Landessozialgericht Hessen 20.09.2011, L 3 U 30/05
- Aktenzeichen: L 3 U 30/05
- Spruchkörper: 3. Senat
- Instanzenaktenzeichen: S 3 U 675/00
- Instanzgericht: Sozialgericht Marburg
- Gericht: Hessisches Landessozialgericht
- Entscheidungstyp: Urteil
- Entscheidungsdatum: 20.09.2011
- Normen: SGB 7 § 8 Abs. 1; SGB 7 § 8 Abs. 2 Nr. 5
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung seiner Lendenwirbelsäulen-(LWS-)Erkrankung als bzw. wie eine Berufskrankheit (BK) hat.
Mit Eingang bei der Beklagten am 14. Mai 1998 beantragte der Kläger sinngemäß die Anerkennung und Entschädigung seiner LWS-Erkrankung als BK. Er machte einen Strahlenschaden durch Mikrowellenstrahlen geltend, den er sich während einer ca. 6 monatigen Tätigkeit im Prüflabor der Firma X. Küchentechnik in H. zugezogen habe. Der Kläger führte hierzu am 2. Juni 1998 aus, erstmals im Februar 1995 starke Schmerzen im Wirbelsäulenbereich verspürt zu haben. Diese führe er auf Arbeiten im Entwicklungsprüflabor in unmittelbarer Nähe von Prototypen-Mikrowellenherden im Dauertest mit erheblicher Leckstrahlung zurück. 1988/1989 sei er innerhalb der Entwicklungsabteilung umgesetzt worden und habe zur Aufgabe gehabt, Verdrahtungsmuster der unterschiedlichen Herdmodelle zu erstellen sowie in unmittelbarer Nähe zu seinem Arbeitsplatz zwei Mikrowellendauertestgeräte zu betreuen. Diese seien täglich acht Stunden bei voller Mikrowellenleistung und einer zugeschalteten konventionellen Heizart in Betrieb gewesen. Nachdem er über einige Monate in unmittelbarer Nähe (weniger als 1 m Abstand) zu diesen Geräten gearbeitet habe, sei durch Messungen festgestellt worden, dass die Geräte Undichtigkeiten mit der Folge von Leckstrahlung gehabt hätten. Die eingesetzten Messinstrumente hätten Werte ausgewiesen, die die Grenzwerte weit überschritten hätten. Erst danach seien die Geräte aus seinem Arbeitsbereich entfernt worden.
Der behandelnde Hausarzt Dr. C. erstattete im Juni 1998 eine dementsprechende ärztliche Anzeige über eine BK. Er berichtete von einem zunehmenden und therapieresistenten LWS-Syndrom mit erheblichen Einschränkungen im Alltagsleben mit erstmaligem Auftreten in 4/92 und dann zunehmendem und gehäuftem Auftreten seit 2/95. Beim Kläger lägen weit über die Altersnorm hinausgehende Veränderungen im Bereich der LWS vor, insbesondere eine fortgeschrittene Osteochondrose mit erheblicher Bandscheibendegeneration und Bandscheibenvorwölbungen in den Segmenten LWK 4 und 5 und SWK 1 sowie eine teils muskulär bedingte schmerzhafte Bewegungseinschränkung, die zwischenzeitlich zu einer weitgehenden Einsteifung der LWS mit erheblichen Einschränkungen im Alltagsleben geführt habe. Therapieversuche seien erfolglos verlaufen mit Verdacht auf psychogene Überlagerung. Der Orthopäde Dr. I. erhob aufgrund von Röntgenaufnahmen vom 23. Februar 1995 folgenden Befund: Zwischenwirbelraum L 5/S1 fast komplett aufgehoben, rechtskonvexe Torsionsskoliose ca. 20 Grad, schräger Aufsatz von L 5, Asymmetrie der Bogenwurzel, beginnende ventrale Spondylose. Er diagnostizierte eine akute Lumbago sowie eine Torsionsskoliose der LWS. Diese führte er in einer Äußerung vom 18. Juni 1998 auf eine Haltungsschwäche zurück.
Die Beklagte zog u. a. ein Vorerkrankungsverzeichnis der zuständigen Krankenkasse des Klägers, der BKK Mittelhessen, bei und holte eine Stellungnahme der früheren Arbeitgeberin des Klägers, der Fa. X.-Y. Küchentechnik GmbH, vom 18. Dezember 1998 ein. Hierin hieß es, Messprotokolle aus dem relevanten Zeitraum seien nicht mehr verfügbar.
Im Rahmen einer "Arbeitsplatzbeschreibung" führte der Kläger ergänzend aus, dass er während seiner Tätigkeit in der Nähe der vorgenannten Mikrowellenherde oft innere Hitzewallungen verspürt habe, unter Kopfschmerzen und Nasenbluten gelitten und sich häufig schlapp gefühlt habe. Ein Kollege namens J. habe mit einer Messsonde der Firma festgestellt, dass die Grenzwerte weit überschritten seien. Danach seien die Geräte im Flur betrieben worden. Zum Jahreswechsel 1989/1990 sei die komplette Entwicklungsabteilung in ein anderes Gebäude umgezogen, es sei ein extra Raum für Dauerlaufprüfungen eingerichtet worden. Im Februar 1995 sei seine Wirbelsäulenerkrankung akut aufgetreten, im Dezember 1995 sei er aus dem Erwerbsleben ausgeschieden.
Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten traf nach Anhörung einer Reihe von Mitarbeitern der Firma Y. X. einschließlich des Klägers folgende Feststellungen (Stellungnahme vom 25. Mai 1999): Der Kläger sei von Juli 1988 bis Juni 1993 im Prüflabor und in der Entwicklung der Musterverdrahtung der Firma X. tätig gewesen. Wie vom Kläger beschrieben, seien sechs Monate im Jahre 1988 zwei Mikrowellengeräte im Dauertest ohne Messungen an den Geräten betrieben worden. Der mittlere Abstand des Klägers zu den Öfen habe ca. 50 cm betragen. Im Höchstfall seien die Geräte nach Aussage der Betriebsangehörigen sechs bis acht Monate im Bereich des Rückens des Klägers täglich betrieben worden. Dann habe der Mitarbeiter Herr J. ein Messgerät (Dosimeter?) mitgebracht, welches am Arbeitsplatz des Klägers über die Anzeigengröße hinaus ausgeschlagen habe. Daraufhin seien die Geräte in den vorderen Bereich des Gebäudes verbracht und dort weiter betrieben worden. Messungsergebnisse seien nicht mehr zu beschaffen. Grenzwerte würden bei 50 mW/m² an Leistungsdichte in 5 cm Abstand liegen, das heißt, dieser Wert gelte für die gemessene Leckstrahlung als Grenzwert bei sachgemäßem Gebrauch. Unter Last könnten bei unsachgemäßem Gebrauch auch 100 mW/m2 austreten.
Aktenkundig ist des Weiteren ein Artikel aus der Zeitschrift "Sicherheitsingenieur 1/99", "Elektromagnetische Felder" von Dr. I., Technischer Aufsichtsbeamter der Berufsgenossenschaft der Chemischen Industrie). Dieser gab im Hinblick auf thermische Wirkungen eine Gefährdung des Auges an bei einer langzeitigen Exposition gegenüber einer Strahlungsdichte von 80 mW/cm². Auch andere thermisch besonders empfindliche Organe wie das Gehirn oder die Keimdrüsen könnten geschädigt werden. Athermische Wirkungen zielten besonders auf Reizwirkungen an Muskel- und Nervenzellen, das Zentralnervensystem, die Gerinnungsfaktoren (erhöhtes Infarkt- und Embolierisiko), die Zellteilungsfrequenz und die Hormonproduktion ab. In einigen Fällen seien auch Änderungen der Gehirnströme und des Herzschlages oder sehr unspezifische Wirkungen wie Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, leichte Reizbarkeit oder Konzentrationsstörungen beobachtet worden. Einen statistischen Nachweis dieser Wirkungen gebe es bis heute nicht. Zu mittelbaren Einwirkungen würden Gefährdungen durch das Versagen elektronischer Einrichtungen, Funktionsstörungen an Herzschrittmachern oder Insulinpumpen, hohe Berührungsspannungen an Empfangsgebilden, Aufheizen von Implantaten durch Wirbelströme und Funkentladungen und Entladeströme gehören. Hinsichtlich der Grenzwerte würden im nationalen Bereich die Neuentwürfe der DIN VDE 0848 "Sicherheit in elektromagnetischen Feldern" angewendet. Diese Normenreihe enthalte in mehreren Teilen detaillierte Angaben über Mess- und Berechnungsverfahren sowie Grenzwerte und Schutzmaßnahmen für verschiedene Frequenzbereiche.
In dem von der Beklagten zur Zusammenhangsfrage eingeholten Gutachten vom 22. November 1999 führte der Leiter des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizin der ZH. Universität ZX., Professor Dr. M., aus, dass beim Kläger zusammenfassend ein lumbales Wurzelreizsyndrom bei Bandscheibenvorfall L 5/S 1 medial gesichert sei. Die Kreuzschmerzen des Klägers hätten (akut) erst im Februar 1995 begonnen, also sieben Jahre nach einem beschwerdefreien Intervall. Sie seien klinisch durch einen Bandscheibenprolaps ausreichend geklärt. Dass ein solcher Bandscheibenprolaps auch durch Mikrowellen hervorgerufen werden könnte, sei auszuschließen. Die Ursache dürfte in erster Linie genetisch minderwertiges Bandscheibenmaterial sein. Zusätzliche Ursachen könnten schweres Heben, Tragen und Ganzkörpervibrationen sein. Von derartigen Belastungen sei am Arbeitsplatz des Klägers nichts bekannt. Mikrowellen würden in erster Linie zu einer Gewebsüberwärmung führen. Dass aus einer solchen Gewebsüberwärmung auch eine Degeneration des Gewebes auftreten könne, sei nur für ausgedehnte Verbrennungen anzunehmen, von denen der Kläger aktuell etwas bemerkt haben müsste. Spätfolgen, wie sie für ionisierende Strahlen beschrieben worden seien, seien bei Mikrowellen bisher nicht beobachtet worden und auch aufgrund tierexperimenteller Ergebnisse biologisch nicht plausibel. Zusammenfassend sei es unwahrscheinlich, dass der beim Kläger festgestellte Bandscheibenvorfall auf eine sieben Jahre zurückliegende Mikrowellenbestrahlung zurückzuführen sei. Eine BK nach den Vorgaben des Berufskrankheitenrechts liege beim Kläger nicht vor. Der Landesgewerbearzt schloss sich in seiner Stellungnahme vom 6. Dezember 1999 den Ausführungen des Gutachters an.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11. April 2000 einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung seiner Wirbelsäulenerkrankung ab, da sie weder als BK noch wie eine BK zu entschädigen sei. Die Erkrankung des Klägers führe die BK-Liste nicht an. Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII -, wonach eine bestimmte Personengruppe infolge ihrer versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sein müsse, die Einwirkungen nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet sein müssten, Krankheiten solcher Art zu verursachen, und der ursächliche Zusammenhang der Erkrankung mit der versicherten Tätigkeit im Einzelfall wahrscheinlich sein müsse, lägen ebenfalls nicht vor.
Den hiergegen mit Eingang bei der Beklagten am 3. Mai 2000 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2000 als unbegründet zurück. Zur Begründung wies sie nochmals darauf hin, dass derzeit keine neuen gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse vorlägen, wonach der Kläger einer Personengruppe angehöre, "die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sei, sich eine wie beim Kläger vorliegende Wirbelsäulenerkrankung infolge Mikrowellenbestrahlung zuzuziehen".
Hiergegen hat der Kläger am 26. Oktober 2000 Klage beim Sozialgericht Marburg (Sozialgericht) erhoben.
Das Sozialgericht hat diverse Behandlungs- und Befundberichte über die LWS-Erkrankung des Klägers beigezogen, darunter Berichte des Dr. N. aufgrund einer Computertomographie der LWS vom 7. Dezember 1995, des Neurologen und Psychiaters Dr. O. vom 2. September 1996, des Dr. P. vom 18. Februar 1997, des Allgemeinmediziners Dr. C. vom 12. November 1998 und des Orthopäden Dr. A. vom 29. November 2000 sowie ein MDK-Gutachten vom 20. Dezember 1996 (Gutachter: Psychologe Z.).
Der Kläger hat im Klageverfahren unter Datum vom 9. November 2001 eine beglaubigte Abschrift einer Erklärung der Mitarbeiter der früheren Arbeitgeberin, Herrn Q. (Direktor der Abteilung Einwicklung), Herrn R. (Abteilung Konstruktion/ Leiter Bereich Herde), Herrn S. (Leiter des Elektrolabors) und Herrn J. (Laborant) vom 21. August 2001 über den Arbeitsplatz des Klägers vorgelegt. Danach sei die vom Kläger erstellte Arbeitsanamnese inhaltlich zutreffend. Der Kläger hat im Rahmen dieser Arbeitsanamnese u. a. ausgeführt, dass der Kollege J., der festgestellt hatte, dass eine erhebliche Leckstrahlung in seinem Arbeitsbereich aufgetreten war, ein Leckmessstrahlengerät mit dem Messbereich 20 bis 200 mW/cm² sowie ein Gerät der Firma K. Elektronik benutzt habe, die jeweils bis zum Anschlag ausgeschlagen hätten.
Außerdem ist vom Kläger ist eine Stellungnahme des praktischen Arztes T. vom 5. Dezember 2001 zu den Akten gereicht worden, der unter Berufung auf Prof. U., Universitätsklinik V., die Auffassung vertreten hat, dass in Bezug auf die Bandscheiben eine Erhitzung durch Mikrowellen mangels ausreichender Durchblutung nicht rasch genug abgeführt werden könne, weshalb irreversible Schäden an den Bandscheiben entstünden. Wissenschaftlich nachgewiesen sei eine Trübung der Augenlinse durch Mikrowellen. Chemisch sei die Augenlinse ähnlich wie Bandscheiben- oder Knorpelgewebe zusammengesetzt.
Der Kläger hat unter Datum vom 27. Februar 2002 auf Beispielfälle verwiesen, in denen aufgrund einer Einwirkung von Hochfrequenzfeldern Berufskrankheiten nach § 9 Abs. 2 SGB VII anerkannt worden waren.
Sodann hat das Sozialgericht auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz SGG - ein Gutachten bei dem Sachverständigen Dr. E., Fachkrankenhaus W., vom 25. September 2002 eingeholt. Dieser ist im Ergebnis davon ausgegangen, dass in Bezug auf die von ihm beim Kläger festgestellten Gesundheitsstörungen (schmerzhafte Funktionseinschränkungen der LWS-Funktionen bei degenerativen Veränderungen der LWS, anamnestisch Erschöpfbarkeit, Infektanfälligkeit, Magen-Darm-Beschwerden, Ekzeme, Kopfschmerzen, Sonnenlichtempfindlichkeit) eine BK vorliege. Nach seiner Einschätzung sei es zwar wahrscheinlich, dass die degenerativen Veränderungen im Bereich der LWS als Spätschäden der Exposition zu sehen seien, dies könne zurzeit jedoch wissenschaftlich weder bewiesen noch verneint werden. Mikrowellentechniker erkrankten vermehrt an Grauem Star. Mikrowellen würden tief in das Augengewebe eindringen und es von innen erwärmen, ohne dass dort ein optimaler Wärmeabtransport erfolge, wie etwa in stark durchblutetem Muskelgewebe oder an der Körperoberfläche. Eine lokale Überhitzung der hinteren Linse mit entsprechend degenerativen Prozessen sei die Folge. Hier könne auch an andere wenig durchblutete Gewebe wie z.B. Gelenke, Bandscheiben oder andere Körperteile mit hohen Knorpel- und Sehnenanteilen gedacht werden. Er schätze die Folgen der Exposition gegenüber Mikrowellen am Arbeitsplatz vor dem Hintergrund eigener klinischer Erfahrungen und verschiedener Literaturhinweise ein. Während der Exposition habe es systemische (akute) Reaktionen bzw. Symptome gegeben, die über Monate nach Sistieren der Strahlenbelastung abgeklungen seien. Die wirbelsäulenbedingten Funktionseinschränkungen seien schon Anfang der 90er Jahre aufgetreten und rückten den degenerativen WS-Prozess in einen näheren zeitlichen Zusammenhang zur Exposition.
Darüber hinaus hat der Kläger eine Stellungnahme des praktischen Arztes Dr. D. vom 6. Mai 2003 zu den Akten gereicht worden, der die Auffassung vertreten hat, dass die vorzeitige Degeneration der geschädigten Knorpelmasse beim Kläger viel plausibler als durch genetisch minderwertiges Bandscheibenmaterial durch eine Entartung zellulärer Strukturen und Funktionen infolge einer Strahlungsschädigung der Knorpelzellen erklärt werden könne. Der Kläger hat außerdem von ihm und Ing. X. R. unter dem 25. April 2002 verfasste "Bemerkungen zur Entwicklung von Mikrowellengeräten bei der Fa. W.-Y. in H." vorgelegt.
Das Sozialgericht hat zwei Anfragen an den Ärztlichen Sachverständigenbeirat, Sektion "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung gerichtet. Von dort ist unter Datum vom 18. Februar 2004 und 8. November 2004 mitgeteilt worden, dass dem Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung zur Frage der Verursachung der bei dem Kläger vorliegenden Wirbelsäulenerkrankung als Folge der Einwirkung von Mikrowellenbestrahlung keine neuen medizinisch wissenschaftlichen Erkenntnisse vorlägen, da der beim Ministerium gebildete Ärztliche Sachverständigenbeirat, Sektion "Berufskrankheiten" diese Fragestellung bisher nicht geprüft habe. Eine Prüfung sei derzeit auch nicht beabsichtigt. Darüber, ob in der gesamten nationalen und internationalen Wissenschaft entsprechende Erkenntnisse vorliegen, sei eine Aussage nicht möglich. Es ist darüber hinaus der Hinweis erfolgt, dass eine so genannte generelle Geeignetheit im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII voraussetze, dass neue wissenschaftliche epidemiologische Erkenntnisse über die überhäufige Erkrankung bestimmter gegenüber der Einwirkung exponierter Personengruppen vorliege.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. Januar 2005 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, eine Entschädigung der LWS-Erkrankung des Klägers als BK nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII bzw. § 551 Abs. 1 Satz 2 Reichsversicherungsordnung RVO- komme bereits nicht in Betracht, da hiernach nur solche Krankheiten anerkannt werden könnten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet habe, "LWS-Erkrankungen durch Mikrowellenstrahlung" jedoch nicht in der entsprechenden Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) als Berufskrankheit bezeichnet seien. Auch eine Anerkennung als "Wie-BK" nach § 9 Abs. 2 SGB VII bzw. 551 Abs. 2 RVO scheide aus. So lasse sich vorliegend bereits ein Nachweis über den genauen Expositionsumfang sowie über eine ständige Grenzwertüberschreitung mangels Aufzeichnungen über regelmäßige Messungen nur schwer führen. Selbst wenn man aber eine entsprechende Grenzwertüberschreitung unterstelle, könne nach derzeitigem Sachstand nicht von einem wissenschaftlichen Beweis von degenerativen Veränderungen im Bereich der LWS als Spätfolgen einer Exposition gegenüber Mikrowellenstrahlen ausgegangen werden kann. So seien die Ausführung des Sachverständigen Prof. Dr. M. nachvollziehbar, dass Mikrowellen in erster Linie zu einer Gewebsüberwärmung führen, und dass aus einer solchen Gewebsüberwärmung nur dann eine Degeneration des Gewebes auftreten könne, wenn ausgedehnte Verbrennungen eingetreten sind, von denen der Kläger aktuell etwas hätte bemerken müssen. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass nach herrschender Auffassung der Fachwissenschaftlicher neue medizinische Erkenntnisse vorliegen, wonach die besonderen beruflichen Belastungen bei Personen in Berufen wie dem des Klägers (hier: Mikrowellenexposition gegebenenfalls mit Grenzwertüberschreitung) geeignet seien, die beim Kläger festgestellten Gesundheitsstörungen hervorzurufen (degenerative Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule und Bandscheibenvorfälle), seien auch aktuell nicht ersichtlich. Dies ergebe sich aus den gerichtlichen Anfragen beim Ärztlichen Sachverständigenbeirat des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung. Für die von den Ärzten T. unter Datum vom 5. Dezember 2001 und Dr. D. vom 6. Mai 2003, beide praktische Ärzte, vertretene Auffassung, wonach die Degeneration von geschädigter Knorpelmasse bzw. von Bandscheibengewebe durch Strahlungsschädigung der Knorpelzellen und des Bandscheibengewebes im Sinne irreversibler Schäden erklärt werden könne, fehle eine entsprechende wissenschaftliche Absicherung. Dies ergebe sich auch eindeutig aus dem Sachverständigengutachten von Dr. E. vom 25. September 2002. Auch in den Veröffentlichungen in "Sicherheitsingenieur 1/1999" und "VDI nachrichten Nr. 13/01. April 1988" fänden sich keine Hinweise auf eine Schädigung von Knorpel- und Bandscheibengewebe im Sinne von Langzeitwirkungen. Vielmehr werde eine Gefährdung des Auges durch thermische Wirkungen sowie bei athermischen Wirkungen Reizwirkungen an Muskeln- und Nervenzellen, Zentralnervensystem und Gerinnungsfaktoren angegeben sowie in einigen Fällen Änderungen der Gehirnströme, des Herzschlages, unspezifische Wirkungen, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, leichte Reizbarkeit oder Konzentrationsstörungen. Allerdings wurde für die letzten genannten Gesundheitsstörungen ein statistischer Nachweis der Wirkungen verneint. Nach alledem habe eine Prüfung des Zusammenhangs im Einzelfall dahingestellt bleiben können.
Gegen dieses seinem Prozessbevollmächtigten am 26. Januar 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 18. Februar 2005 bei dem Sozialgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt.
Der Kläger ist der Auffassung, dass das von Professor Dr. M. erstellte Gutachten unverwertbar sei, da bei einer anzunehmenden Überschreitung der Grenzwerte der DIN/VDE 0848 davon auszugehen sei, dass Gesundheitsschädigungen wahrscheinlich seien. Aufgrund der Umorganisation des Prüflabors nach der Tätigkeit des Klägers in unmittelbarer Nähe zu den Mikrowellengeräten spreche der Anscheinsbeweis zugunsten des Klägers. Es obliege der Beklagten, den Nachweis für die Einhaltung der Grenzwerte der DIN/VDE 0848 zu erbringen; selbst bei Einhaltung der Grenzwerte seien jedoch die Gesundheitsschädigungen des Klägers durch Mikrowellenexposition aller Wahrscheinlichkeit nach verursacht. Hier sei ein additiver Effekt durch Mikrowellenstrahlung und Wärmeabstrahlung der Herde eingetreten. Es habe unstreitig eine abstrakte Gefahrenlage bestanden, als er in 50 cm Entfernung von zwei in der Entwicklung befindlichen Mikrowellenöfen durch eine Leckstrahlung über einen Zeitraum von ca. einem halben Jahr exponiert gewesen sei, die deutlich oberhalb der unstreitig geltenden Grenzwerte gelegen hätten. Auch sei er bereits während seiner Tätigkeit sehr schwerwiegend erkrankt; es liege insoweit ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang vor. Dies könne von einer Reihe Zeugen aus dem beruflichen und privaten Umfeld des Klägers bestätigt werden. Vorliegend bewege man sich nicht im Bereich der Spekulation oder hypothetischer Schädigungswirkungen, sondern im Bereich valider Daten, die wissenschaftlich allgemein anerkannt seien. Auch habe das LSG Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 22. September 2004, L 17 U 27/02, ausgeführt, dass trotz des Listenprinzips und der Rechtsprechung des BSG zu dem Erfordernis des Vorliegens neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse gleichwohl auch BKen nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen seien, wenn sich der Bundesverordnungsgeber aufgrund der geringen Fallzahl entsprechender Schädigungen mit der Anerkennung einer Listenkrankheit und der Durchführung entsprechender epidemiologischer Forschungen nicht befasst habe. Bei äußerst selten vorkommenden Krankheiten solle dann auch ein herabgestuftes Maß an wissenschaftlicher Erforschung genügen, etwa durch Erkenntnisse aus Einzelfallstudien, aus tierexperimenteller Forschung, Erkenntnisse und Anerkennungen aus anderen Ländern etc., die für die Feststellung der generellen Geeignetheit ausreichten. Zur weiteren Begründung hat der Kläger eine Vielzahl von Unterlagen aus den unterschiedlichsten Quellen zu den Gesundheitsgefahren von Mikrowellen und elektromagnetischen Strahlen vorgelegt. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen. Die erforderlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse ergäben sich bereits aus den entsprechenden Grenzwerten und Arbeitsschutzbestimmungen der DIN/VDE 0848 und dem Immissionsschutzrecht. Ein Anspruch auf Feststellung durch Mikrowellen verursachter Erkrankungen jedenfalls als Wie-BK ergebe sich zudem aus dem Merkblatt zur BK Nr. 2104 der Anlage zur BKV, wo darauf hingewiesen werde, dass Erkrankungen durch Hochfrequenzfelder nicht in der BKV erfasst seien und ausdrücklich darauf hingewiesen werde, dass im Einzelfall eine Entschädigung "wie eine BK in Betracht" komme.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 20. Januar 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11. April 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2000 zu verurteilen, seine LWS-Erkrankung als Berufskrankheit,
hilfsweise
wie eine Berufskrankheit anzuerkennen und im gesetzlichen Umfang zu entschädigen,
äußerst hilfsweise
- zur Frage der Strahlenbelastung am Arbeitsplatz des Klägers in dem relevanten Zeitraum von 1988 bis 1989 und den hierzu durchgeführten Messungen als Zeugen Herrn Y., Herrn Q., Herrn R., Herrn S. und Herrn J. zu hören,
- die Einholung einer Auskunft beim zuständigen Bundesamt für Strahlenschutz bzw. beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales einzuholen zur Frage der Plausibilität bzw. Wahrscheinlichkeit eines entsprechenden Zusammenhanges zwischen der Exposition des Klägers gegenüber elektromagnetischen Strahlenfelder bei Testungen von Mikrowellenöfen und den bei ihm eingetretenen Gesundheitsschäden, insbesondere auch zu dem Umstand, dass gerade im Bereich der hier eingesetzten elektromagnetischen Strahlenfelder davon ausgegangen werden könne, dass die äußerste Hautschicht " robuster" ist als das darunterliegende wasserhaltige, weiche Knorpelgewebe, das beim Kläger zerstört worden sei, und dass die Wirkungsweise von elektromagnetischen Strahlenfeldern auf die Augelinse und das Knorpelgewebe vergleichbar ist,
- die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dem Umstand, dass bei vergleichbarem Gewebe entsprechende Schädigungsabläufe im Zellgewebe eintreten und dass eine zeitliche Distanz zwischen der Exposition und dem Auftreten der Beschwerden nicht gegen einen Kausalzusammenhang spricht,
- die Einholung einer Auskunft beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales hinsichtlich der Frage, warum trotz der Arbeitsschutzgrenzwertregelung in der DIN/VDE 0848 bis heute keine Listen-BK nach der BKV erlassen worden ist,
- zum relevanten wissenschaftlichen Erkenntnisstand ein Sachverständigengutachten bei Fr. Dr. Z., Bundesamt für Arbeitsschutz, einzuholen,
- zur Frage der Wirkungsweise der hier relevanten Mikrowellenstrahlung auf Bandscheibengewebe ein Sachverständigengutachten bei einem Medizinphysiker einzuholen,
- die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass es sich bei der hier streitige Schädigung der Wirbelsäule sowie des umliegenden Gewebes durch thermische/subthermische Einwirkungen von Mikrowellenstrahlung um eine selten vorkommende berufliche Schädigung handelt, die in keiner Weise mit sonstigen Wirbelsäulenerkrankungen vergleichbar ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene erstinstanzliche Entscheidung für rechtmäßig.
Der Senat hat zunächst einen Befundbericht des behandelnden Orthopäden Dr. A. vom 27. Oktober 2005 sowie die Krankenunterlagen der behandelnden Ärzte Dr. D. und Dr. C. angefordert sowie die Rentenakte des Klägers. Anschließend ist ein orthopädisches Sachverständigengutachten des Prof. Dr. B., Gutachtenambulanz der Orthopädischen Universitätsklinik B-Stadt, vom 19. Juli 2006 eingeholt worden. Hierin wird eine deutlich ausgeprägte Chondrose im Segment L5/S1 und geringer auch zwischen L4/L5 mit Höhenminderung der Zwischenwirbelräume, Randkantenausziehungen der Deck- und Bodenplatten nach vorn hin betont sowie eine Arthrose der Facettengelenke diagnostiziert. Daneben hat der Sachverständige geringfügige Randkantenausziehungen der Deck- und Randplatten im Bereich der mittleren Hals- und Brustwirbelsäule festgestellt. Zur Frage der Kausalität hat Prof. Dr. B. ausgeführt hat, es sei bisher keine wissenschaftliche Arbeit bekannt, die einen Zusammenhang zwischen Bandscheibenleiden und Mikrowellenexposition habe nachweisen können. Es sei zwar möglich, aber als eher unwahrscheinlich zu erachten, dass es durch die fragliche Exposition mit Mikrowellen zu einer Bandscheibenschädigung gekommen sei. Gegen einen Zusammenhang spreche auch das Zeitintervall von über einem Jahr zwischen der Exposition und dem erstmaligen Auftreten von Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule. Der Sachverständige hat angeregt, ggf. einen Physiker zu befragen, inwieweit eine Schädigung von Gewebe ohne eine entsprechende Wärmeentwicklung vorstellbar sei und ob dies auch Gewebeanteile betreffen könne, die unter einem zentimeterdicken Weichteilmantel liegen. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 18. Oktober 2006 hat Prof. Dr. B. an seiner Beurteilung festgehalten.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat der Senat anschließend eine ergänzende Stellungnahme bei Dr. E. vom 27. Dezember 2007 (Bl. 744 GA) eingeholt, der ausgeführt hat, es existierten weder plausible Tiermodelle noch liege eine Statistik über entsprechende Schäden vor. Insoweit habe er schon in seinem Gutachten auf die mögliche Singularität des Schadens hingewiesen. Beim Kläger seien akute Symptome/Reaktionen im Laufe der Exposition aufgetreten. Es habe sich dabei um Störungen der Gesamtbefindlichkeit (Erschöpfung, Infektanfälligkeit und Sonnenlichtempfindlichkeit) verbunden mit Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden, Ekzemen u. a. gehandelt. Dies seien bekannte Phänomene im Zusammenhang mit anhaltender Mikrowellenexposition. Diese Symptomatik sei als direkte Folge der Mikrowellenbelastung anzusehen. Nach Beendigung der Belastung im Februar 1989 sei es innerhalb von ca. zwei Jahren zu einem Rückgang der Symptome geführt. Diese Symptomatik sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Exposition gegenüber Mikrowellenstrahlung am Arbeitsplatz zuzuschreiben. Es müsse auch keinesfalls der Fall sein, dass eine sofortige Wärmereaktion in den oberen Hautschichten auftrete; Experimente mit Mikrowellen hätten gezeigt, dass sich keine Rötungen oder Hautreaktionen gezeigt hätten, während die Thermokamera eine Erhöhung der Hauttemperatur von 2°C angezeigt. Bekanntermaßen diene die Mikrowelleneinstrahlung wegen ihrer spezifischen Absorptionseigenschaften und der damit verbundenen hohen Eindringtiefe dem Erwärmen und Garen von Lebensmitteln.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Senat ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten und in den medizinischen Unterlagen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.
Der Senat konnte über den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG).
Die statthafte Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die bei dem Kläger bestehende bandscheibenbedingte LWS-Erkrankung ist nicht als BK nach § 9 Abs. 1 SGB VII und auch nicht wie eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen und dementsprechend auch nicht zu entschädigen.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Hierzu gehören nach Nr. 2108 bzw. Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule, die durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung bzw. durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen verursacht sind.
Diese Voraussetzungen der BK Nrn. 2108 und 2110 liegen hier offensichtlich nicht vor.
Die LWS-Erkrankung des Klägers kann auch nicht wie eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII entschädigt werden.
Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass die von ihm behaupteten Einwirkungen durch Mikrowellenstrahlung in den Jahren 1988/1989 über eine Zeit von sechs bis acht Monaten, für die es bislang an dem erforderlichen Vollbeweis fehlt, sowie die sonstigen von ihm beschriebenen Arbeitsplatzbedingungen so vorgelegen haben. Auf eine Einvernahme der vom Kläger diesbezüglich benannten Zeugen kann daher verzichtet werden.
Ausgehend vom Vorliegen der geltend gemachten Einwirkungen scheitert ein Anspruch nach § 9 Abs. 2 SGB VII an den weiteren Voraussetzungen für die Anerkennung einer Wie-BK.
Dem Kläger kann insoweit nicht gefolgt werden, wenn er die Auffassung vertritt, die Anerkennungsfähigkeit der bei ihm vorliegenden Erkrankung als "Wie-BK" folge bereits aus dem Umstand, dass Erkrankungen durch Hochfrequenzfelder nicht in der BKV erfasst seien, es diesbezüglich aber im Merkblatt zur BK Nr. 2402 heiße, im Einzelfall könne eine Entschädigung "wie eine BK in Betracht kommen". Aus einer derartigen Formulierung ist nur abzuleiten, dass im jeweiligen Einzelfall die Anerkennungsfähigkeit der Krankheit als Wie-BK unter deren allgemeinen Voraussetzungen zu prüfen ist, nicht aber, dass diese damit bereits feststeht.
Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind (§ 9 Abs. 2 SGB VII). Voraussetzungen einer solchen Feststellung sind (vgl. BSG in SozR 2200 § 551 RVO Nr. 18):
- Es muss eine bestimmte Personengruppe bei ihrer Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung bestimmten Einwirkungen ausgesetzt sein.
- Diese Einwirkungen müssen nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet sein, Krankheiten solcher Art hervorzurufen.
- Diese medizinischen Erkenntnisse müssen bei der letzten Ergänzung der Anlage zur BKV noch nicht in ausreichendem Maße vorgelegen habe oder ungeprüft geblieben sein.
- Der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der gefährdenden Arbeit muss im konkreten Fall hinreichend wahrscheinlich sein.
Mit der Regelung des § 9 Abs. 2 SGB VII sollen Krankheiten zur Entschädigung gelangen, die nur deshalb nicht in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen wurden, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen durch ihre Arbeit bei der letzten Fassung der Anlage 1 zur BKV noch nicht vorhanden waren oder trotz Nachprüfung noch nicht ausreichten. Hierfür genügt es nicht, dass überhaupt medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zu dem jeweils relevanten Problemfeld existieren. Die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse müssen sich vielmehr jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Anspruch zur sogenannten Berufskrankheiten-Reife verdichtet haben. Dies ist der Fall, wenn sich diesbezüglich bereits eine herrschende Meinung im einschlägigen medizinischen Fachbereich gebildet hat. Im Regelfall kann die Annahme einer gruppentypischen Risikoerhöhung nur durch Dokumentation einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und einer langfristigen Überwachung derartiger Krankheitsbilder begründet werden. Mit wissenschaftlichen Methoden und Überlegungen muss zu begründen sein, dass bestimmte Einwirkungen die generelle Eignung besitzen, eine bestimmte Krankheit zu verursachen. Solche Erkenntnisse liegen in der Regel dann vor, wenn die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf den jeweils in Betracht kommenden Gebieten über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt sind (vgl. BVerfG SozR 2200 § 551 Nr. 11; BSG SozR 2200 § 551 Nr. 27, BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 9).
Dementsprechende neuere Erkenntnisse liegen zur Überzeugung des Senats allerdings hier nicht vor. Alle mit dem Fall betrauten Sachverständigen haben dies ebenso wie der Ärztliche Sachverständigenbeirat, Sektion "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, in seinen vom Sozialgericht eingeholten Stellungnahmen ausdrücklich bestätigt. Der Senat schließt sich diesbezüglich der erstinstanzlichen Entscheidung an, die zu Recht das Vorliegen neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse verneint hat. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen kann daher im Wesentlichen auf das angefochtene Urteil verwiesen werden (§ 153 Abs. 2 SGG). Es gibt bezüglich der Einwirkung von Mikrowellenstrahlung auf die Wirbelsäule keine epidemiologischen Untersuchungen mit Kohorten- oder Fall-Kontroll-Studien. Dr. E. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27. Dezember 2007 nochmals ausdrücklich bestätigt, dass diesbezüglich weder plausible Tiermodelle existieren noch eine Statistik über entsprechende Schäden vorliegt, und hat erneut auf die Singularität des Schadens hingewiesen. Soweit der Sachverständige Dr. E. ausführt, dass eine vom Kläger geltend gemachte Störung der Gesamtbefindlichkeit mit Erschöpfung, Infektanfälligkeit, Sonnenlichtempfindlichkeit, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden und Ekzemen als bekannte Phänomene einer anhaltenden Mikrowellenexposition als direkte Folge einer derartigen Belastung anzusehen sei, ist dies für das vorliegende Verfahren ohne Relevanz, da hier ausschließlich die Frage einer Schädigung der Bandscheiben im Bereich der LWS durch den Einfluss von Mikrowellen streitgegenständlich ist. Der Umstand, dass eine die Gesundheit gefährdende Wirkung von Mikrowellenstrahlung allgemein anerkannt ist und es diesbezüglich auch in einer DIN festgehaltene Grenzwerte und hieran anknüpfend Arbeitsschutzanweisungen gibt, bedeutet nicht das Vorliegen keine wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Verursachung bestimmter Erkrankungen durch Mikrowellen dar, insbesondere nicht eines Zusammenhanges von Bandscheibenschäden mit Mikrowelleneinstrahlung. Auch keine der sonstigen im Laufe des Verfahrens zu den Akten gelangten Veröffentlichungen befasst sich mit dem hier vorliegenden Krankheitsbild eines Bandscheibenvorfalls im Zusammenhang mit der Einwirkung von Mikrowellen. Nichts anderes gilt für die von Dr. E. in Bezug genommene anerkannte Schädigungswirkung von Mikrowellenstrahlung auf die Augenlinse und die hieran anknüpfende BK Nr. 2401 der Anlage 1 zur BKV. Es existieren keine Studien zur Übertragung der bezüglich der schädigenden Wirkung von Wärmestrahlung auf das Auge bestehenden Erkenntnisse auf das Bandscheibengewebe. Wollte man mit dem Kläger und Dr. E. aber eine Vergleichbarkeit des Auges mit der Bandscheibe im Hinblick auf eine Schädigung durch Mikrowellen annehmen, müsste man auch bezüglich der im Merkblatt zur BK Nr. 2401 der Anlage 1 zur BKV festgehaltenen Voraussetzungen eine entsprechende Vergleichbarkeit unterstellen. Hiernach kann der Graue Star durch Wärmestrahlung infolge mehrjähriger, in der Regel über 20 Jahre dauernder Einwirkung von infraroten Strahlen entstehen. Auch Dr. E. berücksichtigt insoweit also nicht, dass selbst die vom Kläger angenommene Einwirkungsdauer deutlich unter diesen Zeiträumen lag, also einen Umfang hatte, der auch – stünde hier eine entsprechende Augenschädigung im Streit - der Anerkennung einer BK Nr. 2401 der Anlage 1 zur BKV entgegenstünde.
Bei Unterstellung der vom Kläger vorgebrachten Einwirkungen ist vorliegend folglich im Hinblick auf die unzureichenden epidemiologischen Erkenntnisse über die generelle Eignung einer Mikrowellenbelastung für die Verursachung einer Bandscheibendegeneration eine Anerkennung der beim Kläger bestehenden bandscheibenbedingten LWS-Erkrankung wie eine Berufskrankheit nicht möglich. Es konnte nicht festgestellt werden, dass zu dieser Frage eine herrschende Meinung im einschlägigen medizinischen Fachgebiet existiert. Nicht entscheidungserheblich ist, ob die beim Kläger bestehende bandscheibenbedingte LWS-Erkrankung ursächlich auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist. Denn mit der Regelung des § 9 Abs. 2 SGB VII soll gerade nicht in der Art einer "Generalklausel" erreicht werden, dass jede Krankheit, deren ursächlicher Zusammenhang mit der Berufstätigkeit im Einzelfall nachgewiesen oder wahrscheinlich ist, wie eine Berufskrankheit zu entschädigen ist.
Weitere Ermittlungen sind nicht durchzuführen. Der Vortrag des Klägers bezüglich der Einwirkungen kann, wie oben dargelegt, als wahr unterstellt werden, so dass es wie ausgeführt einer Einvernahme der genannten Zeugen nicht bedarf. Sämtliche anderen Beweisangebote vermögen nicht das vorliegende Fehlen von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu einer entsprechenden gruppentypischen Risikoerhöhung ersetzen. Ermittlungen, die zur Herbeiführung solcher Erkenntnisse führen sollen, sind nicht im Rahmen eines sozialgerichtlichen Verfahrens zu führen. Ermittlungen zur Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs im konkreten Einzelfall sind erst zu führen, wenn entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse zu einer gruppentypischen Risikoerhöhung vorliegen. Auch die Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. September 2004, Az.: L 17 U 27/02 lässt keine andere Wertung zu, wenn dort unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des BSG und Literaturnachweise (BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 9; BSG Urteil vom 4. Juni 2002 - B 2 U 16/01 R -; Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung (Kommentar), § 9 SGB VII Rdnr. 31.3) ausgeführt wird, dass in Ausnahmefällen, insbesondere bei einer äußerst selten vorkommenden Krankheit, auch ein herabgestuftes Maß an wissenschaftlicher Erforschung, etwa Erkenntnisse aus Einzelfallstudien, Erkenntnisse der tierexperimentellen Forschung, Erkenntnisse und Anerkennungen aus anderen Ländern, für die Feststellung der generellen Geeignetheit ausreichen könne. Abzustellen ist für die Frage der Seltenheit auf das konkrete Krankheitsbild, vorliegend also die bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS, und nicht, wie dies der Kläger vorträgt, auf die Seltenheit der geltend gemachten Verursachungsform der Krankheit. In dem vor dem LSG Nordrhein-Westfalen (a.a.O) entschiedenen Rechtsstreit stand die Ursache einer seltenen Karzinomart, eines Trachealkarzinoms, im Streit. Zu diesem Krankheitsbild waren seit 1963 gerade zwei gemeldete Fälle beim HVBG feststellbar. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung im unteren LWS-Bereich stellt demgegenüber, wie sich bereits aus der Vielzahl der dem Senat bekannten Streitfälle zur BK Nr. 2108 und zur BK Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV ergibt, keineswegs einen vergleichbaren Ausnahmefall dar.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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