Begrenzung des Eigenanteils an pflegebedingten Aufwendungen nach § 43c SGB XI

Die ab 01.01.2022 geltende Rechtsvorschrift des § 43c Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) regelt für Versicherte, die vollstationäre Pflegeleistungen beziehen, einen Anspruch auf einen Leistungszuschlag. Der Leistungszuschlag wird zur Begrenzung des Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen einschließlich des Ausbildungszuschlags gewährt.

Mit dem „Gesetz zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege“ (Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz, kurz „PUEG“), welchem der Bundesrat am 16.06.2023 zugestimmt hat, kommt es für die Zeit ab 01.01.2024 zu einer prozentualen Erhöhung des Leistungszuschlags.

Hintergrund

Mit dem Gesundheitsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) hat der Gesetzgeber mit § 43c SGB XI eine neue Rechtsvorschrift eingeführt. Diese Rechtsvorschrift zielt darauf ab, von vollstationär versorgten Pflegebedürftigen eine finanzielle Überforderung zu vermeiden. Dies erfolgt dadurch, dass der Eigenanteil an der Pflegevergütung inklusive der Ausbildungskosten mit zunehmender Dauer der vollstationären Pflege schrittweise verringert wird.

Mit der neuen Regelung wird erreicht, dass die finanzielle Gesamtbelastung Pflegebedürftiger in vollstationären Pflegeeinrichtungen im Pflegeverlauf deutlich reduziert wird. Ebenfalls wird dadurch erreicht, dass die betroffenen Versicherten weniger auf die ergänzenden Leistungen der Sozialhilfe angewiesen sind.

Die prozentuale Verringerung des pflegerischen Eigenanteils mit zunehmender Dauer der vollstationären Pflege bietet für die Versicherten weiterhin den Anreiz, dass bei der Wahl der vollstationären Pflegeeinrichtung auch die Höhe des Pflegesatzes mit einbezogen wird.

Das Gesundheitsweiterentwicklungsgesetz wurde am 19.07.2021 im Bundesgesetzblatt (Bundesgesetzblatt Jahrgang 2021, Teil I Nr. 44) verkündet wurde, wobei die Rechtsvorschrift des § 43c SGB XI ab 01.01.2022 in Kraft getreten ist.

Anspruch auf den Leistungszuschlag

Der Anspruch auf den Leistungszuschlag nach § 43c SGB XI besteht für Versicherte, die einem der Pflegegrade 2 bis 5 zugeordnet sind. Der Leistungszuschlag erhöht sich mit zunehmender Dauer der vollstationären Pflege und ist in der Zeit vom 01.01.2022 bis 31.12.2023 wie folgt gestaffelt:

Dauer der vollstationären Pflege Prozentualer Zuschlag
bis einschließlich 12 Monate 5 Prozent
ab 13 Monate bis einschließlich 24 Monate 25 Prozent
ab 25 Monate bis einschließlich 36 Monate 45 Prozent
ab 37 Monate 70 Prozent

Zeitraum ab 01.01.2024

Durch die Verbesserungen im Rahmen des Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetzes ist der Leistungszuschlag für die Zeit ab dem 01.01.2024 wie folgt gestaffelt:

Dauer der vollstationären Pflege Prozentualer Zuschlag
bis einschließlich 12 Monate 15 Prozent
ab 13 Monate bis einschließlich 24 Monate 30 Prozent
ab 25 Monate bis einschließlich 36 Monate 50 Prozent
ab 37 Monate 75 Prozent

Der prozentuale Zuschlag erfolgt auf die pflegebedingten Aufwendungen einschließlich der Ausbildungsumlage bzw. der Ausbildungsumlagen. Die Ausbildungsumlagen sind je Bundesland unterschiedlich, wobei es durchaus auch sein kann, dass die Vergütungssätze mehrere Ausbildungsumlagen vorsehen.

Auf die Kosten für Unterkunft und Verpflegung (die sogenannten „Hotelkosten“) und auf die Investitionskosten wird kein Leistungszuschlag gewährt.

Ermittlung der Dauer des Leistungsbezugs

Bei der Ermittlung der Dauer des Leistungsbezugs von vollstationärer Pflege werden alle Kalendermonate berücksichtigt, wofür zumindest nur für einen Teilzeitraum vollstationäre Pflegeleistungen bezogen wurden. Das heißt, dass ein Monat bereits als voller Kalendermonat des Leistungsbezugs von vollstationären Pflegeleistungen zählt, wenn nur für einen Tag diese Leistung beansprucht wurde. Ohne Bedeutung ist auch, ob in diesem Teilmonat andere Leistungen (ambulante, teilstationäre Leistungen oder die Kurzzeitpflege) bezogen wurden.

Die Zeiten der vollstationären Pflege müssen nicht zusammenhängend verlaufen. Wurde die vollstationäre Pflege beispielsweise aufgrund einer zwischenzeitlichen ambulanten Pflege unterbrochen, werden die früher zurückgelegten Leistungsbezugszeiten ebenfalls berücksichtigt. Ebenfalls ist ohne Bedeutung, ob ein Kassenwechsel oder ein Wechsel des Pflegeheimes erfolgte.

Beispiel:

Ein Versicherter befindet sich seit Juni 2021 in vollstationärer Pflege.

Folge:

Ab Januar 2022 wird der Leistungszuschlag in Höhe von fünf Prozent gewährt. Ab Juni 2022 wird bei durchgehend stationärer Pflege ein Leistungszuschlag in Höhe von 25 Prozent geleistet.

Versicherte, die dem Pflegegrad 1 zugeordnet sind und sich in vollstationärer Pflege befinden, erhalten einen monatlichen Leistungsbetrag nach § 43 Abs. 3 SGB XI in Höhe von 125,00 Euro. Ein Anspruch auf den Leistungszuschlag nach § 43c SGB XI besteht für diese Versicherten nicht, da dieser erst ab dem Pflegegrad 2 zum Tragen kommt. Die Zeit der vollstationären Pflege, für die der Leistungsbetrag nach § 43 Abs. 3 SGB XI geleistet wird, wird jedoch berücksichtigt, wenn es später zu einer Höherstufung in mindestens den Pflegegrad 2 kommt.

Beispiel:

Ein Versicherter ist dem Pflegegrad 1 zugeordnet und befindet sich seit Januar 2021 in vollstationärer Pflege. Die Pflegekasse gewährt daher den Leistungsbetrag nach § 43 Abs. 3 SGB XI in Höhe von 125,00 Euro monatlich.

Ab Februar 2022 wird der Versicherte in den Pflegegrad 2 höhergestuft.

Folge:

Der Versicherte hat ab Februar 2022 einen Anspruch auf den Leistungszuschlag nach § 43c SGB XI in Höhe von 25 Prozent. Die Zeit von Januar 2021 bis Januar 2022 wird als Leistungsbezugszeitraum von vollstationärer Pflege angerechnet. Bei einer weiteren und unterbrochenen vollstationärenPflege erhöht sich der Leistungszuschlag ab Januar 2023 auf 45 Prozent und ab Januar 2024 auf 70 Prozent.

Bei einer vorübergehenden Abwesenheit des Pflegebedürftigen in der vollstationären Pflegeeinrichtung, wird der Pflegeplatz für die Dauer von bis zu 42 Tagen freigehalten. Sollte die Unterbrechung aufgrund eines vollstationären Krankenhausaufenthaltes oder eines Aufenthaltes in einer Rehabilitationseinrichtung erfolgen, verlängert sich der Anspruch auf die Freihaltung des Pflegeplatzes für diese (gesamte) Dauer. Das bedeutet, dass erst Unterbrechungen – außerhalb eines vollstationären Krankenhausaufenthaltes bzw. Aufenthaltes in einer Rehabilitationseinrichtung – von mehr als 42 Tagen zu einer Nichtberücksichtigung der (vollständig) nicht mit vollstationärer Pflege belegten Monate führen. In diesen Fällen verschiebt sich damit der Zeitpunkt, zu dem der nächsthöhere Leistungszuschlag zum Tragen kommt.

In der Praxis wird bei einer Aufnahme in eine vollstationäre Pflegeeinrichtung zunächst der Leistungsanspruch auf die Kurzzeitpflege ausgeschöpft. Erst danach kommt es zur Inanspruchnahme von vollstationären Pflegeleistungen. Die Zeit der in Anspruch genommenen Kurzzeitpflege kann nicht auf den Leistungszeitraum zur Ermittlung des Leistungszuschlags nach § 43c SGB XI angerechnet werden, auch wenn die Kurzzeitpflege in der gleichen Einrichtung beansprucht wird.

Beispiel:

Ein Versicherter wird ab dem 20.04.2021 in die vollstationäre Pflegeeinrichtung aufgenommen. Zunächst wird die Kurzzeitpflege beansprucht. Nachdem der Leistungsanspruch auf die Kurzzeitpflege ausgeschöpft ist, werden ab dem 09.05.2021 die vollstationären Pflegeleistungen beansprucht.

Folge:

Der April 2021 kann bei der Dauer des Leistungsbezugs von vollstationärer Pflege nicht berücksichtigt werden. Erst der Mai 2021 ist – wenn auch nur teilweise – mit vollstationärer Pflege belegt, sodass ab Januar 2022 ein Leistungszuschlag nach § 43c SGB XI in Höhe von fünf Prozent gewährt wird. Der Leistungszuschlag in Höhe von 25 Prozent wird ab Mai 2022 gewährt. Bei einer weiteren und unterbrochenen vollstationären Pflege erhöht sich der Leistungszuschlag ab Mai 2023 auf 45 Prozent und ab Mai 2024 auf 70 Prozent.

Berechnung des Leistungszuschlags

Der Leistungszuschlag wird berechnet, indem die pflegebedingten Aufwendungen einschließlich der Ausbildungsumlage(n) mit dem maßgebenden Prozentsatz multipliziert werden. Die pflegebedingten Aufwendungen einschließlich der Ausbildungsumlage(n) werden berechnet, indem die täglichen Kosten mit dem Faktor 30,42 auf einen Monat hochgerechnet werden und hiervon der Leistungsbetrag nach § 43 SGB XI in Abzug gebracht wird.

Beispiel:

Ein Versicherter im Pflegegrad 3 hat ab Januar 2022 einen Anspruch auf den Leistungszuschlag nach § 43c SGB XI in Höhe von 45 Prozent. Die täglichen pflegebedingten Aufwendungen betragen 69,98 Euro, die Ausbildungsumlage beträgt täglich 6,32 Euro.

Der Leistungsbetrag für die vollstationäre Pflege beträgt für Versicherte im Pflegegrad 3 monatlich 1.262,00 Euro.

Berechnung:

Pflegebedingte Aufwendungen 69,98 Euro + Ausbildungsumlage 6,32 Euro = 76,30 Euro täglich.

Hochgerechnet auf einen Monat: 76,30 Euro x 30,42 = 2.321,05 Euro

Der Eigenanteil des Versicherten beträgt damit (2.321,05 Euro abzgl. 1.262,00 Euro) 1.059,05 Euro.

Damit errechnet sich ein Leistungszuschlag nach § 43c SGB XI von monatlich (1.059,05 Euro x 45 Prozent) 476,57 Euro.

Sollte der monatliche Pauschbetrag nach § 43 Abs. 2 SGB XI – was in der Praxis sehr selten vorkommt – höher sein als die Summe der pflegebedingten Aufwendungen und der Ausbildungsumlage(n), kommt keine Zahlung eines Leistungszuschlags nach § 43c SGB XI mehr in Betracht.

Berechnung bei Abwesenheitszeiten

Ist ein Versicherter vorübergehend in der vollstationären Pflegeeinrichtung abwesend, wird der Leistungszuschlag so lange gezahlt, bis die Leistungspflicht nach § 43 SGB XI entfällt. Nach den Rahmenverträgen nach § 75 SGB XI muss bei einer Abwesenheit von mehr als drei Tagen für die Pflegevergütung, für das Entgelt für Unterkunft und Verpflegung und auch für die Zuschlage nach § 92b SGB XI ein Abschlag von mindestens 25 Prozent vorgenommen werden. Diese Reduzierung gilt in manchen Bundesländern auch für die Ausbildungspauschalen. In der Folge hat diese Reduzierung auch Auswirkungen auf die Höhe des Leistungszuschlags nach § 43c SGB XI.

Beispiel:

Ein Versicherter erhält vollstationäre Pflegeleistungen nach dem Pflegegrad 2. Vom 14.04.2022 bis 28.04.2022 befindet sich der Versicherte in vollstationärer Krankenhausbehandlung. Der Rahmenvertrag sieht eine Reduzierung der pflegebedingten Aufwendungen um 25 Prozent vor. Die täglichen pflegebedingten Aufwendungen betragen 69,98 Euro, die Ausbildungsumlage beträgt täglich 6,32 Euro.

Der Leistungszuschlag wird in Höhe von 70 Prozent geleistet. Der Leistungsbetrag für die vollstationäre Pflege beträgt für Versicherte im Pflegegrad 2 monatlich 770,00 Euro.

Berechnung:

Pflegebedingte Aufwendungen 69,98 Euro + Ausbildungsumlage 6,32 Euro = 76,30 Euro täglich

Hochgerechnet auf einen Monat: 76,30 Euro x 30,42 = 2.321,05 Euro

Abzug für die Abwesenheit (69,98 Euro x 25 Prozent x 10 Tage) 174,95 Euro

Im April 2022 entstehen somit pflegebedingte Aufwendungen in Höhe von (2.321,05 Euro abzgl. 174,95 Euro abzgl. 770,00 Euro) 1.376,10 Euro.

Der Leistungszuschlag nach § 43c SGB XI beträgt damit monatlich (1.376,10 Euro x 70 Prozent) 963,27 Euro.

Berechnung bei Anspruch auf Beihilfe

Haben Versicherte nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen einen Anspruch auf Beihilfe oder Heilfürsorge, wird der Leistungszuschlag zur Hälfte gewährt (§ 28 Abs. 2 SGB XI).

Sonstiges

Befinden sich Versicherte in nicht zugelassenen Pflegeeinrichtungen, besteht kein Anspruch auf den Leistungszuschlag nach § 43c SGB XI. Diese Versicherten haben nämlich keinen Anspruch auf vollstationäre Pflegeleistungen nach § 43 SGB XI, was die Gewährung eines Leistungszuschlages ausschließt.

Befinden sich Versicherte in zugelassenen Pflegeeinrichtungen, die keine Vergütungsvereinbarung abgeschlossen haben, wird ebenfalls keine Leistung nach § 43 SGB XI gewährt. Diese Versicherten haben einen Anspruch auf Kostenerstattung nach § 91 Abs. 2 SGB XI. Damit kann auch von diesen Versicherten der Leistungszuschlag nach § 43c SGB XI nicht realisiert werden.

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