Landessozialgericht Hessen 14.06.2017, L 8 KR 27/16

  • Aktenzeichen: L 8 KR 27/16
  • Spruchkörper: 8. Senat
  • Instanzenaktenzeichen: S 18 KR 439/12
  • Instanzgericht: Sozialgericht Wiesbaden
  • Gericht: Hessisches Landessozialgericht
  • Entscheidungstyp: Urteil
  • Entscheidungsdatum: 14.06.2017

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Verlegungsabschlag von einer Krankenhausabrechnung.

Die Klägerin ist Trägerin der C.-Kliniken in A-Stadt, eines zugelassenen Plankrankenhaus. Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte L. (im Folgenden: L) befand sich in der Zeit vom 22. Oktober 2008 – Aufnahme um 10.30 Uhr – bis zum 24. Oktober 2008 in der Klinik für Neurologie der Klägerin zur vollstationären Behandlung wegen einer Nerveninfektion. Vorher – in der Zeit vom 1. Oktober 2008 bis 21. Oktober 2008 – war L an insgesamt 14 Tagen in der psychiatrischen Tagesklinik der Klägerin mit der Hauptdiagnose F32.2 (Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome) behandelt worden. Die teilstationäre Behandlung wurde von der Klägerin mit Rechnung vom 27. Oktober 2008 über Tagespflegesätze nach der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) abgerechnet und von der Beklagten vollständig bezahlt.

Mit Rechnung vom 3. November 2008 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Behandlungskosten für die stationäre Behandlung in der Zeit vom 22. – 24. Oktober 2008 in Höhe von 2.452,42 EUR geltend. Die Abrechnung erfolgte unter Zugrundelegung der Fallpauschale (Diagnosis Related Group) DRG B72A (Infektion des Nervensystems außer Virusmeningitis, mittlere Grenzverweildauer 6,8 Tage). Mit Schreiben vom 2. Dezember 2008 und 22. Dezember 2008 forderte die Beklagte von der Klägerin im Rahmen des Datenaustauschverfahrens eine Rechnungsänderung, weil aufgrund erfolgter Wiederaufnahme innerhalb von 24 Stunden und Unterschreitung der mittleren Grenzverweildauer ein Verlegungsabschlag vorzunehmen sei. Der Versicherte habe sich noch am 21. Oktober 2008 bis 16:00 Uhr in der Tagesklinik der Klinik für Psychiatrie der Klägerin aufgehalten.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 10. Oktober 2012 erinnerte die Beklagte an die Zahlung der Rechnung vom 3. November 2008. Hierauf zahlte die Beklagte am 22. Oktober 2012 auf die Rechnung der Klägerin einen Teilbetrag in Höhe von 1.032,14 EUR. Darüberhinausgehende Zahlungen lehnte sie mit Schreiben vom 10. Dezember 2012 endgültig ab.

Die Klägerin hat am 19. Dezember 2012 Klage zum Sozialgericht Wiesbaden erhoben. Sie hat vorgetragen, eine Verlegung des L als Voraussetzung eines entsprechenden Vergütungsabschlags nach § 3 Fallpauschalenvereinbarung (FPV) 2008 habe nicht stattgefunden. Der Versicherte sei am 21. Oktober 2008 regulär aus der psychiatrischen Tagesklinik entlassen worden. Am Folgetag, dem 22. Oktober 2008, sei es zu einer notfallmäßigen Einlieferung in die Neurologie gekommen. Hierbei handele es sich um eine neue, eigenständige Behandlung, die schon begrifflich keine Verlegung sei, da die Aufnahme in die Neurologie von niemand veranlasst worden sei. Der Anwendung der Abschlagsregelung stehe zudem entgegen, dass nach § 3 Abs. 2 Satz 2 FPV 2008 ein Verlegungsabschlag nicht vorzunehmen sei, wenn die Behandlung im verlegenden Krankenhaus nicht länger als 24 Stunden gedauert habe. Die Behandlungen in der Tagesklinik hätten jeweils weniger als 24 Stunden gedauert. In der psychiatrischen Tagesklinik würden die Entgelte nach der BPflV berechnet und nach einzelnen Behandlungstagen vergütet. Dass nach § 8 Abs. 2b FPV 2008 eine quartalsweise Fallzählung stattfinde sei für den Verlegungsabschlag unerheblich.

Die Beklagte hat entgegnet, die Rechnung sei um den Verlegungsabschlag nach § 3 Abs. 2 Satz 1 FPV 2008 zu kürzen. Eine Verlegung liege nach § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV 2008 dann vor, wenn zwischen der Entlassung aus dem vorbehandelnden Krankenhaus und der Aufnahme in einem anderen Krankenhaus nicht mehr als 24 Stunden vergangen seien. Ob diese Aufnahme durch das zuvor behandelnde Krankenhaus veranlasst worden sei oder ob dieses überhaupt Kenntnis von der erneuten Aufnahme habe, sei nach dem eindeutigen Wortlaut ohne Belang. Auch der Umstand, dass es sich bei der ersten Behandlung um eine teilstationäre, nicht über DRG-Fallpauschalen abgerechnete Behandlung gehandelt habe, ändere nichts, weil § 3 Abs. 4 Satz 1 FPV vorsehe, dass diese unterschiedlichen Entgeltbereiche innerhalb eines Krankenhauses im Fall von internen Verlegungen wie selbständige Krankenhäuser zu behandeln seien. Die einzelnen Behandlungen in der Tagesklinik vom 1. – 21. Oktober 2008 seien als eine Behandlung anzusehen, die länger als 24 Stunden gedauert habe. Auch bei einer teilstationären Behandlung bestehe ein Behandlungskonzept, welches für den gesamten Zeitraum gelte. Die Klägerin habe in der Aufnahmeanzeige für den teilstationären Aufenthalt als voraussichtliche Dauer der teilstationären Behandlung den 24. Oktober 2008 angegeben und damit selber deutlich gemacht, dass das Angebot auf längere Dauer ausgerichtet gewesen sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 28. Dezember 2015 hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 1.420,28 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.452,42 EUR vom 3. Dezember 2012 bis zum 22. Oktober 2012 und aus 1.420,28 EUR seit dem 23. Oktober 2012 zu zahlen. Die Klägerin habe die streitgegenständliche Behandlung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 FPV 2008 nach dem im Jahr 2008 geltenden Fallpauschalenkatalog auf der Grundlage der DRG-Fallpauschale G-DRG B72A (Infektion des Nervensystems außer Virusmeningitis) zu Recht ohne Verlegungsabschlag in Höhe von 2.452,42 EUR abgerechnet. Der Wechsel von der teilstationären in die vollstationäre Behandlung innerhalb eines Krankenhauses sowie der Wechsel von der vollstationären in die teilstationäre Behandlung innerhalb eines Krankenhauses stelle keine Verlegung in ein anderes Krankenhaus im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2, 3 FPV 2008 dar. Die Fallpauschalenvereinbarung 2008 unterscheide in § 1 Abs. 1 FPV 2008 zwischen der voll- und der teilstationären Behandlung in einem Krankenhaus (Satz 1) und der Verlegung in ein anderes Krankenhaus (Satz 2 und 3). In § 6 FPV 2008 werde der Wechsel von vollstationäre in teilstationäre Behandlung (Abs. 2) sowie von teilstationäre in vollstationäre Behandlung (Abs. 3) innerhalb eines Krankenhauses abschließend geregelt. Werde ein Patient an demselben Tag innerhalb des Krankenhauses von einer tagesbezogen vergüteten teilstationären Behandlung in eine vollstationäre Behandlung verlegt, könne nach § 6 Abs. 3 FPV für den Verlegungstag kein tagesbezogenes teilstationäres Entgelt berechnet werden. Dementsprechend habe die Klägerin ausweislich der Rechnung vom 27. Oktober 2008 für den 21. Oktober 2008 auch kein tagesbezogenes teilstationäres Entgelt berechnet. Eine Regelungslücke für eine analoge Anwendung der Vergütungsregeln bei Verlegungen zwischen Krankenhäusern auf die Fälle des Patientenwechsels von einer teilstationären in eine vollstationäre Behandlung innerhalb eines Krankenhauses sei unter diesen Voraussetzungen nicht ersichtlich.

Gegen den ihr am 5. Januar 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 28. Januar 2016 Berufung eingelegt.

Sie trägt vor, das Sozialgericht übersehe, dass sich § 6 FPV nur auf solche teilstationären Behandlungen beziehe, die nach teilstationären Fallpauschalen und somit nach DRG abgerechnet würden. Im vorliegenden Fall sei die vorausgegangene teilstationäre Behandlung jedoch nach den Vorgaben der BPflV über Tagespflegesätze abgerechnet worden. Für einen Wechsel zwischen den Entgeltbereichen der BPflV und des KHEntG sei daher auf die abschließenden Regelungen des § 3 FPV abzustellen. Danach lägen die Voraussetzungen für einen Verlegungsabschlag vor, weil der Versicherte weniger als 24 Stunden vor der Aufnahme im Haus der Klägerin – nämlich bis 16.00 Uhr des Vortages – in der Tagesklinik der Klägerin behandelt worden sei.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 28. Dezember 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der Beratung des Senats war, Bezug genommen. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Der Senat entscheidet über die Berufung im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 124 Abs. 2, 152 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts kann keinen Bestand haben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die streitige Restvergütung in Höhe von 1.420,28 EUR nach Maßgabe der sich aus der G-DRG B72A ergebenden Fallpauschale in Höhe von 2.452,42 EUR. Die Beklagte hat auf diese Forderung zu Recht lediglich 1.032,14 EUR gezahlt, weil die Forderung der Klägerin um den sog. Verlegungsabschlag in Höhe von 1.420,28 EUR zu reduzieren war.

Die Klägerin macht ihren Zahlungsanspruch zu Recht im Wege der echten Leistungsklage geltend. Es handelt sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, bei dem weder eines Vorverfahrens durchzuführen noch eine Klagefrist einzuhalten ist (stRsprg., vgl. etwa BSG, Urteil vom 28. November 2013 – B 3 KR 33/12 R –, SozR 4-5562 § 9 Nr. 5). Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung wie im vorliegenden Fall in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist. Die Krankenhausvergütung bemisst sich dabei, wie bereits das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat, nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage (zum Ganzen ausführlich BSG, Urteil vom 8. November 2011, B 1 KR 8/11 R, SozR 4-5560 § 17b Nr. 2 RdNr. 14 ff.; BSG, Urteil vom 6. März 2012 – B 1 KR 15/11 R –, juris Rn. 9).

Im vorliegenden Fall ist die auf der Grundlage von § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) für das Jahr 2008 vertraglich vereinbarte FPV 2008 maßgeblich. Nach § 1 Abs. 1 S. 1 FPV 2008 werden Fallpauschalen jeweils von dem die Leistung erbringenden Krankenhaus nach dem am Tag der voll- oder teilstationären Aufnahme geltenden Fallpauschalen-Katalog und den dazu gehörenden Abrechnungsregeln abgerechnet. Im Fall der Verlegung in ein anderes Krankenhaus rechnet jedes beteiligte Krankenhaus eine Fallpauschale ab (Satz 2), die jedoch nach Maßgabe von § 3 FPV 2008 gemindert wird (Satz 3). Eine Verlegung im Sinne des Satzes 2 liegt vor, wenn zwischen der Entlassung aus einem Krankenhaus und der Aufnahme in einem anderen Krankenhaus nicht mehr als 24 Stunden vergangen sind (Satz 4). Ein solcher Verlegungsfall liegt hier vor.

Die Minderung der Fallpauschale nach Maßgabe von § 1 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 3 Abs. 2 FPV 2008 scheitert nicht daran, dass es sich vorliegend nicht um eine Verlegung zwischen zwei verschiedenen Krankenhäusern, sondern um eine interne Verlegung innerhalb eines Krankenhauses handelt, weil die Behandlung des Patienten L in der psychiatrischen Tagesklinik und die Behandlung in der Neurologie nur auf verschiedenen Stationen ein und desselben Krankenhauses der Klägerin stattfand. Denn die Vorschrift des § 2 FPV 2008 über "Wiederaufnahmen in dasselbe Krankenhaus" ist in diesem Fall nicht einschlägig. Nach § 2 Abs. 1 FPV 2008 hat das Krankenhaus eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale vorzunehmen, wenn 1. ein Patient oder eine Patientin innerhalb der oberen Grenzverweildauer ( ) wiederaufgenommen wird und 2. für die Wiederaufnahme eine Einstufung in dieselbe Basis-DRG vorgenommen wird. Gleiches gilt nach Abs. 2, wenn 1. ein Patient oder eine Patientin innerhalb von 30 Kalendertagen ab dem Aufnahmedatum des ersten unter diese Vorschrift zur Zusammenfassung fallenden Krankenhausaufenthalts wieder aufgenommen wird und 2. innerhalb der gleichen Hauptdiagnosegruppe die zuvor abrechenbare Fallpauschale in die "medizinische Partition" oder die "andere Partition" und die anschließende Fallpauschale in die "operative Partition" einzugruppieren ist. Die Fallzusammenfassung im Fall der Wiederaufnahme in dasselbe Krankenhaus setzt damit stets voraus, dass sowohl die Behandlung in der abgebenden Abteilung des Krankenhauses als auch die Behandlung in der aufnehmenden Abteilung unter das Vergütungsregime der DRG fällt. Daran fehlt es vorliegend. Die psychiatrische Tagesklinik der Klägerin rechnete entsprechend den gesetzlichen Vorgaben die Behandlung des L bis zum 21. Oktober 2008 auf der Grundlage der BPflV nach dem Tagespflegesatz für teilstationäre Behandlungen ab, während für die Behandlung auf der Neurologie das Vergütungsregime der DRG-Fallpauschalen maßgeblich war.

Für diese Konstellation haben die Vertragsparteien der FPV 2008 eine Sonderregelung in § 3 Abs. 4 FPV 2008 getroffen: Ist in einem Krankenhaus neben dem Entgeltbereich der DRG-Fallpauschalen einerseits noch ein Entgeltbereich nach der Bundespflegesatzverordnung oder für besondere Einrichtungen nach § 17b Abs. 1 Satz 15 KHG andererseits vorhanden, sind diese unterschiedlichen Entgeltbereiche im Fall von internen Verlegungen wie selbständige Krankenhäuser zu behandeln. Die Vorschrift des § 3 Abs. 4 FPV 2008 fingiert damit für den Fall, dass innerhalb eines Krankenhauses verschiedene Vergütungsregime gelten, die jeweiligen Abteilungen als eigenständige Krankenhäuser und unterwirft sie insoweit den bei Verlegungen zwischen selbständigen Krankenhäusern geltenden Abschlagsregelungen.

Im Fall des Patienten L hat i.S.v. § 1 Abs. 1 FPV 2008 eine Verlegung stattgefunden, die zur Anwendung der Abschlagsregelung nach § 3 Abs. 2 Satz 1 FPV 2008 führt.

Hierbei ist nach der Rsprg. des Bundessozialgerichts (BSG), der sich der erkennende Senat anschließt, eine streng wortlautbezogene Auslegung erforderlich. Die Abrechnungsbestimmungen der FPV 2008 sind wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (§ 17b Abs. 2 Satz 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (stRsprg., vgl. etwa BSG, Urteil vom 6. März 2012 – B 1 KR 15/11 R –, juris Rn. 17).

Der Wortlaut von § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV 2008 stellt klar, dass eine Verlegung immer vorliegt, wenn einer Entlassung aus einem Krankenhaus binnen 24 Stunden die Aufnahme in einem anderen Krankenhaus folgt. Der Begriff der Verlegung ist damit für den Bereich der Fallpauschalenvergütung allein durch ein zeitliches Moment bestimmt, nämlich Entlassung aus und Neuaufnahme in einem (anderen) Krankenhaus innerhalb 24 Stunden. Der Wortlaut knüpft gerade nicht an den allgemeinen Sprachgebrauch an, der unter einer Verlegung ein zielgerichtetes Tun versteht im Sinne von "(jemanden, etwas) von einem bisher innegehabten Ort an einen anderen Ort legen" (so die Definition im Duden).

Dieses Normverständnis ist allerdings nicht unbestritten. Nach anderer Auffassung liegt eine Verlegung i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV 2008 nur vor, wenn zum Zeitpunkt der Entlassung des Versicherten die Krankenhausbehandlung zumindest vorläufig als abgeschlossen anzusehen ist, also wenn Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit des Patienten zu diesem Zeitpunkt noch fortbesteht (Thüringer LSG, Urteil vom 28. August 2012 – L 6 KR 295/11 –, juris Rn. 23 ff.). Entsprechend argumentiert die Klägerin, wenn sie geltend macht, eine neue und eigenständige Behandlung, wie sie im Fall des Versicherten L ab dem 22. Oktober 2008 in der Neurologie stattgefunden habe, könne schon begrifflich keine Verlegung sein, da die Aufnahme in die Neurologie von niemand veranlasst worden sei.

Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Für ein Normverständnis, wonach der Begriff der Verlegung in § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV 2008 schon – im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs – vorausgesetzt wird und die Norm lediglich noch einen zeitlichen Rahmen festlegt, gibt der Wortlaut der Vorschrift keinen Anhalt. Vielmehr wird der Begriff der Verlegung hier definiert ("Eine Verlegung im Sinne des Satz 2 liegt vor, wenn "). Insoweit ist auch kein Gesichtspunkt ersichtlich, der es den Vertragsparteien verbieten könnte, zum Zweck der Abrechnungserleichterung eine solche vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichende Begriffsbestimmung vorzunehmen. Im Gegenteil erfüllt eine solche Regelung, die für die Annahme einer Verlegung allein an ein eindeutig definiertes zeitliches Moment (Aufnahme in dem anderen Krankenhaus innerhalb von 24 Stunden) anknüpft, im Massengeschäft der Krankenhausabrechnungen das Anliegen nach klaren und handhabbaren Abrechnungsbestimmungen, weil Aufnahmedatum und -Zeit unmittelbar aus den übermittelten Krankenhausdaten hervorgehen. Demgegenüber würde § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV 2008 in der Auslegung der Klägerin zu einer Vielzahl von Zweifelsfragen und Abgrenzungsschwierigkeiten führen, da jeweils im Einzelfall zu klären wäre, ob die Aufnahme in das zweite Krankenhaus durch das erste Krankenhaus veranlasst worden ist. Bei einer durch das erste Krankenhaus zweckgerichtet veranlassten Aufnahme in ein weiterbehandelndes Krankenhaus wäre auch wenig einsichtig, weshalb dies nur dann als Verlegung gelten soll, wenn die Aufnahme innerhalb von 24 Stunden erfolgt, nicht dagegen, wenn z.B. eine Wochenendbeurlaubung dazwischen liegt.

Systematische Betrachtungen führen zu keinem anderen Ergebnis. Die FPV 2008 zeigt an keiner Stelle, dass sie den Begriff der Verlegung davon abhängig macht, dass zwischen zwei Krankenhausaufenthalten eine fortlaufende Behandlungsbedürftigkeit bestand.

Hiernach hat im vorliegenden Fall eine Verlegung stattgefunden. Der Versicherte L wurde am 21. Oktober 2008 bis 16.00 Uhr in der psychiatrischen Tagesklinik behandelt und innerhalb von 24 Stunden, nämlich am 22. Oktober 2008 um 10.30 Uhr morgens, in der Neurologie der Klägerin aufgenommen.

Die Voraussetzungen für einen Verlegungsabschlag nach § 3 Abs. 2 Satz 1 FPV 2008 sind erfüllt. Nach dieser Norm ist im Falle einer Verlegung aus einem anderen Krankenhaus von dem aufnehmenden Krankenhaus ein Abschlag entsprechend den Vorgaben des Absatzes 1 vorzunehmen, wenn die im Fallpauschalen-Katalog ausgewiesene mittlere Verweildauer im aufnehmenden Krankenhaus unterschritten wird. Die mittlere Verweildauer der DRG B72A beträgt 6,8 Tage. Die Behandlung des Versicherten L ab dem 22. Oktober 2008 umfasste lediglich vier Tage.

Die Ausnahmeregelung in § 3 Abs. 2 Satz 2 FPV 2008 greift nicht ein. Danach ist im aufnehmenden Krankenhaus kein Verlegungsabschlag vorzunehmen, wenn die Behandlung im verlegenden Krankenhaus nicht länger als 24 Stunden umfasste. Dieser Fall wäre gegeben, wenn man als "Behandlung" des L in der psychiatrischen Tagesklinik der Klägerin allein den 21. Oktober 2008 ansehen würde. Richtigerweise ist aber auf den gesamten Behandlungszeitraum in der psychiatrischen Tagesklinik vom 1.-21. Oktober 2008 abzustellen.

Nach Wortlaut und Regelungssystem greift der Ausschluss eines Verlegungsabschlags beim aufnehmenden Krankenhaus gemäß § 3 Abs. 2 S 2 FPV 2008 ein, wenn die eigenständig als ein Fall nach den Abrechnungsvorschriften abzurechnende Behandlung im verlegenden Krankenhaus nicht mehr als 24 Stunden dauert. Die "Behandlung" in diesem Sinne kann auch mehrere, zeitlich durch Aufnahme, Entlassung und Wiederaufnahme voneinander getrennte Behandlungsabschnitte im verlegenden Krankenhaus umfassen. Die Regelung über Abschläge in § 3 FPV ergänzt die allgemeinen Bestimmungen der §§ 1 und 2 FPV. Ihnen ist gemeinsam, als "Behandlung" die abzurechnende Einheit zu verstehen. § 1 Abs. 1 S. 1 FPV sieht zunächst jeden zeitlich ununterbrochenen vollstationären oder teilstationären Krankenhausaufenthalt jeweils als einen abzurechnenden Fall an. Nach § 1 Abs. 1 FPV bleibt es auch dann bei einer Behandlung, wenn sie durch Beurlaubung unterbrochen wird. Wann im Übrigen eine Behandlung bei einer Mehrheit von Behandlungsabschnitten vorliegt, regelt § 2 FPV ("Wiederaufnahme in dasselbe Krankenhaus"). Er bestimmt im Einzelnen, unter welchen Voraussetzungen eine Mehrheit von Behandlungsabschnitten zu einem Fall als einer abrechnungstechnischen selbstständigen Behandlung zusammenzufassen oder als eine Mehrheit selbstständiger Behandlungen abzurechnen ist. § 3 Abs. 1 und § 3 Abs. 2 Satz 1 FPV knüpfen hieran an. § 3 FPV unterscheidet nicht zwischen der einmaligen, nicht unterbrochenen Behandlung und den zu einer Behandlung zusammengefassten, zeitlich voneinander getrennten mehreren Behandlungsabschnitten. Die Regelungen über die Berechnung des Verlegungsabschlags und seinen Ausschluss betreffen unterschiedslos alle Varianten einer selbstständigen Behandlung, eben die "Behandlung". Dementsprechend erfasst § 3 Abs. 2 Satz 2 FPV als Ausnahmen vom Verlegungsabschlag nur Fälle, in denen "die Behandlung im verlegenden Krankenhaus nicht länger als 24 Stunden" dauert. Das sind Konstellationen, in denen das verlegende Krankenhaus erstmalig einen Patienten aufnimmt, ununterbrochen weniger als 24 Stunden tatsächlich behandelt und anschließend verlegt, oder in denen es einen Patienten zunächst behandelt, sodann entlässt, ihn wiederaufnimmt und anschließend binnen 24 Stunden verlegt, wenn die Voraussetzungen für die Zusammenfassung dieser Behandlungsabschnitte nach § 2 FPV nicht erfüllt sind. Bilden mehrere Behandlungsabschnitte beim verlegenden Krankenhaus dagegen eine abrechenbare Behandlung im Rechtssinne, schließt § 3 Abs. 2 S 2 FPV einen Verlegungsabschlag nach § 3 Abs. 2 S 1 FPV auch dann nicht aus, wenn der letzte Behandlungsabschnitt im verlegenden Krankenhaus mit einer tatsächlichen Verweildauer von weniger als 24 Stunden verknüpft war (BSG, Urteil vom 6. März 2012 – B 1 KR 15/11 R –, juris Rn. 17 ff.).

Hiervon ausgehend dauerte die Behandlung des Versicherten in der psychiatrischen Tagesklinik der Klägerin länger als 24 Stunden. Die teilstationäre Behandlung begann am 1. Oktober 2008 und dauerte als ein Behandlungsfall im Rechtssinne bis zum 21. Oktober 2008 an. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten gab die Klinik der Klägerin bereits in der Aufnahmeanzeige einen vorgesehenen teilstationären Aufenthalt des L bis zum 24. Oktober 2008 an. Tatsächlich wurde L in dem Zeitraum vom 1. - 21. Oktober 2008 an fast jedem Werktag in der Tagesklinik behandelt. Die Behandlung erfolgte durchgehend und ausschließlich wegen der Diagnose F2.2 (Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome). Entsprechend dem Charakter eines einheitlichen Behandlungsfalls hat die Klägerin über den Behandlungszeitraum auch nur eine Rechnung erteilt. Auch nach Maßgabe der Fallzählungsvorschrift des § 8 Abs. 2 FPV 2008 hat es sich damit nur um einen Fall gehandelt. Diese Vorschrift bestimmt in Abs. 2 Nr. 2 b): Bei Abrechnung von tagesbezogenen teilstationären Entgelten wird für jeden Patienten, der wegen derselben Erkrankung regelmäßig oder mehrfach behandelt wird, je Quartal ein Fall gezählt.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts steht einer Anwendung der Regelungen über die Vergütungsminderung bei Verlegungen auch nicht die Vorschrift des § 6 FPV 2008 entgegen, die Einzelheiten der Vergütung von teilstationären Behandlungen regelt. Die vom Sozialgericht herangezogene Vorschrift des § 6 Abs. 3 FPV 2008 lautet: Wird ein Patient an demselben Tag innerhalb des Krankenhauses von einer tagesbezogen vergüteten teilstationären Behandlung in eine vollstationäre Behandlung verlegt, kann für den Verlegungstag kein tagesbezogenes teilstationäres Entgelt abgerechnet werden.

Diese Regelung besagt lediglich, dass bei einer internen Verlegung das Krankenhaus nicht berechtigt ist, für den Verlegungstag ein tagesbezogenes teilstationäres Entgelt abzurechnen. Sie zielt damit auf die Verhinderung der Doppelabrechnung ein und desselben Behandlungstages. Daraus kann schon mangels jedweder Anhaltspunkte im Wortlaut nicht gefolgert werden, die Vertragsparteien hätten mit dieser Regelung eine Anwendung der Regelungen über Vergütungsminderungen bei Verlegungsfällen ausschließen wollen. Im Übrigen ist die Regelung des § 6 Abs. 3 FPV 2008 vorliegend schon tatbestandlich nicht einschlägig, da sie eine Verlegung an "demselben Tag" voraussetzt. Hier fand die teilstationäre Behandlung des L aber zuletzt am 21. Oktober 2008 statt; seine stationäre Aufnahme in der Neurologie erfolgte am 22. Oktober 2008.

Mithin war die Beklagte berechtigt, die Abrechnung der Klägerin um den nach § 3 Abs. 1 FPV 2008 berechneten – zwischen den Beteiligten in der Höhe unstreitigen – Verlegungsabschlag zu kürzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a SGG, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung, die Streitwertfestsetzung auf §§ 63 Abs. 2, 54 Abs. 2 Gerichtskostengesetz.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Zwar handelt es sich bei der FPV 2008 um ausgelaufenes Recht, die betreffenden Regelungen gelten jedoch auch nach den neuen Fallpauschalenvereinbarungen unverändert fort.

 

Die Veröffentlichung dieses Beschlusses erfolgt nach ausdrücklicher Genehmigung durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main. Eine Nutzung dieses Urteils von Sozialversicherung-kompetent.de zur gewerblichen Nutzung ist untersagt.

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