Die häusliche Pflegehilfe
Pflegebedürftige haben nach § 36 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) einen Anspruch auf die Pflegesachleistung. Aufgrund des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, welcher ab dem 01.01.2017 gilt, musste auch die häusliche Pflegehilfe im Sinne des § 36 SGB XI neu definiert werden. Zudem wurden neue Leistungsbeträge entsprechend der Pflegegrade, welche die bisherigen drei Pflegestufen ablösen, ab Januar 2017 gesetzlich geregelt.
Allgemeines
Die häusliche Pflegehilfe entsprechend § 36 Abs. 1 SGB XI umfasst ab 01.01.2017 die körperbezogenen Pflegemaßnahmen, die pflegerischen Betreuungsmaßnahmen und die Hilfen bei der Haushaltsführung. Diese Leistungen stehen gleichrangig nebeneinander.
Der Anspruch auf die Pflegesachleistung besteht auch dann, wenn der Pflegebedürftige in einer Altenwohnung oder einem Altenwohnheim lebt. Ohne Bedeutung ist, ob die Haushaltsführung vom Pflegebedürftigen noch eigenverantwortlich geregelt werden kann.
Hält sich der Pflegebedürftige in einem Pflegeheim auf, ist der Anspruch auf die Pflegesachleistung nach § 36 SGB XI ausgeschlossen. Hier kommt die Leistungsgewährung einer vollstationären Pflege entsprechend § 43 SGB XI zum Tragen.
Sollte es sich um eine nicht zugelassene Pflegeeinrichtung handeln, in der sich der Pflegebedürftige aufhält, kann die Pflegesachleistung nach § 36 SGB XI geleistet werden. Die Pflegesachleistung wird auch dann gewährt, wenn die stationäre Einrichtung selbst einen ambulanten Pflegedienst betreibt. Sofern dieser die Leistung erbringt und der Pflegebedürftige von seinem Wahlrecht Gebrauch machen kann (also auch einen anderen Pflegedienst wählen kann), ist ebenfalls die Leistungsgewährung der Pflegesachleistung möglich.
Höhe der Pflegesachleistung
Die Höhe der Pflegesachleistung ist vom Grad der Pflegebedürftigkeit abhängig. Die Leistungshöhe ist in § 36 Abs. 3 SGB XI geregelt.
Ab dem 01.01.2022 kam es zu einer Anpassung der Leistungsbeträge. Die Sachleistungsbeträge wurde um jeweils fünf Prozent dynamisiert; die Erhöhung der Sachleistungsbeträge wurde mit dem GVWG (Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz) umgesetzt.
Eine weitere Anpassung der Sachleistungsbeträge wird mit dem PUEG (Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz) für die Zeit ab 01.01.2024 umgesetzt. Die Leistungsbeträge werden im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent angehoben.
Für die Zeit ab 01.01.2024 gelten die folgenden kalendermonatlichen Leistungsbeträge:
- Pflegegrad 2: 761,00 Euro
- Pflegegrad 3: 1.432,00 Euro
- Pflegegrad 4: 1.778,00 Euro
- Pflegegrad 5: 2.200,00 Euro
Für die Zeit ab 01.01.2022 bis 31.12.2023 gelten die folgenden kalendermonatlichen Leistungsbeträge:
- Pflegegrad 2: 724,00 Euro
- Pflegegrad 3: 1.363,00 Euro
- Pflegegrad 4: 1.693,00 Euro
- Pflegegrad 5: 2.095,00 Euro
Für die Zeit vom 01.01.2017 bis 31.12.2021 gelten die folgenden kalendermonatlichen Leistungsbeträge:
- Pflegegrad 2: 689,00 Euro
- Pflegegrad 3: 1.298,00 Euro
- Pflegegrad 4: 1.612,00 Euro
- Pflegegrad 5: 1.995,00 Euro
Wie der zustehende Leistungsbetrag vom Pflegebedürftigen auf die körperbezogenen Pflegemaßnahmen, die pflegerischen Betreuungsmaßnahmen und die Hilfen bei der Haushaltsführung aufgeteilt wird, richtet sich nach den Bedürfnissen und Wünschen des Versicherten und nach der individuellen Versorgungssituation.
Sollte ein höherer Pflegebedarf bestehen, welcher mit den Leistungsbeträgen nicht gedeckt und vom Pflegebedürftigen nicht finanziert werden kann, sind unter den Voraussetzungen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) die Aufwendungen vom Träger der Sozialhilfe zu übernehmen.
Der Anspruch auf die monatliche Pflegesachleistung besteht bereits dann, wenn mindestens einen Tag im Monat ein Anspruch auf die Leistung bestand. Anders als beim Pflegegeld kommt es hier zu keiner Kürzung der Pflegesachleistung, wenn der Anspruch auf die Pflegeschleistung nicht für einen vollen Kalendermonat besteht.
Beispiel:
Ein Pflegebedürftiger ist dem Pflegegrad 2 zugeordnet und hat ab Januar 2017 einen Anspruch auf Pflegesachleistung in Höhe von monatlich 689,00 Euro.
Ab dem 14.04.2017 ruht der Anspruch auf die Pflegesachleistung nach § 34 Abs. 2 SGB XI, weil er sich in stationärer Krankenhausbehandlung befindet.
Folge:
Auch für die Zeit vom 01.04. bis 13.04.2017 besteht ein Anspruch auf Pflegesachleistung in Höhe von 689,00 Euro.
Leistungsinhalte
Wie bereits erwähnt, umfasst die häusliche Pflegehilfe nach § 36 SGB XI die körperbezogenen Pflegemaßnahmen, die pflegerischen Betreuungsmaßnahmen und die Hilfen bei der Haushaltsführung.
Körperbezogene Pflegemaßnahmen
Zu den körperbezogenen Pflegemaßnahmen gehören:
- Waschen, Duschen, Baden
- Kämmen
- Mundpflege/Zahnpflege
- Rasieren
- Darm- und Blasenentleerung
- An- und Auskleiden
- Selbstständiges Aufstehen und Zu-Bett-Gehen
- Gehen, Stehen, Treppensteigen
- Mundgerechtes Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung
- Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung
Damit werden im Rahmen der körperbezogenen Pflegemaßnahmen die Bereiche der Mobilität und Selbstversorgung nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 SGB XI erfasst.
Pflegerische Betreuungsmaßnahmen
Die pflegerischen Betreuungsmaßnahmen beinhalten die Hilfen in den Bereichen der kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten, Verhaltensweisen, psychischen Problemlagen und bei der Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte. Damit werden im Rahmen der pflegerischen Betreuungsmaßnahmen die Bereiche des § 14 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 6 SGB XI erfasst.
Zu den pflegerischen Betreuungsmaßnahmen gehören Unterstützungsleistungen zur Bewältigung von Gefährdungen (Selbst- oder Fremdgefährdung) und zur Bewältigung psycho-sozialer Problemlagen. Ebenso werden hier Unterstützungsleistungen bei der Tagesstruktur, bei der Orientierung, bei der Aufrechterhaltung sozialer Kontakte, bei der bedürfnisgerechten Beschäftigung im Alltag und bei der Kommunikation erfasst. Auch Maßnahmen zur kognitiven Aktivierung gehören zu den pflegerischen Betreuungsmaßnahmen.
Pflegerische Betreuungsmaßnahmen können auch durch Anwesenheit einer geeigneten Pflegekraft erbracht werden, welche eine situationsgerechte Unterstützung bei Bedarf leistet.
Die Maßnahmen sind darauf ausgerichtet, bei der Gestaltung des alltäglichen Lebens im Haushalt und bei Aktivitäten mit engem räumlichem Bezug den Pflegebedürftigen zu unterstützen. Auch wenn die pflegerischen Betreuungsmaßnahmen in Bezug auf das häusliche Umfeld erbracht werden, steht nichts dagegen, wenn diese auch im häuslichen Umfeld der Familie oder sonstiger nahestehender Personen erbracht werden.
Nicht zu den pflegerischen Betreuungsmaßnahmen gehören Unterstützungen zum Besuch des Kindergartens oder der Schule, der Berufstätigkeit oder sonstiger Teilhabe am Arbeitsleben. Auch die Ausübung von Ämtern oder die Mitarbeit in Institutionen oder in vergleichbaren Bereichen gehören wie die Leistungen, die in den Verantwortungsbereich eines anderen Sozialleistungsträgers fallen, nicht zu den pflegerischen Betreuungsmaßnahmen.
Hilfen bei der Haushaltsführung
Zu den Hilfen bei der Haushaltsführung gehören:
- das Kochen,
- das Spülen,
- das Reinigen und Aufräumen der Wohnung,
- das Beheizen,
- das Waschen und Wechseln der Wäsche und Kleidung,
- das Einkaufen der Gegenstände des täglichen Bedarfs,
- die Unterstützung bei der Regelung von finanziellen und behördlichen Angelegenheiten und
- die Unterstützung bei der Nutzung von Dienstleistungen, z. B. von Haushaltshilfen.
Damit wird im Rahmen der Haushaltsführung der Bereich des § 18 Abs. 5a SGB XI erfasst. Hier verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, dass der Pflegebedürftige bei der Haushaltsführung aktiv unterstützt und nicht nur passiv versorgt wird. Nicht ausgeschlossen ist die vollständige Übernahme von Aktivitäten im Rahmen der Haushaltsführung.
Leistung wird von Leistungserbringern erbracht
Wie der Name „Pflegesachleistung“ bereits ausdrückt, wird die häusliche Pflegehilfe von den Pflegekassen als Sachleistung erbracht. Das bedeutet, dass die Leistung nicht zuerst vom Pflegebedürftigen gezahlt und die Rechnung zur Kostenerstattung wieder bei der Pflegekasse eingereicht werden muss. Vielmehr rechnen die Leistungserbringer die entstandenen Kosten direkt mit der zuständigen Pflegekasse ab. Als Leistungserbringer kommen Pflegekräfte in Betracht, die mittelbar oder unmittelbar zur Pflegekasse in einem Vertragsverhältnis stehen. Dies sind:
- Pflegekräfte, die bei einer ambulanten Pflegeeinrichtung (nach den §§ 71 Abs. 1, 72 SGB XI) angestellt sind,
- Pflegekräfte, die nach § 77 SGB XI einen Einzelvertrag mit der Pflegekasse abgeschlossen haben oder auch
- direkt bei der Pflegekasse angestellte Pflegekräfte.
Leistungserbringung seit 11.05.2019 auch von Betreuungsdiensten möglich
Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), welches am 11.05.2019 in Kraft getreten ist, können auch Betreuungsdienste für die Erbringung der Pflegesachleistung zugelassen werden.
Bei den Betreuungsdiensten handelt es sich um ambulante Betreuungseinrichtungen, die für Pflegebedürftige dauerhaft pflegerische Betreuungsmaßnahmen und Hilfen bei der Haushaltsführung erbringen (§ 71 Abs. 1a SGB XI). Die Behandlungspflege und die körperbezogenen Pflegemaßnahmen dürfen von den Betreuungsdiensten nicht durchgeführt werden. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn im Rahmen der pflegerischen Betreuungsmaßnahmen oder der Hilfen bei der Haushaltsführung eine pflegerische Hilfe unaufschiebbar und unmittelbar erforderlich wird (z. B. bei der Nahrungsaufnahme oder beim Toilettengang); in diesem Fall dürfen die Betreuungsdienste auch die pflegerischen Hilfen durchführen, erhalten hierfür jedoch keine gesonderte Vergütung.
Durch die Möglichkeit, dass Betreuungsdienste seit dem 11.05.2019 mit den Pflegekassen einen Versorgungsvertrag schließen können, werden die Betreuungsdienste den Pflegediensten grundsätzlich gleichgestellt. Jedoch dürfen die Betreuungsdienste grundsätzlich keine körperbezogenen Pflegemaßnahmen (Ausnahme: s. oben) und auch keine Beratungseinsätze nach § 37 Abs. 3 SGB XI durchführen.
Die Leistungserbringung durch Betreuungsdienste wurde (vor Inkrafttreten der Neuregelungen durch das TSVG) im Rahmen eines Modellvorhabens (§ 125 SGB XI alte Fassung) erprobt. Sinn und Zweck ist, dass durch die Leistungserbringung durch Betreuungsdienste den Pflegebedürftigen eine größere Flexibilität bei der Auswahl von Betreuungsleistungen gewährt wird und auch die Kapazitäten bei der Leistungserbringung der häuslichen Betreuung und Hilfen bei der Haushaltsführung erweitert werden; insbesondere profitieren von dieser neuen Regelung auch bislang unterversorgte Regionen.
Der GKV-Spitzenverband hat am 17.07.2019 bereits Richtlinien zu den Anforderungen an das Qualitätsmanagement und die Qualitätssicherung für ambulante Betreuungsdienste beschlossen und dem Bundesgesundheitsministerium zur Genehmigung übermittelt.
Kombination von ambulanten und stationären Leistungen
Befinden sich Pflegebedürftige, die in einen der Pflegegrade 2 bis 5 zugeordnet sind, in einer vollstationären Pflegeeinrichtungen und erhalten hierfür die vollstationären Pflegeleistungen nach § 43 SGB XI, kann für die Zeit der Pflege im häuslichen Bereich für die tatsächlichen Pflegetage die Pflegesachleistung gewährt werden. Hierbei darf allerdings der Höchstbetrag der Pflegesachleistung nicht überschritten werden.
Beispiel:
Ein Pflegebedürftiger ist dem Pflegegrad 3 zugeordnet. Aufgrund einer Wochenendpflege im häuslichen Bereich wird vom 01.04. bis 30.04.2017 ein vermindertes Heimentgelt (75 Prozent) in Höhe von 850,00 Euro geleistet.
Der Leistungsanspruch auf die Pflegesachleistung beträgt im Pflegegrad 3 im April 2016 1.298,00 Euro.
Folge:
Für die Wochenendpflege im häuslichen Bereich kann noch eine Pflegesachleistung in Höhe von maximal (1.298,00 Euro abzgl. 850,00 Euro) 448,00 Euro geleistet werden.
Befinden sich Pflegebedürftige in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen nach § 43a SGB XI, kann ebenfalls für die Zeit der Pflege im häuslichen Bereich (in der Praxis in der Regel an den Wochenenden und in den Ferienzeiten) eine Pflegesachleistung in Anspruch genommen werden. Der Leistungsbetrag nach § 43a SGB XI (maximal 266,00 Euro monatlich) wird dabei auch hier auf die Pflegesachleistung angerechnet.
Verwendung der Pflegesachleistung für Angebote zur Unterstützung im Alltag
Sofern ein Pflegebedürftiger nicht den vollen Leistungsbetrag der Pflegesachleistung in Anspruch nimmt, kann nach § 45a Abs. 4 SGB XI der nicht verwendete Teil für die Erstattung der Aufwendungen für Angebote zur Unterstützung im Alltag verwendet werden. Hier spricht man vom sogenannten Umwandlungsanspruch bzw. Umwidmungsanspruch, im Rahmen dessen die Pflegesachleistung für anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag in Anspruch genommen werden kann. Die Antragstellung muss nicht im Voraus erfolgen, sondern kann auch nachträglich geltend gemacht werden. Es ist für die Antragstellung ausreichend, wenn seitens des Versicherten entsprechende Nachweise über die im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Leistungen der Angebote zur Unterstützung im Alltag entstandenen Aufwendungen bei der Pflegekasse eingereicht werden; die Pflegekasse muss jedoch anhand der Nachweise erkennen können, dass der Pflegebedürftige den Umwandlungsanspruch geltend machen möchte.
Die Verwendung der Pflegesachleistung für Angebote zur Unterstützung im Alltag darf im Umfang von bis zu 40 Prozent der monatlichen Pflegesachleistung erfolgen. Hierfür ist bei der Pflegekasse ein Antrag zu stellen.
Poolen der Ansprüche auf Pflegesachleistung
Bereits seit Juli 2008 können mehrere Pflegebedürftige die Pflegesachleistung „poolen“. Das heißt, dass Pflegebedürftige, die in räumlicher Nähe oder in einer festen Wohngemeinschaft leben, die Pflegesachleistung zusammen abrufen können. Dies bedeutet, dass ab Januar 2017 die körperbezogenen Pflegemaßnahmen, die pflegerischen Betreuungsmaßnahmen und die Hilfe bei der Haushaltsführung von mehreren Pflegebedürftigen gemeinsam abgerufen werden können. Die sich dadurch ergebenden Zeit- oder Kosteneinsparungen können sie dann für sich nutzen. Die Zeit- und Kosteneinsparung kann sich zum Beispiel dadurch ergeben, dass vom Leistungserbringer der Einkauf für die Pflegebedürftigen zusammen erledigt werden kann oder die Mahlzeiten gemeinsam zubereitet werden können.
Jeder einzelne Pflegebedürftige ist in seiner Entscheidung darüber frei, ob er an einem Pool teilnehmen möchte oder nicht.
Die Zeit- oder Kosteneinsparungen sind ausschließlich im Interesse der Pflegebedürftigen zu nutzen. Das bedeutet, dass sie selbst darüber entscheiden, ob beispielsweise mit den eingesparten finanziellen Mitteln weitere Pflegeleistungen eingekauft werden.
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