Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 129 SGB V auf Vergütung liposomalen Doxorubicins für die Behandlung der Patientin C. von Februar bis Juli 2009.
Ein solcher Anspruch ergibt sich nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 3 KR 13/08 R, BSGE 105, 157) unmittelbar aus § 129 SGB V i.V.m. dem Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband e.V. in der Fassung vom 17.01.2008, dem Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen vom 30.10.1998 i.d.F. vom 01.01.2006 und dem Arzneilieferungsvertrag gemäß § 129 Abs. 5 S. 1 SGB V zwischen dem Hessischen Apothekerverband e.V. und den Hessischen Landesverbänden der Krankenkassen vom 01.04.2008.
Erforderlich ist hierfür die Abgabe des Arzneimittels entsprechend den gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben, insbesondere § 3 des Hessischen Arzneilieferungsvertrages. Nach dessen Abs. 1 erfolgt die Abgabe zu Lasten der Krankenkasse aufgrund einer ordnungsgemäß ausgestellten ärztlichen Verordnung. Ob die Herstellung und Lieferung des Zytostatikums durch die Krankenhausapotheke als Abgabe des Arzneimittels durch die Klägerin gewertet werden kann, braucht hier nicht entschieden zu werden (1.). Denn jedenfalls erfolgte sie nicht aufgrund einer ordnungsgemäß ausgestellten ärztlichen Verordnung (2.). Deshalb kann auch offen bleiben, ob eine nachträgliche Korrektur des verordneten Medikaments von "schlichtem" Doxorubicin in liposomales Doxorubicin zulässig wäre (3.).
Die Abgabe eines Arzneimittels erfolgt grundsätzlich in den Räumen der Apotheke (s. § 17 Abs. 1a Apothekenbetriebsordnung). Für Zytostatika sieht § 11 Abs. 2 Apothekengesetz vor, dass eine öffentliche Apotheke diese unmittelbar an den anwendenden Arzt abgeben kann. Die Bestimmung betrifft nach ihrem Wortlaut ausschließlich anwendungsfertige Zytostatika, die in der öffentlichen Apotheke im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt worden sind. In der Praxis tritt außerdem die Situation auf, dass eine öffentliche Apotheke diese Zytostatika nicht selbst herstellt, sondern ihrerseits eine andere Apotheke – entweder eine öffentliche oder eine Krankenhausapotheke – mit der Herstellung beauftragt. Von den für die Apothekenaufsicht zuständigen Regierungspräsidien wird – wie hier – darüber hinaus auch toleriert, dass die "abgebende" öffentliche Apotheke tatsächlich das Arzneimittel gar nicht abgibt, sondern die herstellende Apotheke auch mit dem direkten Transport des Zytostatikums an den anwendenden Arzt beauftragt. Die Krankenkassen akzeptieren diese apothekenrechtliche Abgabepraxis, wenn entsprechende Tolerierungen der zuständigen Regierungspräsidien bestehen.
Angesichts des klaren apothekenrechtlichen Regulierungsregimes, das die Belieferung ambulanter Chemotherapiepraxen den öffentlichen Apotheken vorbehält, bestehen zwar Zweifel, ob diese Praxis die gesetzlichen Vergütungsanforderungen des § 129 SGB V erfüllt. Dies kann hier aber dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls müssten in diesen Konstellationen für die Geltendmachung eines Vergütungsanspruchs die Voraussetzungen eingehalten worden sein, die für den tolerierten Versorgungsweg von den Beteiligten und den Aufsichtsbehörden aufgestellt wurden.
Es bestehen Zweifel daran, dass für die Herstellung des Zytostatikums für die Patientin C. eine schriftliche Beauftragung der Krankenhausapotheke durch die Klägerin vorlag, so wie dies in der Vereinbarung vom 23.12.2008/08.01.2009 zwischen der Klägerin und dem Krankenhaus vorgesehen ist. Zwar hat die Klägerin dies auch in der mündlichen Verhandlung vorgetragen. Allerdings ist die Abfolge des tatsächlichen Geschehens anhand der in den Akten befindlichen und im Termin vorgelegten Faxe nicht nachvollziehbar. Zwischen dem Eingang des Faxes für den vierten Behandlungszyklus von der Praxis für ambulante Chemotherapie bei der Klägerin und dem Zeitpunkt, für den die Herstellung auf dem Patientenaufkleber vermerkt ist, liegen nur 52 Minuten. Da die Überprüfung durch die Klägerin ca. eine halbe Stunde in Anspruch nimmt, bliebe der Krankenhausapotheke weniger als eine halbe Stunde für die Herstellung, wenn sie erst nach der Beauftragung durch die Klägerin damit beginnen würde. Auch für die anderen Behandlungszyklen sind die Zeitfenster zwischen Faxeingang des Anforderungsscheins bei der Klägerin und Fertigstellung des Zytostatikums in der Krankenhausapotheke ähnlich kurz. Nach dem Allgemeinen Ablaufplan der Vereinbarung vom 23.12.2008/08.01.2009 ist zur Beschleunigung der Beauftragung der Herstellerapotheke der parallele Faxversand des Anordnungsbogens direkt von der Praxis an die Krankenhausapotheke vorgesehen.
Einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts bedurfte es jedoch nicht. Denn auch dann, wenn man die Herstellung und den Transport des Zytostatikums durch die Krankenhausapotheke der Klägerin als Arzneimittelabgabe zurechnet, scheitert ein Vergütungsanspruch daran, dass diese Abgabe nicht aufgrund einer ordnungsgemäß ausgestellten ärztlichen Verordnung i.S.d. § 3 Hessischer Arzneiliefervertrag erfolgte.
Unstreitig lag der Klägerin zum Zeitpunkt der Herstellung und Lieferung des Zytostatikums keine Verordnung entsprechend dem Hessischen Arzneiliefervertrag vor, sondern der Anforderungsschein. Zwar mag es sein, dass für die Herstellung eines Zytostatikums Informationen notwendig sind, die auf dem Muster für ärztliche Verordnungen keinen Platz finden. Deshalb mag die Versendung des Anforderungsscheins seine Berechtigung haben. Allerdings kann dieser die ärztliche Verordnung allenfalls ergänzen, nicht ersetzen.
Die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ausschließlich aufgrund einer ärztlichen Verordnung ist bereits arzneimittelrechtlich geboten. Ob arzneimittelrechtlich auch ein Anforderungsschein genügt, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn für die Vergütung ist die aus dem Sachleistungsprinzip und der öffentlich-rechtlichen Vergütungsstruktur zwischen Apothekern und Krankenkassen folgende Bindung der Abgabe an eine ordnungsgemäß ausgestellte Verordnung konstitutiv. Denn mit dieser Verordnung konkretisiert der Vertragsarzt das Rahmenrecht des Versicherten auf Arzneimittelversorgung (BSGE 105, 157). Erst auf dieser Grundlage kann die Apotheke durch die Abgabe des Arzneimittels unmittelbar die Krankenkasse zur Zahlung verpflichten. § 3 Hessischer Arzneiliefervertrag regelt die Abgabe von Arzneimitteln im Detail. Aus den Einzelbestimmungen wird deutlich, dass stets die Verordnung bei der Abgabe bereits vorliegen muss. Indirekt wird dies auch durch § 3 Abs. 8 Hessischer Arzneiliefervertrag deutlich. Bei Vorlage eines Privatrezeptes ist der Versicherte berechtigt, das Privatrezept innerhalb eines Monats in eine ordnungsgemäße Verordnung umzutauschen und dadurch die Krankenkasse zur Vergütung für das bereits zuvor aufgrund des Privatrezeptes abgegebene Arzneimittel zu verpflichten. Es handelt sich hier um eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass bei Abgabe die ordnungsgemäße Verordnung vorliegen muss. Daher besteht aber neben dieser geregelten Ausnahme kein Raum für weitere Abweichungen vom Arzneiliefervertrag. Vielmehr stünde es eben den Partnern dieses Vertrages zu, etwa für die ambulante Chemotherapie eine weitere Ausnahme vorzusehen. Entsprechende besondere Vereinbarungen wurden auf Bundesebene mit dem Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitung von Stoffen (sog. Hilfstaxe) vorgenommen. Sie enthalten aber keinen Verzicht darauf, dass die ordnungsgemäße Verordnung bei Abgabe vorliegen muss.
Die Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Krankenhaus vom 23.12.2008/08.01.2009, die nach dem dort beigefügten allgemeinen Ablaufplan vorsieht, dass das Rezept nach der Applikation in der Praxis ausgestellt wird, vermag hieran nichts zu ändern. Denn einzelne Apotheker können nicht durch Verträge mit Dritten Krankenkassen unter abweichenden Bedingungen als im Arzneilieferungsvertrag vorgesehen zur Vergütung verpflichten. Daher konnte auch die Klägerin nicht durch die Vereinbarung mit dem Krankenhaus ihre Pflichten gegenüber der Beklagten aus dem Arzneilieferungsvertrag abbedingen.
Es bedarf daher auch keiner weiteren Erörterung, ob die nachträglich ausgestellte Verordnung durch bzw. aufgrund eines Schreibens des verordnenden Arztes korrigiert werden konnte. § 3 Hessischer Arzneilieferungsvertrag sieht verschiedene Korrekturmöglichkeiten von ärztlichen Verordnungen durch den Arzt oder Apotheker vor. Stets sind die Korrekturen auf der Verordnung selbst und vor der Abrechnung vorzunehmen. Nach Übersendung der Verordnungsblätter zur Abrechnung sind diese Korrekturen nicht mehr möglich. Entsprechendes gilt auch nach der Vereinbarung über die Übermittlung von Daten im Rahmen der Arzneimittelabrechnung gemäß § 300 SGB V zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband e.V. Diese Formalisierung ist angesichts der Herausforderungen eines Massenverfahrens zulässig. Dass die Patientin – unstreitig – liposomales Doxorubicin erhalten hat und auch die Annahme, dass dieses und nicht das "einfache" Doxorubicin medizinisch indiziert war, vermag hieran nichts zu ändern. Denn der leistungskonkretisierende Charakter der ärztlichen Verordnung (vgl. BSGE 105, 157) bleibt gleichwohl bestehen. Wegen der auch womöglich sachlich unzutreffenden – Verordnung von Prof. Dr. E. hatte die Patientin nur einen Leistungsanspruch auf "einfaches" Doxorubicin und die Krankenkasse muss entsprechend nur dieses vergüten. Dass die Patientin tatsächlich ein anderes Arzneimittel erhalten hat, als auf der ärztlichen Verordnung angegeben, beruht hier gerade auf dem Umstand, dass die Herstellung des Zytostatikums gar aufgrund der ärztlichen Verordnung, sondern aufgrund des Anforderungsscheins erfolgte. Die Maßgabe, dass die vergütungswirksame Abgabe des Arzneimittels stets aufgrund einer ärztlichen Verordnung zu erfolgen hat (s.o. unter 2.), erhält gerade hierdurch nochmals ihre Berechtigung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Revision wird zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Bisher liegt keine höchstrichterliche Entscheidung dazu vor, dass auch für Zytostatika die abrechnungsfähige ordnungsgemäße Verordnung bereits bei ihrer Abgabe vorliegen muss.
Der Streitwert bestimmt sich aus § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.
Die Veröffentlichung des Urteils erfolgt nach ausdrücklicher Genehmigung durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main. Eine Nutzung dieses Urteils von Sozialversicherung-kompetent.de zur gewerblichen Nutzung ist untersagt.