Fortbestehen des Beschäftigungsverhältnisses
Am 13.10. und 14.10.2009 haben sich die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung mit der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung hinsichtlich des Fortbestandes eines Beschäftigungsverhältnisses bei Freistellung von der Arbeitsleistung befasst. Dabei wurden zwei Fallgestaltungen erörtert, die die Höhe des während der Freistellung gezahlten Entgelts und den Zeitraum der Freistellung betreffen.
Die fixierten Grundsätze sollen für alle Fälle angewandt werden, welche die Zeiträume ab (spätestens) 01.07.2009 betreffen. Freistellungen, welche vor dem 01.07.2009 begonnen haben und die Beurteilung aufgrund einer konkreten Stellungnahme eines Sozialversicherungsträgers erfolgte, werden nicht mehr beanstandet.
Grundsatz
Idealtypisch besteht eine Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – SGB IV -, wenn eine Arbeitsleistung tatsächlich erbracht wird. Gleiches gilt auch für das Fortbestehen eines Beschäftigungsverhältnisses. Dennoch gibt es in der Praxis Fälle, die nicht diesem allgemeinen Grundsatz entsprechen und trotzdem zu einem Fortbestand eines sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses führen. Von einem Beschäftigungsverhältnis, welches eine Versicherungspflicht begründet, ist auch dann auszugehen, wenn die Arbeitsvertragsparteien auf die vertragliche Arbeitsleistung unwiderruflich im gegenseitigen Einvernehmen verzichten, beispielsweise durch einen Arbeitsvertrag. In diesem Sinne hatte sich am 24.09.2008 der 12. Senat des Bundessozialgerichts geäußert (Az. B 12 KR 22/07 R und B 12 KR 27/07 R).
Beschäftigungsverhältnis
Wenn ein Arbeitnehmer entsprechend vertraglicher Abreden (beispielsweise durch Sozialplan oder Tarifvertrag) unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit freigestellt wird, liegt eine sozialversicherungsrechtliche Beschäftigung vor. Dies gilt auch dann, wenn das Ende des Arbeitsverhältnisses mit dem Ende des Erwerbslebens zusammenfällt. Irrelevant sind in diesem Zusammenhang die Gründe für die Freistellung. Allerdings gelten die Gründe für die Freistellung nicht für einen ungewöhnlich langen Zeitraum. Der Freistellungszeitraum darf die Dauer von zehn Jahren nicht überschreiten (diesbezüglich wird auf den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 21.08.1997, Az. 12 BK 63/97 verwiesen).
Beispiel:
Ein Arbeitnehmer wird im Alter von 58 Jahren unter Fortzahlung seiner Vergütung in Höhe von 78 Prozent seines letzten Bruttoentgelts bis zum 65. Lebensjahr von der Arbeitsleistung freigestellt.
Konsequenz:
Das Beschäftigungsverhältnis des Arbeitnehmers besteht während der gesamten Freistellungsphase fort, da der Freistellungszeitraum zehn Jahre nicht überschreitet.
Entgeltfortzahlung
Um im Falle einer Freistellung von der Arbeitsleistung ein Fortbestehen des Beschäftigungsverhältnisses zu erreichen, muss während der Freistellung ein Arbeitsentgelt geleistet werden, welches mindestens 70 Prozent des bisherigen Brutto-Arbeitsentgelts entspricht. Dabei ist es unerheblich, wie die während der Freistellungsphase geleistete Entgeltzahlung bezeichnet wird. Dementsprechend bewirken auch Vorruhestandsgelder, Ausgleichszahlungen oder Übergangsgeldzahlungen ein Fortbestehen eines Beschäftigungsverhältnisses.
Beispiel:
Ein Arbeitnehmer schließt mit seinem Arbeitgeber einen außergerichtlichen Vergleich, mit dem ein Arbeitsrechtsstreit beendet wird. Für die Dauer der sechsmonatigen Kündigungsfrist wird der Arbeitnehmer von der Arbeit freigestellt und erhält während dieses Zeitraums monatlich 1.500 Euro. Zuletzt betrug das regelmäßige Arbeitsentgelt 3.000 Euro monatlich.
Konsequenz:
Das Beschäftigungsverhältnis des Arbeitnehmers besteht im sozialversicherungsrechtlichen Sinne nicht fort, da der Grenzwert von 70 Prozent des bisher bezogenen Arbeitsentgelts unterschritten wird.
Würde der Arbeitgeber während der Freistellungsphase mindestens 2.100 Euro weitergewähren, würde das Beschäftigungsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinne weiterbestehen.
Ermäßigter Beitragssatz
Für die Zeit der Freistellung von der Arbeitsleistung werden die Krankenversicherungsbeiträge nach dem ermäßigten Beitragssatz erhoben, da der (freigestellte) Arbeitnehmer im Falle einer Arbeitsunfähigkeit keinen Krankengeldanspruch mehr realisieren kann. Seitens des Arbeitgebers sind daher entsprechende Ummeldungen (Ab- und Anmeldung wegen Wechsel der Beitragsgruppe) zu erstellen bzw. zu veranlassen. Doch nicht immer werden die Beiträge nach dem ermäßigten Beitragssatz berechnet.
In welchen Fällen der allgemeine und in welchen Fällen der ermäßigte Beitragssatz bei von der Arbeit freigestellten Arbeitnehmern zum Tragen kommt, hat der Spitzenverband Bund der Krankenkassen am 30.06.2010 geklärt - s. hierzu: Beitragssatz bei Freistellung von der Arbeit.
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