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Bundessozialgericht 13.01.2001, B 3 P 20/00 R

  • Spruchkörper: 3. Senat
  • Aktenzeichen: B 3 P 20/00 R
  • 1. Instanz: Sozialgericht Potsdam, Urteil vom 10.05.1999, Az.S 11 P 51/98
  • 2. Instanz: Landessozialgericht Brandenburg-Berlin, Urteil vom 27.01.2000, Az. L 1 P 3/99
  • 3. Instanz: Bundessozialgericht
  • Entscheidungstyp: Urteil
  • Entscheidungsdatum: 13.01.2001
  • Rechtskraft: rechtskräftig

Gründe:

I

Es ist streitig, ob die beklagte Pflegekasse berechtigt war, das der Klägerin nach der Pflegestufe II gewährte Pflegegeld wegen Verweigerung der Zustimmung zu einer erneuten ärztlichen Untersuchung ab 1. August 1998 nicht mehr auszuzahlen.

Die 1953 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Sie leidet an einer angeborenen Querschnittlähmung (spina bifida) und ist deswegen auf einen Rollstuhl angewiesen. Kurze Wege kann sie noch mit Hilfe von Unterarmstützen zurücklegen. Sie wird von ihrem Ehemann gepflegt. Trotz ihrer Behinderung ist sie aber seit langer Zeit berufstätig.

Seit März 1993 erhielt die Klägerin wegen Schwerpflegebedürftigkeit Pflegegeld in Höhe von 400 DM monatlich nach den §§ 53 ff Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in ihrer bis zum 31. März 1995 geltenden Fassung (aF). Grundlage war ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Berlin vom 22. Juli 1993. Darin bescheinigte der Gutachter Dr. W. der Klägerin Schwerpflegebedürftigkeit wegen einer neuro-orthopädischen Dauerbehinderung, bei der Besserungsmöglichkeiten nicht erkennbar seien. Deshalb werde auch keine Nachuntersuchung empfohlen.

Mit Inkrafttreten der Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Elftes Buch (SGB XI) über die soziale Pflegeversicherung zum 1. April 1995 wurde die Klägerin in die Pflegestufe II gesetzlich übergeleitet. Sie bezog seitdem von der Beklagten Pflegegeld in Höhe von 800 DM monatlich (Bescheid vom 19. April 1995). Da Dr. H. vom MDK Berlin im Hinblick auf die Berufstätigkeit (Vollzeitbeschäftigung) der Klägerin langfristig eine Untersuchung gemäß § 18 SGB XI zur Überprüfung des Umfangs des Pflegebedarfs für erforderlich hielt (Vermerk vom 5. Dezember 1995), bemühte sich die Beklagte seit Anfang 1996, die Klägerin durch den MDK in ihrer Wohnung erneut untersuchen und begutachten zu lassen, um festzustellen, ob die Einstufung in die Pflegestufe II weiterhin gerechtfertigt ist. Die Klägerin lehnte dies jedoch wiederholt ab. Sie verwies darauf, daß bei ihr ein Dauerzustand vorliege, der eine Besserung und damit eine Reduzierung des Pflegebedarfs ausschließe. Eine erneute ärztliche Untersuchung sei daher überflüssig. Ein neues Gutachten könne - soweit erforderlich - nach Aktenlage erstellt werden.

Nachdem die Klägerin auch einen letzten Untersuchungstermin am 30. Juli 1998 abgelehnt hatte, stellte die Beklagte die Zahlung des Pflegegeldes ab 1. August 1998 aufgrund der fehlenden Mitwirkung gemäß § 18 SGB XI iVm § 66 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I) ein (Bescheid vom 30. Juli 1998; Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 1998). Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe es zu Unrecht abgelehnt, sich in häuslicher Umgebung begutachten zu lassen. Sie sei berechtigt zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Pflegestufe II weiterhin gegeben seien. Dies gelte auch, soweit - wie hier - ein Versicherter aufgrund der generellen Regelung des Art 45 Pflege-Versicherungsgesetz (PflegeVG) mit Wirkung ab 1. April 1995 allein wegen des bisherigen Leistungsbezugs nach den §§ 53 ff SGB V aF, also ohne Prüfung des konkreten Pflegebedarfs nach den §§ 14 und 15 SGB XI, in die Pflegestufe II übergeleitet worden sei. Die Untersuchung im Wohnbereich könne nur unterbleiben, wenn aufgrund eindeutiger Aktenlage festgestellt werden könne, ob die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit weiterhin erfüllt seien und welche Pflegestufe vorliege. Nach Mitteilung des MDK sei aber eine Begutachtung nach Aktenlage wegen unzureichender Angaben zum tatsächlichen Pflegebedarf im Attest des behandelnden Arztes Dr. G. vom 10. März 1998 nicht möglich und eine Untersuchung in häuslicher Umgebung daher unumgänglich. Durch ihr Verhalten verhinderte die Klägerin die Aufklärung des Sachverhalts, so daß - auch aufgrund der Berufstätigkeit der Klägerin - Zweifel bestünden, ob die Voraussetzungen der Pflegestufe II jetzt noch gegeben seien.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, aufgrund der bestandsschützenden Regelung des Art 45 PflegeVG scheide eine Herabstufung in die Pflegestufe I aus Rechtsgründen von vornherein aus. Abgesehen davon sei die Einstufung in die Pflegestufe II aber nach wie vor zutreffend. Diese Feststellung könne die Beklagte auch ohne erneute ärztliche Untersuchung treffen. Die Aktenlage sei insoweit eindeutig. So sei bereits im Gutachten des MDK vom 22. Juli 1993 festgestellt worden, daß Besserungsmöglichkeiten nicht erkennbar seien. Auch aus dem Attest des Dr. G. vom 10. März 1998 ergebe sich, daß im Vergleich zum Jahre 1993 keine Verbesserung ihres Gesundheitszustands eingetreten sei. Die Ablehnung einer erneuten Untersuchung sei daher gerechtfertigt.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10. Mai 1999), das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 27. Januar 2000). Zur Begründung hat es ua ausgeführt, die Untersuchung und Begutachtung durch den MDK sei zur Feststellung einer wesentlichen Änderung des Pflegebedarfes erforderlich und rechtlich zulässig gewesen. Die geforderte Mitwirkung an einer solchen Untersuchung habe nicht die Grenzen der Mitwirkungspflicht (§ 65 SGB I) überschritten. Das ärztliche Attest des Dr. G. habe nicht hinreichend verdeutlicht, welcher pflegerischen Hilfe mit welchem Zeitaufwand die Klägerin derzeit bedürfe. Die Klägerin habe sich daher zu Unrecht geweigert, der Aufforderung zur erneuten Untersuchung nachzukommen.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 18 Abs 2 SGB XI und 66 Abs 1 SGB I sowie des Art 45 PflegeVG.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des LSG für das Land Brandenburg vom 27. Januar 2000 und des SG Potsdam vom 10. Mai 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr das Pflegegeld nach der Pflegestufe II ab 1. August 1998 auszuzahlen, hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach den §§ 124 Abs 2, 153 Abs 1 und 165 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

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