Die Entgeltersatzleistung für kurzzeitige Arbeitsverhinderung nach § 2 PflegeZG
Die Bundesregierung hat zum 01.01.2015 einen Rechtsanspruch auf ein Pflegeunterstützungsgeld als neue Entgeltersatzleistung eingeführt. Die Rechtsgrundlage ist das „Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf“. Unter dem Aspekt, dass pflegende Angehörige Familie, Beruf und Pflege zeitlich flexibel gestalten können sollen, werden die Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Pflege verbessert.
Rechtsgrundlage § 44a Abs. 3 SGB XI
Der neue § 44a Abs. 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) regelt den Anspruch auf das Pflegeunterstützungsgeld. Danach wird für die kurzzeitige Arbeitsverhinderung nach § 2 Pflegezeitgesetz (PflegeZG) ein Anspruch auf das Pflegeunterstützungsgeld gesetzlich geregelt.
In § 2 Abs. 3 PflegeZG wird folgender Satz eingefügt: „Ein Anspruch der Beschäftigten auf Zahlung von Pflegeunterstützungsgeld richtet sich nach § 44a Abs. 3 SGB XI“.
Das Pflegeunterstützungsgeld wird geleistet, wenn vom Arbeitgeber für die Arbeitsfreistellung keine Entgeltfortzahlung geleistet wird und auch kein Anspruch auf Kranken- oder Verletztengeld bei Erkrankung eines Kindes (§ 45 SGB V bzw. § 45 Abs. 4 SGB VII) besteht. Die Anspruchsdauer beträgt maximal zehn Arbeitstage.
Für die Auszahlung des Pflegeunterstützungsgeldes ist die Pflegekasse oder das Versicherungsunternehmen des Pflegebedürftigen zuständig. Hierzu ist unverzüglich unter Vorlage der ärztlichen Bescheinigung nach § 2 Abs. 2 Satz 2 PflegeZG ein Antrag zu stellen. Ein Anspruch auf das Pflegeunterstützungsgeld besteht auch für geringfügig Beschäftigte (Minijobber), also für Beschäftigte mit einem Entgelt bis zu 450,00 Euro monatlich.
Das Pflegeunterstützungsgeld wird in Höhe des Kinder-Krankengeldes nach § 45 SGB V geleistet. Von Bedeutung ist, dass die Berechnungsweise des Kinder-Krankengeldes ab Januar 2015 komplett neu geregelt wird.
Das Pflegeunterstützungsgeld wird bei den Pflegekassen jährliche Ausgaben von etwa 100 Millionen Euro verursachen.
Hintergrund
Bislang haben Beschäftigte nach § 2 Pflegezeitgesetz die Möglichkeit, sich von der Arbeit bis zu zehn Arbeitstage freistellen zu lassen, wenn dies für die Organisation oder die pflegerische Versorgung während einer bei einem nahen Angehörigen akut aufgetretenen Pflegesituation erforderlich ist. Die Verhinderung und die voraussichtliche Dauer ist dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. Auf Verlangen ist dem Arbeitgeber eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen vorzulegen. Als nahe Angehörige gelten
- Eltern, Großeltern, Schwiegereltern und Stiefkinder,
- Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, Schwägerinnen, Schwäger und Geschwister und
- Kinder, Pflegekinder, Adoptivkinder, Kinder, Adoptiv- und Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners, Enkelkinder und Schwiegerkinder.
Aufgrund fehlender gesetzlicher, tarif- oder einzelvertraglicher Regelungen ist der Arbeitgeber zu keiner Entgeltfortzahlung während der Freistellung verpflichtet. Damit die Betroffenen dennoch einen Ersatz für den Entgeltausfall erhalten, wird ab Januar 2015 das Pflegeunterstützungsgeld geleistet.
Antrag erforderlich
Das Pflegeunterstützungsgeld ist eine Antragsleistung; d. h. dass diese nur geleistet wird, wenn bei der zuständigen Pflegekasse bzw. dem Versicherungsunternehmen ein Antrag gestellt wird. Der Antrag wiederum ist unverzüglich zu stellen. Damit wird sichergestellt, dass die Pflegekasse des Pflegebedürftigen zeitnah ein ärztliches Attest verlangen kann, sollte der Arbeitgeber auf ein entsprechendes Attest verzichtet haben.
Da das Pflegeunterstützungsgeld von der Pflegekasse des Pflegebedürftigen und nicht von der Pflegekasse des Beschäftigten geleistet wird, wird es keinen elektronischen Datenaustausch zwischen Arbeitgeber und Pflegekasse geben. Das bedeutet, dass der Leistungsbezieher selbst die Informationen der zuständigen Pflegekasse geben muss, welche diese für die Antragsbearbeitung benötigt.
Berechnung und Höhe des Pflegeunterstützungsgeldes
Das Pflegeunterstützungsgeld wird wie das Kinder-Krankengeld berechnet. Dessen Berechnungsweise wurde ab Januar 2015 neu geregelt.
Ab Januar 2015 wird als Kinder-Krankengeld das während der Freistellung ausgefallene Netto-Arbeitsentgelt, welches aus dem ausgefallenen beitragspflichtigen Brutto-Arbeitsentgelt errechnet wird, als Berechnungsgrundlage herangezogen.
Das Brutto-Kinder-Krankengeld und damit auch das Brutto-Pflegeunterstützungsgeld beträgt 90 Prozent des ausgefallenen Netto-Arbeitsentgelts. Wurden in den letzten zwölf Kalendermonaten vor der Freistellung von der Arbeit beitragspflichtige Einmalzahlungen bezogen, wird die Entgeltersatzleistung in Höhe von 100 Prozent des ausgefallenen Netto-Arbeitsentgelts ersetzt. Insgesamt darf das kalendertägliche Pflegeunterstützungsgeld allerdings 70 Prozent der kalendertäglichen Beitragsbemessungsgrenze nicht überschreiten (für 2015: 96,25 Euro).
Das Pflegeunterstützungsgeld unterliegt der Beitragspflicht zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Der Gesamtbeitrag errechnet sich aus 80 Prozent des täglichen Brutto-Arbeitsentgelts, wobei die Beiträge von den Leistungsbeziehern und den Pflegekassen getragen werden. Sollte das Pflegeunterstützungsgeld aus einem Arbeitsentgelt errechnet werden, welches 450,00 Euro monatlich nicht übersteigt, werden die Beiträge von der Pflegekasse alleine getragen.
Berechnung des ausgefallenen beitragspflichtigen Brutto-Arbeitsentgelts
Grundlage für die Ermittlung des Bruttoarbeitsentgelts (ausgefallenes beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt für den Zeitraum der Freistellung) ist:
- bei gleichbleibendem Monatsentgelt, wenn keine variablen Entgeltbestandteile vorhanden sind, das vertraglich vereinbarte Arbeitsentgelt.
- bei Stundenlohn, wenn keine variablen Entgeltbestandteile vorhanden sind, das vertraglich vereinbarte Arbeitsentgelt für die tatsächlich ausgefallenen Arbeitsstunden im Freistellungszeitraum.
- bei gleichbleibendem Monatsentgelt oder Stundenlohn mit zusätzlichen variablen Entgeltbestandteilen (z. B. Mehrarbeitsvergütung und Überstundenvergütung, Provisionen, Leistungszulagen) das vertraglich vereinbarte Arbeitsentgelt zuzüglich des Durchschnittsbetrages der variablen Entgeltbestandteile der letzten drei vor der Freistellung abgerechneten Kalendermonate. Auch Kalendermonate ohne variable Entgeltbestandteile sind bei der Durchschnittsberechnung zu berücksichtigen. Grund hierfür ist, dass aufgrund der Unregelmäßigkeit von variablen Entgeltbestandteilen eine Ermittlung des tatsächlich ausgefallenen Arbeitsentgelts nicht möglich ist.
Sollten noch keine drei Monate wegen der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung abgerechnet sein, sind die durchschnittlichen variablen Entgeltbestandteile der Kalendermonate für die Festlegung des Bruttoarbeitsentgelts heranzuziehen, die bereits abgerechnet wurden. Sollte noch kein abgerechneter Kalendermonat vorliegen, der vor der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung abgerechnet wurde, sind die bereits erzielten durchschnittlichen variablen Entgeltbestandteile für die Festlegung des Bruttoarbeitsentgelts heranzuziehen.
Sollten Kalendermonate mit unbezahlten Fehlzeiten vorhanden sein, sind diese bei der Bestimmung von durchschnittlichen variablen Entgeltbestandteilen herauszurechnen, also mindern zu berücksichtigen. Das gilt auch bei Vorhandensein von kompletten Kalendermonaten mit Fehlzeiten.
Es ist bei der Bestimmung der Kalendermonate darauf zu achten, dass ein neues Beschäftigungsverhältnis bei einem Wechsel von einem Ausbildungsverhältnis in ein Arbeitsverhältnis begründet wird.
- bei schwankendem Monatsentgelt (z. B. Stücklohn oder Akkordlohn) der Durchschnittsbetrag der Arbeitsentgelte der letzten drei Kalendermonate vor der Freistellung.
Bei noch nicht abgerechneten Kalendermonaten ist entsprechend der Ausführungen zum Umgang mit variablen Entgeltbestandteilen zu verfahren. Währenddessen dort von variablen Entgeltbestandteilen ausgegangen wird, ist hier jedoch vom gesamten Arbeitsentgelt auszugehen.
Bei Anspruch auf Kurzarbeitergeld, Saison-Kurzarbeitergeld oder Transfer-Kurzarbeitergeld während der Freistellung ist als ausgefallenes Bruttoarbeitsentgelt das SV-Brutto ohne Arbeitsausfall (Soll-Entgelt) zu melden.
Kurzfristiges Erwerbsersatzeinkommen
Beim Pflegeunterstützungsgeld handelt es sich um ein kurzfristiges Erwerbsersatzeinkommen. Dieses ist in § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) explizit aufgeführt. Dies hat zur Folge, dass das Pflegeunterstützungsgeld auch für die Zeit ab 01.01.2015 bei den Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung als Hinzuverdienst anzurechnen ist, da § 96a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB VI konkret auf die genannte Rechtsvorschrift im SGB IV verweist. Bei den zu berücksichtigenden Hinzuverdienst (§ 96a Abs. 3 Satz 2 SGB VI) fehlt ein entsprechender Hinweis, sodass das Pflegeunterstützungsgeld bei Renten wegen voller Erwerbsminderung nicht als Hinzuverdient anzurechnen ist.