Begleitzeit zur Arzneimittelstudie wird nicht als Pflegezeit gewertet
Voraussetzung für die Einstufung in eine Pflegestufe ist nach den gesetzlichen Vorschriften, dass ein bestimmter Umfang an Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege besteht. Welche Tätigkeiten in der Grundpflege angerechnet werden, ist in den Begutachtungs-Richtlinien geregelt.
Mit Urteil vom 18.09.2008 musste das Bundessozialgericht unter dem Aktenzeichen B 3 P 5/07 R entscheiden, ob Begleitzeiten zu einer Arzneimittelstudie als Grundpflegezeiten zu berücksichtigen sind.
Der Kläger, ein unter Morbus Hunter (Mukopolysaccharidose Typ II – MPS II-) erkrankter und im Jahr 1985 geborener Versicherter, wurde von seiner Mutter zu einer Arzneimittelstudie gefahren. An der Studie nahm der Kläger ab Dezember 2003 teil, da seine Erkrankung, die auf einen Enzymdefekt zurückzuführen ist, nicht anderweitig behandelt werden konnte.
Die zuständige Pflegekasse gewährte dem Kläger die Pflegestufe I, erkannte allerdings die Begleitzeiten zu der Arzneimittelstudie nicht als Pflegezeiten an. Daher konnte eine Einstufung in die Pflegestufe II nicht erfolgen. Damit gab sich der Kläger nicht zufrieden und beschritt den Klageweg.
Sozialgerichte verneinten Berücksichtigung
In der ersten sozialgerichtlichen Instanz wies das Sozialgericht Gelsenkirchen die Klage mit Urteil vom 20.09.2005 ab. Gleiches erfolgte in der zweiten sozialgerichtlichen Instanz durch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 27.03.2007. Auch das höchste deutsche Sozialgericht, das Bundessozialgericht, wies die Klage als unbegründet zurück. Damit gaben die Sozialgerichte aller Instanzen unisono der Pflegekasse Recht.
Im Urteil des Bundessozialgerichts wurde ausgeführt, dass eine Hilfe bei der Mobilität, die außerhalb des häuslichen Bereichs des Pflegebedürftigen erforderlich ist, nur dann berücksichtigt werden kann, wenn diese zum Weiterleben in der eigenen Wohnung benötigt wird. Die Rechtsprechung hat hier bereits mehrfach entschieden, dass hierzu Wege zur Krankengymnastik, zu einem Logopäden, zu einem Arzt oder zu einer Ergotherapie zählen, wenn diese notwendig sind, um eine Krankheit zu behandeln. Ausgeschlossen von der Berücksichtigung sind also Wege zu einem Gottesdienst, in eine Behindertenwerkstatt und zur Schule.
Recht der Krankenversicherung maßgebend
Bei der Beurteilung, ob die Tätigkeit außerhalb der eigenen Häuslichkeit bei der Grundpflege berücksichtigt wird, muss nach dem Leistungsrecht der Gesetzlichen Krankenversicherung abgestellt werden. Als Beispiel wurde in dem Urteil aufgeführt, dass eine Begleitung zum Arzt als Grundpflege anerkannt werden muss, wenn die Krankenkasse für den Pflegebedürftigen eine Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB V – übernehmen muss. Besteht hingegen von der Krankenkasse keine Leistungspflicht, muss die Soziale Pflegeversicherung die notwendige Begleitung bei der Bewertung der Grundpflege nicht berücksichtigen.
Das Medikament Idursulfase (Elaprase), welches durch den Kläger erprobt wurde, hatte noch keine Zulassung erhalten. Aus diesem Grund kann die erforderliche Begleitzeit des Pflegebedürftigen nicht bei der Grundpflege berücksichtigt werden. Dies deshalb, weil die Erprobung neuer Arzneimittel nicht dazu dient, eine Krankheit zu behandeln bzw. zu heilen, sondern die Wirksamkeit dessen zu erproben bzw. bisher nicht bekannte Nebenwirkungen zu erforschen.
Aus diesem Grund blieb die Revision zum Bundessozialgericht für den Pflegebedürftigen erfolglos. In dem Urteil wurde zusätzlich darauf hingewiesen, dass sich an dem Ergebnis der Entscheidung des Bundessozialgerichts auch nichts aufgrund der scherwiegenden Erkrankung des Klägers ändern kann.