Landessozialgericht Hessen 29.02.2008, L 5 R 195/06

Urteil, dass keine Rückzahlung zu hoher Rente erfolgen muss.

  • Aktenzeichen: L 5 R 195/06
  • Spruchkoerper: 5. Senat
  • Instanzenaktenzeichen: S 4 RA 1167/03 
  • Instanzgericht: Sozialgericht Wiesbaden
  • Gericht: Hessisches Landessozialgericht
  • Entscheidungstyp: Urteil
  • Entscheidungsdatum: 29.02.2008

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die (teilweise) Rücknahme eines Bescheids über die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente (Bescheid vom 22. April 2002) und die Erstattung eines Teilbetrages in Höhe von 5.000,00 Euro einer für den Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis zum 28. Februar 2003 entstandenen Überzahlung in Höhe von insgesamt 10.584,00 Euro streitig.

Der 1941 geborene Kläger verfügt nach eigenen Angaben über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Von Dezember 1960 bis März 1961 befand er sich in einem Ausbildungsverhältnis als Kfz-Mechaniker, von April 1961 bis Dezember 1961 leistete er seinen Militärdienst ab, von Dezember 1961 bis Januar 1962 arbeitete er wiederum als Kfz-Mechaniker, von Oktober 1962 bis Mai 1963 als Gärtner, von 1963 bis Dezember 1973 als Automechaniker und war zuletzt seit Januar 1974 als Croupier bei der Spielbank in A-Stadt beschäftigt.

Vom 20. Juli 2000 bis zum 28. Dezember 2000 bezog der Kläger Leistungen von der Krankenkasse sowie vom 29. Dezember 2000 bis zum 24. August 2003 Arbeitslosengeld von der Agentur für Arbeit in X (vormals Arbeitsamt X). Am 2. August 2000 beantragte der Kläger die Gewährung einer Erwerbminderungsrente. Nachdem die Beklagte den Antrag des Klägers zunächst mit Bescheid vom 8. November 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2001 abgelehnt hatte, erkannte sie in einem anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Wiesbaden (Az.: S 1 RA 249/01) ausgehend von einem Rentenbeginn ab 1. März 2000 das Vorliegen von Berufsunfähigkeit mit Rentenzahlung ab 20. Juli 2000 an. Mit am 9. August 2001 beim Sozialgericht eingegangenen Schriftsatz nahm der Prozessbevollmächtigte des Klägers das (Teil-)Anerkenntnis an und erklärte den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt.

Das Anerkenntnis vom 26. Juli 2001 führte die Beklagte mit Bescheid vom 22. April 2002 aus und setzte eine monatliche Rente in Höhe von 626,56 Euro sowie einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 13.266,20 Euro für die Zeit vom 20. Juli 2000 bis zum 30. April 2003 fest. Der Bescheid, der dem Prozessbevollmächtigten – wie zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig ist – zugestellt und von diesem an den Kläger weitergeleitet wurde, enthielt auf Seite 3 (Bl.: 226 Verwaltungsakte) den Hinweis, dass die Nachzahlung zunächst einbehalten werde, weil die Ansprüche anderer Stellen, z.B. Krankenkasse, Arbeitsamt, Träger der Sozialhilfe, Arbeitgeber, die im Nachzahlungszeitraum bereits Zahlungen geleistet haben, abschließend zu klären seien. Anlage 19, auf die u. a. auf Seite 5 des Bescheides (Bl.: 227 Verwaltungsakte) hingewiesen wurde, stellte die Hinzuverdienstgrenzen dar. U. a. war dort der Hinweis enthalten, dass sich die Hinzuverdienstgrenze bei einer Rente wegen Berufsunfähigkeit u. a. bei Bezug von Arbeitslosengeld daraus ergebe, dass die Entgeltpunkte des letzten Kalenderjahres vor Eintritt der Berufsunfähigkeit, mindestens jedoch 0,5 Entgeltpunkte, mit einem Vielfachen des aktuellen Rentenwerts vervielfältigt werden. Des Weiteren findet sich dort der Hinweis, dass ausgehend von einem aktuellen Rentenwert in Höhe von 25,31406 Euro für die alten Bundesländer für die Zeit ab 4. April 2002 die monatliche Hinzuverdienstgrenze in voller Höhe das 52,5fache des maßgebenden aktuellen Rentenwertes vervielfältigt mit den Entgeltpunkten 2.273,50 Euro, in Höhe von zwei Dritteln das 70fache des maßgebenden aktuellen Rentenwertes vervielfältigt mit den Entgeltpunkten für die alten Bundesländer 3.031,33 Euro und in Höhe von einem Drittel das 87,5fache des maßgebenden aktuellen Rentenwertes, vervielfältigt mit den Entgeltpunkten 3.789,17 Euro betragen habe.

Auf die Anfrage der Beklagten hinsichtlich des Leistungsbezugs des Klägers ab 19. Dezember 2000 hatte die Agentur für Arbeit A-Stadt bereits mit Schreiben vom 19. März 2002 die Höhe des Bemessungsentgelts sowie der Alg-Leistungen mitgeteilt. Danach ergab sich für den Zeitraum vom 29. Dezember 2000 bis zum 31. Dezember 2000 ein wöchentliches Arbeitslosengeld in Höhe von 508,20 DM, vom 1. Januar 2001 bis zum 28. Dezember 2001 in Höhe von 525,07 DM, vom 29. Dezember bis zum 31. Dezember 2001 in Höhe von 530,11 DM sowie vom 1. Januar 2002 bis zuletzt ein wöchentliches Arbeitslosengeld in Höhe von 271,11 Euro.

Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 29. Juli 2002 (Bl.: 307 Verwaltungsakte) dazu an, dass mit dem Bezug von Arbeitslosengeld die Hinzuverdienstgrenzen für eine Vollrente überschritten worden seien und daher nach § 96a SGB VI der Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit kraft Gesetzes zu kürzen sei, weshalb ab 1. Oktober 2002 lediglich ein Rentenanspruch in Höhe von 212,21 Euro laufend zu zahlen gewesen sei. Daher sei eine Überzahlung für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis zum 30. September 2002 in Höhe von 8.462,11 Euro entstanden, die vom Kläger zurückgefordert würden.

Mit Bescheid vom 27. Januar 2003 stellte die Beklagte die Höhe des monatlichen Einzelanspruchs auf Rente entsprechend neu fest: Ab 1. März 2003 wurde der Rentenzahlbetrag auf 212,21 Euro sowie die der Überzahlungsbetrages für die Zeit vom 20. Juli 2000 bis zum 28. Februar 2003 in Höhe von 10.584,00 Euro festgestellt. Zugleich nahm die Beklagte den Bescheid vom 22. April 2002 in den ergänzenden Begründungen zu diesem Bescheid (Bl. 364 Verwaltungsakte) insoweit mit Wirkung für die Vergangenheit zurück, als für die Zeit ab 1. Januar 2001 trotz Hinzuverdienstes neben einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit § 96a SGB VI nicht zur Anwendung gekommen ist. Der danach geschuldete Erstattungsbetrag in Höhe von 10.584,00 Euro wurde unter Hinweis auf § 51 SGB I mit der noch einbehaltenen Nachzahlung aus dem Bescheid vom 22. April 2002 in Höhe von 13.266,20 Euro aufgerechnet, so dass nur noch ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von 2.682,20 Euro verbleibe, der ebenfalls wegen etwaiger Ersatzansprüche Dritter Stellen einbehalten bleibe. Die Beklagte begründete dies damit, dass der Kläger sich nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, weil er die Rechtswidrigkeit des Bescheides habe erkennen können, in dem auf die Rechtsfolgen des Hinzuverdienstes hingewiesen worden sei. Auch im Rahmen eines auszuübenden Ermessens ergebe sich keine andere Entscheidung, da der Kläger nicht darauf habe vertrauen können, dass ihm die Nachzahlung im Hinblick auf die Erstattungsansprüche von Krankenkassen und Arbeitsamt zur Verfügung stehe.

Der hiergegen am 26. Februar 2003 erhobene Widerspruch, den der Kläger im Wesentlichen damit begründete, er habe nichts von der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 22. April 2002 gewusst sowie sei aufgrund einer Schenkung zugunsten seines Sohnes in Höhe von 5.000,00 Euro nicht mehr bereichert, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16. September 2003 zurückgewiesen. Durch entsprechende Hinweise im Bescheid sei dem Kläger bekannt gewesen, dass auf die Rente Leistungen des Arbeitsamtes anzurechnen seien.

Auf die hiergegen am 11. Oktober 2003 erhobene Klage, die der Kläger auf die Höhe des Schenkungsbetrages von 5.000,00 Euro an seinen Sohn begrenzte, hat das Sozialgericht Wiesbaden mit durch Urteil vom 11. Mai 2006 den Bescheid der Beklagten vom 27. Januar 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2003 insoweit aufgehoben, als der festgestellte Erstattungsbetrag 5.584,00 Euro übersteige. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, soweit die Beklagte den rentengewährenden Bescheid vom 22. April 2002 für die Zeit vor seinem Erlass rückwirkend teilweise zurückgenommen habe. Eine rückwirkende Rücknahme komme nach § 45 Abs. 2 SGB X nur in Betracht, wenn sich der Begünstigte nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, was nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Ziffer 3 SGB X dann der Fall sei, wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Im vorliegenden Fall ließe sich keine positive Kenntnis der Rechtswidrigkeit des Bescheides begründen, auch habe der Kläger nicht bewusst falsche Angaben gemacht oder leistungserhebliche Umstände verschwiegen. Darüber hinaus liege aber auch keine grobe fahrlässige Unkenntnis der Teilrechtswidrigkeit des Bescheides vom 22. April 2002 vor, weil sich dazu die Rechtswidrigkeit ohne weitere Nachforschungen aus dem Bescheid selbst ergeben und anhand ganz naheliegender Überlegung auffallen müsse, dass dieser fehlerhaft ist. Dies sei bei komplizierten Berechnungen ohne erklärenden Langtext in der Regel nicht der Fall. Zwar habe die Beklagte im Bescheid vom 22. April 2002 auf die gesetzliche Regelung der Berechnung der Hinzuverdienstgrenzen hingewiesen, jedoch sei diese Grenze im konkreten Einzelfall lediglich für die Zeit ab 4. April 2002 angegeben worden, nicht aber für die Zeit ab der erfolgten Rücknahme ab 1. Januar 2001. Unabhängig davon, dass die wesentliche Ursache der Unrichtigkeit bei der Behörde liege, sei im Hinblick auf die Kompliziertheit der Berechnung der Hinzuverdienstgrenze für den Kläger nicht erkennbar gewesen, dass diese für die zurückliegende Zeit vor 4. April 2002 überschritten gewesen und von der Beklagten trotz Kenntnis vom Alg-Bezug nicht beachtet worden sei. Hieran ändere auch nichts die anwaltliche Vertretung des Klägers, weil diese sich lediglich auf die Anerkennung einer Erwerbsminderungsrente dem Grunde nach bezogen habe, dieses Verfahren jedoch mit dem Anerkenntnis der Beklagten geendet habe. Für die Zeit ab 4. April 2002 liege hingegen grobe Fahrlässigkeit des Klägers vor, weil im Bescheid vom 22. April 2002 die Beklagte von dort aus betrachtet für die Zukunft explizit aufgelistet habe, wie hoch der monatliche Hinzuverdienst im Einzelnen zu beziffern sei, und ab diesem Zeitpunkt der Kläger habe erkennen können, dass ihm die Rente in ursprünglich gewährter Höhe nicht zustehe. Somit habe die Beklagte lediglich ab Mai 2002 zurückfordern können mit der Folge, dass lediglich ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 4.230,50 Euro hätte geltend gemacht werden dürfen anstelle der ursprünglich geforderten 10.584,00 Euro.

Gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 11. Mai 2006, das der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis vom 8. Juni 2006 zugestellt worden ist, richtet sich die mit Schriftsatz vom 30. Juni 2006 – eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht am 4. Juli 2006 – eingelegte Berufung der Beklagten.

Sie ist der Auffassung, dass dem Kläger die Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Verwaltungsaktes vom 22. April 2002 nur aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht bekannt gewesen sei. So sei das "Erkennen müssen" unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Persönlichkeit des Betroffenen und seines Verhaltens zu entscheiden. Dem Kläger sei der Arbeitslosengeldbezug und dessen Höhe bekannt gewesen. Der Bescheid vom 22. April 2002 habe sowohl den Hinweis enthalten, dass Hinzuverdienstgrenzen beim gleichzeitigen Bezug von Rente wegen Berufsunfähigkeit und Sozialleistungen, wie z.B. Arbeitslosengeld I, zu beachten seien, sowie auch die Darstellung, wie sich die Hinzuverdienstgrenzen berechneten. Auch die Ermittlung der Hinzuverdienstgrenzen ab 1. Juli 2001 sei unproblematisch möglich gewesen, da diese dieselbe sei, wie sie auch ab dem 4. April 2002 gegolten habe. Jeder Versicherte habe bei Erhalt eines Rentenbescheides oder anderer Mitteilungen von Versicherungsträgern die Verpflichtung, deren Rechtmäßigkeit soweit zu überprüfen, wie es ihm ohne Spezialkenntnisse sozialrechtlicher Vorschriften möglich sei, was insbesondere dann gelte, wenn Leistungen anderer Leistungsträger bezogen worden seien. Bei einfachsten Gedankenüberlegungen sei für jeden Versicherten erkennbar, dass ein Doppelbezug von Sozialleistungen verschiedener Leistungsträger für den gleichen Zeitraum regelmäßig nicht in Betracht komme bzw. von der Einhaltung bestimmter Hinzuverdienstgrenzen abhängig sei. Dies gelte umso mehr, wenn nicht nur auf die Person des Klägers, sondern auf die seines Bevollmächtigten abgestellt werde. Zu Unrecht sei das Sozialgericht in vorliegendem Fall davon ausgegangen, dass der Kläger bei Erteilung des Bescheides am 22. April 2002 nicht mehr anwaltlich vertreten gewesen sei. Die im Widerspruchsverfahren mit Schriftsatz vom 24. November 2000 im Rahmen einer Anerkennung einer Erwerbsminderungsrente überreichte Vollmacht sei zu keiner Zeit widerrufen worden und habe auch keinerlei Einschränkungen beinhaltet. Vielmehr habe sie ausdrücklich die Entgegennahme von Zustellungen sowie Neben- und Folgeverfahren aller Art umfasst.

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 11. Mai 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Urteilsgründe des Sozialgerichts Wiesbaden. Für die Beurteilung der Frage, ob grobe Fahrlässigkeit vorliege, sei allein auf die Person des Klägers und nicht auf die seines Prozessbevollmächtigten abzustellen, da der Kläger zum Zeitpunkt des Erhalts des Rentenbescheides nicht anwaltlich vertreten gewesen sei. Die Mandatierung aus dem Verfahren um die Anerkennung einer Erwerbsminderungsrente dem Grunde nach sei spätestens mit der Kostenerstattung durch die Beklagte beendet gewesen, was das an den Kläger gerichtete Abschlussschreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 26. November 2001 belege (Bl.: 105 Gerichtsakte). Soweit auch zeitlich nachfolgend Post an den Kläger weitergeleitet worden sei, sei dies allein aus Kulanz und ohne inhaltliche juristische Prüfung geschehen. Eine rechtliche Beratung habe nicht mehr stattgefunden. Erst nach Erhalt des Schreibens der Beklagten vom 29. Juli 2002 (Anhörung) habe der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten erneut damit beauftragt, für ihn tätig zu werden. Dass die vom Kläger erteilte Vollmacht gegenüber der Beklagten nicht ausdrücklich nach § 13 Abs. 1 Satz 4 SGB X widerrufen worden ist, sei nur für das Außenverhältnis bedeutsam, während dem Innenverhältnis dieses Vertretungsverhältnisses bereits beendet worden sei. Schließlich belege die nochmalige Übersendung der Vollmacht mit Schreiben vom 21. August 2002, dass auch der Prozessbevollmächtigte von einer Beendigung des ursprünglichen Mandatsverhältnisses ausgegangen sei. Ferner gehe die Beklagte in einer Informationsbroschüre "BfA-Tipps für Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit", 6. Auflage 2002, S. 18, selbst davon aus, dass die Berechnung der Hinzuverdienstgrenzen nicht einfach sei, weshalb diese beim jeweiligen zuständigen Rentenversicherungsträger erfragt werden sollten. Eine grobe Fahrlässigkeit des Klägers habe daher nicht vorgelegen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Verwaltungs- und Gerichtsakten.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem sich die Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die Berufung ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (vgl. §§ 143, 151 SGG).

Die Berufung ist jedoch sachlich unbegründet. Das angefochtene Urteil ist zu Recht ergangen. Der Bescheid der Beklagten vom 27. Januar 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2003 ist rechtswidrig, soweit damit eine Verringerung des Rentenzahlbetrages bzw. des Nachzahlungsbetrages für die Zeit von vor dem 4. April 2002 erfolgte und entsprechend zurückgefordert wurde. Aufgrund der Beschränkung des Klagebegehrens auf die Höhe des vom Kläger behaupteten Schenkungsbetrages ist die Beklagte durch die angegriffene Entscheidung nur in Höhe von 5.000,00 Euro beschwert, weshalb auch das Berufungsgericht nur über die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Bescheide insoweit entscheiden durfte.

Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG statthaft und zulässig. Der Kläger wendet sich mit seinem Begehren (§ 123 SGG) gegen die teilweise Entziehung des bewilligten Rentenzahlbetrages. Unabhängig von der Frage, ob eine Aufrechnungserklärung einen Verwaltungsakt beinhaltet oder lediglich mangels eigener Regelung eine bloße Gestaltungserklärung darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 2003, SozR 4-1200 § 52 Nr. 1), ist hier jedenfalls die Anfechtungsklage statthafte Klageart, da der Bescheid vom 22. April 2002 zugleich eine Abänderung eines durch bestandskräftigen Verwaltungsakt zuerkannten subjektiven Rechts vom 22. April 2002 beinhaltet.

Ermächtigungsgrundlage für die teilweise Rücknahme des Bescheides vom 22. April 2002 ist § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren (SGB X)-. Danach darf ein Verwaltungsakt, der einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, so weit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Versicherte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X), auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X) oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Nur in den letztgenannten Fällen und bei Vorliegen von Wiederaufnahmegründen analog § 580 ZPO darf der Verwaltungsakt für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X).

Nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X ist grobe Fahrlässigkeit gegeben, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies ist dann der Fall, wenn er bereits einfache, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSG, Urteil vom 8. Februar 2001, SozR 3-1300 § 45 SGB X Nr. 45 S. 152 ff.; BSGE 62, 32, 35; 42, 184, 187). Bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit ist nicht von einem objektiven, sondern von einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab auszugehen (BSG, Urteil vom 9. Februar 2006 – B 7a AL 58/05 R; vgl. auch BSG, Urteile vom 25. April 1990 – 7 RAr 20/89 und vom 24. April 1997 – 11 RAr 89/96). Das Maß der Fahrlässigkeit ist insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten gemäß dem subjektiven Fahrlässigkeitsbegriff zu beurteilen (BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273).

Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt hinsichtlich des aufgrund der Nichtberücksichtigung der Hinzuverdienstgrenzen rechtswidrigen Bescheids vom 22. April 2002 grobe Fahrlässigkeit nicht bereits deshalb vor, weil sich der Kläger etwa ein Verschulden seines im vorhergegangenen Rentenbewilligungsverfahren mandatierten Rechtsanwalts zurechnen lassen müsste. Zwar ist § 166 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der allgemeine Rechtsgedanke zu entnehmen, dass derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut, sich das Wissen dieses anderen zurechnen lassen muss (Urteil des Senats vom 28. April 2006 – L 5/13 RJ 1563/97; s. a. Heinrichs in Palandt, BGB, 66. Auflage 2007, § 166 Rdnr. 6). Entscheidungserheblicher Zeitpunkt für die Kenntnis oder das Kennenmüssen der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes ist jedoch dessen Erlass (BSG SozR 3 1300 § 45 Nr. 24); diese äußere Wirksamkeit tritt mit seiner Bekanntgabe beim Betroffenen ein (§ 39 SGB X). Zum Zeitpunkt des Zugangs des Bescheids vom 22. April 2002 bei dem (zuvor im Rentenbewilligungsverfahren tätigen und für dieses Verfahren erneut mandatierten) Prozessbevollmächtigten lag eine diesem wirksam erteilte Vertretungsmacht nicht (mehr) vor, weil die im Verfahren vor dem Sozialgericht Wiesbaden erteilte Vollmacht bereits erloschen war. Das Ende der durch Rechtsgeschäft eingeräumten Vertretungsmacht bestimmt sich nach dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (§ 168 S. 1 BGB) und tritt grundsätzlich mit der Erledigung des Rechtsstreits ein, in diesem Fall mit der Annahme des (Teil-)Anerkenntnisses nach § 101 Abs. 2 SGG und der Erledigungserklärung im Übrigen (vgl. Keller/Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2005, § 73 Rdnr. 17; s. a. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl. 2007, § 87 Rdnr. 7; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 66. Aufl. 2008, § 86 Nr. 4). Nach § 170 i. V. m. § 172 BGB bleibt die Vertretungsmacht aufgrund einer gegenüber einem Dritten erteilten Vollmacht bis zu ihrer Rückgabe bzw. Kraftloserklärung zwar bestehen, jedoch handelt es sich hierbei um eine gesetzlich angeordnete Rechtsscheinhaftung (Heinrichs in Palandt, BGB, 66. Aufl. 2007, § 170 Rdnr. 1), auf die sich der Dritte bei Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis des Erlöschens der Vertretungsmacht nicht berufen kann. Das Ende des Rechtsstreits um die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente aufgrund des angenommenen Teilanerkenntnisses sowie der Erledigungserklärung im Übrigen musste der Beklagten bekannt sein.

Nichts anderes gilt für die im Verwaltungsverfahren der Beklagten vorgelegte Vollmacht. Bereits aus dem Wortlaut des § 13 SGB X Abs. 1 Satz 2 SGB X ( das Verwaltungsverfahren ) lässt sich entnehmen, dass sich auch hier eine erteilte Vollmacht lediglich auf ein bestimmtes Verwaltungsverfahren und nicht auf alle künftigen mit dem gleichen Rubrum geführten Verfahren bezieht. Dessen Reichweite wird durch die Legaldefinition nach § 8 SGB X begrenzt: Ein Verwaltungsverfahren ist die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörde, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist, mit dessen Erlass bzw. Abschluss, Kündigung oder Aufhebung es endet (Krasney in Kasseler Kommentar, Stand 1. September 2006 § 9 SGB X Rdnr. 9). Da der im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Wiesbaden, Az.: S 1 RA 249/01 angefochtene Widerspruchsbescheid nicht rechtskräftig wurde, endete die Wirkung auch dieser Vollmacht spätestens mit der Annahme des (Teil-)Anerkenntnisses am 26. Juli 2001 und der Erledigung dieses Rechtsstreits gem. § 101 Abs. 2 SGG (LSG Mainz, Urteil vom 7. Dezember 1983 – L 3 U 204/82; s. a. von Wulffen, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 13 Rdnr. 7). Eines besonderen Widerrufs bedurfte es daher entgegen der Auffassung der Beklagten nicht.

Daran ändert auch nichts der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 21. August 2002 im Rahmen des Rücknahmeverfahrens die ursprüngliche Vollmacht vom 21. November 2000 "vorsorglich nochmals" als Beleg für seine Vertretungsmacht der Beklagten übersandte. Die nachträgliche irrtümliche Annahme der Beteiligten, dass diese Prozessvollmacht nach Ende des ersten Mandatsverhältnisses im Außenverhältnis zur Beklagten nicht ihre Wirkung verloren habe, kann nicht das objektive Bestehen einer ununterbrochenen Vertretungsmacht begründen.

Schließlich kann auch nicht aus der Formulierung dieser Vollmachtmachtsurkunde vom 21. November 2000 (s. Bl.: 316 Verwaltungsakte), sie erstrecke sich auch auf Neben- und Folgeverfahren aller Art, geschlossen werden, dass die Bevollmächtigung auch für weitere Verfahren des Klägers gegenüber der Beklagten gelten könnte, da sich dies lediglich auf prozessuale Nebenstreite wie Kostenfestsetzung und Zwangsvollstreckungsverfahren bezieht, davon jedoch keine selbstständigen Streitgegenstände wie die Höhe einer dem Grunde nach bewilligten Erwerbsminderungsrente umfasst werden (vgl. § 73 Abs. 4 SGG i. V. m. § 81 ZPO).

Allerdings gilt § 166 Abs. 1 BGB nicht nur für alle rechtsgeschäftlichen bzw. gesetzlichen Vertreter, die auf Grundlage einer gültigen Vollmacht agieren, sondern in analoger Anwendung auch für sog. Wissensvertreter, die ohne Vertretungsmacht eigenverantwortlich für den Geschäftsherrn handeln (s. BGHZ 117, 104, 109; 83, 293, 301), ohne dass diese zum rechtsgeschäftlichen Vertreter oder zum Wissensvertreter ausdrücklich bestellt sein müssten (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 2004, NJW 2005, 365, 367; s. auch Schultz NJW 1990, 479 ff.). Jedoch muss sich der Geschäftsherr dieser Person dann im rechtsgeschäftlichen Verkehr wie eines Vertreters bedienen (BGHZ 117, 104, 109; BGHZ 55, 307, 312). Diese Voraussetzungen lagen im streiterheblichen Zeitpunkt ebenfalls nicht mehr vor: Bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts kommt ein Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß § 675 BGB in der Regel mit Dienstvertragscharakter (§ 627 BGB) zustande. Dies gilt sowohl für eine Dauerberatung, als auch beim sog. Mandat (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 1998, NJW 98, 3486; Sprau in Palandt, 66. Auflage, 2007, § 675 Rdnr. 19). Beendet wird der Anwaltsvertrag grundsätzlich durch die Erledigung des Auftrages, d.h. die Erreichung des Vertragszwecks (s. BGH, Urteil vom 20. Juni 1996, NJW 1996, 2929, 2930; BGH, Urteil vom 16. November 1995 – Az.: IX ZR 148/94 - veröffentlicht in Juris Rdnr. 15; OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. Oktober 2007 – Az.: I-23 U 199/06 – veröffentlicht in Juris Rdnr. 74). Insbesondere ist der Auftrag des Anwalts erledigt und damit das Vertragsverhältnis beendet, wenn von dem Rechtsanwalt keine weiteren Handlungen in Erfüllung des Auftrages mehr zu erwarten sind, wobei es entscheidend darauf ankommt, ob der Anwalt selbst seinen Auftrag als erfüllt ansieht oder nicht (s. BGH, Urteil vom 10. Oktober 1978, NJW 1979, 264; s. auch BGH, Beschluss vom 23. Januar 1963, VersR 1963, 435, 436). Spätestens aus dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 26. November 2001 (Bl.: 105 Gerichtsakte) lässt sich entnehmen, dass er zu diesem Zeitraum nach Annahme des Anerkenntnisses im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Wiesbaden – Az.: S 1 RA 249/01 – und der Erstattung der gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten seitens der Beklagten seinen Auftrag als erfüllt ansah und somit keine weitere Handlungen in Erfüllung des Auftrages mehr zu erwarten waren. Hieran ändert auch nichts die Weiterleitung von Schriftsätzen oder sonstiger Posteingänge, weil es sich hierbei um typische noch geschuldete Handlungen nach Vertragsende (post contractum finitum) handelt (vgl. BGHZ 61, 178), aus welchen weder auf ein bestehendes Vertretungsverhältnis geschlossen werden kann, noch weitergehende Prüfungspflichten, die erhöhten Zeitaufwand erfordern würden, resultieren. Da auch Wissensvertreter nur ist, wer im Rechtsverkehr als Repräsentant des Geschäftsherrn auftritt, hingegen selbst bei interner Beratung eine sinngemäße Anwendung von § 166 Abs. 1 BGB ausscheidet (BGH 117, 107, 109 m.w.N.), liegen diese Voraussetzungen ebenfalls nicht vor.

War somit bei der Beurteilung der subjektiven Fahrlässigkeit auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit allein des Klägers selbst abzustellen, ergibt sich, dass keine grobe Fahrlässigkeit bezüglich des Bescheides vom 22. April 2002 vorlag. Bezugspunkt für das grob fahrlässige Nichtwissen ist die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes und somit das Ergebnis der Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung durch die Behörde; dies folgt aus dem Wortlauf des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X. Hierfür ist jedoch Voraussetzung, dass sich die tatsächlichen oder rechtlichen Mängel aus dem Bewilligungsbescheid oder anderen Umständen ergeben und für das Einsichtsvermögen des Betroffenen ohne weiteres erkennbar sind (s. BSG, Urteil vom 8. Februar 2001, SozR 3-1300 § 45 Nr. 45 S. 153). So darf ein Antragsteller, der zutreffende Angaben gemacht hat, im Allgemeinen nicht zu Gunsten der Fachbehörde gehalten sein, Bewilligungsbescheide des näheren auf die Richtigkeit zu überprüfen, sondern darf davon ausgehen, dass eine Fachbehörde nach den für die Leistungen erheblichen Tatsachen fragt und seine wahrheitsgemäßen Angaben zutreffend umsetzt (BSG a.a.O. S. 154, vgl. auch BVerwGE 92, 81, 84). Zwar sind Sozialleistungsberechtigte grundsätzlich verpflichtet, Bewilligungsbescheide zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen, weil ansonsten die Vorschriften über Inhalt, Form, Begründung und Bekanntgabe von Verwaltungsakten gemäß den §§ 31 ff. SGB X nicht verständlich wären (BSG a.a.O. S. 154). Auch entfällt die grobe Fahrlässigkeit nicht bereits dann, wenn die wesentliche Ursache der Unrichtigkeit des Verwaltungsakts bei der Behörde liegt (Steinwedel in Kasseler Kommentar, Stand 1. September 2006, § 45 SGB X Rdnr. 40). Einem Leistungsempfänger ist jedoch immer nur dann grobe Fahrlässigkeit im Rahmen des § 45 Abs. 2 Nr. 3 SGB X vorzuwerfen, wenn der Fehler ihm bei seinen subjektiven Erkenntnismöglichkeiten aus anderen Gründen geradezu in die Augen springt. Dazu muss er aufgrund einfachster und ganz nahe liegender Überlegungen die Rechtswidrigkeit hätte erkennen können (BSGE 62, 103, 107) oder das nicht beachtet haben, was im gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen (BSG, Urteil vom 12. Februar 1980, SozR 4100 § 152 Nr. 10). Von diesen Voraussetzungen kann im Hinblick auf die komplizierte Berechnung der Hinzuverdienstgrenze, wie das Sozialgericht zutreffend erkannt hat, nicht ausgegangen werden (vgl. Schütze in von Wulffen, SGB X, § 145, 8. Auflage 2008, Rdnr. 57), insbesondere nicht bei einem Versicherten ohne abgeschlossene Berufsausbildung, dessen Beschäftigungsbiografie lediglich Tätigkeiten als Kfz-Mechaniker, Gärtner sowie als ungelernter Croupier in einer Spielbank aufweist. Diese Auffassung wird noch durch die seitens des Klägers vorgelegte Informationsbroschüre "BfA-Tipps für Rentner wegen verminderter Erwerbsfähigkeit" aus 2002 bestätigt, in welcher die Beklagte selbst ausführt, dass die Berechnung nicht einfach sei, sondern die jeweiligen Hinzuverdienstgrenzen beim zuständigen Rentenversicherungsträger erfragt werden sollten. Da ausweislich des Bescheides vom 22. April 2002 in Anlage 19 (Bl.: 235 Verwaltungsakte) die Hinzuverdienstgrenzen erst für die Zeit ab 4. April 2002 dargestellt werden, war es für den Kläger nicht ohne weiteres ersichtlich, dass auch für den Zeitraum zuvor er mit einer Anrechnung rechnen musste.

Dem gemäß war die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 11. Mai 2006 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

 

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