Das AAG-Erstattungsverfahren

Arbeitgeber müssen für ihre Beschäftigten im Krankheitsfall das Arbeitsentgelt nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz weiterzahlen. Auch nach dem Mutterschutzgesetz müssen die Arbeitgeber das Entgelt bei Beschäftigungsverboten in Schwangerschaftsfällen fortzahlen und das gesetzliche Mutterschaftsgeld während der Schutzfristen aufstocken.

Damit insbesondere kleine bzw. kleinere Arbeitgeber mit den Aufwendungen finanziell nicht überlastet werden, sieht das Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (kurz: Aufwendungsausgleichsgesetz, AAG) eine (teilweise) Erstattung vor. Die Erstattung erfolgt aus den Umlagekassen, welche bei den Krankenkassen eingerichtet wurden. Hierbei handelt es sich um die Umlagekasse 1 (U1) und die Umlagekasse 2 (U2).

Durch die Umlagekasse U1 werden Aufwendungen durch die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (teilweise) und durch die Umlagekasse U2 die Aufwendungen für den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld und das bei Beschäftigungsverboten gezahlte Arbeitsentgelt (vollständig) ersetzt. Zusätzlich werden bei beiden Umlagekassen die Arbeitgeberbeitragsanteile bei der Erstattung berücksichtigt.

Welche Arbeitgeber bzw. Firmen um Verfahren U1 und U2 teilnehmen, wird für die beiden Umlagekassen unterschiedlich beurteilt. Das Umlageverfahren wird in die grundsätzliche Feststellung, welche Arbeitgeber am Umlageverfahren teilnehmen müssen und in das Erstattungsverfahren untergliedert.

Der GKV-Spitzenverband hat am 07.11.2017 die „Grundsätzliche Hinweise zum Ausgleichsverfahren der Arbeitgeberaufwendungen bei Arbeitsunfähigkeit (U1-Verfahren) und für Mutterschaftsleistungen (U2-Verfahren)“ herausgegeben.

Teilnahme am Erstattungsverfahren

Bei der Teilnahme am Erstattungsverfahren wird zwischen dem Umlageverfahren:

  • U1: Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalls und
  • U2: Mutterschaftsaufwendungen

unterschieden. Das bedeutet, dass hinsichtlich der Pflicht zur Teilnahme auch unterschiedliche Beurteilungsergebnisse bei den beiden Umlagekassen entstehen können.

Umlagekasse U1

Durch die Rechtsvorschrift des § 3 AAG wird geregelt, dass eine Umlagepflicht zur Umlagekasse U1 besteht, wenn ein Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 30 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigt. Dies ist der Fall, wenn im letzten Kalenderjahr, das demjenigen, für das die Feststellung über die Umlagepflicht zu treffen ist, vorausgegangen ist, für einen Zeitraum von mindestens acht Kalendermonaten nicht mehr als 30 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigt wurden.

Die zur Berufsausbildung Beschäftigten werden nicht mitgezählt. Ebenfalls werden schwerbehinderte Menschen im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) nicht berücksichtigt. Daneben sind weitere Personengruppen bei der Beschäftigtenanzahl nicht mitzuzählen, z. B. Teilnehmer eines freiwilligen sozialen oder freiwilligen ökologischen Jahres, Teilnehmer am Bundesfreiwilligendienst und Heimarbeiter.

Bei den genannten acht Kalendermonaten muss es sich nicht um zusammenhängende Kalendermonate handeln. Jedoch muss es sich um jeweils volle Kalendermonate handeln, in denen nicht mehr als 30 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigt wurden, damit ein Monat entsprechend gezählt werden kann.

Es sind also für ein Kalenderjahr immer die Gegebenheiten des Vorjahres maßgebend. Die Feststellung, ob eine Umlagepflicht besteht, muss immer zum Beginn eines Kalenderjahres die zuständige Krankenkasse vornehmen. Die Arbeitgeber müssen hierfür der Krankenkasse die erforderlichen Angaben machen. Aufgrund der Regelung durch den GKV-Spitzenverband kommt es durch die Krankenkasse grundsätzlich zu keiner förmlichen Feststellung. Daher erfolgt die tatsächliche Feststellung über die Teilnahme am Ausgleichsverfahren durch den Arbeitgeber. Die Feststellung gilt für das gesamte Kalenderjahr, und zwar auch dann, wenn es im laufenden Kalenderjahr zu einer erheblichen Änderung bei der Beschäftigtenzahl kommt.

Sollte der Betrieb nicht während des gesamten Vorjahres bestanden haben, gilt die Umlagepflicht für das laufende Kalenderjahr, wenn während des Zeitraums des Bestehens in der überwiegenden Anzahl an Kalendermonaten nicht mehr als 30 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigt wurden.

Sollte der Betrieb erst im Laufe eines Kalenderjahres errichtet werden, ist eine Umlagepflicht für das laufende Kalenderjahr gegeben, wenn anzunehmen ist, dass während der überwiegenden Zahl der noch verbleibenden Monate dieses Kalenderjahres nicht mehr als 30 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigt werden.

Teilzeitbeschäftigte werden entsprechend ihrer Arbeitszeit anteilig bei den Beschäftigten berücksichtigt. § 3 Abs. 1 Satz 6 AAG sie folgende Faktoren für die Berücksichtigung von Teilzeitbeschäftigten vor:

Bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von:

  • nicht mehr als 10 Stunden: 0,25
  • nicht mehr als 20 Stunden: 0,50
  • nicht mehr als 30 Stunden: 0,75

Sollte die Arbeitszeit von Woche zu Woche schwanken, muss für die Ermittlung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eine Durchschnittsberechnung erfolgen.

Umlagekasse U2

Am Umlageverfahren U2 nehmen generell alle Arbeitgeber – unabhängig von der Betriebsgröße bzw. Beschäftigtenzahl – teil. Dies gilt auch dann, wenn in einem Betrieb keine weiblichen Beschäftigten tätig sind.

Ein Ausschluss zur Teilnahme am Umlageverfahren U2 ist nach einem Beschluss vom 18.11.2003 des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 302/96, USK 2003-29) nicht zulässig.

Durch § 11 Abs. 2 AAG werden jedoch drei Personengruppen von der Teilnahme am Umlageverfahren U2 ausgeschlossen. Hierbei handelt es sich um:

  • in der Landwirtschaft mitarbeitende versicherungspflichtige Familienangehörige eines landwirtschaftlichen Unternehmens,
  • Personen in (im Rahmen des § 54a Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bezuschussten) betrieblichen Einstiegsqualifizierungen und im Rahmen des § 79 Abs. 2 SGB III bezuschussten Berufsausbildungen in außerbetrieblichen Einrichtungen und um
  • bestimmte Personenkreise, für die aufgrund des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut (ZA-NTS) vom 13.08.1959 eine Sonderregelung gelten muss.

Sowohl am Umlageverfahren U1 als auch am Umlageverfahren U2 nehmen Arbeitgeber teil, wenn diese nur Auszubildende beschäftigen.

Umlagesätze und Erstattungssätze

Die finanziellen Mittel für die Durchführung des Umlageverfahrens U1 und U2 werden nach § 7 AAG durch gesonderte Umlagen aufgebracht. Die Umlagen sind mit dem Umlagesatz – bei dem es sich um einen Prozentsatz handelt – festzusetzen. Maßgebend ist das beitragspflichtige Entgelt im Sinne der allgemeinen Gesetzlichen Rentenversicherung. Das bedeutet, dass die Bemessung der Umlage höchstens aus der jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt.

Die Umlagesätze für den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für die Entgeltfortzahlung werden nach § 9 AAG durch die Satzung der Krankenkasse bestimmt. Konkret muss die Satzung die Höhe der Umlagesätze, die Bildung von Betriebsmitteln, die Aufstellung des Haushaltsplans und die Prüfung und Abnahme des Rechnungsabschlusses regeln.

Die Krankenkassen haben die Möglichkeit, die Erstattungssätze – der Erstattungssatz liegt in der Umlagekasse U1 bei grundsätzlich 80 Prozent – zu untergliedern und damit unterschiedliche Umlagesätze für unterschiedliche Erstattungssätze vorzusehen. Bei dieser Gestaltung der Umlage- und Erstattungssätze darf allerdings der Erstattungssatz in keiner Variante unter 40 Prozent liegen.

In der Umlagekasse U2 beträgt der Erstattungssatz 100 Prozent. Die Aufwendungen für den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld und das Arbeitsentgelt, welches bei Beschäftigungsverboten gezahlt wird, wird also durch die U2 vollständig ersetzt.

Erstattungsfähige Aufwendungen

Die erstattungsfähigen Aufwendungen in den beiden Umlagekassen werden in § 1 Abs. 1 und Abs. 2 AAG definiert. Hierbei wird beim fortgezahlten Arbeitsentgelt und beim Zuschuss zum Mutterschaftsgeld vom arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff ausgegangen. Zum Arbeitsentgelt gehören sämtliche Zuwendungen, welche nach ihrer Zweckbestimmung zumindest auch als Gegenleistung für geleistete oder noch zu leistende Arbeit aufzufassen sind (s. hierzu auch Urteil des Bundessozialgerichts vom 15.04.1997, Az. 1 RK 13/96, USK 97132). Ohne Bedeutung ist, ob das Arbeitsentgelt beitragspflichtig in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung ist.

Aufwendungen im Sinne der Umlagekasse U1

Im Rahmen der Umlagekasse U1 werden die Aufwendungen nach § 3 Abs. 1 und 2 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) und nach § 9 Abs. 1 EFZG zu 80 Prozent (oder eines geringeren Prozentsatzes, wenn diesen die Krankenkasse anbietet und der Arbeitgeber wählt) erstattet. Bei den Aufwendungen handelt es sich um das Arbeitsentgelt, welches Arbeitnehmern aufgrund von Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit für die Dauer von bis zu sechs Wochen weiterzuzahlen ist. Auch gehört hierzu das weitergezahlte Arbeitsentgelt, welches der Arbeitgeber aufgrund einer Arbeitsverhinderung infolge einer nicht rechtswidrigen Sterilisation oder eines nicht rechtswidrigen Abbruchs der Schwangerschaft weiterzahlen muss.

Ein einmalig gezahltes Arbeitsentgelt (z. B. Urlaubsgeld, Weihnachtsgratifikation) gehört nicht zum Arbeitsentgelt, welches von den erstattungsfähigen Aufwendungen erfasst wird.

Erstattungsfähig sind neben dem fortgezahlten Arbeitsentgelt nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 AAG auch von die vom Arbeitgeber zu tragenden Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit und die Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur Gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie zur Sozialen Pflegeversicherung. Auch die Arbeitgeberzuschüsse nach § 172a SGB VI und die Beitragszuschüsse nach § 257 SGB V und § 61 SGB XI gehören zu den erstattungsfähigen Aufwendungen.

Die Satzungsregelung der Krankenkasse kann die erstattungsfähigen Aufwendungen auf die Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung begrenzen. Ebenfalls kann per Satzungsregelung bestimmt werden, dass die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung pauschaliert erstattet werden.

Erkrankt ein Arbeitnehmer erst im Laufe eines Arbeitstages, kann das für diesen Teil-Arbeitstag fortgezahlte Arbeitsentgelt nicht im Rahmen des Umlageverfahrens U1 geltend gemacht werden. Dies hat die Fachkonferenz Beiträge des GKV-Spitzenverbandes bereits im April 2010 entschieden.

Aufwendungen im Sinne der Umlagekasse U2

Im Rahmen der Umlagekasse U2 werden die erstattungsfähigen Aufwendungen zu 100 Prozent erstattet, wobei die Krankenkasse in ihrer Satzung bezüglich der Arbeitgeberbeitragsanteile auch hier eine pauschale Erstattung vorsehen kann.

Zu den erstattungsfähigen Aufwendungen gehört das Arbeitsentgelt, das der Arbeitgeber bei Beschäftigungsverboten leisten muss. Hierbei handelt es sich um den sogenannten Mutterschutzlohn, der außerhalb der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz zu zahlen ist.

Ebenfalls wird durch die U2-Umlagekasse der Zuschuss erstattet, den ein Arbeitgeber zum Mutterschaftsgeld leisten müssen. Der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld wird für die Zeiten der Schutzfristen (sechs Wochen vor der mutmaßlichen Entbindung, den Entbindungstag und acht bzw. zwölf Wochen nach der Entbindung) geleistet, wenn das ausgefallene Netto-Arbeitsentgelt 13,00 Euro täglich überschreitet.

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