.01.2005 eingeführt und ist von allen kinderlosen Versicherten zu tragen. Die Elterneigenschaft kann nicht nur von leiblichen Eltern nachgewiesen werden. Auch Stiefeltern, Adoptiveltern und Pflegeeltern zählen als Eltern, so dass hier kein Beitragszuschlag erhoben wird.

Nachdem der Beitragszuschlag für Kinderlosen seit dem Jahr der Einführung über viele Jahre hinweg konstant bei 0,25 Prozent lag, erfolgte durch das GVWG (Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz) eine Anhebung um 0,1 Prozent auf 0,35 Prozent zum 01.01.2022. Die Anhebung des Kinderlosenzuschlag diente einerseits der Gesamtfinanzierung der Reformmaßnahmen, welche der Gesetzgeber mit dem GVWG umsetzt. Andererseits wollte der Gesetzgeber der Ausgangsrelation zwischen dem allgemeinen Beitragssatz und dem Beitragszuschlag, welche im Jahr 2005 vorlag (in diesem Jahr lag der allgemeine Beitragssatz noch bei 1,0 Prozent) wieder besser entsprechen.

Durch das Pflegeunterstützungs- und entlastungsgesetz (PUEG) wurde der Kinderlosenzuschlag zum 01.07.2023 um weitere 0,25 Prozent auf 0,6 Prozent angehoben.

Eine Erleichterung erfahren Versicherte mit zwei bis fünf Kindern ab dem 01.07.2023, nachdem die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt wurden und eine gesetzliche Änderung erfolgte (s. unten).

Kein Beitragszuschlag

Von der Erhebung des Beitragszuschlags sind (auch kinderlose) Versicherte bis zu dem Monat, in dem sie das 23. Lebensjahr vollenden und Versicherte, die vor dem 01.01.1940 (§ 55 Abs. 3 Satz 7 SGB XI) nicht betroffen. Ebenfalls wird der Kinderlosenzuschlag bei

  • Wehr- und Zivildienstleistenden,
  • Mitglieder, die Arbeitslosengeld II beziehen und
  • Mitglieder, die Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) beziehen

nicht erhoben.

Fristen für den Nachweis

Wer gegenüber der zuständigen Stelle nicht nachweist, dass der nicht kinderlos ist, zählt bis zum Ablauf des Monats, in dem der Nachweis erbracht wird, als kinderlos. In der Konsequenz ist der Beitragszuschlag auch zu entrichten.

Bei Geburt eines Kindes genügt es, dass der Nachweis innerhalb von drei Monaten erbracht wird. Wird der Nachweis innerhalb dieser Frist erbracht, zählt der Versicherte ab Beginn des Monats der Geburt nicht mehr als kinderlos.

Nachweise

Nach § 55 Abs. 3 Sätze 2 und 3 SGB XI ist die Elterneigenschaft in geeigneter Form gegenüber der beitragsabführenden Stelle nachzuweisen. Selbstzahler – also z. B. freiwillig Krankenversicherte – müssen die Elterneigenschaft gegenüber der Pflegekasse nachweisen, sofern diese nicht bereits aus anderen Gründen bekannt ist. Welche Nachweise geeignet sind, haben die Spitzenverbände der Krankenkassen festgelegt.

Nachweise bei leiblichen Eltern und Adoptiveltern

Als Nachweise bei leiblichen Eltern und Adoptiveltern (im ersten Grad mit dem Kind verwandt) kommen wahlweise in Betracht:

  • Geburtsurkunde bzw. internationale Geburtsurkunde ("Mehrsprachige Auszüge aus Personenstandsbüchern")
  • Abstammungsurkunde (wird für einen bestimmten Menschen an seinem Geburtsort geführt)
  • Auszug aus dem Familienbuch/Familienstammbuch
  • Vaterschaftsanerkennungs- und Vaterschaftsfeststellungsurkunde
  • Auszug aus dem Geburtenbuch des Standesamtes
  • steuerliche Lebensbescheinigung des Einwohnermeldeamtes (Bescheinigung wird ausgestellt, wenn der Steuerpflichtige für ein Kind, das nicht bei ihm gemeldet ist, einen halben Kinderfreibetrag auf seiner Lohnsteuerkarte eintragen lassen möchte. Er muss hierfür nachweisen, dass er im ersten Grad mit dem Kind verwandt ist (z. B. durch Vorlage einer Geburtsurkunde)
  • Kindergeldbescheid der Bundesagentur für Arbeit (BA)
  • Adoptivurkunde
  • Kontoauszug aus dem sich die Auszahlung des Kindergeldes durch die BA - Familienkasse - ergibt
  • Erziehungsgeldbescheid
  • Nachweis der Inanspruchnahme von Elternzeit nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BerzGG)
  • Bescheinigung über Bezug von Mutterschaftsgeld
  • Lohnsteuerkarte (Eintrag eines Kinderfreibetrages)
  • Einkommensteuerbescheid (Berücksichtigung eines Kinderfreibetrages)
  • Feststellungsbescheid des Rentenversicherungsträgers, in dem Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten ausgewiesen sind
  • Sterbeurkunde des Kindes

Nachweis bei Stiefeltern

Als Nachweise bei Stiefeltern kommen wahlweise in Betracht:

  • Feststellungsbescheid des Rentenversicherungsträgers, in dem Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten ausgewiesen sind
  • Heiratsurkunde bzw. Nachweis über die Eintragung einer Lebenspartnerschaft und eine Meldebescheinigung des Einwohnermeldeamtes oder einer anderen für Personenstandsangelegenheiten zuständigen Behörde oder Dienststelle, dass das Kind als wohnhaft im Haushalt des Stiefvaters oder der Stiefmutter gemeldet ist oder war
  • Lohnsteuerkarte (Eintrag eines Kinderfreibetrages)
  • Einkommensteuerbescheid (Berücksichtigung eines Kinderfreibetrages)

Nachweis bei Pflegeeltern

Als Nachweise bei Pflegeeltern kommen wahlweise in Betracht:

  • Festestellungsbescheid des Rentenversicherungsträgers, in dem Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten ausgewiesen sind
  • Meldebescheinigung des Einwohnermeldeamtes oder einer anderen für Personenstandsangelegenheiten zuständigen Behörde oder Dienststelle und Nachweis des Jugendamtes über "Vollzeitpflege" nach § 27 in Verbindung mit § 33 SGB VIII (z. B. Pflegevertrag zwischen Jugendamt und Pflegeeltern, Bescheid über Leistungsgewährung gegenüber den Personensorgeberechtigten oder Bescheinigung des Jugendamtes über Pflegeverhältnis; das Pflegeverhältnis muss auf längere Dauer angelegt oder angelegt gewesen sein und es muss eine häusliche Gemeinschaft bestehen oder bestanden haben; Tagespflegeeltern fallen nicht unter den Begriff der "Pflegeeltern"; ein Pflegekindverhältnis ist nicht anzunehmen, wenn ein Mann mit seiner Lebensgefährtin oder deren Kindern oder eine Frau mit ihrem Lebensgefährten und dessen Kinder in einem gemeinsamen Haushalt lebt - Berücksichtigung nur bei Vorliegen der Stiefelterneigenschaft)
  • Einkommensteuerbescheid (Berücksichtigung eines Kinderfreibetrages)

Hilfsweise zugelassene Nachweise

Die Nachweisführung durch die hilfsweise zugelassenen Nachweise ist nur dann möglich, wenn die oben aufgeführten Unterlagen nicht vorhanden und auch nicht mehr zu beschaffen sind.

  • Zeugenerklärungen
  • Taufbescheinigung

Rechtsprechung vom Bundesverfassungsgericht

In mehrere Verfahren hat sich das Bundesverfassungsgericht mit Beschlüssen vom 07.04.2022 (Az. 1 BvL 3/18; 1 BvR 2824/17; 1 BvR 2257/16; 1 BvR 717/16) erneut mit den Pflegeversicherungsbeiträgen von Versicherten mit Kindern geäußert. Nach diesen Beschlüssen ist die Regelung des Kinderlosenzuschlags nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. So ist es nicht zu rechtfertigen, dass die Regelung pauschal vorsieht, dass Versicherte mit Kindern keinen Kinderlosenzuschlag zahlen müssen und hierbei auf die Anzahl ihrer Kinder keine Rücksicht genommen wird.

Das Bundesverfassungsgericht führt aus, dass für Versicherte, die mindestens zwei Kinder haben, eine stärkere finanzielle Entlastung erfolgen muss. Der Gesetzgeber musste bis Ende Juli 2023 eine gesetzliche Neuregelung schaffen, mit der die Ungleichbehandlung beseitigt wird, dass Eltern mit mehreren Kindern die gleiche finanzielle Entlastung erfahren als Eltern mit nur einem Kind. Mit steigender Anzahl an Kindern steigt nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts auch der Erziehungsmehraufwand, der dann auch zu einer stärkeren Entlastung bei den Pflegeversicherungsbeiträgen führen muss. Die gesetzliche Neuregelung wurde für die Zeit ab 01.07.2023 mit dem Pflegeunterstützungs- und entlastungsgesetz (PUEG) umgesetzt.

Neuregelung zum 01.07.2023: Entlastung für Versicherte mit mehreren Kindern

Die Beanstandungen des Bundesverfassungsgerichts hat der Gesetzgeber in der Art und Weise umgesetzt, dass Versicherte ab dem 01.07.2023 vom zweiten bis zum fünften Kind während der Erziehungsphase eine finanzielle Entlastung von 0,25 Prozent je Kind erhalten. Die Erziehungsphase des Kindes wurde bis zum vollendeten 25. Lebensjahres des Kindes festgesetzt.

Die finanzielle Entlastung erfährt lediglich der Versicherte selbst. Der Arbeitgeberanteil wird nicht reduziert. Das bedeutet, dass der Arbeitgeberanteil stets bei 1,7 Prozent (die Hälfte von 3,4 Prozent) liegt; für das Bundesland Sachsen gilt eine Sonderregelung.

Familiäre Situation Gesamtbeitrag AN-Anteil AN-Anteil
in Sachsen
AG-Anteil AG-Anteil
in Sachsen
Keine Kinder 4,00% 2,30% 2,80% 1,70% 1,20%
1 Kind 3,40% 1,70% 2,20% 1,70% 1,20%
2 Kinder 3,15% 1,45% 1,95% 1,70% 1,20%
3 Kinder 2,90% 1,20% 1,70% 1,70% 1,20%
4 Kinder 2,65% 0,95% 1,45% 1,70% 1,20%
5 Kinder und mehr 2,40% 0,70% 1,20% 1,70% 1,20%

Nachweis der berücksichtigungsfähigen Kinder

Die berücksichtigungsfähigen Kinder müssen der beitragsabführenden Stelle nachgewiesen werden. Welche Nachweise konkret geeignet sind, wird im Rahmen von Empfehlungen noch durch des Spitzenverband Bund der Pflegekassen festgesetzt.

Die Erhebung und der Nachweis der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder soll bis zum 31.03.2025 durch ein digitales Verfahren umgesetzt werden, damit die betroffenen Mitglieder, die beitragsabführenden Stellen und die Pflegekassen hinsichtlich des Verwaltungsaufwandes entlastet werden.

Für die Zeit vom 01.07.2023 (also ab Umsetzung der gesetzlichen Neuregelung) bis zum 30.06.2025 soll ein vereinfachtes Nachweisverfahren für Erleichterung sorgen. In diesem Zeitraum können die betroffenen Mitglieder – sofern sie hierzu aufgefordert werden – ihre Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, der beitragsabführenden Stelle oder der Pflegekasse mitteilen. Das bedeutet, dass die Reduzierung des Beitragssatzes mit Ablauf des Monats entfällt, in dem das (jeweilige) Kind das 25. Lebensjahr vollendet hat oder vollendet hätte.

Zu den Eltern für die Reduzierung des Beitragssatzes gehören nicht die Adoptiveltern und die Stiefelter, wenn das Kind zum Zeitpunkt der Adoption bzw. der Eheschließung oder Begründung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit dem Elternteil des Kindes die für die Familienversicherung vorgesehene Altersgrenze erreicht hat. Gleiches gilt auch wenn das Kind vor Erreichen dieser für die Familienversicherung vorgesehenen Altersgrenze nicht in den gemeinsamen Haushalt des Kindes aufgenommen wurde.

Sollten die beitragsabführenden Stellen oder die zuständige Pflegekasse die Abschläge zum 01.07.2023 nicht umsetzen können, sind die zu viel gezahlten Beiträge bis spätestens 30.06.2025 rückwirkend wieder zu erstatten. Hierbei muss der Erstattungsbetrag verzinst werden.

Hilfe und Beratung durch Rentenberater

Registrierte Rentenberater stehen für alle Fragen zur Gesetzlichen Pflegeversicherung und für eine Vertretung in Widerspruchs- und Klageverfahren (Sozial- und Landessozialgerichte) zur Verfügung.

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