Landessozialgericht Hessen 23.08.2019, L 5 R 226/18

Urteil, dass im Zusammenhang mit einer Arbeitsmarktrente die Teilzeit nicht eingeklagt werden muss.

  • Aktenzeichen: L 5 R 226/18
  • Spruchkörper: 5. Senat
  • Instanzenaktenzeichen: S 2 R 457/14
  • Instanzgericht: Sozialgericht Gießen
  • Gericht: Hessisches Landessozialgericht
  • Entscheidungstyp: Urteil
  • Entscheidungsdatum: 23.08.2019

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente bei teilweiser Erwerbsminderung und Verschlossenheit des Arbeitsmarktes (sog. Arbeitsmarktrente) für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2017.

Der 1959 geborene Kläger absolvierte eine Berufsausbildung zum Bauzeichner und arbeitete in der Folge, lediglich unterbrochen durch seinen Grundwehrdienst, beim C. (Arbeitgeber). Der Kläger ist dort seit 1978 tätig und zuletzt seit 1984 als "Sachbearbeiter Bauunterhaltung Schulbauten" nach Auskunft des Arbeitgebers vom 7. Januar 2014 mit folgenden Aufgaben betraut gewesen:

  • Assistenz Bauunterhaltung: Unterstützung der Objektmanager (z.B. Rechnungsprüfung, Durchführung von Angebotsöffnungen, Angebotsprüfung etc.)
  • Erfassung und Dokumentation von Verbrauchsdaten der Schulen im Kreisgebiet
  • Mitarbeit bei der monatlichen Prüfung der Turnhallenbücher auf dokumentierte Mängel, Beanstandungen oder Schäden und Weitergabe der Informationen an den zuständigen Objektmanager zur Veranlassung von Reparaturen etc.

Zuletzt absolvierte der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nur noch reine Bürotätigkeiten ohne Außendienst. Im Bereich Bauzeichnung wurde er nicht mehr eingesetzt.

Der Kläger leidet unter psychischen Gesundheitsbeeinträchtigungen und ist seit Ende 2007 in psychiatrischer Behandlung. Unter Berücksichtigung einer depressiven Störung, Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck und Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen rechts erkannte das Hessische Amt für Versorgung und Soziales Gießen mit Bescheid vom 22. April 2008 einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 an. Ab 2009 führte der Kläger eine ambulante Psychotherapie mit 50 Sitzungen bei der Dipl.-Psych. D. durch.

Seit Dezember 2012 ist der Kläger arbeitsunfähig erkrankt und bezog bis zum 19. Mai 2014 Krankengeld, anschließend bis November 2015 Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III). Das Arbeitsverhältnis mit seinem Arbeitgeber ist ungekündigt und ruht.

Auf einen Antrag des Klägers auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung vom 12. Februar 2013 ließ die Beklagte ihn durch Dr. med. E. in der Ärztlichen Untersuchungsstelle E-Stadt begutachten. Nach ambulanter Untersuchung am 11. September 2013 kam der Gutachter ausgehend von den Diagnosen

  • mittelgradiger depressiver Verstimmungszustand mit deutlichen Angstgefühlen,
  • Bluthochdruck mit Linksherzhypertrophie,
  • paroxysmale Tachykardien,
  • Übergewicht und - chronisches Ohrgeräusch rechts

zu der Einschätzung, der Kläger verfüge noch über ein Leistungsvermögen von arbeitstäglich sechs Stunden und mehr für lediglich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit qualitativen Einschränkungen. Die Erwerbsfähigkeit sei deutlich gefährdet und es sei eine Rehabilitationsmaßnahme in einer psychosomatischen Klinik dringend zu befürworten.

Mit Bescheid vom 17. Oktober 2013 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung mit der Begründung ab, der Kläger erfülle die medizinischen Voraussetzungen nicht. Er könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Der Kläger sei auch nicht berufsunfähig. Zwar sei eine Erwerbstätigkeit im bisherigen Beruf als Bauzeichner/Sachbearbeiter nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich möglich, als Aushilfe im Büro, Registrator oder Poststellenmitarbeiter könne er jedoch in diesem Umfang arbeiten. Hiergegen legte der Kläger am 12. November 2013 Widerspruch ein.

Im Zeitraum vom 14. April bis 19. Mai 2014 nahm der Kläger an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Abteilung Psychosomatik/Psychotherapie der Klinik Am Sprudelhof in Bad Nauheim teil. Bei den Diagnosen

  • mittelgradige depressive Episode,
  • rezidivierende tachykarde Rhythmusstörungen,
  • essentielle Hypertonie, Adipositas und Nikotinabusus

kam der Entlassungsbericht vom 26. Mai 2014 zu der sozialmedizinischen Einschätzung, der Kläger sei noch in der Lage, sowohl seine letzte berufliche Tätigkeit als technischer Angestellter als auch mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich zumindest sechs Stunden zu verrichten. Der Kläger werde als arbeitsunfähig für die nächsten acht Wochen entlassen, ggf. sei eine Anschlussbehandlung in einer psychiatrischen Tagesklinik sinnvoll.

Vom 8. September 2014 bis 7. November 2014 befand sich der Kläger daraufhin in tagesklinischer Behandlung in der Vitosklinik Wetzlar. Diagnostiziert wurde eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome.

Der Widerspruch des Klägers gegen die Ablehnung des Rentenantrags wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 2014 zurückgewiesen. Nach der Begründung der Beklagten könne der Kläger noch leichte Arbeiten mit Einschränkungen zumindest sechs Stunden täglich verrichten. Dies ergebe sich sowohl aus dem Gutachten der Ärztlichen Untersuchungsstelle als auch aus dem Rehabilitations-Entlassungsbericht. Er sei auch nicht berufsunfähig, da er u.a. zumutbar auf Tätigkeiten als Poststellenmitarbeiter, Büro- oder Verwaltungshilfskraft oder Pförtner verwiesen werden könne.

Gegen den Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 14. Oktober 2014 Klage vor dem Sozialgericht Gießen.

Nach Einholung aktueller Befundberichte hat das Sozialgericht von Amts wegen den Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. F. mit der Begutachtung des Klägers betraut. In seinem psychiatrischen Gutachten vom 21. Juni 2015 ist der Sachverständige aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 2. Juni 2015 und ausgehend von der Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung, z.Zt. schwergradiger Ausprägung, teilchronifiziert, zu der Einschätzung gelangt, der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte, mittelschwere aber auch schwere Arbeiten verrichten, allerdings nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich. Die quantitative Einschränkung ergebe sich aus der erhöhten Erschöpfbarkeit und der Antriebsstörung. Die Tätigkeiten dürften das Konzentrationsvermögen nicht wesentlich beanspruchen. Ausgeschlossen seien Akkordarbeit und Arbeiten unter Zeitdruck. Es bestünden zudem Anpassungs- und Umstellungsschwierigkeiten. Unter der Voraussetzung einer etwas langsameren Arbeitsweise lägen keine betriebsunüblichen Einschränkungen vor. Eine Tätigkeit von regelmäßig mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag sei unabhängig von der ausgeübten Tätigkeit nicht möglich aufgrund des deutlich verminderten Antriebs, der nicht ausreichenden Konzentrations- und Aufmerksamkeitsspanne und der erhöhten Erschöpfbarkeit. Nach Abklingen einer depressiven Episode, was Monate bis Jahre dauern könne, sei wieder eine vollschichtige Tätigkeit in jedem Bereich möglich. Eine positive Veränderung sei nicht unwahrscheinlich. Eine Stabilisierung sei erreichbar durch Wiederaufnahme der ambulanten Psychotherapie und Modifikation der antidepressiven Medikation. Von dem festgestellten Leistungsvermögen sei ab September 2014 auszugehen. Für den vorherigen Zeitraum gebe es zwar Hinweise auf eine schwere depressive Symptomatik, es fehle jedoch eine ausreichende Befundlage.

Aufgrund eines angenommenen Teilanerkenntnisses, das sie im Anschluss an die Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. E. abgegeben hatte, bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 9. Februar 2016 eine vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2017 befristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung aufgrund eines Leistungsfalls vom 12. Juni 2015 (Anmerkung: irrtümlich von der Beklagten angenommener Zeitpunkt der am 2. Juni 2015 erfolgten Untersuchung bei Dr. F.), die zwischenzeitlich bis zum 31. Dezember 2020 verlängert wurde.

Mit Schreiben vom 14. September 2015 führte der Arbeitgeber des Klägers aus, eine Teilzeitbeschäftigung in Form eines leidensgerechten Arbeitsplatzes sei u.a. wegen der äußerst restriktiven Stellenbewirtschaftungsvorgaben nicht möglich. Im Schreiben vom 13. Oktober 2015 führte der Arbeitgeber ergänzend aus, im günstigsten Falle sei für den Kläger eine leichte bis mittelschwere Arbeit ohne Zeit- oder Termindruck und hohe Anforderungen an das Konzentrationsvermögen möglich im Rahmen eines nicht vollschichtigen Arbeitsplatzes. Ein derart leidensgerechter Arbeitsplatz sei jedoch nicht vorhanden und könne aus den bereits genannten Gründen auch nicht geschaffen werden.

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2016 teilte auch die Schwerbehindertenvertretung des Arbeitgebers mit, unter Berücksichtigung der beschriebenen Einschränkungen des Klägers sei kein leidensgerechter Arbeitsplatz verfügbar.

Mit Schreiben vom 1. Juni 2017 teilte der Arbeitgeber mit, die bisher ausgeübte Tätigkeit des Klägers könne grundsätzlich auch halbtags ausgeübt werden, im Übrigen bleibe es bei den bisherigen Ausführungen.

Eine Nachfrage des Sozialgerichts, ob - einen Teilzeitantrag des Klägers unterstellt - ab September 2014 bzw. zukünftig eine dem Leistungsvermögen des Klägers angepasste Tätigkeit (bisherige bzw. ähnliche Tätigkeit; Tätigkeit als Verwaltungshilfskraft, Poststellenmitarbeiter, Pförtner oder Telefonist) konkret hätte angeboten werden können bzw. angeboten werden kann, verneinte der Arbeitgeber mit Schreiben vom 29. Januar 2018.

Mit Urteil vom 27. April 2018 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 17. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2014, geändert durch Bescheid vom 9. Februar 2016, für die Zeit vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2017 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. In der Urteilsbegründung führte das Sozialgericht aus, die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei jedenfalls seit Juni 2015 durch verschiedene Gesundheitseinschränkungen, im Wesentlichen auf psychiatrischem Fachgebiet, beeinträchtigt. Zumindest ab diesem Zeitpunkt sei er nur noch in der Lage gewesen, drei bis unter sechs Stunden täglich leichte, mittelschwere und schwere Arbeiten mit Einschränkungen (nur das Konzentrationsvermögen nicht wesentlich beanspruchende Tätigkeiten, keine Akkordarbeit und Arbeiten unter Zeitdruck) zu verrichten. Als rentenerhebliche Diagnose liege eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwergradiger Ausprägung, vor. Nach Auswertung des bei der Begutachtung erhobenen Befundes und der in den Akten befindlichen medizinischen Unterlagen sei Dr. F. schlüssig und widerspruchsfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger nur noch in der Lage gewesen sei, drei bis unter sechs Stunden täglich (körperlich) leichte, mittelschwere aber auch schwere Arbeiten zu verrichten, die das Konzentrationsvermögen nicht wesentlich beanspruchten unter Ausschluss von Akkordarbeit und Arbeiten unter Zeitdruck. Die quantitative Einschränkung werde nachvollziehbar aus der erhöhten Erschöpfbarkeit und dem deutlich verminderten Antrieb in Verbindung mit der nicht ausreichenden Konzentrations- und Aufmerksamkeitsspanne des Klägers abgeleitet. Der Leistungsfall einer teilweisen Erwerbsminderung sei jedenfalls zum Zeitpunkt der Begutachtung im Juni 2015 eingetreten, was letztlich auch zwischen den Beteiligten unstreitig sei. Offen bleiben könne, ob der Leistungsfall tatsächlich bereits im September 2014 eingetreten sei, da der Kläger seinen auf Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente gerichteten Klageantrag der von der Beklagten vorgenommenen Befristung vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2017 und damit einem Leistungsfall im Juni 2015 angepasst habe. Der Kläger dürfe auch nicht auf Tätigkeiten für Teilzeitarbeit verwiesen werden, da ihm für diese Tätigkeiten der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen sei. Dem stehe das rein faktisch noch bestehende Arbeitsverhältnis in Verbindung mit einem Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Teilzeitbeschäftigung nicht entgegen. Einen Arbeitsplatz mit tatsächlich gezahltem Arbeitsentgelt habe der Kläger jedenfalls ab Mai 2014 nicht mehr innegehabt. Ein offener Arbeitsmarkt werde bejaht, wenn ein Versicherter einen seiner Leistungsfähigkeit entsprechenden Arbeitsplatz ohne triftigen Grund ablehne. Dem sei der Fall gleichgestellt worden, dass die Arbeitsverwaltung dem Versicherten bei entsprechendem Bemühen einen geeigneten Teilzeitarbeitsplatz vermittelt hätte. Für Versicherte komme insbesondere grundsätzlich der Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Reduzierung der Arbeitszeit nach § 8 Abs. 1 Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG) in Betracht. Darüber hinaus hätten schwerbehinderte Menschen einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig sei (§ 81 Abs. 5 Satz 3 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) [Anmerkung: in der bis zum 31. Dezember 2017 gültigen Fassung (a.F.)]). In diesen Fällen müsse der Rentenversicherungsträger ermitteln, ob der Arbeitgeber bereit ist, dem Versicherten einen leidensgerechten Teilzeitarbeitsplatz zuzuweisen, einen solchen Anspruch klageweise gegen den Arbeitgeber durchzusetzen sei nicht zumutbar. Derartige Ermittlungen habe die Beklagte selbst nicht vorgenommen. Der Arbeitgeber des Klägers, insbesondere auch die dortige Schwerbehindertenvertretung, habe verneint, dass ein dem Leistungsvermögen des Klägers angepasster Arbeitsplatz vorhanden gewesen sei oder habe geschaffen werden können. Ebenso wäre bei entsprechendem Antrag ein dem Leistungsvermögen des Klägers angepasster Teilzeitarbeitsplatz nicht vorhanden gewesen oder hätte nicht geschaffen werden können. Dem Kläger hätte damit selbst bei entsprechendem Bemühen (Stellung eines Antrags auf Teilzeitbeschäftigung) kein angemessener Teilzeitarbeitsplatz vermittelt werden können. Die dem Kläger zuerkannte Rente sei nach § 102 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) zu befristen gewesen. Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit würden nach § 101 Abs. 1 SGB VI nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet. Ausgehend von einem Leistungsfall im Juni 2015 sei frühester Leistungszeitpunkt der 1. Januar 2016.

Gegen das ihr am 14. Juni 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29. Juni 2018 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Auf Nachfrage des Senats hat der Arbeitgeber des Klägers mit Stellungnahme vom 13. Februar 2019 nochmals ausgeführt, in seinem Dienstleistungsunternehmen sei nach wie vor kein Ieidensgerechter Arbeitsplatz vorhanden, der durch die Eigenart seiner Aufgaben den gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers gerecht werden könne. Sämtliche Arbeitsplätze bedürften einer sorgfältigen Arbeitsweise, die ein Mindestmaß an Konzentrationsfähigkeit zwingend erfordere. Selbst solche Tätigkeitsbereiche der Verwaltung, welche durch einen geringeren Schwierigkeitsgrad der Aufgaben zunächst in Frage kämen, müssten aufgrund unterschiedlicher Eigenschaften ausgeschlossen werden. So seien selbst einfachere Tätigkeiten regelmäßig mit dem Faktor Zeitdruck, ständig wechselnden Umständen oder dem Erfordernis einer differenzierten Kommunikationsfähigkeit verbunden, was eine Beschäftigung des Klägers in diesen Bereichen ausschließe. Selbst durch eine tiefgreifende Umorganisation von Arbeitsvorgängen sei es im Unternehmen nicht möglich, einen Arbeitsplatz zu schaffen, der keine der zuvor genannten Charakteristika beinhalte. Dem Kläger könne selbst unter Annahme eines geringeren zeitlichen Arbeitsumfangs kein Arbeitsbereich zur Verfügung gestellt werden, der den speziellen Einschränkungen seines gesundheitlichen Leidens gerecht werde.

Die Beklagte ist im Wesentlichen der Auffassung, ein weitergehender Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bestehe nur, wenn der Arbeitsmarkt verschlossen sei. Der Teilzeitarbeitsmarkt sei für den Kläger nicht verschlossen, weil er schwerbehindert sowie seit Jahren im öffentlichen Dienst beschäftigt sei und folglich gegen seinen Arbeitgeber gesetzliche und (tarif-)vertragliche Ansprüche habe, die ihm die Umsetzung seines Teilzeitarbeitsvermögens ermöglichen würden. Er habe bei Fortbestehen seines Arbeitsverhältnisses einen Rechtsanspruch auf leidensgerechte Verringerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nach § 8 Abs. 1 TzBfG sowie nach § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX (a.F.) bzw. § 164 SGB IX in der seit dem 1. Januar 2018 gültigen Fassung (des Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016, BGBl.&8201;I 2016 S.&8201;3234) einen Anspruch auf schwerbehindertengerechte Umgestaltung seiner Arbeitstätigkeit. Zudem sehe der für das Arbeitsverhältnis des Klägers geltende Tarifvertrag (TVöD) ähnliche Rechte vor. Der Kläger sei verpflichtet, diese Ansprüche durch einen Antrag gegenüber seinem Arbeitgeber geltend zu machen. Es sei nicht erforderlich, dem Kläger einen Arbeitsplatz "anzubieten". Dies sei nur erforderlich, wenn entweder kein Arbeitsverhältnis bestehe oder wenn bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis unter keinen denkbaren Umständen eine zumutbare Tätigkeit angeboten werden könne. Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei ungekündigt und der innegehaltene Arbeitsplatz könne an die Bedürfnisse des Klägers angepasst werden. Die Anpassungsfähigkeit folge aus dem Inhalt der vorgenannten Arbeitnehmeransprüche, welche die zeitliche Begrenzung der Arbeitszeit und ggf. die schwerbehindertengerechte Umgestaltung des Arbeitsplatzes - einschließlich der Schaffung eines völlig neuen Arbeitsplatzes - umfassten. Die Stellungnahmen des Arbeitsgebers, wonach kein Ieidensgerechter Teilzeitarbeitsplatz geschaffen werden könne, seien ungenügend. Denn einerseits sei die Aussage der Personalstelle nicht überzeugend, wonach beim Arbeitgeber in jedweder Position Anforderungen bestünden, denen der Kläger nicht genügen könne. Ferner sei die Meinungsbildung der Schwerbehindertenvertretung fehlerhaft erfolgt, da sie offenkundig allein auf den - von einem Rentenwunsch geprägten - Schilderungen des Klägers zu seinen gesundheitlichen Problemen und den von ihm gesehenen Einsatzmöglichkeiten im Berufsleben basiert habe. Der Sachverständige Dr. F. habe festgestellt, dass der Kläger durchaus zu Teilzeitarbeiten fähig sei. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, dass der Arbeitgeber eine vom Kläger ernsthaft und nachdrücklich vorgebrachte Geltendmachung seiner Rechte zurückweisen würde und der Kläger somit einen arbeitsgerichtlichen Streit führen müsse. Aber selbst wenn dies notwendig werden würde, würde dies keine Zumutung darstellen. Insbesondere folge aus der vom Sozialgericht zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung nichts anderes, da sich die Gesetzeslage zwischenzeitlich erheblich verändert habe und die Rechte von potentiellen Teilzeitarbeitnehmern und Schwerbehinderten umfassend gestärkt worden seien. Hinsichtlich der von der Beklagten nachzuweisenden Nichtverschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes seien (erstens) die tatsächlichen Umstände nachgewiesen - d.h.: bestehendes Arbeitsverhältnis, Vorliegen der Schwerbehinderung, Geltung des TVöD) - auf Grund derer ein gesetzlicher bzw. tarifvertraglicher Anspruch auf eine leidensgerechte Teilzeitbeschäftigung bestehe, und (zweitens) die rechtlichen Möglichkeiten dargelegt worden, mit denen der Kläger seine gesetzlichen und tarifvertraglichen Rechte auf einen schwerbehindertengerechten Teilzeitarbeitsplatz habe durchsetzen können. Sofern der Kläger diese rechtlichen Möglichkeiten nicht ausschöpfe und sich mit den ungenügenden Auskünften seines Arbeitgebers bzw. des Schwerbehindertenvertreters zufrieden gebe, könne er sich nicht mit Erfolg auf die Verschlossenheit des Arbeitsmarktes berufen. Er komme seinen Mitwirkungspflichten unzureichend nach und belaste dadurch die Versichertengemeinschaft. Darin läge ein Verstoß gegen den auch im Sozialrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben. Ein Antrag auf einen Teilzeitarbeitsplatz in Geltendmachung eines gesetzlich zustehenden Anspruchs lasse auch eine Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht befürchten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 27. April 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger schließt sich der Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung an und trägt ergänzend vor, er habe sehr wohl mehrfach versucht, eine Halbtagsstelle bei seinem Arbeitgeber zu finden. Er habe mehrfach mit dem Leiter des Personalservices sowie dem Mitarbeiter des betrieblichen Gesundheitsmanagements des Arbeitgebers über seine gesundheitliche Situation gesprochen und sich mit der Schwerbehindertenvertretung ins Benehmen gesetzt. Das Ergebnis dieser Besprechungen sei jedoch ausnahmslos gewesen, dass der Arbeitgeber keinen leidensgerechten Arbeitsplatz anbieten könne. Einen Antrag auf Bereitstellung eines Teilzeitarbeitsplatzes gegenüber seinem Arbeitgeber habe er nicht gestellt, da dieser ihm bereits mehrfach mitgeteilt habe, dass kein leidensgerechter Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden könne. Er sei daran interessiert, das Arbeitsverhältnis in Zukunft wieder auszuüben, und habe kein Interesse daran, das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Arbeitgeber durch ggfs. notwendige arbeitsgerichtliche Streitigkeiten zu gefährden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Rentenakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie statthaft (§ 151 Abs. 1 und §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 27. April 2018 ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum Anspruch auf eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bei Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes (Arbeitsmarktrente).

Streitgegenständlich ist vorliegend allein eine auf zwei Jahre befristete Rentengewährung wegen voller Erwerbsminderung aufgrund eines im Juni 2015 eingetretenen Leistungsfalls, mithin für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2017 (§ 101 Abs. 1 SGB VI), gegen die sich die Beklagte mit ihrer Berufung wendet. Zutreffend hat nur hierüber das Sozialgericht entschieden, nachdem der Kläger sein ursprünglich uneingeschränkt geltend gemachtes Rentenbegehren - Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente auf Dauer ab Rentenantragstellung - durch entsprechende Beschränkung seines Klageantrags in der mündlichen Verhandlung am 27. April 2018 insoweit sinngemäß zurückgenommen und sich hierdurch der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hatte (§ 102 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Als Rechtsgrundlage für die Gewährung einer über die bereits bewilligte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung hinausgehenden vollen Erwerbsminderungsrente kommen allein Ansprüche wegen Vorliegens einer vollen Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI oder wegen teilweiser Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI in Verbindung mit einer Verschlossenheit des (Teilzeit-) Arbeitsmarktes in Betracht. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI, der aufgrund des Geburtsjahrgangs des Klägers grundsätzlich in Betracht kommt, kann lediglich zur Gewährung einer teilweisen Rente wegen Erwerbsminderung führen und ist von vornherein nicht geeignet, das Klagebegehren des Klägers im Hinblick auf eine volle Erwerbsminderungsrente zu stützen.

Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

  1. voll erwerbsgemindert sind,
  2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
  3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI demgegenüber Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch

  1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
  2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Erwerbsgemindert ist der Vorschrift des § 43 Abs. 3 SGB VI zufolge nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger hat im streitigen Zeitraum Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, weil er teilweise erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ist und der Teilzeitarbeitsmarkt für ihn als verschlossen gilt. Dagegen liegt ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung unabhängig von der Arbeitsmarktlage mangels voller Erwerbsminderung aus medizinischer Sicht nicht vor.

Die Fähigkeit des Klägers, durch erlaubte Erwerbstätigkeit ein Arbeitsentgelt in nicht ganz unerheblichem Umfang zu erzielen (Erwerbsfähigkeit), ist durch verschiedene Gesundheitsstörungen, insbesondere auf psychiatrischem Fachgebiet, beeinträchtigt. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für körperlich leichte Arbeiten mit Einschränkungen (keine Arbeiten, welche das Konzentrationsvermögen wesentlich beanspruchen, keine Akkordarbeit und keine Arbeiten unter Zeitdruck) lediglich für die Dauer von arbeitstäglich drei bis unter sechs Stunden erwerbsfähig ist. Diese Beurteilung des Leistungsvermögens ergibt sich unter Berücksichtigung aller Einzelumstände des hiesigen Falles aus einer Gesamtschau der über den Gesundheitszustand des Klägers vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und medizinischen Gutachten.

Dr. F. hat in seinem Gutachten vom 21. Juni 2015 dargelegt, dass der Kläger anlässlich seiner Untersuchung unter einer schwergradigen depressiven Symptomatik litt. Für den Senat zeigt sich seit Entlassung des Klägers aus dem Rehabilitationszentrum Am Sprudelhof in Bad Nauheim am 19. Mai 2014, die seinerzeit noch mit der Einschätzung eines zeitlichen Leistungsvermögens von sechs Stunden und mehr erfolgt war, eine kontinuierliche Verschlechterung des Gesundheitszustands, die zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. F. am 2. Juni 2015 zu einem zeitlich eingeschränkten Leistungsvermögen geführt hat. Insofern schließt sich der Senat nach eigener Überzeugung der auch vom beratenden Arzt der Beklagten, Dr. E., geäußerten medizinisch nachvollziehbaren Einschätzung in seiner Stellungnahme vom 28. August 2015 an. Die ursprünglich auch von Dr. E. bereits diagnostizierte depressive Episode mittelgradiger Ausprägung hatte sich zwischenzeitlich zu einer teilchronifizierten, rezidivierenden depressiven Störung, zum damaligen Zeitpunkt schwergradiger Ausprägung, entwickelt. Die damit einhergehende Beeinträchtigung der Konzentrationsfähigkeit, eine erhöhte Erschöpfbarkeit sowie eine Antriebsminderung führten im streitgegenständlichen Zeitraum nachvollziehbar zu konkreten Beeinträchtigungen der Lebensführung des Klägers, die eine quantitative Minderung der Erwerbsfähigkeit bedingten, jedoch ein dauerhaftes Absinken des Restleistungsvermögens auf unter drei Stunden arbeitstäglich nicht zu rechtfertigen vermochten.

Sofern der Kläger darüber hinaus unter rezidivierenden Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck, Übergewicht, Ohrgeräuschen rechts und einem Nikotinabusus leidet, so kommt diesen Beeinträchtigungen - wenn überhaupt - lediglich eine qualitative Minderung der Erwerbsfähigkeit und keine Minderung des zeitlichen Restleistungsvermögens des Klägers zu.

Für den Senat ergeben sich keine Zweifel an der Richtigkeit der von dem in der Begutachtung von Rentenbewerbern langjährig tätigen und äußerst erfahrenen Sachverständigen Dr. F. zum Leistungsvermögen des Klägers abgegebenen Beurteilung. Seine gutachterlichen Äußerungen sind in sich schlüssig, widerspruchsfrei und überzeugend und er hat die von ihm abgegebene Leistungsbeurteilung nach eingehender Befunderhebung mit nachvollziehbarer und für den Senat einleuchtender Begründung aus den gestellten Diagnosen abgeleitet. Das Vorliegen einer teilweisen Erwerbsminderung ab einem Leistungsfall im Juni 2015 wurde seitens der Beklagten im Laufe des erstinstanzlichen Klageverfahrens ebenfalls anerkannt.

Anhaltspunkte für das Vorliegen weiterer, in den vorliegenden Gutachten oder im sonstigen medizinischen Berichtswesen bislang nicht berücksichtigter Gesundheitsbeeinträchtigungen mit ernsthaft ins Gewicht fallendem erwerbsminderndem Dauereinfluss, aufgrund derer eine andere Sicht der Dinge geboten erscheinen könnte, sind weder vom Kläger aufgezeigt worden noch sonst erkennbar. Bei dieser Sachlage ergeben sich keine Anhaltspunkte für zielgerichtete weitere Ermittlungen auf medizinischem Fachgebiet.

Bei dem Kläger liegen auch keine besonderen Umstände vor, welche im streitigen Zeitraum die Ausübung einer leichten Erwerbstätigkeit in ungewöhnlicher Weise erschwerten. Im Rahmen der - bezüglich des hier streitigen Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung allein maßgeblichen - Frage nach dem Bestehen realer Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsfeld bedarf es zwar einer besonders eingehenden Prüfung, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische Leistungsbehinderung festgestellt ist (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 1. März 1984, 4 RJ 43/83 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 30. November 1982, 4 RJ 1/82) oder wenn der Rentenbewerber wegen eines besonders gearteten Berufslebens deutlich aus dem Kreis vergleichbarer Versicherter herausfällt (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1981, 1 RJ 124/79; BSG, Urteil vom 27. April 1982, 1 RJ 132/80). Derart gravierende Einschränkungen sind aber bei dem Kläger zur Überzeugung des Senats nicht gegeben. Weder dem eingeholten Sachverständigengutachten noch dem vorliegenden medizinischen Berichtswesen lassen sich Anhaltspunkte hierfür entnehmen.

Der Arbeitsmarkt ist dem Kläger auch nicht bereits aus gesundheitlichen Gründen verschlossen. Dies kann in Betracht kommen, wenn ein Versicherter nach seinem Gesundheitszustand nicht dazu in der Lage ist, die an sich zumutbaren Arbeiten unter den in der Regel in Betrieben üblichen Bedingungen zu verrichten, oder wenn er außerstande ist, Arbeitsplätze dieser Art von seiner Wohnung aus aufzusuchen (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 1980, 1 RJ 32/79). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Zwar attestierte Dr. F. dem Kläger in seinem Gutachten vom 21. Juni 2015 Anpassungs- und Umstellungsschwierigkeiten, eine rentenrelevante Aufhebung des Anpassungs- und Umstellungsvermögens des Klägers kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden. So kommt der Sachverständige für den Senat nachvollziehbar zu der Einschätzung, dass der Kläger unter der Voraussetzung einer etwas langsameren Arbeitsweise unter keinen betriebsunüblichen Einschränkungen leide.

Der Kläger ist danach teilweise erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI. Zugleich ist für ihn der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen.

Sinn und Zweck der Renten wegen Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit ist, durch Krankheit oder Gebrechen ausfallendes Erwerbseinkommen zu ersetzen. Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG GS, Beschluss vom 11. Dezember 1969, GS 2/68; modifiziert durch BSG GS, Beschluss vom 10. Dezember 1976, GS 2/75 u.a.) kommt es daher für die Beurteilung entsprechender Ansprüche nicht nur auf die Frage an, ob der Versicherte gesundheitlich noch bestimmte Tätigkeiten verrichten kann; es ist vielmehr auch erheblich, ob solche Tätigkeiten die Möglichkeit bieten, durch ihre Verrichtung Erwerbseinkommen zu erzielen. Danach haben Versicherte einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung trotz eines nur teilweise geminderten Restleistungsvermögens, wenn der (Teilzeit-) Arbeitsmarkt verschlossen ist, der Versicherte also praktisch nicht damit rechnen kann, dass sich ihm eine Gelegenheit zur entgeltlichen Nutzung seiner Arbeitsfähigkeit bietet (sog. konkrete Betrachtungsweise).

Einem Versicherten war der Arbeitsmarkt nach ursprünglicher Rechtsprechung praktisch verschlossen, wenn das Verhältnis der im Verweisungsgebiet vorhandenen, für den Versicherten in Betracht kommenden Teilzeitarbeitsplätze zur Zahl der Interessenten für solche Beschäftigungen ungünstiger war als 75: 100, d.h. wenn 75 - besetzten oder freien - Teilzeitarbeitsplätzen mehr als 100 Interessenten gegenüberstehen, wobei den Interessenten auch die Inhaber besetzter Arbeitsplätze zuzurechnen sind (BSG GS, Beschluss vom 11. Dezember 1969, GS 2/68). Der Große Senat des BSG hat diese Rechtsprechung wegen fehlender statistischer Unterlagen später modifiziert und ausgeführt, dass der Arbeitsmarkt dann als verschlossen gilt, wenn dem aus gesundheitlichen Gründen nur noch zur Teilzeitarbeit fähigen Versicherten weder der Rentenversicherungsträger noch das zuständige Arbeitsamt innerhalb eines Jahres seit Stellung des Rentenantrags einen für ihn in Betracht kommenden, täglich von seiner Wohnung aus erreichbaren Arbeitsplatz anbieten können. Verstreicht die Jahresfrist ergebnislos, steht die Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes rückwirkend zum Zeitpunkt des Rentenantrags fest. Damit verlagerte sich das Risiko, für Teilzeitarbeit einen ausfüllbaren freien Arbeitsplatz zu finden, auf den Rentenversicherungsträger, wobei der Gesetzgeber dieser Konstellation durch Schaffung eines Erstattungsanspruchs in § 224 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Rechnung getragen hat, wonach die Bundesagentur für Arbeit den Trägern der Rentenversicherung zum Ausgleich der Aufwendungen, die der Rentenversicherung für Renten wegen voller Erwerbsminderung entstehen, bei denen der Anspruch auch von der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängig ist, einen Ausgleichsbetrag zahlt (hierauf hinweisend Freudenberg, B+P 2019, 55, 56).

Der Versicherte hat bei der Klärung der Arbeitsmarktlage nach Kräften mitzuwirken und sich gegebenenfalls nach Aufforderung durch den Rentenversicherungsträger möglichst schon bei, mindestens aber alsbald nach der Stellung des Rentenantrags beim zuständigen Arbeitsamt (heute Agentur für Arbeit) als Arbeitsuchender zu melden, um diesem Gelegenheit zu geben, einen entsprechenden Arbeitsplatz für ihn zu finden (BSG GS, a.a.O.; BSG, Urteil vom 22. August 1973, 12 RJ 106/72). Hiervon abweichend wird in der Praxis bislang - auch nach regelmäßiger Prüfung der Verhältnisse auf dem Teilzeitarbeitsmarkt durch die Rentenversicherungsträger, zuletzt im Jahr 2018 - wegen der aus Sicht der Bundeagentur für Arbeit geringen Vermittlungschance teilweise Erwerbsgeminderter grundsätzlich von einer Prüfung der Verhältnisse auf dem Teilzeitarbeitsmarkt unter Beteiligung der Agenturen für Arbeit im konkreten Fall abgesehen (vgl. hierzu auch die Rechtlichen Weisungen der DRV Bund, SGB 6, § 43, R4.4). Die Grundsätze, die das BSG zur früheren Erwerbsunfähigkeit herausgearbeitet hat, sind auch für Ansprüche auf Renten wegen Erwerbsminderung nach dem ab dem 1. Januar 2001 geltenden Recht weiter anzuwenden (wie sich im Umkehrschluss aus § 43 Abs. 3 SGB VI ergibt; vgl. BSG, Urteile vom 5. Oktober 2005, B 5 RJ 6/05 R; vom 19. Oktober 2011, B 13 R 78/09 R m.w.N.).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist der Teilzeitarbeitsmarkt nicht verschlossen, wenn der Versicherte einen solchen Arbeitsplatz tatsächlich und nicht nur vorübergehend innehat und durch die von ihm ausgeübte Erwerbstätigkeit mehr als nur geringfügige Einkünfte erzielt (BSG GS, Beschluss vom 11. Dezember 1969, GS 2/68; BSG, Urteil vom 30. September 1970, 12 RJ 180/66; es sei denn, dieser werde ihm nur "vergönnungshalber" gewährt, da in einem solchen Falle nicht ausreichend dargetan ist, dass dem Versicherten der Arbeitsmarkt offensteht; vgl. hierzu Steiner, SGb 2011, 365, 367). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nicht für seinen Arbeitgeber tätig war und kein Arbeitseinkommen erzielt hat. Von der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes ist unter Bezugnahme auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben ebenfalls auszugehen, wenn der Versicherte einen ihm angebotenen bzw. zufällig bekannt gewordenen, seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit entsprechenden Arbeitsplatz ohne triftigen Grund ablehnt (BSG GS, Beschluss vom 11. Dezember 1969, GS 2/68). Dem Kläger wurde durch seinen Arbeitgeber ein leidensgerechter Arbeitsplatz nicht konkret angeboten, vielmehr hat der Arbeitgeber mehrfach gegenüber dem Kläger und auf gerichtliche Anfragen hin ausgeführt, einen leidensgerechten Arbeitsplatz nicht zur Verfügung stellen zu können.

Der Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente steht auch kein Leistungsausschluss nach den §§ 103 - 105 SGB VI, insbesondere dem hier allein in Betracht kommenden § 103 SGB VI, entgegen. Nach § 103 SGB VI besteht ein Anspruch u.a. auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht für Personen, die die für die Rentenleistung erforderliche gesundheitliche Beeinträchtigung absichtlich herbeigeführt haben. Der betreffende Rentenanspruch entfällt kraft Gesetzes. Die Vorschrift ist Ausdruck des die gesamte Rentenversicherung beherrschenden Solidarprinzips, dem es widersprechen würde, zu Lasten der Versicherungsgemeinschaft Leistungen an Berechtigte zu zahlen, die durch absichtliches Handeln die für die Rente erforderlichen gesundheitliche Beeinträchtigung selbst herbeigeführt haben (KassKomm/Kater, SGB VI, Stand Juni 2019, § 103, Rn. 2). Vorliegend wirft die Beklagte dem Kläger sinngemäß vor, einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung vorsätzlich herbeizuführen, indem er ihm zustehende Rechte auf Geltendmachung eines Teilzeitarbeitsplatzes nicht in ausreichendem Maße verfolgt. Eine absichtliche Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 103 SGB VI bezieht sich jedoch nur auf gesundheitliche Beeinträchtigungen. Ein Rentenausschluss nach dieser Norm für ein anderes Fehlverhalten des Rentenberechtigten kommt nicht in Betracht (Reyels, in: jurisPK-SGB VI, § 103, Rn. 30). Dem Gesetzgeber ist bekannt, dass für die Rentengewährung auch berufliche Umstände ausschlaggebend sein können (vgl. u.a. § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI für einen von der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängigen Rentenanspruch). Wenn er gleichwohl in § 103 SGB VI lediglich auf absichtlich herbeigeführte gesundheitliche Beeinträchtigungen abstellt, besteht kein Spielraum für eine Rechtsanwendung, die - unter Berufung auf Treu und Glauben - auch die Herbeiführung bestimmter beruflicher Umstände für die Ablehnung eines Rentenanspruchs ausreichen lässt (BSG, Urteil vom 30. Juni 1997, 8 RKn 21/96; LSG NRW, Urteil vom 27. Oktober 1998, L 18 (2) KN 158/97). Die in § 103 SGB VI geregelte Ausnahme mit Sanktionscharakter verschließt sich zudem einer entsprechenden Anwendung auf weitere, hierin nicht geregelte Fälle (BSG, a.a.O.; Kreikebohm, SGB VI, 5. Auflage 2017, § 103, Rn. 3), wie etwa auf ein etwaiges Unterlassen der Überwindung der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes im vorliegend Fall.

Über die §§ 103 - 105 SGB VI hinaus kommt ein Anspruchsausschluss lediglich wegen Rechtsmissbrauchs oder nach dem auch im Sozialrecht als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips anwendbaren Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB); vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2010, B 13 R 67/09 R, m.w.N.) in Betracht. Die Rechtsfigur des Rechtsmissbrauchs hat zur Folge, dass der Berechtigte das ihm formal zustehende Recht nicht ausüben darf. Individueller Rechtsmissbrauch wird nach gebräuchlicher Definition angenommen, wenn der Berechtigte kein schutzwürdiges Eigeninteresse verfolgt oder überwiegende schutzwürdige Interessen der Gegenpartei entgegenstehen und die Rechtsausübung im Einzelfall zu einem grob unbilligen und mit der Gerechtigkeit nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde (BSG, Urteil vom 25. Juni 2009, B 10 EG 3/08 R). Nach der Rechtsprechung des BSG ist daher anerkannt, dass ein Recht auf eine Sozialleistung nicht geltend gemacht werden kann, wenn dies sozial unangemessen geschieht und wenn es der rechtsethischen Funktion des Rechts widerspricht. Der Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs orientiert sich am Schutzbereich der Norm, wobei grundsätzlich davon auszugehen ist, dass der Berechtigte den ihm zustehenden Anspruch im gesetzlichen Rahmen mit legalen Mitteln ausschöpfen kann (BSG, Urteile vom 19. Mai 1978, 8/3 RK 4/76; vom 23. Oktober 1985, 9a RVg 4/83; vom 27. November 1986, 5a RKnU 6/85; vom 22. März 1995, 10 RAr 1/94; vom 13. August 1996, 12 RK 76/94). Eine entsprechende grobe Missachtung der Rechtsordnung vermag der Senat im Verhalten des Klägers nicht zu erkennen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass selbst eine absichtlich herbeigeführte arbeitsmarktbezogene Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit in den §§ 103 - 105 SGB VI vom Gesetzgeber in Kenntnis der Existenz arbeitsmarktbezogener Renten nicht sanktioniert wurde und die fehlende Analogiefähigkeit des § 103 SGB VI nicht durch eine leichtfertige Anwendung des Instituts des Rechtsmissbrauchs sowie von Treu und Glauben unterlaufen werden darf.

Der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes steht auch nicht entgegen, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum gegebenenfalls Ansprüche auf Verringerung der Arbeitszeit aus § 8 Abs. 1 TzBfG oder auf Teilzeitbeschäftigung aus § 81 Abs. 5 Satz 3 1. Halbs. SGB IX (a.F.) hätte ableiten können.

Nach § 8 Abs. 1 TzBfG kann ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis - wie hier im Falle des Klägers - länger als sechs Monate bestanden hat, verlangen, dass seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit verringert wird. Zwingende Voraussetzung dieses Anspruchs ist nach § 8 Abs. 2 Satz 1 TzBfG in der hier einschlägigen, bis zum 31. Dezember 2018 geltenden Fassung, eine Geltendmachung der Verringerung der Arbeitszeit und des Umfangs der Verringerung durch den Arbeitnehmer spätestens drei Monate vor deren Beginn. Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG hat der Arbeitgeber der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen und ihre Verteilung entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festzulegen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen.

Gemäß § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX (a.F.) haben schwerbehinderte Menschen einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist. Nach § 81 Abs. 5 Satz 3 2. Halbs. i.V.m. Abs. 4 Satz 3 SGB IX (a.F.) besteht ein Anspruch nicht, soweit seine Erfüllung für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre oder soweit die staatlichen oder berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschriften oder beamtenrechtliche Vorschriften entgegenstehen.

Nach § 33 Abs. 2 Satz 1 des auf den Kläger anwendbaren Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid eines Rentenversicherungsträgers (Rentenbescheid) zugestellt wird, wonach die/der Beschäftigte voll oder teilweise erwerbsgemindert ist. Nach den Sätzen 5 und 6 des Absatzes endet das Arbeitsverhältnis nicht, wenn nach dem Bescheid des Rentenversicherungsträgers eine Rente auf Zeit gewährt wird. In diesem Fall ruht das Arbeitsverhältnis für den Zeitraum, für den eine Rente auf Zeit gewährt wird; beginnt die Rente rückwirkend, ruht das Arbeitsverhältnis ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Monat der Zustellung des Rentenbescheids folgt. Gemäß § 33 Abs. 3 TVöD endet bzw. ruht im Falle teilweiser Erwerbsminderung das Arbeitsverhältnis nicht, wenn die/der Beschäftigte nach ihrem/seinem vom Rentenversicherungsträger festgestellten Leistungsvermögen auf ihrem/seinem bisherigen oder einem anderen geeigneten und freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden könnte, soweit dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe nicht entgegenstehen, und die/der Beschäftigte innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des Rentenbescheids ihre/seine Weiterbeschäftigung schriftlich beantragt.

Sämtlichen genannten Ansprüchen ist gemein, dass sie sich gegen den Arbeitgeber richten. Sie setzen daher ein noch bestehendes Arbeitsverhältnis voraus. Fehlt es an der Fortführung des Arbeitsverhältnisses, so kann einem Anspruch auf Arbeitsmarktrente die Geltendmachung der oben genannten Ansprüche auf Teilzeitarbeit von vornherein nicht entgegen gehalten werden. Das ungekündigte Arbeitsverhältnis des Klägers ruhte auch nach Erhalt des Rentenbescheides der Beklagten über die befristet gewährte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung vom 9. Februar 2016 und war nicht beendet (§ 33 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Sätze 5, 6 TVöD), so dass die genannten Ansprüche grundsätzlich in Betracht kommen.

Da hinsichtlich der Verringerung der Arbeitszeit des Klägers für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2017 zumindest auch ein Anspruch aus § 8 Abs. 1 TzBfG in Betracht kommt, kann dahingestellt bleiben, ob eine Nichtgewährung der vollen Erwerbsminderungsrente allein unter Verweis auf einen nur Menschen mit Behinderung zustehenden Anspruch nach § 81 Abs. 5 Satz 3 1. Halbs. SGB IX (a.F.) bereits wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Grundgesetz (GG), insbesondere das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, wonach niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf, unzulässig ist.

Der Kläger ist jedenfalls nicht verpflichtet, vor Geltendmachung eines Anspruchs auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bei Verschlossenheit des Arbeitsmarktes bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis einen entsprechenden Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit oder Bereitstellung eines Teilzeitarbeitsplatzes gegenüber seinem Arbeitgeber zu stellen. Eine entsprechende Mitwirkungspflicht des Versicherten besteht nicht.

Den Kläger als Versicherten treffen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 ff. Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I). Diese beinhalten vorwiegend Pflichten zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts und umfassen konkret Mitteilungspflichten nach § 60 Abs. 1 SGB I, die Pflicht zum persönlichen Erscheinen nach § 61 SGB I, die Teilnahme an erforderlichen Untersuchungen gemäß § 62 SGB I, die Teilnahme an Heilbehandlungen nach § 63 SGB I sowie die Teilnahme an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß § 64 SGB I. Begrenzt ist die einforderbare Mitwirkung jeweils nach § 65 SGB I, insbesondere nach § 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB I durch die Verhältnismäßigkeit der Mitwirkungsverpflichtung sowie das Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I. Die in §§ 60 ff. SGB I geregelten gesetzlichen Mitwirkungspflichten enthalten jedoch keine Verpflichtung des Versicherten, aktiv Anträge gegenüber Dritten - hier gegenüber seinem Arbeitgeber - zu stellen oder bestehende arbeitsrechtliche Ansprüche geltend zu machen (ebenso Freudenberg, B+P 2019, 55, 59), geschweige denn, rechtlich durchzusetzen (vgl. hierzu bereits BSG, Urteil vom 7. Mai 1975, 11 RA 50/74). Vorliegend beruft sich die Beklagte soweit ersichtlich auch systematisch nicht auf die Verletzung einer Mitwirkungspflicht nach den §§ 60 ff. SGB I, denn zwingende formale Voraussetzung der in § 66 SGB I abschließend geregelten Rechtsfolge einer etwaigen Verletzung der Mitwirkungspflicht, hier wohl in Form einer Versagung der vollen Erwerbsminderungsrente, wäre neben einer vorherigen schriftlichen Belehrung über die Rechtsfolgen nach § 66 Abs. 3 SGB I insbesondere auch die Ausübung des in § 66 Abs. 2 SGB I vorgesehenen Ermessens. Die Beklagte hat weder im Verwaltungsverfahren noch im Gerichtsverfahren zu erkennen gegeben, in dieser Weise verfahren zu wollen, noch erfolgte eine Rechtsfolgenbelehrung oder eine Ermessensausübung.

Den Kläger trifft auch keine weitergehende spezialgesetzlich normierte Mitwirkungspflicht im Rahmen des SGB VI, zur Vermeidung der Gewährung einer Arbeitsmarktrente einen Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit oder auf Bereitstellung eines Teilzeitarbeitsplatzes gegenüber seinem Arbeitgeber zu stellen. Eine entsprechende gesetzliche Mitwirkungspflicht in Ergänzung der - durch richterliche Rechtsfortbildung geschaffenen - vom jeweiligen Arbeitsmarkt abhängigen vollen Rente wegen Erwerbsminderung sehen die Vorschriften des SGB VI nicht vor. Insbesondere hat der Gesetzgeber auch keine Befugnis der Rentenversicherungsträger zur eigenen Antragstellung für den Versicherten gegenüber Dritten geschaffen, wie sie zum Beispiel in § 5 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) zugunsten des Jobcenters etwa im Hinblick auf die Geltendmachung einer Erwerbsminderungsrente gegenüber den Rentenversicherungsträgern eingeführt wurde.

Darüber hinaus bestehen auch keine ungeschriebenen Mitwirkungspflichten des Klägers, zur Vermeidung einer Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes einen Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit oder auf Bereitstellung eines Teilzeitarbeitsplatzes gegenüber seinem Arbeitgeber zu stellen. Aus dem Sozialrechtsverhältnis ergibt sich zwar als Nebenpflicht grundsätzlich eine gegenseitige Pflicht, sich vor vermeidbaren Schäden zu bewahren (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1972, 5 RJ 63/70; BSG, Urteil vom 14. Dezember 1995, 11 Rar 75/95; BSG, Urteil vom 8. Februar 2001, B 11 AL 21/00 R). Insofern käme im Sinne einer Schadensminderungspflicht in Betracht, dass ein Versicherter im Interesse der Versichertengemeinschaft vorrangig arbeitsrechtliche Ansprüche gegenüber seinem Arbeitgeber - hier im Hinblick auf eine leidensgerechte Reduzierung seiner Arbeitszeit - geltend macht, bevor er Leistungen der Beklagten in Form einer von der Arbeitsmarktlage abhängigen Rente wegen Erwerbsminderung in Anspruch nimmt. Eine solche Nachrangigkeit von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ist jedoch weder gesetzlich vorgesehen noch aus Sinn und Zweck der Leistungsgewährung zu rechtfertigen. Das SGB VI knüpft die Gewährung von Renten wegen Erwerbsminderung nicht - wie die Leistungsgewährung in den Zweiten und Zwölften Büchern des Sozialgesetzbuchs (SGB II und SGB XII) - an eine Hilfebedürftigkeit des Versicherten, sondern sieht neben dem Erfordernis einer Antragstellung in § 43 SGB VI allein medizinische und versicherungsrechtliche Voraussetzungen vor. Der Ausgleich von durch Krankheit oder Gebrechen ausgefallenen Erwerbseinkommens als Sinn und Zweck der Renten wegen Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit steht nicht unter der Bedingung, dass der Versicherte zuvor alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, den Ausfall des Erwerbseinkommens abzuwenden, etwa durch Geltendmachung arbeitsrechtlicher Abwehransprüche. Anders als bei Eintritt des im Rahmen des SGB III versicherten Risikos der Arbeitslosigkeit sieht der Gesetzgeber im SGB VI bei Eintritt des versicherten Risikos der Erwerbsminderung über die bereits erwähnten Leistungsausschlüsse nach §§ 103 ff. SGB VI hinaus auch keine Sanktionen für versicherungswidriges Verhalten vor, etwa bei grob fahrlässiger Herbeiführung der Erwerbsminderung. Besteht danach grundsätzlich ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, so handelt es sich auch nicht um einen Schaden der Versichertengemeinschaft oder des Rentenversicherungsträgers, sondern um den Ausgleich des durch die Beitragsleistungen des Versicherten abgesicherten Risikos der Erwerbsminderung. Ein Verstoß gegen den haftungsrechtlichen Grundsatz "kein dulde und liquidiere" liegt auch bei Unterlassen der Geltendmachung von Ansprüchen auf Reduzierung der Arbeitszeit oder Bereitstellung eines Teilzeitarbeitsplatzes nicht vor.

Zu beachten ist zudem, dass die Mitwirkungspflichten nach Inkrafttreten des SGB I in den §§ 60 ff. SGB I, vorbehaltlich spezialgesetzlicher Regelungen, grundsätzlich abschließend geregelt wurden. Zusätzliche ungeschriebene Mitwirkungspflichten kommen daher allenfalls bei Vorliegen rechtsmissbräuchlichen, d.h. von der Rechtsordnung nicht zu billigenden Verhaltens in Betracht (vgl. Sichert, in: Hauck/Noftz, SGB, Stand 12/10, § 60 SGB I, Rn. 8). Die Versagung einer Sozialleistung müsste dabei neben dem Verhalten des Versicherten zusätzlich die soziale Sicherungsfunktion der Sozialleistung sowie die grundsätzliche Unbeachtlichkeit eines (Mit-)Verschuldens des Leistungsberechtigten an der Entstehung des Sozialleistungsfalls berücksichtigen (KassKomm/Seewald, SGB I, Stand Juni 2019, Vor §§ 60-67, Rn. 25). Eine solche gravierende Beeinträchtigung der Rechtsordnung ist für den Senat im Verhalten des Klägers insbesondere unter Berücksichtigung einer fehlenden gesetzlichen Mitwirkungspflicht nicht erkennbar.

Sofern für die Gewährung einer Arbeitsmarktrente durch den Träger der Rentenversicherung als Leistungsvoraussetzung die Erfüllung weitergehender Mitwirkungspflichten verlangt würden, bedürfte es zudem einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (so auch Freudenberg, Sozialrecht aktuell, Sonderheft 2018, S. 70, 71). Denn mit Geltendmachung einer solchen Mitwirkungspflicht verließe der Rentenversicherungsträger den Bereich der Leistungsverwaltung und begäbe sich in den Bereich der Eingriffsverwaltung. Ein entsprechender Eingriff in das nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Versicherten unterliegt jedenfalls dem Vorbehalt des Gesetzes, hier konkretisiert durch § 31 SGB I, wonach Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen des SGB nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt. Die Statuierung einer aktiven Mitwirkungspflicht ohne gesetzliche Regelung mit - wie hier - rechtsgestaltender Wirkung gegenüber Dritten (den Arbeitgebern) im Rahmen der Geltendmachung der durch die Rechtsprechung des Großen Senats des BSG entwickelten Arbeitsmarktrente würde insoweit auch die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreiten.

Vor diesem Hintergrund konnte die Berufung der Beklagten keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Der Senat misst der Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen die Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes für teilweise erwerbsgeminderte Versicherte während eines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf die mögliche Geltendmachung von Ansprüchen aus § 8 Abs. 1 TzBfG oder § 81 Abs. 5 Satz 3 1. Halbs. SGB IX (a.F.; § 164 Abs. 5 Satz 3 1. Halbs. SGB IX aktueller Fassung) als Voraussetzung der Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung angenommen werden kann, grundsätzliche Bedeutung bei.

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