Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.
Das Urteil des Sozialgerichts vom 1. April 2010 ist rechtens, auch der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass die im Juli 2005 bei dem Kläger festgestellte Lebererkrankung durch die beruflich bedingte Halogenkohlenwasserstoffexposition verursacht worden ist.
Nach § 9 Abs. 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die der Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleidet. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Zu den Berufskrankheiten zählen nach Nr. 1302 der Anlage 1 zur BKV "Erkrankungen durch Hallogenkohlenwasserstoffe". Von dieser Berufskrankheit werden alle Krankheiten erfasst, die nach den fortschreitenden Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft ursächlich auf die Einwirkung von Hallogenkohlenwasserstoffen zurückzuführen sind. In diesen Fällen ist Voraussetzung für die Anerkennung und Entschädigung eine Erkrankung als Berufskrankheit, dass der schädigende Stoff (Listenstoff) generell geeignet ist, das betreffende Krankheitsbild zum Entstehen zu bringen oder zu verschlimmern. Zudem muss die vorliegende Erkrankung im konkret-individuellen Einzelfall durch entsprechende Einwirkungen des Listenstoffes wesentlich verursacht bzw. verschlimmert worden sein und diese Einwirkungen müssen wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sein. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit – nicht allerdings die bloße Möglichkeit – ausreicht (vgl. Bundessozialgericht – BSG –, Urteil vom 27. Juni 2000 – B 2 U 29/99 R –). Die Prüfung der generellen Geeignetheit hat der Prüfung der Kausalität im jeweiligen Einzelfall vorauszugehen (vgl. HLSG, Urteil vom 19. April 2004 – L 3 U 27/01 – in Juris).
Bei dem Kläger wurde im Juli 2005 aufgrund einer histologischen Untersuchung eine Leberzirrhose zweifelsfrei diagnostiziert. Während seiner beruflichen Tätigkeit bei der Firma CW. GmbH in C-Stadt war der Kläger in der Zeit von November 1970 bis Mitte der 90er Jahre (1995/1996) gegenüber den Hallogenkohlenwasserstoffen 1,1,1-Trichlorethan und Trichlorethylen (Trichlorethen "Tri") exponiert. Nach dem Merkblatt für die ärztliche Untersuchung (Bekanntgabe des BMA vom 29. März 1985, BArbBl. 1985 Heft 6 Seite 55) zählen Lebererkrankungen zu den Erkrankungen durch Hallogenkohlenwasserstoffe. "Die Lebertoxizität von Hallogenkohlenwasserstoffen mit hepatotoxischer Wirkung äußert sich in einer Vergrößerung des Organs, Anstieg der Transaminasen im Serum und in unterschiedlichen histologischen Bildern. Die Lebertoxizität steigt etwa in der Reihenfolge Dichlormethan – 1,1,1-Trichlorethan – Trichlorethen ("Tri") – Tetrachlorethen ("Per") – 1,1,2,2-Tetrachlorethan – Trichlormethan (Chloroform)-Dichlorethan – 1,1,2-Trichlorethan – Tetrachlormethan ("Tetra"). Leber- und Nierenschäden können auch nach langfristiger Exposition gegenüber geringen Konzentrationen von Hallogenkohlenwasserstoffen auftreten" (so die Ausführung im Merkblatt). Durch spezifische matabolische Mechanismen ist die Leber von allen parenchymatösen Organen am meisten durch Hallogenkohlenwasserstoff-Expositionen gefährdet (Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Handkommentar, Erkrankungen durch Hallogenkohlenwasserstoffe, Anmerkung 4.1). Nach einer Grad-Einteilung der Lebertoxizität in stark toxisch, relativ toxisch, gering toxisch wird 1,1,1-Trichlorethan als gering und Trichlorethylen (Tri) als relativ toxisch eingestuft (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. Seite 912). Die Exposition gegenüber den Hallogenkohlenwasserstoffen 1,1,1-Trichlorethan und Trichlorethylen war folglich ihrer Art nach geeignet, die bei dem Kläger diagnostizierte Leberzirrhose zu verursachen.
Eine Einwirkung muss jedoch nicht nur ihrer Art nach, sondern auch nach ihrer Dauer und Intensität zur Verursachung einer Krankheit geeignet gewesen sein. Wichtige Erkenntnisquellen hierzu stellen die von dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebenen Merkblätter für die ärztliche Untersuchung dar. Weitere Erkenntnisquellen sind die durch Forschung und praktische Erfahrungen gewonnenen Erkenntnisse, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Wissenschaftlern anerkannt werden und über die, von einzelnen Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (vgl. Brandenburg in jurisPK-SGB VII, § 9 Rdnrn. 67 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung). Die Berufskrankheitenverordnung legt zur BK nach Nr. 1302 einen Dosiswert nicht fest. Einen genauen Dosiswert in Bezug auf 1,1,1-Trichlorethan oder Trichlorethylen und die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Lebererkrankung hat auch die Wissenschaft soweit ersichtlich – bisher nicht festgelegt. Wichtige Hinweise für einen möglichen Ursachenzusammenhang gibt die von der Senatskommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegebene MAK – und BAT–Werte – Liste. "Der MAK-Wert (maximale Arbeitsplatzkonzentration) ist die höchstzulässige Konzentration eines Arbeitsstoffes als Gas, Dampf oder Schwebstoff in der Luft am Arbeitsplatz, die nach dem gegenwärtigen Stand der Kenntnis auch bei wiederholter und langfristiger, in der Regel täglich achtstündiger Exposition, jedoch bei Einhaltung einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden im Allgemeinen die Gesundheit der Beschäftigten nicht beeinträchtigt ... Bestimmte arbeitsplatzhygienische Aspekte in Zusammenhang mit flüssigen Arbeitsstoffen, z.B. Nebelbildung mit Sichtbehinderung, Durchfeuchtung der Kleidung oder Niederschlag auf den Boden können bei der MAK-Wert-Festsetzung nicht berücksichtigt werden. Solche Effekte weisen in Abhängigkeit vom Arbeitsprozess, der Arbeitsweise und den physikalischen Randbedingungen eine beträchtliche Variationsbreite auf. Weiterhin fehlt bisher ein geeignetes Instrumentarium zur Beurteilung" (so die Ausführungen im Auszug aus der MAK- und BAT-Werte-Liste 2009 und 2014 der Senatskommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Prüfung gesundheitlicher Arbeitsstoffe unter Chaper I Bedeutung, Benutzung und Ableitung von MAK-Werten, Definition; im Internet: www.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/9783527635542.app 1/pdf (Liste 2009) und onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/9783527682010.ch1/pdf (Liste 2014). Zum "Zweck" des MAK-Wertes wird in der "MAK- und BAT-Werteliste" 2009 und auch 2014 ausgeführt: "MAK-Werte dienen dem Schutz der Gesundheit am Arbeitsplatz. Sie geben für die Beurteilung der Bedenklichkeit oder Unbedenklichkeit der am Arbeitsplatz vorhandenen Konzentrationen eine Urteilsgrundlage ab. Sie sind jedoch keine Konstanten, aus denen das Eintreten oder Ausbleiben von Wirkungen bei längeren oder kürzeren Einwirkungszeiten errechnet werden kann. Angaben in der MAK-Werte-Liste sind daher grundsätzlich nicht als vorgezogene Gutachten für Einzelfallentscheidungen zu betrachten". In der MAK-Werteliste wird auch der Beitrag eines Stoffes zur systemischen Toxizität nach Hautresorbtion bewertet und gekennzeichnet. Hierzu wird unter Chapter IV der MAK- und BAT-Werteliste 2009 und Chapter VII der Liste aus 2014 ausgeführt: "Bei Arbeitsstoffen kann die Resorption durch die Haut entscheidend zur inneren Exposition der Arbeitnehmer beitragen oder sogar der bedeutsamste Aufnahmeweg sein. Die einzig relevante Barriere gegen eine Arbeitsstoffresorption bildet die Hornschicht der Haut. Die Fähigkeit eines Stoffes zur Penetration durch diese Barriere wird durch dessen physiko-chemische Eigenschaften bestimmt. Die dermale Penetrationsrate wird zusätzlich durch Arbeitsplatzbedingungen und individuelle Faktoren beeinflusst. Perkutan können feste, flüssige und gasförmige Stoffe aufgenommen werden. Die Haut bildet für viele Stoffe ein Depot, aus dem die Resorption auch noch nach der Exposition stattfindet. Die übliche Arbeitskleidung schützt nicht vor einer dermalen Resorption von Arbeitsstoffen. Eine Quantifizierung der dermal aufgenommenen Arbeitsstoffe ist nur durch ein biologisches Monitoring möglich Eine Markierung mit "H" erfolgt dann, wenn durch den Beitrag der dermalen Exposition die Einhaltung des MAK-Werts alleine nicht mehr vor den für die Festlegung des Grenzwerts maßgeblichen gesundheitlichen Schäden schützt." Für 1,1,1-Trichlorethan beträgt der früher und auch zur Zeit noch gültige MAK-Wert bzw. Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) 200 ml/m³ (= 200 ppm), der Stoff ist mit "H" als hautresorptiv gekennzeichnet (vgl. Technische Regeln für Gefahrstoffe, Arbeitsplatzgrenzwerte, TRGS 900, BArBl. Heft 1/2006, zuletzt geändert und ergänzt GMbl. 2015, Nr. 7 vom 2. März 2015, Seite 139). Im Falle von Tri wurde seit 2005 kein Luftgrenzwert festgesetzt. Der MAK/AGW-Wert konnte nicht an einer eindeutigen Wirkschwelle festgemacht werden, weil Gentoxizität in der Niere beobachtet wurde und auch bei der Leber und bei Non-Hodgkin-Lymphomen eine Gentoxizität nicht auszuschließen ist (vgl. Begründung zur Expositions-Risiko-Beziehung für Trichlorethylen in BekGS 910. Der MAK-Wert betrug 1995 50 ml/m³ (Merkblatt für Straßenbaulabors der Bau-BG, Stand 15. November 1995). In der Begründung zur Expositions-Risiko-Beziehung für Trichlorethylen (in BekGS 910 Seite 1 im Internet: Hompage der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: www.baua.de/cae/servlet/contentblob/894336/publicationFile/56474/910-trichlorethen.pdf im Internet: www.bgbau-medien.de/bau/bau582/anh1.htm) wird Seite 16 auf einen deutlichen Beitrag der Belastung bei Hautexposition gegenüber flüssigem Tri hingewiesen und hierzu im Anhang 1 Seite 23 ausgeführt: "Tri wird aufgrund seines lipophilen Charakters bei Inhalation, oraler Aufnahme oder bei Hautkontakt schnell und weitgehend resorbiert und dann im gesamten Organismus verteilt. Die inhalative Exposition ist am Arbeitsplatz in der Regel maßgebend, doch sollte eine mögliche dermale Aufnahme von Tri mit in Betracht gezogen werden. Bei dreiminütiger Exposition von Probanden gegen flüssiges Trichlorethen (27 cm² Hautoberfläche) wurde ein Flux von 430 nmol/cm³ /min berechnet. Bei einer exponierten Hautfläche von 360 cm² und acht wiederholten Drei-Minuten-Expositionen entspricht dies 3,7 mmol. Im Vergleich dazu werden bei achtstündiger Exposition gegen 50 ml/m³ 3,1 mmol aufgenommen. Daher sollte von einem nicht zu vernachlässigendem Beitrag der Aufnahme von flüssigem Tri über die Haut ausgegangen werden."
Im Falle des Klägers kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Kläger die CKW-haltigen Stoffe sowohl inhalativ als auch über die Haut aufgenommen hat. In welcher Höhe die Exposition jeweils erfolgt ist, lässt sich nicht mehr genau feststellen, weil keine die CKW-Belastung beweisenden Messungen am Arbeitsplatz des Klägers vorliegen. Auch lassen sich die Arbeitsbedingungen aus dieser lang zurückliegenden Zeit heute nicht mehr exakt rekonstruieren, da die früheren Produktionsprozesse nicht mehr zur reproduzieren sind. In einem solchen Fall ist aber eine lebensnahe Beweiswürdigung zu praktizieren. Bei den aufgetretenen Beweisschwierigkeiten sind im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 128 SGG, in die auch Billigkeitserwägungen einfließen dürfen, an dem Vollbeweis keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Für den Umfang der Exposition genügt deshalb eine Schätzung, wenn ausreichende Grundlagen hierfür vorhanden sind (so Urteil des Senats vom 31. August 2010 – L 3 U 162/05 – mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BSG; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. September 2011 L 6 U 5889/06; Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Anmerkung 26.2 zu § 9 SGB VII).
Der Kläger war von November 1970 bis September 1976 in verschiedenen Produktionshallen im Bereich der Kaltbandlinie als Kranfahrer eingesetzt. Die Kaltbandlinie bestand aus Entfettung, Bandpuffer (zwei später drei Schlinggruben), Glühofen, Beize, Spüle, Aufrollstation und Versandt. Die gewalzten Stahlbänder wurden zur Entfettung durch ein mit erhitztem 1,1,1-Trichlorethan gefülltes Becken und anschließend durch Bandpuffer geführt und dann in den Glühofen geleitet. Dem Entfettungsbecken mussten wöchentlich ca. 800 l 1,1,1-Trichlorethan nachgefüllt werden. Aufgrund dieser Nachfüllmenge errechnet sich als worst-case-Abschätzung ein Schichtmittelwert von 363,52 ml/m³, der erheblich über dem MAK-Wert liegt. Der Auffassung der Beklagten, es könne dennoch von einer regelmäßigen erheblichen Unterschreitung des maßgeblichen MAK-Wertes ausgegangen werden, kann sich der Senat nicht anschließen:
Der Präventionsdienst der Beklagten unterstellt, dass in der Halle, in der sich die Kaltbandlinie mit Entfettungsbecken und Schlinggruben befand, ein regelmäßiger kompletter Luftaustausch, zumindest innerhalb von vier Stunden und mit Wahrscheinlichkeit sogar stündlich, stattfand. Von einer ständigen Belüftung der Halle kann jedoch nicht ausgegangen werden. Denn die Halle verfügte lediglich über Tore. Fenster, Dachreiter oder Ähnliches waren nicht vorhanden. Nach den glaubhaften Angaben des Klägers waren die Hallentore meist geschlossen. Sie wurden im Sommer zum Entlüften geöffnet, wenn es wegen der nicht isolierten Hallenwände sehr warm in der Halle geworden ist. Im Winter mussten die Tore schon wegen der fehlenden Isolierung immer geschlossen bleiben, weil es sonst sehr kalt in der Halle wurde. Da Trichlorethan schwerer ist als Luft, kann – wie Dr. F. ausführt – nicht von einer homogenen Verteilung der Dämpfe im gesamten Hallenvolumen ausgegangen werden, sondern von einer höheren Luftanreicherung mit Trichlorethan im unteren Bereich der 8 m hohen Halle. Da sich die Krankanzel den Angaben des Klägers zufolge 3 m über dem Entfettungsbad und folglich ca. 4,5 m und nicht 6 bis 8 m über Flur befunden hat, ist davon auszugehen, dass sich der Kläger in einem Bereich mit einem höheren Schadstoffgehalt aufgehalten hat. Es kann auch unterstellt werden, dass ein großer Teil der nachgefüllten 800 l Trichlorethan in die Atemluft verdampft sind. Denn die Annahme, dass die auf den durchlaufenden Bändern vorhandenen Abschleppungen weitestgehend in den Glühofen eingetragen wurden, kann aufgrund der Tatsache, dass die Bänder vor dem Glühofen in Schlinggruben aufgefangen wurden und das Trichlorethan als auch die Bänder das Entfettungsbad in aufgewärmtem Zustand verlassen haben, nicht aufrechterhalten werden. Vielmehr kann unterstellt werden, dass aufgrund dieser Umstände schon vor Erreichen des Glühofens die vorhandenen Abschleppungen größtenteils abgetropft oder verdampft sind und in die Hallenluft abgegeben wurden. Zudem ist davon auszugehen, dass von den wöchentlich nachzufüllenden 800 l Trichlorethan ein nicht unwesentlicher Teil auch direkt aus dem Entfettungsbad in die Hallenluft verdampft ist. Denn nach den Angaben des Zeugen C., der als Obermeister für den Betrieb der Kaltbandlinie zuständig war, hatte das Entfettungsbad in der Regel eine Betriebstemperatur von 60 Grad. Er hat dargelegt, dass die Durchlaufgeschwindigkeit der Bänder je nach der Dicke des Bandes 15 m pro Minute und auch mehr betragen hat und bei einer Temperatur von unter 60 Grad eine vollständige Entfettung der Bänder nicht gewährleistet war, andererseits aber eine höhere Betriebstemperatur nicht sinnvoll war, weil dann zu viel Flüssigkeit verdampfte. Aus den genannten Umständen ergibt sich auch die Schlussfolgerung, dass der Kläger in der Krankanzel nicht nur über dem Entfettungsbad, sondern auch über den Bandpuffern einer erhöhten Schadstoffkonzentration ausgesetzt war. Angesichts der Gesamtumstände kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Schichtmittelwert von 200 ml/m3 1,1,1-Trochlorethan während der Tätigkeit des Klägers als Kranfahrer meist sicher eingehalten oder gar unterschritten wurde. Vielmehr ist davon auszugehen, dass eine natürliche Belüftung der Betriebshalle während der meisten Monate im Jahr wegen der geschlossenen Hallentore nicht gewährleistet war und eine Belüftung der Halle durch geöffnete Tore nur während der wärmeren Sommermonate stattfand. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Kläger von November 1970 bis September 1976 für jeweils 5 Tage pro Monat auch als Helfer bei den Reparaturschlossern eingesetzt war und während dieser Zeit Reinigungs- und Entfettungsarbeiten an Maschinenteilen und Wälzlagern mit "Tri" (so die Aussage des Klägers während der Ermittlungen am 31. Juli 2006) vorgenommen wurden. Auch Hände, Arme und Gesicht wurden mit "Tri" gereinigt. Der Kläger konnte damals zwar nicht angegeben, ob es sich bei dem von ihm als "Tri" bezeichneten Stoff, der nach seinen Angaben bei den Reparaturschlossern und im Bereich des Walzgerüstes zur Reinigung eingesetzt wurde, um 1,1,1-Trichlorethan oder um Trichlorethylen gehandelt hat. Jedoch spricht der Umstand, dass Trichlorethylen bzw. Trichlorethen üblicherweise als "Tri" bezeichnet wird, dafür, dass für derartige Reinigungsarbeiten, ebenso wie für andere Reinigungsarbeiten am Walzgerüst, Trichlorethylen und nicht Trichlorethan eingesetzt wurde. Die Angaben des Klägers, dass "Tri" auch zum Reinigen der Haut eingesetzt wurde, sind durchaus glaubhaft. Auch Dr. F. hat bestätigt, dass damals mit diesen Stoffen sehr sorglos umgegangen wurde und ein derartiger Umgang mit CKW-haltigen Stoffen nicht unüblich war. Aufgrund der mit "Tri" durchgeführten Reinigungsarbeiten bestand nicht nur eine inhalative, sondern auch eine dermale Schadstoffbelastung. Bei der Nassreinigung der Maschinenteile und Wälzlagern wurden Tridämpfe nahe über der Expositionsquelle inhalativ aufgenommen. Außerdem wurde bei diesen Reinigungsarbeiten auch "Tri" über die Haut resorbiert.
In der Zeit von Oktober 1976 bis Mitte der 90er Jahre war der Kläger ebenfalls gegenüber Trichlorethylen exponiert; sowohl bei der Überprüfung des Walzvorgangs als auch bei Reinigungsarbeiten am Walzgerüst. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung für den Senat nachvollziehbar und glaubhaft dargelegt, dass die Sichtkontrollen zur Überprüfung des Walzvorgangs nicht nur achtmal pro Schicht durchzuführen waren. Nach den Angaben des Klägers wurden pro Arbeitsschicht durchschnittlich 5 bis 6 Bänder (Coils) gewalzt. Jedes Band wurde mehrmals gewalzt. Dabei kam es öfter vor, dass Fehler beim Walzvorgang auftraten, weil die Walze beschädigt war. Bei den III-c-Bändern kam bis ca. dreimal pro Band vor. Die III-d-Bänder wurden zunächst wie die III-c-Bänder normal gewalzt, dann kamen Polierwalzen zum Einsatz, weil diese Edelstahlbänder glänzend bearbeitet werden mussten. Es musste deshalb bei den III-d-Bändern ein häufigerer Walzenwechsel, insgesamt sechsmal pro Band, stattfinden. Der Walzenwechsel wurde zu zweit durchgeführt. Er hat jeweils zwei bis zweieinhalb Minuten gedauert. Die Kontrollgänge mussten, wenn eine Walze wegen eines Schadens zu wechseln war, sowohl vor dem Wechsel als auch nach dem Wechsel stattfinden. Bei den Sichtkontrollen wurde eine Fläche von ca. 1,2 m x 1,2 m oben auf dem Band abgewischt. Die Bänder waren 1,2 m breit. Im unteren Bereich des Bandes war die Fläche etwas kleiner, weil dort das Kontrollieren schwieriger war. Die zu kontrollierende Fläche des Bandes wurde in einer mit Tri gefüllten Sprühflasche feucht besprüht und dann mit einem Lappen abgewischt. Beim Sprühen und Wischen oben auf dem Band hat sich der Kläger auf das Band gekniet, dabei ist dem Kläger auch Sprühnebel ins Gesicht gezogen, weil sich über dem Band eine Absaugung zum Absaugen der Öldämpfe befand. Die Unterseite des Bandes wurde stehend kontrolliert. Dabei musste sich der Kläger leicht nach vorn neigen. Der Kläger gibt an, dass ein Wachwalzenwechsel pro Arbeitsschicht 24 bis maximal 36 mal stattgefunden hat. Ein 24maliger Bandwechsel wäre erforderlich gewesen, wenn in der Schicht vier III-c-Bänder und zwei III-d-Bänder gewalzt wurden. Ein 36maliger Walzenwechsel konnte nur dann zustande kommen, wenn in einer Schicht fünf III-d-Bänder gewalzt wurden. Wird von einem 24maligen Walzenwechsel ausgegangen, was dem Senat als realistisch erscheint, waren pro Arbeitsschicht 48 Kontrollgänge notwendig. Wenn die Sichtkontrollen jeweils nur eine Minute dauerten, ergibt sich eine zeitliche Exposition von 48 Minuten pro Arbeitsschicht, werden für die Kontrollgänge zwei Minuten zugrunde gelegt, ergibt sich eine Expositionszeit von maximal 96 Minuten. Es ist davon auszugehen, dass beim Besprühen des Bandes in kniender Position nicht nur Sprühnebel in das Gesicht des Klägers gezogen ist, sondern dabei Trichlorethylen auch in Form von feinen Nebeltröpfchen direkt eingeatmet wurde. Auch beim Besprühen des unteren Bandes hielt sich der Kläger aufgrund seiner leicht gebeugten Haltung mit dem Gesicht nahe der Expositionsquelle auf, so dass versprühtes Tri zumindest in Form von Dämpfen von dem Kläger direkt und unverdünnt eingeatmet wurde. In Anbetracht der von dem Kläger geschilderten Arbeitsweise kann der Senat der Einschätzung der Beklagten nicht folgen. Sie vertritt die Auffassung, es sei unerheblich wie oft und in welchem zeitlichen Umfang die Sichtkontrollen an den Bändern stattgefunden haben, weil sich gegenüber einem mit Tri befeuchteten Lappen in Relation zu dem großen Verdünnungseffekt eines Hallenvolumens von über 32000 m3 keine relevante inhalative Belastung wahrscheinlich machen lässt. Nach Überzeugung des Senats steht vielmehr fest, dass der Kläger wegen der an den Bändern durchzuführenden Sichtkontrollen pro Arbeitsschicht mindestens 48 Minuten lang direkt mit Dämpfen und einem Sprühnebel von Trichlorethylen in Kontakt gekommen ist und er diesen Stoff sowohl inhalativ als auch dermal während dieser Zeit aufgenommen hat. Fest steht auch, dass der Kläger einmal im Monat bei den großflächigen und umfangreichen Reinigungsarbeiten am Walzgerüst für ca. vier Stunden direkten Umgang mit der Reinigungsflüssigkeit Trichlorethylen hatte. Diesbezüglich räumt die Beklagte ein, dass während dieser Zeit eine inhalative Belastung oberhalb des Kurzzeitwertes anzunehmen ist. Reinigungsarbeiten am Walzgerüst wurden jedoch nicht nur einmal monatlich durchgeführt, sondern auch einmal wöchentlich. Diesbezügliche Angaben machte der Kläger bereits am 31. Juli 2006. Er gab an, am Walzgerüst seien wöchentliche Reinigungsarbeiten mit "Tri" und mit Lappen und Bürste vorgenommen worden. Auch anlässlich der Begutachtung durch Prof. Dr. H. gab der Kläger an, am Walzgerüst seien wöchentliche Reinigungen vorgenommen worden. Der Kläger hat hierzu in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass das Walzgerüst üblicherweise auch samstags am Ende der Schicht sauber gemacht und abgewischt wurde, ein Großreinigung einmal im Monat stattfand und während dieser sogenannten Putz- und Reparaturschicht neben dem Walzgerüst auch die Dunstabzugshauben mit Tri gereinigt wurden. Er hat auch angegeben, dass bei der Reinigung des Walzgerüstes Handschuhe getragen werden mussten, weil die Walzen sehr ölig und rutschig waren. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger von Oktober 1976 bis Mitte der 90er Jahre bei den Sichtkontrollen der Bänder täglich gegenüber Tri sowohl inhalativ als auch dermal exponiert war. Dabei ist von einer Mindestexposition von 48 Minuten auszugehen, wenn ein nur 24maliger Walzenwechsel und für jede Sichtkontrolle nur die Dauer von einer Minute unterstellt wird. Der Kläger hat bei dieser Tätigkeit Tri über die Gesichtshaut und bis zu Beginn der 80er Jahre – in der Zeit als noch keine Handschuhe getragen wurden – auch über die Haut der Hände aufgenommen. Inhalativ wurde Tri wegen der Nähe des Kopfes zur Expositionsquelle unverdünnt in Form von Dämpfen und Nebeltröpfchen aufgenommen. Hinzu kommt eine in der Regel wöchentliche Inhalation von Tri-Dämpfen bei der Reinigung des Walzgerüstes an Samstagen und einmal monatlich während der sogenannten Putzschicht. Insgesamt war der Kläger ca. 24 bis 25 Jahre lang gegenüber CKW-haltigen Emissionen exponiert. Da laut Merkblatt für die ärztliche Untersuchung und der Aussage des Prof. Dr. H. auch geringe Konzentrationen von Halogenkohlenwasserstoffen geeignet sind, Leberschäden zu verursachen, wenn eine langfristige Exposition stattgefunden hat, ist die Geeignetheit der Einwirkung auch hinsichtlich ihrer Dauer und Intensität im vorliegenden Fall zu bejahen.
Auch der individuell konkrete Ursachenzusammenhang zwischen der Schadstoffexposition und der Lebererkrankung des Klägers ist positiv festzustellen. Denn nach dem überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. H. sprechen mehr Gründe für als gegen den Kausalzusammenhang. Als Auslöser für die Lebererkrankung findet sich kein außerberuflicher Faktor. Auch Dr. G. räumt aufgrund des histologischen Befundes ein, dass das histologische Bild für das Vorliegen eines toxisch bedingten Leberschadens spricht. Außerberufliche Ursachen für einen toxisch bedingten Leberschaden lassen sich jedoch im Falle des Klägers nicht finden. Auch eine Stoffwechselerkrankung in Form einer Hämochromatose kommt als Ursache für die Entstehung der Lebererkrankung des Klägers nicht mit Wahrscheinlichkeit in Betracht. Jedoch ist davon auszugehen, dass die bei dem Kläger vorgefundene Genkonstellation den durch die Schadstoffexposition verursachten Leberschaden verstärkt hat. Für den Kausalzusammenhang zwischen der Lebererkrankung des Klägers und der beruflichen Exposition von Halogenkohlenwasserstoffen spricht nach Darlegung des Prof. Dr. H. auch der Verlauf der Krankheit, mit Beginn der Leberwerterhöhungen 1972, zwei Jahre nach Aufnahme der Tätigkeit als Kranführer.
Die von dem Sozialgericht vorgenommene Bewertung der MdE des Klägers mit 40 v.H. ab 19. September 2005 ist nicht zu beanstanden. Nachweislich hat bei dem Kläger eine Leberzirrhose im Juli 2005 vorgelegen. Nach Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 928 ist eine Leberzirrhose ohne Ösophagusvarizen mit einer MdE von 30 bis 40 v.H. und mit Ösophagusvarizen mit einer MdE von 60 bis 100 v.H. zu bewerten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
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