Die Leistung der Sozialen Pflegeversicherung nach § 43a SGB XI
Mit § 28 Abs. 1 Nr. 9 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) wird beschrieben, dass zum Leistungskatalog der Sozialen Pflegeversicherung auch eine Leistung bei Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für Behinderte Menschen zählt. Die anspruchsbestimmende Bestimmung, welche den Anspruch auf konkretisiert, hierfür ist § 43 SGB XI.
Nach § 43a SGB XI wird für Pflegebedürftige in den Pflegegraden 2 bis 5, die ganztägig (Tag und Nacht) in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen untergebracht sind, zur Abgeltung des Anspruchs auf Leistungen von der Pflegekasse ein Pauschalbetrag geleistet. Dieser Pauschalbetrag beträgt 15 Prozent der nach Teil 2 Kapitel 8 des SGB IX vereinbarten Vergütung, höchstens jedoch 266,00 Euro.
Bis 31.12.2019 übernahmen die Pflegekassen zehn Prozent des Heimentgelts, das der Sozialhilfeträger mit der Einrichtung vereinbart hat, höchstens jedoch 266,00 Euro monatlich.
Einrichtung der Behindertenhilfe
Um eine vollstationäre Einrichtung der Behindertenhilfe im Sinne des § 43a SGB XI handelt es sich dann, wenn die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, die Erziehung oder die schulische Ausbildung in dieser Einrichtung im Vordergrund stehen.
Mindestens Pflegegrad 2
Voraussetzung für die Leistung nach § 43a SGB XI ist, dass der Versicherte mindestens dem Pflegegrad 2 zugeordnet ist. Die Pflegegrade wurden mit dem 01.01.2017 im Rahmen des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes (PSG II) eingeführt. Versicherte, die bis zum 31.12.2016 in eine Pflegestufe eingestuft waren, wurden nach einem gesetzlich geregelten Schema in die neuen Pflegegrade übergeleitet.
Sollten Pflegebedürftige dem Pflegegrad 1 zugeordnet sein, besteht kein Anspruch auf die Kostenbeteiligung durch die Pflegekasse nach § 43a SGB XI, wenn diese in einer Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen leben. Die Pflegeleistungen in den Einrichtungen werden daher in diesen Fällen auch im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII (Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch) übernommen. Die Zuordnung zum Pflegegrad 1 bedeutet, dass bei dem Versicherten lediglich geringe Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten vorliegen.
Höhe der Kostenübernahme
Die Kosten im Rahmen des § 43a SGB XI werden von den Pflegekassen als Pauschalbeitrag übernommen. Dieser Pauschalbetrag beträgt seit 01.01.2020 15 Prozent der nach Teil 2 Kapitel 8 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) vereinbarten Vergütung. Maximal werden jedoch 266,00 Euro monatlich geleistet.
Die Pflegekassen beteiligten sich in der Zeit bis 31.12.2019 mit zehn Prozent des Heimentgelts, das der Sozialhilfeträger mit der Einrichtung vereinbart hat. Höchstens wurde jedoch ein Leistungsbetrag von 266,00 Euro monatlich gewährt.
In der Praxis kommt in den meisten Fällen die Kostenbegrenzung von monatlich 266,00 Euro für die Leistung nach § 43a SGB XI zum Tragen, da die 15 Prozent des Heimentgelts diesen Betrag im Regelfall überschreiten.
Bis zum 31.12.2014 betrug der maximale Leistungsbetrag für die § 43a-Leistung 256,00 Euro.
Den Leistungsbetrag überweist die Pflegekasse mit befreiender Wirkung direkt an die Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen, in der der Pflegebedürftige wohnt. Sollte zwischen den Pflegekassen und den Sozialhilfeträgern auf Landesebene eine Vereinbarung entsprechend § 13 Abs. 4 SGB XI geschlossen worden sein, kann der Leistungsbetrag auch direkt an den Träger der Sozialhilfe geleistet werden.
Beispiel:
Ein Pflegebedürftiger befindet sich in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe entsprechend § 43a SGB XI. Es erfolgte eine Zuordnung zum Pflegegrad 4. Das tägliche Heimentgelt beträgt 90,78 Euro.
Die Aufnahme in die Einrichtung der Behindertenhilfe erfolgte am 16.01.2017.
Folge:
Für Januar 2017 ist folgender Leistungsbetrag nach § 43a SGB XI von der Pflegekasse zu übernehmen:
16 Tage (16.01. bis 31.01.2017) x 90,78 Euro = 1.452,48 Euro x 10 Prozent = 145,25 Euro. Dieser Betrag überschreitet den maximalen monatlichen Leistungsbetrag von 266,00 Euro nicht, weshalb im Januar 2017 ein Betrag von 145,25 Euro von der Pflegekasse zu leisten ist.
Für Februar 2017 ist folgender Leistungsbetrag nach § 43a SGB XI von der Pflegekasse zu übernehmen:
30,42 Tage x 90,78 Euro = 2.761,53 Euro x 10 Prozent = 276,15 Euro. Dieser Betrag überschreitet den maximalen monatlichen Leistungsbetrag von 266,00 Euro, weshalb im Februar 2017 ein Betrag von 266,00 Euro von der Pflegekasse zu leisten ist.
Hinweis: Sollte für eine Einrichtung kein Monatsbetrag, sondern tagesgleiche Pflegesätze vereinbart worden sein, weshalb die monatlichen Tagesbeträge nach den tatsächlichen Tagen des Kalendermonats berechnet werden, kann (aus verwaltungsökonomischen Gesichtspunkten) auf regionaler Ebene ein vereinfachtes Verfahren vereinbart werden. Um die Berechnung der 10-Prozent-Kostenbeteiligung für die Pflegekasse zu berechnen, können die Tagessätze für jeden Monat (einheitlich) mit 30,42 Tagen multipliziert werden. Bei den 30,42 Tagen handelt es sich um die kalenderjährlich durchschnittliche Anzahl an Kalendertagen je Monat (365 Tage : 12 Monate).
Kombination mit ambulanten Pflegeleistungen
Oftmals kommen Pflegebedürftige, die sich grundsätzlich in einer Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen befinden, in den häuslichen Bereich zurück. Dies erfolgt z. B. an den Wochenenden, in den Ferienzeiten oder in Krankheitszeiten.
Befindet sich ein Pflegebedürftiger, der grundsätzlich in einer § 43a-Einrichtung internatsmäßig untergebracht ist, im häuslichen Bereich, kann hierfür für die Tage der tatsächlichen Pflege in der Familien die Pflegesachleistung nach § 36 SGB XI geleistet werden. Der Betrag, den die Pflegekasse allerdings nach § 43a SGB XI in dem jeweiligen Monat leistet, wird auf den Höchstanspruch der Pflegesachleistung angerechnet.
Beispiel:
Ein Pflegebedürftiger ist dem Pflegegrad 4 zugeordnet und befindet sich in einer Einrichtung der Behindertenhilfe. Im Juni 2017 befindet sich der Pflegebedürftige an insgesamt 20 Tagen (an den Wochenenden und aufgrund einer Krankheitszeit) im häuslichen Bereich. Daher ist nach § 43a SGB XI im Juni 2017 ein Leistungsbetrag in Höhe von 180,00 Euro zu entrichten.
Der Pflegesachleistungsanspruch beträgt im Kalenderjahr 2017 im Pflegegrad 4 monatlich 1.612,00 Euro.
Folge:
Für die Pflege im häuslichen Bereich bzw. in der Familie kann im Juni 2017 noch ein Pflegesachleistungsbetrag in Höhe von (1.612,00 Euro abzgl. 180,00 Euro) 1.432,00 geleistet werden.
Sollte die Pflege im häuslichen Bereich/in der Familie durch ehrenamtliche Pflegepersonen erfolgen, kann hierfür ein Pflegegeld entsprechend § 37 SGB XI geleistet werden. Das Pflegegeld wird ungekürzt für die Tage des Aufenthalts im häuslichen Bereich geleistet. Das heißt, dass je Tag der häuslichen Pflege neben der § 43a-Leistung 1/30 des monatlichen Pflegegeldes gezahlt wird.
Beispiel:
Ein Pflegebedürftiger im Pflegegrad 3 befindet sich grundsätzlich in einer Einrichtung der Behindertenhilfe, wofür die Pflegekasse den monatlich den maximal möglichen Leistungsbetrag in Höhe von 266,00 leistet.
Im Juni 2017 kam der Pflegebedürftige an zwei Wochenenden (jeweils Freitag bis Montag, also vier Tage bzw. insgesamt acht Tage) in den häuslichen Bereich und wurde hier von der Mutter gepflegt.
Das monatliche Pflegegeld im Pflegegrad 3 beträgt im Kalenderjahr 2017 545,00 Euro.
Folge:
Für die zwei Wochenenden der häuslichen Pflege besteht ein Anspruch auf Pflegegeld in Höhe von (545,00 Euro / 30 Tage x 8 Tage) 145,33 Euro.
Sollte sich der Pflegebedürftige den vollen Kalendermonat zu Hause befinden, wird das volle kalendermonatliche Pflegegeld für diesen Monate geleistet.
Sofern ein Versicherter im häuslichen Bereich die Pflegesachleistung in Anspruch nimmt und zusätzlich Pflegegeld zu leisten ist, wird dieses in voller Höhe für die jeweiligen Tage geleistet. Eine in Anspruch genommene Pflegesachleistung wird bei der Berechnung des täglichen Pflegegeldes (wie dies bei der Kombinationsleistung der Fall ist) nicht berücksichtigt. Das Pflegegeld wird also je Tag in Höhe von 1/30 des kalendermonatlichen Pflegegeldanspruchs geleistet.
Besonderheiten bei der Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege
Grundsätzlich haben Pflegebedürftige in den Pflegegraden 2 bis 5, die sich in einer Einrichtung der Behindertenhilfe befinden und an den Wochenenden und/oder in den Ferienzeiten in den häuslichen Bereich zurückkehren, einen Anspruch auf Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI und Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI. Voraussetzung hierfür ist, dass die Pflege im häuslichen Bereich (vorübergehend) nicht sichergestellt werden kann.
Sollte in der Zeit, in der die Pflege im häuslichen Bereich nicht durchgeführt werden kann, der Pflegebedürftige in die vollstationäre Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen gehen können, ist kein Anspruch auf die Kurzzeit- und Verhinderungspflege gegeben. Der Ausschluss besteht allerdings nur dann, wenn die Unterbringung in derselben vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe erfolgen kann; dies kann beispielsweise auch eine andere Gruppe in der Einrichtung sein. In diesem Fall sind mit der Leistungsgewährung nach § 43a SGB XI die Aufwendungen für die nicht sichergestellte Pflege im häuslichen Bereich abgegolten.
Es wird jedoch nicht geprüft, ob den Pflegebedürftigen ggf. eine andere § 43a-Einrichtung aufnehmen könnte.
Rechtsprechung
Bundessozialgericht vom 26.04.2001, Az. B 3 P 11/00 R
Befindet sich ein Pflegebedürftiger in einer Einrichtung der Behindertenhilfe, kann hierfür die Pflegekasse nur die Leistungsbeträge entsprechend § 43a SGB XI leisten. Die Gewährung der Leistungsbeträge, welche im Rahmen der vollstationären Pflege (nach § 43 SGB XI) geleistet werden können, ist bei einer Unterbringung in einer § 43a-Einrichtung nicht möglich.
Geklagt hatte eine im Jahr 1948 geborene Pflegebedürftige, die bereits seit Geburt an geistig schwer behindert ist und die in die Pflegestufe III eingestuft war. Nachdem der Vater – zugleich die bisherige Pflegeperson – verstorben ist, wurde sie in einer Einrichtung der Behindertenhilfe aufgenommen, wofür die Pflegekasse die Leistungsbeträge nach § 43a SGB XI (damals 500 DM) übernommen hatte. Die Versicherte begehrte jedoch die Gewährung der vollstationären Leistungsbeträge (in Höhe von damals 2.800 DM). Ihren Anspruch sah die Klägerin deshalb, weil die Pflege aufgrund der geistigen Behinderung am besten in einer Einrichtung der Behindertenhilfe gewährleistet ist und sie sich durch die gesetzliche Regelungen benachteiligt sieht.
Die Klage vor dem Sozialgericht Köln (Az. S 23 P 51/98) wurde zurückgewiesen; die Sprungrevision zum Bundessozialgericht wurde zugelassen.
Mit Urteil vom 26.04.2001, Az. B 3 P 11/00 R hat auch das Bundessozialgericht dem Begehren der Klägerin nicht entsprochen. Es besteht kein Anspruch auf die Leistungsbeträge für die vollstationäre Pflege nach § 43 SGB XI, weil es sich bei der Behindertenhilfeeinrichtung um keine zugelassene Pflegeeinrichtung handelt, für die die vollstationären Leistungsbeträge geleistet werden können.
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