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Landessozialgericht Hessen 28.08.2008, L 5 R 338/07 KN

  • Aktenzeichen: L 5 R 338/07 KN
  • Spruchkörper: 5. Senat
  • Gericht: Hessisches Landessozialgericht
  • Entscheidungstyp: Urteil
  • Entscheidungsdatum: 28.08.2008
  • Normen: SGB VI § 40; 254a

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf eine Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute nach dem Sechsten Buch des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) hat.

Der 1946 geborene Kläger ist Übersiedler aus dem Beitrittsgebiet. Seit dem 1. September 1996 erhält er eine sog. Bergmannsvollrente gemäß Übergangsrecht nach den Vorschriften des Beitrittsgebietes in Höhe von 979,00 DM pro Monat. Der Versicherungsverlauf in Anlage 2 zum Bewilligungsbescheid vom 25. September 1996 enthielt Pflichtbeitragszeiten für die knappschaftliche Rentenversicherung der Arbeiter im Beitrittsgebiet durchgehend vom 1. September 1963 bis zum 2. Mai 1966, sodann Pflichtbeiträge für Wehr-/Zivildienst vom 3. Mai 1966 bis zum 26. Oktober 1966, anschließend wiederum Pflichtbeiträge in der knappschaftlichen Rentenversicherung der Arbeiter durchgehend vom 2. November 1967 bis zum 31. Juli 1990. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Rentenbescheides lag der Beklagten vor ein Schreiben der Gesellschaft zur Verwahrung und Verwertung von Stillgelegten Bergwerksbetrieben MBH (GVV) vom 11. Juni 1996 (Bl. 68 Beklagtenakte), demzufolge der Kläger vom 1. September 1963 bis zum 28. Februar 1966 als "Grubenelektroschlosser/Leh", vom 1. März 1966 bis zum 31. Mai 1968 als "Grubenelektroschlosser" und vom 1. Juni 1968 bis zum 11. Oktober 1970 als "Elektroschlosser für Transp.F." tätig war. Ferner lag vor ein Schreiben des VEB M. vom 14. Dezember 1976 (Bl 1 Beklagtenakte) sowie der Ausweis für Arbeit und Soziales in Kopie (Bl. 59 ff. Beklagtenakte).

Mit Schreiben vom 28. Juni 1999 bat die Beklagte die C. um die Klärung widersprüchlicher Angaben, weil zum einen ausweislich der Arbeitgeberbescheinigung vom 21. Juni 1990 ("Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung") der Kläger im Zeitraum vom 1. März 1966 bis zum 2. Mai 1966 und vom 2. November 1967 bis zum 15. Februar 1972 unter Tage beschäftigt gewesen sei, laut einer jüngeren Bescheinigung der GVV er aber in der Zeit vom 1. Januar 1966 bis zum 30. April 1966 und vom 1. Juni 1968 bis zum 11. Oktober 1970 als Elektroschlosser über Tage tätig gewesen sei. Mit Schreiben vom 15. Juli 1999 teilte die C. sodann mit, dass im Interesse einer Vereinheitlichung der Verfahrensweise für Grubenschlosserlehrlinge mit zweieinhalb Jahren Lehrzeit auf Empfehlung des Zentralvorstandes der IG Bergbau/Energie zwei Jahre als Untertagetätigkeit bescheinigt würden. Für den Zeitraum vom 1. Juni 1968 bis 11. Oktober 1970 liege eine Personalkarte vor, nach der für diesen Zeitraum eine Übertage-Tätigkeit als Elektroschlosser für Transport und Förderanlagen vermerkt sei. Weitere Unterlagen, die eine Bestätigung der Untertage-Tätigkeit rechtfertigen würden, seien nicht aufgefunden worden.

Nach entsprechender Anhörung mit Schreiben vom 10. April 2000 nahm die Beklagte mit Bescheid vom 12. Mai 2000 den Bescheid über die Gewährung der Bergmannsvollrente vom 25. September 1996 gemäß § 45 SGB X hinsichtlich der Rentenhöhe zurück und gab hierzu als Begründung an, dass die genannten Zeiten vom 1. Januar 1966 bis zum 2. Mai 1966 sowie vom 1. Juni 1968 bis zum 11. Oktober 1970 keine Untertage- sondern Übertage-Beschäftigungen gewesen seien, weshalb die Bergmannsvollrente niedriger sei. Nach Erhebung des Widerspruchs am 25. Mai 2000 erließ die Beklagte am 10. September 2003 einen Abhilfebescheid nach § 85 Abs. 1 SGG, in welchem sie sich bereit erklärte, die Bergmannsvollrente unter Berücksichtigung der Zeiten vom 1. Januar 1966 bis 2. Mai 1966 sowie vom 1. Juni 1968 bis zum 11. Oktober 1970 als Untertage-Tätigkeiten weiter zu gewähren. Eine Begründung für die Abhilfe enthielt der Bescheid nicht; alleine aus der aktenkundigen Vorlage an den Leiter der Geschäftsstelle der Beklagten vom 3. September 2003 (Bl. 149 f. Beklagtenakte) ist ersichtlich, dass Grund für die Abhilfe die Nichteinhaltung der Fristen in § 45 SGB X war.

Am 4. April 2006 beantragte der Kläger "Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute" nach § 40 SGB VI, was die Beklagte mit Bescheid vom 13. April 2006 ablehnte. Dies begründete sie damit, dass der Kläger lediglich 269 Monate knappschaftlicher Beitragszeit bis zum 31. Juli 1990 vorweisen könne und daher die Voraussetzungen des § 40 SGB VI in Form von mindestens 300 Kalendermonaten (= 25 Jahre) nicht erfüllt seien. Den hiergegen am 27. April 2006 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2006 als unbegründet zurück. Zwar sei eine Rücknahme nach § 45 SGB X der Berechnung der Bergmannsvollrente wegen Fristablauf nicht möglich gewesen, aufgrund des Rentenantrags vom 4. April 2006 sei jedoch über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungskonto gespeicherten Daten erneut zu entscheiden gewesen.

Auf die hiergegen am 6. Juli 2006 erhobene Klage hat das Sozialgericht Gießen mit Urteil vom 28. August 2007 den Bescheid vom 13. April 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2006 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger antragsgemäß Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Zur Überzeugung des Gerichts ergebe sich aus den Bescheinigungen des VEB M. vom 21. Oktober 1976 sowie vom 21. Juni 1990, dass der Kläger über 25 Jahre knappschaftlicher Beitragsleistungen verfüge. Diesen Originalbescheinigungen messe das Sozialgericht einen stärkeren Beweiswert bei als der Auskunft der C., welche zu einem späteren Zeitpunkt erteilt worden sei. Zudem habe die Beklagte durch den Abhilfebescheid vom 10. September 2003 den Rechtsschein gesetzt, dass die genannten Tätigkeiten Untertage-Beschäftigungen gewesen seien. Jedenfalls habe sie im Abhilfebescheid vom 10. September 2003 nicht darauf hingewiesen, dass diese Zeiten lediglich aus Gründen einer Fristversäumnis weiter bei der Berechnung der Bergmannsvollrente als Untertage-Tätigkeiten zu berücksichtigen seien.

Gegen das am 18. September 2007 der Beklagten zugegangene Urteil hat diese am 21. September 2007 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Im Beitrittsgebiet seien vor dem 1. Januar 1992 überwiegend unter Tage ausgeübte Tätigkeiten gemäß § 254a SGB VI ständige Arbeiten unter Tage. Nach den Vorschriften der ehemaligen DDR werde als Jahr der überwiegenden Untertage-Tätigkeit das Kalenderjahr angerechnet, in dem mindestens 135 Schichten mit Untertage-Tätigkeit vorliegen. Werde diese Voraussetzung nicht erfüllt, würden die Monate als Monate der Untertage-Tätigkeit angerechnet, in denen 11 Schichten mit Untertage-Tätigkeit vorlägen. Als Schichten mit Untertage-Tätigkeit gelte die Schicht, die mit mindestens 80 v.H. der Zeit unter Tage verfahren wurde. Nach der Bescheinigung der GVV vom 11. Juni 1996 sei der Kläger in den strittigen Zeiten über Tage beschäftigt gewesen. Diese Angaben habe die C. Waren mit Schriftsatz vom 5. Juli 1999 nochmals ausdrücklich bestätigt. Der Kläger habe daher im Zeitraum vom 1. Juni 1968 bis zum 11. Oktober 1970 keine ständigen Arbeiten unter Tage verrichtet, weshalb keine 300 Monate mit Beitragszeiten aufgrund einer Beschäftigung mit ständigen Arbeiten unter Tage nachgewiesen seien. Daher lägen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der beantragten Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute nicht vor.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 28. August 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, er habe mittels Originalurkunden des VEB M. im letzten Verhandlungstermin vor dem Sozialgericht nachgewiesen, dass er in den fraglichen Zeiträumen unter Tage tätig gewesen sei. Hingegen sei das Schreiben der C. bedeutungslos, weil trotz Anfrage nicht mitgeteilt worden sei, woher die C. ihre Informationen hernehme und in wessen Auftrag die C. tätig sei und welche Kompetenzen diese GmbH habe. Die vom Kläger vorgelegten Originalurkunden müssten daher, solange nicht das Gegenteil bewiesen sei, als zutreffend angesehen werden. Zudem habe die Beklagte bereits mit dem Abhilfebescheid vom 10. September 2003 anerkannt, dass die Zeiten vom 1. Januar 1966 bis zum 2. Mai 1966 sowie vom 1. Juni 1968 bis zum 11. Oktober 1970 als Untertage-Tätigkeit anerkannt würden.

Der Senat hat Auskünfte bei der GVV vom 24. April 2008 sowie 22. Mai 2008 eingeholt, sowie die dort in Bezug genommenen Personalkarten in Kopie vorlegen lassen. Des Weiteren hat der Senat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 22. August 2008 ausführlich zur Art und Umfang seiner Tätigkeit in den streitbefangenen Zeiträumen angehört.

Die zunächst ebenfalls bestrittene Untertage-Tätigkeit vom 1. Januar 1966 bis zum 2. Mai 1966 hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 22. August 2008 anerkannt. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Akten. Wesentlicher Inhalt dieser Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

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