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Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über die zulässige Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, weil er einstimmig die Berufung für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat, die Beteiligten auf die Möglichkeit dieser Verfahrensweise hingewiesen worden sind und auf das gerichtliche Anhörungsschreiben vom 12. Januar 2009 hin Gelegenheit zur Stellungnahme hatten.

Das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtens, denn die Klägerin stand während der aktiven Teilnahme an der am 23. Juni 2007 im Allgäu veranstalteten Canyoning-Tour nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII). Ein Arbeitsunfall liegt demnach vor, wenn das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignete, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Dieser innere bzw. sachliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenzen liegt, bis zu welchen der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (vgl. BSGE 58, 76, 77; BSGE 61, 127, 128).

In einem sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit unter Versicherungsschutz stehen neben der eigentlichen Arbeitstätigkeit auch die Teilnahme am Betriebssport und die Teilnahme an betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 2. Juli 1996 2 RU 32/95 -, SozR 3-2200 § 548 Nr. 29; 26. Oktober 2004 – B 2 U 38/03 R und 13. Dezember 2005 - B 2 U 29/04 R -) steht eine sportliche Betätigung dann als Ausübung von Betriebssport unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn der Sport einen Ausgleichs- und nicht einen Wettkampfcharakter hat, er regelmäßig stattfindet, der Teilnehmerkreis sich im Wesentlichen auf Angehörige des Unternehmens bzw. der Unternehmen beschränkt, die sich zu einer Betriebssportgemeinschaft zusammengeschlossen haben, die Übungszeit und Übungsdauer in einem dem Ausgleichszweck entsprechenden Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehen und die Übungen im Rahmen einer unternehmensbezogenen Organisation stattfinden. Die aktive Teilnahme an der Canyoning-Tour erfüllte diese Voraussetzungen zweifellos nicht. Es fehlt diesbezüglich schon an der erforderlichen Regelmäßigkeit der sportlichen Aktivitäten.

Eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung muss im Interesse des Unternehmens liegen und wie die eigentliche Arbeitstätigkeit selbst betrieblichen Zwecken dienen. Veranstaltungen zur Freizeitgestaltung oder zur Befriedigung sportlicher oder kultureller Interessen der Beschäftigten stehen auch dann nicht unter Versicherungsschutz, wenn sie im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit erfolgen und von dem Unternehmen gebilligt oder unterstützt werden. Voraussetzung für die Annahme einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung ist, dass die Zusammenkunft der Pflege der Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und den Beschäftigten sowie den Beschäftigten untereinander dient. Die Veranstaltung muss deshalb möglichst allen Beschäftigten des Unternehmens offenstehen und von der Unternehmensleitung selbst veranstaltet oder zumindest gebilligt oder gefördert und von ihrer Autorität als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung getragen werden. Eine Veranstaltung ist dann von der Autorität der Unternehmensleitung getragen, wenn der Veranstalter dabei nicht nur aus eigenem Antrieb oder freier Entschließung, sondern im Einvernehmen mit der Unternehmensleitung oder für diese handelt. Um die für den Unfallversicherungsschutz bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen wesentliche "betriebliche Zielsetzung" – Verbundenheit zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten sowie der Beschäftigten untereinander – zu erreichen, muss die Veranstaltung grundsätzlich allen Beschäftigten des Unternehmens offenstehen; von besonderen Fallgestaltungen in Großbetrieben, Versorgungsunternehmen etc. abgesehen. Es reicht nicht aus, dass allen Beschäftigten einer ausgewählten Gruppe die Teilnahme an einer für sie und nicht für alle Beschäftigten des Unternehmens von der Unternehmensleitung ausgerichteten Veranstaltung offensteht. Die Veranstaltung muss insgesamt von ihrer Programmgestaltung her geeignet sein, zur Förderung des Gemeinschaftsgedankens beizutragen, indem sie die Gesamtheit der Belegschaft und nicht nur einen begrenzten Kreis der Beschäftigten anspricht. Die Teilnahme an Freizeit- und Erholungsveranstaltungen ist nicht deshalb versichert, weil diese vom Unternehmen organisiert und finanziert werden. Stehen Freizeit, Unterhaltung und Erholung im Vordergrund, fehlt es an einem wesentlichen betrieblichen Zusammenhang. Auch eine rein "sportliche Gemeinschaftsveranstaltung" steht ebenso wie Freizeitveranstaltungen nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (so die Ausführungen des BSG im Urteil vom 17. Dezember 2004 – B 2 U 47/03 R, NZS 2005, 657 m.w.N.). Die notwendigen Voraussetzungen für eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung liegen hier nicht vor. Wie der Einladung vom 24. April 2007 zu entnehmen ist, war Hauptzweck der Reise ins Allgäu mit Hotelaufenthalt und der den Teilnehmern dort angebotenen Aktivitäten wie Canyoning-Tour oder Nutzung der Wellness-Einrichtungen des Hotels die Belohnung der in der Abteilung Forensic Services beschäftigten Mitarbeiter für im abgelaufenen Geschäftsjahr geleistete Arbeit. Zudem waren die den Teilnehmern außerhalb des Teammeetings angebotenen Aktivitäten auch nicht geeignet, die für eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung wesentliche betriebliche Zielsetzung – Verbundenheit zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten sowie der Beschäftigten untereinander – zu erreichen: Die angebotene Canyoning-Tour, bei der eine Schlucht von oben nach unten durch Abseilen, Abklettern, Springen, Rutschen, Schwimmen und auch Tauchen zu durchqueren war, war, wie dies die Klägerin selbst vorträgt, hinsichtlich der körperlichen Belastung äußerst anspruchsvoll. Sie erforderte wie in dem Einladungsschreiben angekündigt "körperliche Fitness" und die Bereitschaft sich auf ein "Abenteuer" einzulassen, das nicht nur körperliche Anstrengungen, sondern auch – insbesondere für ungeübte Kletterer – ein Verletzungsrisiko beinhaltete. Dieses Outdoor-Programm war deshalb nicht geeignet, zur Förderung des Gemeinschaftsgedankens beizutragen, denn aufgrund der besonderen Anforderungen wurde nicht die Gesamtheit der in der Abteilung Beschäftigten davon angesprochen. Weil auch seitens der Initiatoren damit gerechnet wurde, dass nicht alle "diese Herausforderung" annehmen wollten oder annehmen konnten, wurde als "Alternative" die Nutzung der Wellness-Einrichtungen des Hotels angeboten. Der Teilnehmerliste ist zu entnehmen, dass von den 32 Beschäftigten, die am Freitagvormittag am Teammeeting teilgenommen hatten, sich 26 für die Canyoning-Tour entschieden haben. Die Sekretärinnen der Abteilung nahmen, so die Auskunft der Klägerin, nicht an der Tour teil und blieben im Hotel. Weil das Vorhaben in seiner Ausgestaltung von vornherein nicht so geplant war, dass voraussichtlich alle zu beteiligenden Beschäftigten dabei mitmachen konnten, konnte mit der Canyoning-Tour der Gemeinschaftszweck nicht erreicht werden. Der von der Klägerin bei dieser Tour erlittene Unfall stand deshalb auch nicht als "Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung" unter Versicherungsschutz.

Die aktive Teilnahme an der Canyoning-Tour kann auch nicht der eigentlichen betrieblichen Tätigkeit der Klägerin zugerechnet werden, weil sie keinen Bezug zu betrieblichen Belangen hatte. Auch wenn ein Unternehmen seinen Mitarbeitern durch eine Reise eine Belohnung in Form einer besonderen Freizeitgestaltung zukommen lässt und solche Veranstaltungen geeignet sind, den Teamgeist der Mitarbeiter zu fördern sowie deren Leistungsmotivation zu stärken, reicht dies nicht aus, einen rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit herzustellen. Denn nicht alle Aktivitäten, die dem Unternehmen nützlich sind oder sein können, stehen unter Versicherungsschutz (BSG, Urteil vom 25. August 1994 – 2 RU 23/93 – in SozR 3-2200 § 548 Reichsversicherungsordnung -RVO- Nr. 21 zu einer vom Unternehmen durchgeführten Motivationsreise). Der Inhalt der versicherten Tätigkeit eines Beschäftigten ergibt aus dem dem Beschäftigungsverhältnis typischerweise zugrunde liegenden Arbeitsverhältnis, nach dem der Arbeitnehmer (= Beschäftigter = Versicherter) zur Leistung der versprochenen Dienste verpflichtet ist (§ 611 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-). Nur im Rahmen des arbeitsvertraglich Geschuldeten kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufgrund seines Direktionsrechts Arbeiten zuweisen. Diese Arbeiten und Dienste sind versicherte Tätigkeiten (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004 - B 2 U 47/03 R -, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. August 1991 - L-2/U–702/91 -, Breithaupt 1992, 210; Bayerisches LSG, Urteil vom 27. September 1989 - L-10/U–44/97 -, Breithaupt 1990, 388). Die Klägerin war bei dem Wirtschaftsprüfungsunternehmen als Abteilungsleiterin beschäftigt. Die aktive Teilnahme an der Canyoning-Tour gehörte nicht zu ihren arbeitsvertraglichen Pflichten. Die Teilnahme an sportlichen Aktivitäten gehört deshalb auch nicht zur in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Tätigkeit der Klägerin, wenn diese Aktivitäten außerhalb des Betriebssports oder einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung stattfinden. Ob die Teilnahme aufgrund einer Erwartungshaltung, auf Wunsch oder gar auf Weisung seitens des Arbeitgebers erfolgt ist, spielt hinsichtlich des Versicherungsschutzes keine entscheidende Rolle. Denn der Unternehmer hat es nicht in der Hand, den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung von sich aus auf sonst unversicherte Tätigkeiten und Aktivitäten auszuweiten (vgl. hierzu oben angegebene Urteile des BSG, LSG Baden-Württemberg und Bayerischem LSG).

Da die Teilnahme der Klägerin an der Canyoning-Tour unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden hat, ist der von der Klägerin dabei am 23. Juni 2007 erlittene Unfall von der Beklagten nicht als Arbeitsunfall zu entschädigen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG, die über die Nichtzulassung der Revision aus § 160 SGG.

Die Veröffentlichung des Urteils erfolgt nach ausdrücklicher Genehmigung durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main. Eine Nutzung dieses Urteils von Sozialversicherung-kompetent.de zur gewerblichen Nutzung ist untersagt.

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