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Landessozialgericht Hessen 10.08.2017, L 1 KR 458/16

  • Aktenzeichen: L 1 KR 458/16
  • Spruchkörper: 1. Senat
  • Gericht: Hessisches Landessozialgericht
  • Entscheidungstyp: Urteil
  • Entscheidungsdatum: 17.12.2009
  • 1. Instanz: Sozialgericht Darmstadt
  • Aktenzeichen 1. Instanz: S 18 KR 376/15

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für eine lokoregionale Elektro-Tiefenhyperthermiebehandlung (EHT) mit Infusionstherapie.

Der 1977 geborene und bei der Beklagten versicherte Kläger litt an einem Rectum Karzinom im Stadium T3 (cT3 cN+ M0), welches im April 2013 erstmals diagnostiziert wurde. Der Kläger unterzog sich einer neoadjuvanten Radiochemotherapie von Juni 2013 bis August 2013. Im Oktober 2013 wurde der Tumor in der Universitätsmedizin Mannheim operiert. Postoperativ wurde bei dem Kläger von Dezember 2013 bis April 2014 eine adjuvante Chemotherapie durchgeführt. Von Juli 2013 bis August 2014 erfolgte eine Behandlung des Klägers mit einer lokoregionalen Elektro-Tiefenhyperthermie (EHT) mit Infusionstherapie (Aminosäuren und Amygdalin).

Am 28. Oktober 2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Beifügung von Rechnungen von Dr. phil. C., Heilpraktiker, vom 1. Juli 2013, vom 30. Juli 2013, vom 30. August 2013, vom 1. Oktober 2013, vom 29. Oktober 2013, vom 20. Dezember 2013, vom 30. Januar 2014, vom 1. Juli 2014, vom 1. August 2014 und vom 1. September 2014 und medizinischen Unterlagen aus der Universitätsmedizin Mannheim vom 27. August 2013 und vom 23. September 2013 nebst Unterlagen der Radiologischen Kooperation D. vom 25. Juli 2014 und vom 29. Juli 2014 eine Kostenbeteiligung für die Hyperthermiebehandlung und die Infusionstherapie. Zur Begründung wies er darauf hin, dass er sich nach Erhalt der Diagnose nach eingehender Recherche dazu entschieden habe, bereits vor der Operation die lokale Hyperthermie und Infusionstherapie zu nutzen. Mit Bescheid vom 6. Januar 2015 lehnte die Beklagte eine Kostenerstattung ab. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 16. Januar 2015 mit der Begründung Widerspruch, dass Kliniken (u.a.: die BioMed-Klinik in Bad Bergzabern, die Uniklinik Erlangen und die Uniklinik Düsseldorf) existierten, bei denen die Hyperthermie stationär angeboten werde und die Kosten dann von verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen übernommen würden. Insofern sei die ambulante Behandlung in der Onkologischen Schwerpunktpraxis bei Dr. C. viel kostengünstiger. Zudem läge mit seiner Krebserkrankung eine lebensbedrohliche Erkrankung vor, bei der auch Behandlungen außerhalb des Leistungskatalogs erstattungspflichtig seien. Auf die Anforderung der Beklagten legte der Kläger u.a. medizinische Unterlagen des Transfusionsmedizinischen Zentrums Bayreuth vom 24. Juni 2014, aus der Universitätsmedizin Mannheim vom 14. Mai 2013, vom 15. Mai 2013, vom 12. August 2013, vom 27. August 2013, vom 28. August 2013, vom 23. September 2013, vom 16. Oktober 2013, vom 25. Oktober 2013, vom 28. Oktober 2013, vom 30. Oktober 2013, vom 8. November 2013, vom 13. November 2013, vom 20. November 2013, vom 27. November 2013, vom 5. Dezember 2013, vom 5. Mai 2014, vom 27. Mai 2014, aus dem Institut für angewandte Pathologie Speyer vom 30. April 2013, von Dr. E. vom 29. April 2013 und einen Kostenübernahmeantrag zur Vorlage bei der Krankenkasse mit der Bitte um Einzelfallentscheidung für eine lokoregionale Elektro-Tiefenhyperthermiebehandlung (EHT) von Dr. phil. C. vom 27. Juni 2013 vor und beantragte unter dem 16. Februar 2015 eine Kostenübernahme für die Hyperthermie- und Infusionstherapie auch für künftige Behandlungen in 2015. Nach Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vom 18. März 2015, Dres. F. und G., lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24. März 2015 eine Kostenübernahme für die Hyperthermie- und Infusionstherapie ab und wies den Widerspruch des Klägers vom 16. Januar 2015 mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 2015 zurück. Der Kläger hätte sich vor der Durchführung der Hyperthermiebehandlung und der Infusionstherapie mit der Krankenkasse in Verbindung setzen und deren Entscheidung abwarten müssen, sodass vorliegend bereits der so genannte Beschaffungsweg von dem Kläger nicht eingehalten worden sei. Bei der Hyperthermiebehandlung handele es sich zudem um eine neue Behandlungsmethode, die grundsätzlich nur dann erbracht werden könne, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Empfehlung in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) aufgenommen habe. Der Gemeinsame Bundesausschuss habe in seiner Richtlinie zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztlicher Versorgung) in der Fassung vom 17. Januar 2006, zuletzt geändert am 20. November 2014, die Hyperthermiebehandlung aber gerade ausgeschlossen. Die entsprechende Leistung stelle daher keinen Bestandteil des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung dar. Ausweislich des Gutachtens des MDK sei die außervertraglich durchgeführte Infusionstherapie mit Amygdalin und Aminosäuren durchgeführt worden. Amygdalin gelte als bedenklich einzustufendes Arzneimittel, das nicht in Verkehr gebracht werden dürfe und mangels Verkehrsfähigkeit von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sei, § 5 Abs. 1 Arzneimittelgesetz.

Gegen den dem Kläger am 18. Juni 2015 zugestellten Widerspruchsbescheid hat dieser am 20. Juli 2015 (Montag) Klage zum Sozialgericht Darmstadt erhoben und zur Begründung darauf hingewiesen, dass vorliegend aufgrund der ärztlichen Feststellungen zu Art, Schwere und Ausprägung der Erkrankung sowie der Dringlichkeit der Behandlung ein Zuwarten bezüglich der streitgegenständlichen Behandlung zu einer nicht unerheblichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes geführt hätte. Zudem sei die Möglichkeit der Erstattung für Hyperthermiebehandlungen mittlerweile auch in der Rechtsprechung anerkannt. Zur Bestätigung seines Vorbringens hat der Kläger ärztliche Atteste von Dr. phil. C. vom 16. März 2016 und Dr. H. vom 14. April 2016 vorgelegt. Die Beklagte hat im Klageverfahren an ihrer Rechtsauffassung, dass eine Kostenerstattung für die Hyperthermie- und die Infusionsbehandlungen des Klägers nicht in Betracht käme, festgehalten. Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 17. August 2016 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die für zutreffend befundenen Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 2015 Bezug genommen und ergänzend darauf hingewiesen, dass sich aus den vorliegenden Unterlagen keine Behandlungsdringlichkeit ergebe, sodass der Kläger durchaus in der Lage gewesen wäre, zunächst bei der Beklagten die Leistung zu beantragen.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 29. August 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 29. September 2016 bei dem Sozialgericht Darmstadt Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung weist er erneut darauf hin, dass es ihm aus medizinischen Gründen nicht mehr möglich oder zumutbar gewesen sei, vor der Beschaffung der streitgegenständlichen Therapien die Beklagte über den Beschaffungswunsch entscheiden zu lassen. Auch das Landessozialgericht Bayern habe in einem vergleichbaren Fall die Krankenkasse zur Gewährung von ambulanten hyperthermischen Behandlungen in Form der regionalen Tiefenhyperthermie verpflichtet (Landessozialgericht Bayern, Beschluss vom 10. August 2011, L 4 KR 206/11 B ER).

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. August 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2015 zu verurteilen, ihm die Kosten für die im Zeitraum von Juli 2013 bis August 2014 erfolgten lokoregionalen Elektro-Tiefenhyperthermiebehandlungen (EHT) mit Infusionstherapie (Aminosäuren und Amygdalin) in Höhe von 12.260,31 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

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