Landessozialgericht Hessen 08.04.2014, L 2 R 526/11

  • Aktenzeichen: L 2 R 526/11
  • Spruchkörper: 2. Senat
  • Instanzenaktenzeichen: S 4 R 463/09 
  • Instanzgericht: Sozialgericht Frankfurt
  • Gericht: Hessisches Landessozialgericht
  • Entscheidungstyp: Urteil
  • Entscheidungsdatum: 08.04.2014

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Verrechnung von Beitragsansprüchen mit dem laufenden Anspruch des Klägers auf Regelaltersrente.

Der 1943 in Dresden geborene Kläger deutscher Staatsangehörigkeit bezieht gemäß Bescheid vom 18. September 2008 seit dem 1. Dezember 2008 eine Regelaltersrente von der Beklagten. Zu diesem Zeitpunkt lag der Beklagten ein vorgemerktes Verrechnungsersuchen der AOK Schleswig-Holstein vom 5. November 2002 vor, wonach der Kläger - Stand 16. Juli 2002 - Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 7.647,41 EUR schulde.

Am 9. Oktober 2008 ging bei der Beklagten auf Anfrage eine vollstreckbare Ausfertigung der AOK Schleswig-Holstein gemäß §§ 23, 28 f. Sozialgesetzbuch – Viertes Buch (SGB IV) i.V.m. § 66 Abs. 4 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB X) ein, wonach der Kläger inzwischen Gesamtversicherungsbeiträge für den Zeitraum vom 2. September 1988 bis 23. März 1990 nebst Versäumniszuschlägen, Kosten und Gebühren in Höhe von 9.904,41 EUR schulde.

Mit Anhörungsschreiben vom 15. Oktober 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die AOK Schleswig-Holstein habe sie ersucht, die ausstehende Forderung in Höhe von 9.904,41 EUR mit seinem laufenden Rentenanspruch zu verrechnen. Es sei beabsichtigt, monatlich 217,18 EUR einzubehalten. Soweit Hilfebedürftigkeit vorliege oder durch die Verrechnung eintrete, sei dies durch eine entsprechende Bescheinigung des Sozialhilfeträgers oder einer SGB II-Stelle nachzuweisen.

Mit Schreiben vom 28. Oktober 2008 übersandte die Beklagte dem Kläger auf Nachfrage eine Abschrift der vollstreckbaren Ausfertigung der AOK Schleswig-Holstein. Der Kläger teilte der Beklagten daraufhin u.a. mit, seine Rente stelle sein einziges Einkommen dar. Auch seine Ehefrau verfüge nur über eine eigene Rente in Höhe von 1.001,10 EUR monatlich. Um Kosten zu sparen, habe er seinen Wohnsitz nach Ungarn verlegt.

Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland mit, ein Wohnsitz des Klägers in Ungarn habe sich nicht bestätigt bzw. sei nicht zu ermitteln gewesen. Laut Auskunft des Bürgermeisteramtes C-Stadt vom 17. November 2008 sowie seiner Krankenkasse sei der Kläger weiterhin in Deutschland gemeldet gewesen.

Mit Bescheid vom 5. Januar 2009 verrechnete die Beklagte den Anspruch der AOK Schleswig-Holstein wegen geschuldeter Gesamtsozialversicherungsbeiträge aus der Zeit vom 2. September 1988 bis 23. März 1990 in Höhe von monatlich 217,05 EUR. Die Beklagte wies dabei darauf hin, dass damit die Hälfte der Rente des Klägers nicht überschritten werde, der Kläger keinen Nachweis seiner Hilfebedürftigkeit erbracht habe und Gründe für eine Reduzierung des Verrechnungsbetrages unter Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens nicht vorlägen.

Hiergegen erhob der Kläger am 4. Februar 2008 Widerspruch und teilte mit, sich beim Sozialamt nach einer Bescheinigung erkundigt zu haben. Er benötige seine geringe Rente für den Lebensunterhalt. Es sei ihm allerdings zutiefst zuwider, Leistungen des Staates zum Lebensunterhalt in Anspruch zu nehmen.

Nachdem eine Bedarfsbescheinigung nicht vorgelegt wurde, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2009 zurück. Bei einem Bezug von Altersrente in Höhe von 434,11 EUR werde mit einer Verrechnung nach § 52 i.V.m. § 51 Abs. 2 SGB I in Höhe von 217,05 EUR die Hälfte der Rente nicht überschritten. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, durch die Verrechnung hilfebedürftig im Sinne des SGB XII zu werden. Ein Bescheid des zuständigen Leistungsträgers sei nicht vorgelegt worden. Gründe, die im Rahmen einer Ermessensausübung Anlass geben könnten, von einer Verrechnung abzusehen, lägen nicht vor. Da keine Hilfebedürftigkeit eintrete, überwiegten die Interessen der Versichertengemeinschaft der AOK Schleswig-Holstein gegenüber dem Interesse des Klägers an einer ungekürzten Auszahlung seiner Rente.

Daraufhin erhob der Kläger am 13. Juli 2009 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main. Zur Begründung trug er vor, er sei grundsätzlich sozialhilfebedürftig, nehme Sozialhilfe aber aus persönlichen Gründen nicht in Anspruch. Daher habe er auch keine Möglichkeit, die Hilfebedürftigkeit durch Vorlage einer Bescheinigung nachzuweisen. Ergänzend legte er eine eidesstattliche Versicherung vom 11. Mai 2010 vor, wonach er seit dem 1. Mai 2009 nach Ungarn verzogen sei (gewöhnlicher Aufenthalt). Er habe bei einem Umrechnungskurs von 1 Euro = 264 Ft. im Mai 2010 Unkosten für Miete in Höhe von 40.000 Ft., für Nebenkosten in Höhe von 8.500 Ft., für Propangas zum Kochen in Höhe von 1.300 Ft. Und für Brennholz zum Heizen in Höhe von 15.000 Ft. Der Kläger legte zudem eine Mitteilung über eine Rentenanpassung zum 1. Juli 2009 vor, wonach für ihn ein Netto-Rentenanspruch in Höhe von 446,05 EUR und für seine Frau aus einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 924,10 EUR monatlich bestanden habe. Der Kläger legte zudem eine ärztliche Bescheinigung der Allgemeinärztin Dr. D. vom 11. September 2010 vor, wonach er nicht arbeitsfähig sei.

Die Beklagte wandte im Klageverfahren mit Schreiben vom 23. Juni 2010 ein, der vom Kläger in Ungarn angegebene Wohnsitz sei durch die zuständige Verbindungsanstalt, der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland, laut Mitteilung vom 16. Dezember 2008 nicht zu ermitteln gewesen. Auch in der Klageschrift sei lediglich die deutsche Adresse angegeben worden. Seit dem 1. Januar 2005 bestehe bei gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland auch kein Sozialhilfeanspruch mehr. Die Einbehaltung der Rente sei bislang versehentlich unterblieben, werde aber ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt erfolgen.

Mit Bescheid vom 22. November 2010 hob die Beklagte den ursprünglichen Verrechnungsbescheid vom 5. Januar 2009 wegen Änderung des allgemeinen Beitragssatzes der gesetzlichen Krankenversicherung teilweise mit Wirkung ab dem 1. Januar 2011 auf und zahlte dem Kläger ab diesem Zeitpunkt unter Berücksichtigung eines Einbehalts von 217,05 EUR lediglich einen Betrag von 227,51 EUR monatlich aus. Der Ehefrau des Klägers wurde mit Bescheid vom 9. Dezember 2008 eine monatliche Netto-Rente von 1.010,24 EUR bewilligt.

Mit Gerichtsbescheid vom 18. Oktober 2011 wies das Sozialgericht die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Kläger habe keinen Anspruch auf Auszahlung seiner vollen Altersrente, da sein Zahlungsanspruch in Höhe des Verrechnungsbetrages erloschen sei. Die Beklagte sei von der AOK Schleswig-Holstein schriftlich ermächtigt worden, deren in der Verrechnungserklärung gegenüber dem Kläger hinreichend bestimmte, einziehbare und nicht verjährte Ansprüche gegen den Kläger auf Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen einschließlich Säumniszuschlägen und Kosten mit der von der Beklagten gewährten Altersrente zu verrechnen. Selbst eine mögliche Verletzung der örtlichen Zuständigkeit aufgrund eines möglichen Wohnsitzes des Klägers nach Ungarn habe keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Verrechnung, da die möglicherweise zuständige Rentenversicherung Mitteldeutschland in der Sache offensichtlich genauso entschieden hätte. Die Voraussetzungen für einen Leistungsbezug bei einem gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland nach § 24 Abs. 1 SGB XII seien nicht nachgewiesen worden, ebenso sei nicht vorgetragen worden, nach ungarischen Vorschriften sozialhilfebedürftig gewesen zu sein. Bereits nach den deutschen Vorschriften des SGB XII bestehe keine Sozialhilfebedürftigkeit. Das Einkommen des Klägers und seiner Ehefrau nach Verrechnung in Höhe von insgesamt 1.151,61 EUR liege über den vom Kläger vorgetragenen Kosten der Unterkunft und Heizung inklusive Regelbedarfen von insgesamt 902,00 EUR. Die Beklagte habe auch die Grenze der Verrechnung bis zur Hälfte des monatlichen Zahlbetrags eingehalten.

Gegen den ihm am 24. Oktober 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 24. November 2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung führte er aus, er sei schwer krank und arm. Dies gelte auch dann, wenn er auf die Inanspruchnahme von Sozialhilfe verzichte. Die Verrechnung mit seiner niedrigen Altersrente in Höhe von lediglich 434,36 EUR sei verfassungswidrig, insbesondere soweit dies unter Berücksichtigung einer Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau erfolge. Auch seine Ehefrau sei krank und benötige teure Arzneien. Mit Schreiben vom 31. März 2012 wurde zwischenzeitlich die Inanspruchnahme von Sozialhilfe in Deutschland angekündigt, in der Folge aber nicht umgesetzt. Ein Antrag auf Wohngeld wurde durch den Landkreis Darmstadt-Dieburg mit Bescheid vom 27. August 2012 wegen der Höhe des monatlichen Gesamteinkommens des Klägers und seiner Ehefrau abgelehnt. Der Kläger legte ergänzend die Mitteilung einer Rentenanpassung seiner Altersrente zum 1. Juli 2012 auf 241,74 EUR monatlich vor. Mit Rentenbescheid vom 26. November 2012 berechnete die Beklagte die Rentenhöhe für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2013 mit 241,22 EUR neu. Die Verrechnung erfolgte weiterhin in Höhe von 217,05 EUR. Für den Zeitraum ab dem 1. Juli 2012 legte der Kläger einen Mietvertrag über eine 3 ZKB-Wohnung unbekannter Größe in A-Stadt mit einer monatlichen Kaltmiete von 550,00 EUR nebst 150,00 EUR monatlich an Nebenkostenvorauszahlungen sowie u.a. eine Telefonrechnung in Höhe von 161,66 EUR, einen Bescheid über Müllgebühren für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2012 in Höhe von 68,00 EUR und ein Schreiben seines Energieversorgers bezüglich einer Abschlagszahlung von 50,00 EUR monatlich vor. Auf Nachfrage des Gerichts stellte der Kläger klar, dass ihm seit seiner Rückkehr nach Deutschland keine Zusatzkosten für Medikamente entstanden seien.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. Oktober 2011 und den Bescheid vom 5. Januar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2009, geändert durch Bescheid vom 22. November 2010, insoweit aufzuheben, als die Beklagte einen Betrag von 217,05 EUR zum Zwecke der Verrechnung einbehalten hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte beruft sich im Wesentlichen auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils. Ergänzend trug sie vor, auch unter Berücksichtigung der nicht nachgewiesenen Lebenshaltungskosten des Klägers in Ungarn seien Anhaltspunkte für eine Hilfebedürftigkeit des Klägers bei einer Verrechnung in Höhe von 217,05 EUR monatlich nicht ersichtlich.

Der Senat hat im Wege der Sachverhaltsermittlung den Kläger mit Schreiben vom 24. Oktober 2013 aufgefordert, umfassende Angaben zur Feststellung seiner Hilfebedürftigkeit, insbesondere umfassende Angaben zur Vermögenssituation, den Kosten der Unterkunft und den Zuwendungen Dritter monatsweise für den Zeitraum ab Januar 2009 vorzulegen. Das Gericht hat in der Folge Kontoauszüge des Klägers für sein nach eigenen Angaben alleiniges Konto bei der E.bank. EB-Stadt für den Zeitraum vom 1. Dezember 2008 bis Dezember 2013 beigezogen. Auch nach Fristsetzung gemäß § 106a Abs. 2 SGG legte der Kläger darüber hinaus keine weiteren Nachweise zu seiner Hilfebedürftigkeit mehr vor und erklärte, wer, wann und in welcher Form ihm Hilfe geleistet habe, werde nicht vorgetragen, da dies die Menschenwürde verletze.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. Oktober 2011 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere war das Sozialgericht Frankfurt am Main für die am 13. Juli 2009 erhobene Klage auch dann örtlich zuständig, wenn der Wohnsitz bzw. der gewöhnliche Aufenthalt des Klägers zu diesem Zeitpunkt nicht in B-Stadt, sondern in Ungarn gelegen haben sollte. Denn nach § 57 Abs. 3 SGG ist für den Fall, dass der Kläger seinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort im Ausland hat, das Sozialgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Beklagte ihren Sitz hat. Sitz der Beklagten ist Frankfurt am Main, so dass bei Wohnsitz bzw. Aufenthalt im Ausland ebenfalls das Sozialgericht Frankfurt am Main örtlich zuständig gewesen wäre.

Der angegriffene Bescheid vom 5. Januar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2009, geändert durch Bescheid vom 22. November 2010, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte ist berechtigt, von der Altersrente des Klägers monatlich einen Betrag von 217,05 EUR zum Zwecke der Verrechnung mit der ausstehenden Forderung der AOK Schleswig-Holstein einzubehalten.

Wie bereits das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat, kann nach § 52 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger (hier: die Beklagte als Rentenversicherungsträger) mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers (hier: die AOK Schleswig-Holstein) dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Die Verrechnung steht somit der Aufrechnung gleich; während jedoch bei der Aufrechnung der Leistungsträger selbst auch Gläubiger der Geldforderung ist, mit der aufgerechnet wird, besteht bei der Verrechnung keine Identität von Gläubiger und Schuldner. Eine wirksame Verrechnung setzt mit Ausnahme des Erfordernisses der Gegenseitigkeit den Tatbestand der Aufrechnung voraus sowie eine Ermächtigung für den ermächtigten Leistungsträger, die Verrechnung vorzunehmen.

Im vorliegenden Fall hat die AOK Schleswig-Holstein bereits mit dem ersten Verrechnungsersuchen am 5. November 2002 eine hinreichend substantiierte Ermächtigungserklärung vorgelegt und ihre Beitragsforderung am 9. Oktober 2008 durch Vorlage der vollstreckbaren Ausfertigung nochmals konkretisiert. Die dem Kläger zur Verfügung gestellte vollstreckbare Ausfertigung wurde von ihm weder dem Grunde nach noch in der Höhe beanstandet.

Der Umfang der seitens der Beklagten vorgenommenen Verrechnung kann nicht beanstandet werden. Insoweit hat das Sozialgericht zu Recht dargelegt, dass gemäß § 52 SGB I in Verbindung mit § 51 Abs. 2 SGB I der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen und mit Beitragsansprüchen gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen kann, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII) über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) wird.

Die Beklagte gewährt dem Kläger ab dem 1. Dezember 2008 eine Altersrente in Höhe von zunächst 434,11 EUR, später 446,05 EUR monatlich. Der Verrechnungsbetrag von durchgehend 217,05 EUR lag damit unterhalb der Hälfte des monatlichen Zahlbetrags.

Darüber hinaus ist ein entsprechender Nachweis des Eintritts von Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 51 Abs. 2 SGB I seitens des Klägers trotz mehrmaliger Aufforderungen nicht erbracht worden.

Der von § 51 Abs. 2 SGB I geforderte Nachweis der Hilfebedürftigkeit ist seit der durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 2954) bewirkten Rechtsänderung zum 1. Januar 2005 durch den Leistungsberechtigten zu erbringen. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage, als die entsprechende Prüfung noch von dem Leistungsträger vorgenommen werden musste (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 9. November 1989, 11 RAr 7/89 = SozR 1200 § 51 Nr. 17), trifft seitdem den Leistungsberechtigten eine Obliegenheit im Sinne einer verstärkten Mitwirkungspflicht (vgl. Seewald, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 80. Erg.-Lfg. 2013, § 51 SGB I Rn. 19a m.w.N.). Die schlichte Erklärung des Leistungsberechtigten über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse ist dabei für die Beweisführung grundsätzlich nicht ausreichend (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 27. Januar 2012, L 5 R 40/11). Der Nachweis über den Eintritt von Sozialhilfebedürftigkeit kann im Rahmen des § 51 SGB I in der Regel ohne großen Aufwand durch eine Bedarfsbescheinigung des örtlich für diese Leistung zuständigen Trägers geführt werden (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 31. März 2011, L 5 R 95/11 B).

Vorliegend hat der Kläger trotz mehrfacher Hinweise durch die Beklagte und die Gerichte beider Instanzen weder eine Bedarfsbescheinigung noch einen Bewilligungsbescheid des zuständigen Leistungsträgers vorgelegt. Zwar hat er mehrfach eine Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Sozialamt angekündigt, eine konkrete Bedarfsbescheinigung jedoch zu keinem Zeitpunkt vorlegen können. Dabei war der Kläger auch nicht verpflichtet, tatsächlich Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts in Anspruch zu nehmen, was ihm nach eigenen Angaben zu tiefst zuwider sei. Der zuständige Leistungsträger wäre bei entsprechender Mitwirkung auch ohne Leistungsbezug zu einer Feststellung der Hilfebedürftigkeit des Klägers in der Lage gewesen.

Die Obliegenheit des Klägers zur Mitwirkung am Nachweis der Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 51 Abs. 2 SGB I beseitigt nicht den Untersuchungsgrundsatz (Seewald, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 80. Erg.-Lfg. 2013, § 51 SGB I Rn. 19a), d.h. das Gericht ist im Rahmen der Sachverhaltsermittlung von Amts wegen weiterhin gehalten, das Vorliegen einer Hilfebedürftigkeit des Klägers zu ermitteln. Soweit keine entsprechende Bedarfsbescheinigung des örtlich zuständigen Leistungsträgers vorgelegt wird, hat der Kläger jedoch das Gericht durch Vorlage sämtlicher zur Ermittlung von Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II bzw. des SGB XII notwendigen Angaben über seine Lebensumstände in die Lage zu versetzen, seine Hilfebedürftigkeit festzustellen. Soweit die zur Prüfung der Hilfebedürftigkeit im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum ermittelten Angaben lückenhaft bzw. unvollständig bleiben und durch naheliegende ergänzende Ermittlungen des Gerichts nicht vervollständigt werden können, geht dies zu Lasten des nachweispflichtigen Klägers.

Nach dieser Maßgabe hat der Kläger seine Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 51 Abs. 2 SGB I zur Überzeugung des Senates nicht nachgewiesen.

Für den Zeitraum ab Bekanntgabe des Bescheides vom 5. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2010 hat das Gericht bereits Zweifel an einem verbliebenen Rechtsschutzbedürfnis des Klägers im Hinblick auf die vorliegende Anfechtungsklage, da die von der Beklagten erklärte Verrechnung infolge des Widerspruchs des Klägers trotz Fehlens einer aufschiebenden Wirkung nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei der Verrechnung wegen Beitragsforderungen (vgl. Pflüger in: jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, § 51 SGB I, Rn. 68 m.w.N.; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86a, Rn. 13a) tatsächlich erst ab dem 1. Januar 2011 durchgeführt wurde. Die Verrechnung für den vorangegangenen Zeitraum hat sich insoweit durch Zeitablauf erledigt. Eine rückwirkende Einbehaltung der laufenden Geldleistungen ist ausgeschlossen. Mangels tatsächlicher Verrechnung konnte durch das Unterlassen der Beklagten jedenfalls keine Hilfebedürftigkeit des Klägers im Sinne des § 51 Abs. 2 SGB I ausgelöst werden.

Sofern der Kläger im Zeitraum von Mai 2009 bis 30. Juni 2012 seinen gewöhnlichen Aufenthalt - entgegen dem Ergebnis der Ermittlungen der Beklagten und entgegen der von ihm selbst bei Klageerhebung angegebenen Adresse E-Straße in B-Stadt, die er mit "c/o F." auch gegenüber der E.bank B-Stadt angegeben hatte - tatsächlich im Ausland gehabt haben sollte, steht dies einer Verrechnung nicht von vornherein entgegen. Die Vorschriften über die Auf- und Verrechnung in §§ 51, 52 SGB I finden auch auf Leistungsempfänger im Ausland Anwendung (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 1995, 5 RJ 12/94, juris Rn. 15 = SozR 3-1200 § 51 Nr. 4; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 10. Mai 2011, L 5 R 86/11 B ER, juris Rn. 12 m.w.N.). Bei Leistungsberechtigten mit Wohnsitz im Ausland richtet sich die Frage der Hilfebedürftigkeit nach den am Wohnort geltenden Sozialhilfevorschriften (BSG, Urteil vom 12. April 1995, 5 RJ 12/94, juris Rn. 16), was sich im Übrigen auch in § 24 Abs. 3 SGB XII niederschlägt. Allerdings erhalten Deutsche - wie der Kläger -, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB XII grundsätzlich keine Leistungen der Sozialhilfe. Hiervon kann im Einzelfall nach § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB XII nur abgewichen werden, soweit dies wegen einer außergewöhnlichen Notlage unabweisbar ist und zugleich nachgewiesen wird, dass eine Rückkehr in das Inland aus folgenden Gründen nicht möglich ist:

  1. Pflege und Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründen im Ausland bleiben muss,
  2. längerfristige stationäre Betreuung in einer Einrichtung oder Schwere der Pflegebedürftigkeit oder
  3. hoheitliche Gewalt.

Eine solche Notlage hat der Kläger weder vorgetragen noch sind entsprechende Anhaltspunkte für den Senat erkennbar. Letztlich kann jedoch dahingestellt bleiben, ob der Leistungsausschluss nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auf den Kläger anwendbar war und ob dies bereits den Eintritt von Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 51 Abs. 2 SGB I von vornherein ausschließt.

Denn der Kläger hat für den Zeitraum ab Bekanntgabe des Bescheides vom 5. Januar 2009 bis heute nicht nachgewiesen, durch die von der Beklagten durchgeführte Verrechnung hilfebedürftig im Sinne des § 51 Abs. 2 SGB I geworden zu sein.

Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Dabei ist nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB XII ist Personen Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zu leisten, die die Altersgrenze erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.

Der Kläger hat unabhängig von seinem monatlichen Bedarf für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht angegeben, ob und wenn ja in welcher Höhe er und seine Ehefrau Zuwendungen Dritter zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts erhalten haben. Der Kläger hat sich vielmehr ausdrücklich geweigert, Auskunft über Dritte zu geben, die ihn im streitgegenständlichen Zeitraum finanziell unterstützt haben. Der Kläger hat darüber hinaus keinerlei Angaben zu vorhandenem Vermögen gemacht, dass ihm oder seiner Ehefrau zum Bestreiten des Lebensunterhalts ggfs. zur Verfügung stand. Nach Auswertung der Kontoauszüge des Klägers bei der E.bank B-Stadt ergibt sich zudem, dass im Zeitraum bis Juli 2012, d.h. in dem Zeitraum, für den der Kläger vorgetragen hat, in Ungarn gelebt zu haben, von seinem Konto bei der E.bank B-Stadt monatlich Überweisungen in Höhe zwischen 1.150,00 EUR und 1.500,00 EUR auf Konten bei der G. Bank in Ungarn an den Empfänger H. A. (IBAN xxx1) bzw. später an die Empfänger J. und H. A. (IBAN xxx2) getätigt wurden. Lediglich im September 2011 wurden 1.250,00 EUR in bar abgehoben. Der Kläger hat keinerlei Angaben zu diesen Konten in Ungarn gemacht oder angegeben, über welche finanziellen Mittel er auf diesen Konten verfügt.

Bereits das Fehlen dieser Angaben macht es dem Gericht unmöglich, für den streitgegenständlichen Zeitraum eine Hilfebedürftigkeit des Klägers als nachgewiesen anzusehen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Bedarf des Klägers während seines Aufenthalts in Ungarn seinen eigenen Angaben, die sämtlich ohne objektive Nachweise vorgetragen wurden, entsprochen hat. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger für den Zeitraum ab dem 1. Juli 2012 durch Vorlage des Mietvertrages der 3 ZKB-Wohnung in A-Stadt geltend gemachten Kosten der Unterkunft vorübergehend oder auf Dauer in voller Höhe bei der Bedarfsberechnung zu berücksichtigen sind.

Der Senat fühlt sich nicht gedrängt, weitere Ermittlungen zum Vorliegen von Hilfebedürftigkeit des Klägers durchzuführen. Das Gericht hat im Rahmen der Sachverhaltsermittlung Kontoauszüge des Klägers bei der E.bank EB-Stadt für den Zeitraum vom 1. Dezember 2008 bis Dezember 2013 eingeholt. Darüber hinaus wurde der Kläger mit Schreiben vom 24. Oktober 2013 aufgefordert, seine Angaben zur Hilfebedürftigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum zu konkretisieren, konkret u.a. für ihn und seine Ehefrau jeweils monatsweise für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis aktuell eine Liste von Vermögenspositionen, Nebenkostenabrechnungen bzw. Rechnungen und Bescheide im Hinblick auf seine Kosten für Wasser und Abwasser, Grundsteuer, Müll und Schornsteinfeger vorzulegen. Es wurde zudem um Angaben zu Zeitpunkt und Umfang finanzieller Zuwendungen Dritter sowie die Namen und ladungsfähige Adressen dieser Personen gebeten. Zugleich wurde gemäß § 106a Abs. 2 SGG eine Frist von vier Wochen nach Erhalt des Schreibens gesetzt verbunden mit dem Hinweis, dass gemäß § 106a Abs. 3 SGG Erklärungen und Beweismittel die nach Ablauf der Frist vorgebracht werden, zurückgewiesen werden können. Der Kläger hat bis zum Ablauf der Frist und letztlich bis zur mündlichen Verhandlung über die Einwilligung zur Beiziehung seiner Kontoauszüge hinaus keine weiteren Angaben zu seiner Hilfebedürftigkeit gemacht.

Die Beklagte hat im Übrigen auch in hinreichendem Umfang das ihr zustehende und im Rahmen von § 51 Abs. 2 SGB I grundsätzlich auch auszuübende Ermessen betätigt. Für eine fehlerfreie Ermessensentscheidung ist es gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I erforderlich, dass der Verwaltungsträger sein Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung (überhaupt) ausübt und dass er dabei im Übrigen auch die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhält. Der gemäß § 39 Abs. 1 SGB I von der Ermessensentscheidung Betroffene hat einen korrespondierenden Anspruch auf die pflichtgemäße Ausübung fehlerfreien Ermessens (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Nur in diesem – eingeschränkten – Umfang unterliegt nach Maßgabe des § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG die Ermessensentscheidung einer gerichtlichen Kontrolle. Rechtswidrig können Verwaltungsakte demnach nur in Fällen des Ermessensfehlgebrauchs (entweder in Gestalt des Ermessensnichtgebrauchs oder in Gestalt der Ermessensüberschreitung) sein (vgl. BSG vom 14. Dezember 1994 - 4 RA 42/94 = SozR 3-1200 § 39 Nr. 1). Die Frage, ob überhaupt eine Ermessensentscheidung ergangen ist und ob diese gegebenenfalls rechtmäßig war, beurteilt sich dabei nach dem Inhalt des Verrechnungsbescheides, insbesondere nach seiner Begründung. Diese muss erkennen lassen, dass eine Ermessensentscheidung getroffen wurde, und sie muss darüber hinaus grundsätzlich auch diejenigen Gesichtspunkte aufzeigen, von denen der Verwaltungsträger bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen ist (vgl. BSG SozR 3-1300 § 45 Nrn. 5, 20).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte zur Überzeugung des Senats eine diesen Grundsätzen entsprechende hinreichende Ermessensentscheidung getroffen, indem sie im Verrechnungsbescheid vom 5. Januar 2009 und nochmals im Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2009 die seitens des Klägers vorgetragenen Einwände zur Kenntnis genommen und bei der Ausübung des ihr zustehenden Ermessens berücksichtigt hat. Im Ergebnis hat die Beklagte lediglich eine Verrechnung in Höhe von 217,05 EUR monatlich vorgenommen und damit den bei einem Rentenzahlbetrag in Höhe von nunmehr 446,05 EUR monatlich möglichen Verrechnungsrahmen zuletzt auch nur teilweise ausgeschöpft. Es kann zur Überzeugung des Senats rechtlich nicht beanstandet werden, dass die Beklagte jedenfalls insoweit das öffentliche Interesse bzw. das Interesse der Versichertengemeinschaft an der Entrichtung rückständiger Sozialversicherungsbeiträge höher bewertet hat als das Interesse des Klägers an einer weitgehend ungeschmälerten Auszahlung seiner Altersrente.

Die Berufung konnte deshalb im Ergebnis keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.

 

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