Landessozialgericht Hessen 19.09.2012, L 8 KR 205/12 B ER

Urteil über die aufschiebene Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Beitragsbescheid.

  • Aktenzeichen: L 8 KR 205/12 B ER
  • Spruchkörper: 8. Senat
  • Instanzenaktenzeichen: S 18 KR 159/12 ER
  • Instanzgericht: Sozialgericht Frankfurt/Main
  • Gericht: Hessisches Landessozialgericht
  • Entscheidungstyp: Beschluss
  • Entscheidungsdatum: 19.09.2012

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 20. Februar 2012 streitig.

Die Antragstellerin ist im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) tätig und im Besitz einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nach § 1 AÜG. In den Arbeitsverträgen der für die Antragstellerin tätigen Leiharbeitnehmer wurden ab 1. Dezember 2005 auf den Entgelttarifvertrag West der Tarifgemeinschaft XY. (XY.) verwiesen. Auf dieser Basis führte die Antragstellerin Beiträge zur Sozialversicherung ab.

Auf der Grundlage von Betriebsprüfungen nach § 28 p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) setzte die Antragsgegnerin mit bestandskräftigen Bescheid vom 21. Juni 2007 (Prüf-Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2006) und mit bestandskräftigen Bescheid vom 8. November 2011 (Prüf-Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2010) Beitragsnachforderungen gegen die Antragstellerin fest.

Nachdem das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 (Az. 1 ABR 19/10) die Tarifunfähigkeit der XY. festgestellt hatte, setzte die Antragsgegnerin nach einer erneuten Betriebsprüfung gemäß 28 p Abs. 1 SGB IV (vom 7. November 2011 bis zum 24. Januar 2012) mit Beitragsbescheid vom 20. Februar 2012 für den Prüfzeitraum vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Dezember 2009 eine zusätzliche Beitragsnachforderung in Höhe von 68.838,22 EUR fest. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, die Beitragsnachforderung ergebe sich aus einer sozialversicherungsrechtlichen Umsetzung der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts. Dies ergebe sich daraus, dass seit dem 1. Januar 2004 in § 10 Abs. 4 AÜG für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung der Grundsatz des "equal pay" (gleicher Lohn für gleiche Arbeit) und das Gebot "equal treatment" (gleiche Arbeitsbedingungen) im Gesetz geregelt seien. Arbeitsbedingungen, insbesondere die Entlohnung der Leiharbeitnehmer, richteten sich nach dem, was für die Stamm-Belegschaft des Entleihers gelte. Nach § 9 Nr. 2 AÜG sei jedoch eine Ausnahme von dem gesetzlichen Gleichbehandlungsgebot für den Fall möglich, dass ein Tarifvertrag, der die Entlohnung der Leiharbeitnehmer regele, abweichende Regelungen zulasse. In diesem Fall könne von dem Gleichbehandlungsgrundsatz auch zum Nachteil der Leiharbeitnehmer abgewichen werden. Dies gelte auch, wenn die Geltung von Tarifverträgen arbeitsvertraglich vereinbart worden sei. Im Oktober 2008 sei die Feststellung der Tarifunfähigkeit der XY. vor dem Arbeitsgericht Berlin eingeleitet worden und mit Beschluss vom 1. April 2009 (Az. 35 BV 17008/08) habe dieses Arbeitsgericht die Tarifunfähigkeit der XY. festgestellt. Die Entscheidung habe das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 7. Dezember 2009 (Az. 23 TaBV 1116/09) bestätigt. Die Bestätigung der Tarifunfähigkeit der XY. durch das Bundesarbeitsgericht habe die Unwirksamkeit der geschlossenen Tarifverträge zur Folge. Damit werde § 9 Nr. 2 AÜG nicht wirksam und § 10 Abs. 4 AÜG komme zur Anwendung. Damit könne der Leiharbeitnehmer, der auf Basis eines XY.-Tarifvertrages beschäftigt oder gewesen sei, von dem Verleiher den Lohn beanspruchen, der im Betrieb des Entleihers einem Stamm-Arbeitnehmer gezahlt werde. Im Beitragsrecht der Sozialversicherung gelte für laufende Entgelte nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV das Entstehungsprinzip. Danach entstünden Beitragsansprüche der Versicherungsträger sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorlägen. Bemessungsgrundlage für den Beitragsanspruch sei nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht das vom Arbeitgeber gezahlte, sondern das von ihm geschuldete Arbeitsentgelt. Unerheblich sei, ob der Arbeitnehmer den ihn zustehenden (höheren) Entgeltanspruch gegenüber dem Arbeitgeber geltend mache. Sei der Beitragsanspruch entstanden, sei sein weiteres Schicksal unabhängig von der Durchsetzung oder Durchsetzbarkeit des arbeitsrechtlichen Vergütungsanspruchs. Auch wenn der Zahlungsanspruch von dem Arbeitnehmer nicht durchgesetzt werden könne (z.B. wegen einer tariflichen Ausschlussklausel) bleibe der Beitragsanspruch davon unberührt. Somit sei der Beitragsbemessung der Entgeltanspruch eines vergleichbaren Stamm-Arbeitnehmers in dem Entleiherbetrieb nach § 10 Abs. 4 AÜG zu Grunde zu legen. Aufgrund der Differenz zwischen dem von der Antragstellerin gemeldeten Arbeitsentgelt und dem für den Beitragsanspruch maßgeblichen Arbeitsentgelt eines Stamm-Arbeitnehmers seien die Beiträge der Leiharbeitnehmer individuell nachzuerheben. Der equal pay-Lohnanspruch sei anhand der der Antragstellerin vorliegenden Tarifverträge ermittelt worden. In den Fällen, in denen im Rahmen der Betriebsprüfung Bescheinigungen zum Vergleichslohn des jeweiligen Entleihers vorgelegen hätten, sei die Beitragsberechnung auf dieser Grundlage vorgenommen worden. Im Rahmen der Prüfung sei festgestellt worden, dass im Dezember 2005 kein Arbeitnehmer den equal pay-Lohnanspruch unterschritten habe.

Dagegen erhob die Antragstellerin am 2. März 2012 Widerspruch und beantragte ebenfalls am 2. März 2012 beim Sozialgericht Frankfurt am Main die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieses Widerspruchs.

Zur Begründung hat die Antragstellerin ausgeführt, es bestünden erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beitragsbescheides vom 20. Februar 2012. Diese Zweifel beruhten darauf, dass der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Dezember 2010 (Az. 1 ARB 19/10) eine fehlende Tariffähigkeit der XY. für die Vergangenheit nicht festgestellt habe. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis zum 6. Dezember 2009 liege kein rechtsfähiger Beschluss über die Tarifunfähigkeit der XY. vor. Aufgrund des Gegenwartsbezugs der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts seien arbeitsgerichtliche equal pay-Verfahren für den Zeitraum vor dem 6. Dezember 2009 gem. § 97 Abs. 5 ArbGG auszusetzen. Es fehle somit an einer rechtlichen Grundlage für den Beitragsbescheid vom 20. Februar 2012. Ergänzend hat die Antragstellerin auf den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg (Az. S 51 R 1149/11) verwiesen. Auch gelte entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin - für die Festsetzung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht das Entstehungsprinzip sondern das Zuflussprinzip. Im Übrigen stünden der Festsetzung der Beitragsnachforderung die bestandskräftigen Bescheide vom 21. Juni 2007 und vom 8. November 2011 entgegen. Diese könnten nur unter den Voraussetzungen des § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurückgenommen werden. Im Übrigen erhebe sie gegen die Beitragsnachforderung die Einrede der Verjährung. Auch sei ihr ein Vertrauensschutz auf die Rechtslage vor Verkündung der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Dezember 2010 zuzubilligen. Nicht vertretbar sei, ihr als Arbeitgeberin das aus einer ungeklärten Rechtslage resultierende Risiko einer rückwirkenden Beitragserhebung anzulasten. Sie habe als Anwender des zwischen der XY. und dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. (AMP) geschlossenen Tarifvertrags auf die Tariffähigkeit der XY. und auf die Wirksamkeit des Tarifvertrages vertrauen dürfen. Dies gelte insbesondere auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der gem. Art. 9 GG die Richtigkeitsgewähr nur schwer erschüttert werden könne. Auch führe die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 29. Dezember 2004, Az. 1 BvR 2283/03) zu einem schützenswerten Vertrauen im Rechtsverkehr, da mit dieser die Tariföffnungsklausel der §§ 10 Abs. 4, 9 Nr. 2, 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG ausdrücklich positiv bewertet worden sei. Darüber hinaus habe die Bundesagentur für Arbeit als zuständige Aufsichtsbehörde nach § 17 AÜG die Anwendung des von der XY. geschlossenen Tarifvertrages als rechtskonform gebilligt. Ebenso verbiete das aus Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz resultierende Verbot der echten Rückwirkung eine ex tunc-Wirkung nichtiger Tarifverträge. Ein Grund für die besondere Eilbedürftigkeit sei darin zu sehen, dass einzelne Krankenkassen beabsichtigten, Teilbeträge der Gesamtforderung (68.838,22 EUR) einzuziehen. Im Falle ihres Widerrufs der Einzugsermächtigungen der jeweiligen Krankenkassen drohe ihr der Widerruf der Unbedenklichkeitsbescheinigung der jeweiligen Krankenkassen. Dies würde für sie zu einer substantiellen Schädigung führen.

Die Antragsgegnerin hat die Auffassung vertreten, die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts enthalte weder Argumente noch Anhaltspunkte dafür, dass die XY. in der Vergangenheit tariffähig gewesen sein könnte. Nachdem die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bekannt geworden sei, habe für die Antragsgegnerin die Pflicht bestanden, tätig zu werden. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin gelte im Beitragsrecht das Entstehungsprinzip auf der Grundlage des § 22 SGB IV (Bundessozialgericht, Urteil vom 21. Mai 1996, Az. 12 RK 64/94). Auch stünden die bestandskräftigen Beitragsbescheide aus vorangegangenen Prüfungen nach § 28 p SGB IV dem vorliegenden streitigen Beitragsbescheid nicht entgegen. Darüber hinaus sei vorliegend nicht die 4jährige Verjährung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sondern die 30jährige Verjährung nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV einschlägig. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 30. März 2000, Az. B 12 KR 14/99 R) verjährten Beitragsansprüche in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind, wenn der Arbeitgeber seine Beitragspflicht innerhalb der 4jährigen Frist für möglich gehalten und die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen habe. Mit der Bekanntgabe der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sei zumindest ein bedingter Vorsatz im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz SGB IV für die Antragstellerin anzunehmen. Auch könne der Antragstellerin ein Vertrauensschutz nicht zugebilligt werden.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 26. April 2012 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. Februar 2012 angeordnet hinsichtlich der Festsetzung der Beiträge für die Jahre 2006 und 2007. Im Übrigen hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, das Gericht entscheide über einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Beitragsbescheid gem. § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Rahmen einer summarischen Prüfung nach den für die Aussetzung der Vollziehung durch die Behörde geltenden Maßstäben des § 86 a Abs. 3 S. 3 SGG. Danach solle die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestünden oder wenn die Vollziehung des Bescheides für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge habe. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung bestünden, wenn aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfes im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher sei als ein Misserfolg. Sei die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes offensichtlich, überwiege das Aussetzungsinteresse. Bei offenem Ausgang überwiege das Vollzugsinteresse. Denn das Vollzugsrisiko bei Abgabebescheiden sei von dem Gesetzgeber bewusst auf den Adressaten verlagert worden, um die notwendigen Einnahmen der öffentlichen Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben sicherzustellen (Keller in Meyer-Ladewig, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage, § 86a Rdnr. 27b).

Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. Februar 2012 sei angeordnet worden, da ernstliche Zweifel hinsichtlich der Festsetzung der Beiträge für die Jahre 2006 und 2007 bestünden. Die Beiträge für diese Jahre seien verjährt, da die Antragstellerin die Einrede der Verjährung erhoben habe. Gemäß § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Viertes Buch (SGB IV) verjährten Ansprüche auf Beiträge in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien. Für die Beiträge, die im Jahr 2006 fällig wurden seien habe die Verjährung am 1. Januar 2007 begonnen und am 31. Dezember 2010 geendet. Die Verjährung der Beiträge, die im Jahr 2007 fällig geworden seien, habe am 1. Januar 2008 begonnen und am 31. Dezember 2011 geendet. Der streitige Bescheid der Antragsgegnerin sei erst am 20. Februar 2012 ergangen.

Die Verjährung der Beiträge für die Jahre 2006 und 2007 sei auch nicht durch die Betriebsprüfung der Antragsgegnerin in der Zeit vom 7. bis zum 9. November 2011 für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2010 gemäß § 25 Abs. 2 Satz 4 SGB IV gehemmt worden. Danach beginne die Hemmung mit dem Tag der Prüfung beim Arbeitgeber oder bei der vom Arbeitgeber mit der Lohn- und Gehaltsabrechnung beauftragten Stelle und ende mit Bekanntgabe des Beitragsbescheides, spätestens nach Ablauf von 6 Monaten. Die Betriebsprüfung im Jahre 2011 bewirke - aufgrund des Prüf-Zeitraums - für die Beiträge des Jahres 2006 keine hemmende Wirkung und für das Jahr 2007 sei die Betriebsprüfung mit Erlass des Bescheides vom 8. November 2011 abgeschlossen gewesen. Der vorliegend streitige Bescheid sei erst nach Ablauf von 6 Kalendermonaten nach Bekanntgabe des Bescheides vom 8. November 2011 erlassen worden.

Die 30jährige Verjährung des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV finde – entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin - vorliegend keine Anwendung, da nicht angenommen werden könne, dass die Antragstellerin die Ansprüche vorsätzlich vorenthalten habe. Zwar sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 30. März 2000, Az.: B 12 R 14/99) für die Anwendung des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ausreichend, dass der den bedingten Vorsatz auslösende Umstand innerhalb der 4jährigen Verjährungsfrist dem Beitragsschuldner bekannt werde. Dem folgend werde nicht auf die Umstände bei Fälligkeit der Beitragsschuld abgestellt. Ausreichend sei demnach, dass der Schuldner seine Beitragspflicht für möglich halte und die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen habe. Dies setze die Feststellung des Vorliegens eines inneren (subjektiven) Tatbestandes (bedingter Vorsatz bei dem Beitragsschuldner) voraus. Vorliegend habe die Antragsgegnerin keine Indizien ermitteln können, die zwingend auf bedingten Vorsatz der Antragstellerin habe schließen lassen. Allein der Umstand, dass das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 die fehlende Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft XY. festgestellt habe, reiche angesichts der Vielzahl der in diesem Zusammenhang kontrovers diskutierten Rechtsprobleme nicht aus. Die Antragstellerin habe insoweit unwidersprochen vorgetragen, dass die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts erst im Frühjahr 2011 im Volltext zur Verfügung gestanden habe. Über die Rechtsfrage, ob dieser Entscheidung auch Wirkung für die Zeit vor dem 14. Dezember 2010 zukomme, sei sowohl in der Arbeitsgerichtsbarkeit als auch in der Sozialgerichtsbarkeit ein Streit entbrannt. Im Hinblick darauf könne ein bedingter Vorsatz der Antragstellerin als Beitragsschuldnerin hinsichtlich der Abführung der Beiträge der Jahre 2010 und 2011 nicht angenommen werden.

Im Übrigen sei der Antrag abzulehnen gewesen, da die Festsetzung der Beiträge für die Jahre 2008 und 2009 nicht offensichtlich rechtswidrig sei. Die Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Antragstellerin im Widerspruchsverfahren seien als offen anzusehen. Damit überwiege das Vollzugsinteresse der öffentlichen Hand. Derzeit sei nicht endgültig festzustellen, ob die Tarifgemeinschaft XY., deren Tarifverträge die Antragstellerin in den Jahren 2008 bis 2009 gem. § 9 Abs.1 Nr. 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) verwandt habe, auch in diesen Jahren tariffähig im Sinne § 2 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz (TVG) gewesen sei.

Die Antragsgegnerin habe den angefochtenen Bescheid im Rahmen ihrer Zuständigkeit erlassen. Nach § 28 p Abs.1 Satz 1 SGB IV prüfe der Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV erfüllten, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stünden. Im Rahmen dieser Prüfung habe der Träger der Rentenversicherung gemäß § 28 p Abs. 1 Satz 5 SGB IV Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in den einzelnen Sozialversicherungszweigen zu erlassen.

Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Festsetzung der Beitragsnacherhebung der Antragsgegnerin für die Jahre 2008 und 2009. Denn die Antragstellerin habe ihren Arbeitnehmern aufgrund des equal pay-Grundsatzes nach §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 10 Abs. 4 AÜG höhere Entgelte zahlen müssen, mit der Folge, dass auch höhere Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten gewesen wären. Gemäß § 22 Abs.1 Satz 1 SGB IV entstünden die Beitragsansprüche, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorlägen. Deshalb sei die Bemessungsgrundlage für den Beitragsanspruch nicht das vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte, sondern das von ihm geschuldete Arbeitsentgelt, unabhängig von seiner arbeitsrechtlichen Durchsetzbarkeit oder Durchsetzung. Die Feststellung des Bundesarbeitsgerichtes in seinem Beschluss vom 14. Dezember 2010 (Az. 1 ABR 19/10), in dem die Tariffähigkeit der XY. verneint und die Feststellung auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung beschränkt worden sei, lasse die Annahme der Nichtigkeit des Tarifvertrages (der die im Vergleich zur Stammbelegschaft der Entleiher gezahlten niedrigeren Entgelte rechtfertigen solle) zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht zwingend erscheinen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Hinweis auf: Urteil vom 15. November 2006, Az. 10 AZR 665/06) habe die Feststellung der Tarifunfähigkeit durch ein Gericht nur deklaratorische Wirkung. Der von einer tarifunfähigen Vereinigung abgeschlossene Tarifvertrag sei nichtig und die Tariffähigkeit sei nicht mittels guten Glaubens geschützt (Hinweis auf: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. November 2006, Az. 10 AZR 665/06, Rdnr. 23). Derzeit könne nicht davon ausgegangen werden, dass für die Zeit von 2008 bis 2009 der Tarifvertrag der XY., nicht nichtig gewesen sei. So habe am 9. Januar 2012 das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg das Urteil des Arbeitsgerichtes Berlin bestätigt, wonach die XY. auch am 29. November 2004, am 19. Juni 2006 und am 9. Juli 2008 nicht tariffähig gewesen sei. Dabei habe das Landesarbeitsgericht seine Entscheidung auf die Grundsätze gestützt, die das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluss vom 14. Dezember 2010 (Az. 1 ABR 19/10) aufgestellt habe. Die dem entgegenstehende Auffassung des Landesarbeitsgerichts Berlin Brandenburg (Urteil vom 20. September 2011, Az.: 7 Sa 1318/11) könne nicht überzeugen. Somit sei die Antragsgegnerin zutreffend davon ausgehen, dass der von der Antragstellerin verwendete Tarifvertrag nichtig sei. Dies habe vorliegend zur Folge, dass die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen auf geschuldetes Entgelt nicht offensichtlich rechtswidrig sei.

Auch könne die Antragstellerin der Entscheidung nicht entgegenhalten, dass die Anwendung des Tarifvertrags der XY. anlässlich vorangegangener Betriebsprüfungen unbeanstandet geblieben sei. Das Vertrauen des Beitragsschuldners in die Nichtbeanstandung unterbliebener Beitragsentrichtungen anlässlich früherer Betriebsprüfungen werde nicht geschützt. Das Bundessozialgericht habe wiederholt entschieden, dass es nicht Zweck der Betriebsprüfung sei, den Arbeitgebern als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm "Entlastung" zu erteilen. Eine Betriebsprüfung sei nicht umfassend oder erschöpfend und beschränke sich auf bestimmte Einzelfälle oder Stichproben. Die von der Antragstellerin zitierte Entscheidung des Landessozialgerichts Bayern überzeuge somit nicht. Jedenfalls lasse sich aus den Bescheiden vom 8. November 2011 und vom 21. Juni 2007 jeweils eine Regelung und damit einen Verwaltungsakt dahingehend erkennen, dass aufgrund einer Betriebsprüfung für einen bestimmten Zeitraum eine Nachforderung festgesetzt wurde. Weitergehende Regelungen enthielten diese Bescheide nicht.

Gegen den ihr am 14. Mai 2012 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 18. Mai 2012 Beschwerde eingelegt und die Antragstellerin am 25. Juni 2012 Anschlussbeschwerde.

Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid vom 20. Februar 2012 sei auch im Hinblick auf die für die Jahre 2006 und 2007 zu entrichtenden Beiträge abzulehnen. Die mit diesem Bescheid für die Jahre 2006 und 2007 festgesetzten Beiträge seien nicht verjährt, da der Antragstellerin bedingter Vorsatz gem. § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV vorzuwerfen sei. Dabei sei die Verfahrenshistorie der Rechtsprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit zur Tarifgemeinschaft XY. zu berücksichtigen. Eine wesentliche Geschäftsgrundlage der Antragstellerin sei die Gültigkeit der von der Tarifgemeinschaft XY. geschlossenen Tarifverträge. Denn dies ermögliche ihr eine Abweichung vom equal pay-Grundsatz. Im Hinblick darauf könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin von der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts erst nach dem 31. Dezember 2010 überrascht worden sei. Spätestens im Monat der Kenntnis der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Dezember 2010 habe die Antragstellerin auch Kenntnis von den beitragsrechtlichen Auswirkungen dieser Entscheidung haben müssen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. April 2012 abzuändern und den Antrag der Antragstellerin insgesamt abzulehnen sowie die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen und den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. April 2012 abzuändern und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs auch für die Festsetzung der Beiträge für die Jahre 2008 und 2009 anzuordnen.

Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, das Sozialgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Beitragsnachforderungen für die Jahre 2006 und 2007 verjährt seien. Ein bedingter Vorsatz gemäß § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV könne ihr nicht zur Last gelegt werden. Sie vertritt weiter die Auffassung, die Antragsgegnerin habe bei Erlass des angefochtenen Bescheides vom 20. Februar 2012 zwingend § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) beachten müssen im Hinblick auf die vorangegangenen bestandskräftigen Bescheide vom 21. Juni 2007 und vom 8. November 2011. Aufgrund der offensichtlichen Missachtung der Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 SGB X habe die Antragsgegnerin gegen Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz verstoßen. Dies allein rechtfertige erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides vom 20. Februar 2012. Auch verbiete der ihr zugute kommende Vertrauensschutz auf die Rechtslage vor Verkündung der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts mit Beschluss vom 14. Dezember 2010, sie zur Zahlung von Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nachträglich zu verpflichten. Bereits im Jahre 2002 habe das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 22. Januar 2002, Az. 9 AZR 601/00) die Rechtsfigur des "fehlerhaften Tarifvertrags" anerkannt. Da zudem anerkannt sei, dass der Unwirksamkeit eines Tarifvertrages lediglich eine ex nunc-Wirkung zukomme, sei vorliegend - wie bereits in anderen Verfahren vor dem Landessozialgericht Schleswig-Holstein (Beschlüsse vom 20. April 2012, Az. L 5 KR 20/12 B ER und Az. L 5 KR 9/12 B ER) - die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs anzuordnen. Auch sei bereits wegen der erforderlichen Klärung schwieriger Rechtsfragen die aufschiebende Wirkung anzuordnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin sowie auf die Akten des Rechtsstreits mit dem Aktenzeichen: L 8 KR 218/12 B verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts ist zulässig, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und in der Sache begründet. Der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. April 2012 war abzuändern und der Antrag der Antragstellerin insgesamt abzulehnen. Damit konnte die Beschwerde der Antragstellerin keinen Erfolg haben.

Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 2. März 2012 gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. Februar 2012 sind nicht gegeben.

Nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt bei Entscheidungen über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten (§ 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG). Im vorliegenden Verfahren betrifft dies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 20. Februar 2012, mit dem gegen die Antragstellerin eine Beitragsnacherhebung für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2009 in Höhe von 68.838,22 EUR festgestellt wurde.

§ 86 b Abs. 1 SGG benennt - wie das Sozialgericht zutreffend ausführt - zwar ausdrücklich keine Kriterien, anhand derer die gerichtliche Entscheidung zu erfolgen hat. Solche Kriterien ergeben sich jedoch aus folgenden Überlegungen: Die Entscheidung über die vorläufige Vollziehbarkeit ist eine Annex-Entscheidung zu dem angefochtenen Verwaltungsakt. Sie kann - wie das Sozialgericht zutreffend ausführt - nicht losgelöst von der Prüfung der Rechtmäßigkeit des zugrunde liegenden Verwaltungsaktes erfolgen. Hieraus ergibt sich, dass an der Vollstreckung eines rechtswidrigen Beitragsbescheids ein öffentliches Interesse bestehen kann. Umgekehrt ist bei Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes ein öffentliches Interesse zu bejahen, Gründe des Antragstellers gegen die Vollziehung eines rechtmäßigen Verwaltungsakts sind regelmäßig ohne Belang. Damit ist aber noch nicht geklärt, mit welcher Sicherheit Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit festgestellt werden müssen, insbesondere, ob Offensichtlichkeit oder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit vorliegen müssen oder ob bereits hinreichend ist, dass der Ausgang des Hauptsacheverfahrens als offen erscheint. Hier hilft die vom Gesetzgeber in § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG für die behördliche Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung getroffene Regelung weiter. Danach soll in den Fällen des Abs. 2 Nr. 1 die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Da der Adressat eines Verwaltungsaktes nach § 86 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGG die Möglichkeit hat, - wie von der Antragstellerin vorliegend durchgeführt - sowohl bei der den Bescheid erlassenden Behörde als auch bei Gericht der Hauptsache ein Suspensivinteresse geltend zu machen, muss der Entscheidungsprozess in beiden Fällen durch die gleichen Kriterien gesteuert werden. Eine Differenzierung wäre gleichheitswidrig und nicht sachgerecht (vgl. Adolf, in: Hennig, SGG, § 86 b Rdnr. 48). In den Fällen des § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG sind daher im Rahmen der Prüfung von § 86 b Abs. 1 SGG die Regelungen des § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG heranzuziehen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig, Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 10. Aufl., § 86 b Rdnr. 12c). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen hiernach, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg. Denn der Gesetzgeber hat in den Fällen des § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage das öffentliche Interesse an einem Sofortvollzug höher eingeschätzt als das Interesse des Betroffenen an der Nichtzahlung von Beiträgen, um die Finanzierungsgrundlage und damit die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungsträger sicherzustellen. Diese gesetzliche Risikoverteilung würde unterlaufen, wenn bereits bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens die Vollziehung ohne weiteres ausgesetzt würde.

Der Senat ist zu der Überzeugung gekommen, dass vorliegend zwar Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides der Antragsgegnerin vom 20. Februar 2012 bestehen, die im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren im Rahmen einer summarischen Prüfung jedoch nicht geklärt werden können. Somit muss die Klärung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Dies rechtfertigt vorliegend nicht bereits die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Beitragsbescheid vom 20. Februar 2012. Denn der Erfolg des Rechtsbehelfs ist nicht wahrscheinlicher als der Misserfolg.

Dies gilt entgegen der Auffassung des Sozialgerichts auch für die Frage der Verjährung der für die Jahre 2006 und 2007 nacherhobenen Beiträge nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV. Denn diese ist davon abhängig, ob der Antragstellerin innerhalb der 4jährigen Verjährungsfrist eine billigende Inkaufnahme des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen vorzuwerfen ist. Zurzeit sprechen Indizien dafür und dagegen. Auch wenn der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Dezember 2010 – unwidersprochen - erst im Frühjahr 2011 im Volltext veröffentlicht wurde, ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin bereits vor der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von der Diskussion über die Tariffähigkeit der XY. und der damit verbundenen Konsequenzen für die Entgeltansprüche ihrer Leiharbeitnehmer und den damit zusammenhängenden beitragsrechtlichen Folgen Kenntnis hatte. Die Antragstellerin ist "Anwender" der von der XY. abgeschlossenen Tarifverträge in dem Sinne, dass in den zwischen ihr und ihren Leiharbeitnehmer geschlossenen Arbeitsverträgen auf diese Tarifverträge verwiesen wird mit der Folge, dass bei deren Gültigkeit sie von dem in § 10 Abs. 4 AÜG zu Grunde gelegten equal pay-Prinzip befreit wäre. Wegen der mit der Feststellung einer Tarifunfähigkeit der XY. verbundenen Folgen für die Antragstellerin hinsichtlich ihrer arbeitsvertraglichen sowie sozialversicherungsrechtlichen Pflichten darf angenommen werden, dass sie von der mit Einleitung des Verfahrens zur Feststellung der Tarifunfähigkeit der XY. (Oktober 2008) beginnenden Diskussion und damit schon vor Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Kenntnis hatte. Im Rahmen der vorliegend vorzunehmenden summarischen Prüfung kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass im Hinblick auf Verjährungsfragen durchschlagende Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Beitragsbescheids der Antragsgegnerin vom 20. Februar 2012 bestehen. Da es sich bei dem bedingten Vorsatz im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV um einen subjektiven Umstand handelt, bleibt die weitere Aufklärung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten, was entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht bereits zur teilweisen Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs führt.

Die gem. § 567 Abs. 3 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Anschlussbeschwerde konnte keinen Erfolg haben.

Das Sozialgericht hat in dem angefochtenen Beschluss vom 26. April 2012 zutreffend ausgeführt, dass im Hinblick auf die nachträgliche Beitragsfestsetzung für die Jahre 2008 und 2009 keine ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der nachträglichen Beitragsfestsetzung bestehen.

Der Senat macht sich die zutreffende, widerspruchsfreie und ausführliche Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses zu Eigen und weist die Beschwerde aus den dort niedergelegten Entscheidungsgründen zurück. Er sieht angesichts dessen und um Wiederholungen zu vermeiden, von einer erneuten Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Auch dass Vorbringen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Entgegen ihrer Auffassung bewirkt die Bestandskraft der nach Betriebsprüfung (§ 28 p SGB IV) ergangenen Bescheide vom 8. November 2011 bzw. vom 21. Juni 2007 nicht, dass die streitigen Betragsnachforderungen aus dem Bescheid vom 20. Februar 2012 nur nach vorheriger Aufhebung der vorausgegangenen Betriebsprüfungsbescheide nach § 45 SGB X ergehen hätten dürfen.

Denn vorliegend ist § 45 SGB X nicht anwendbar. Der Regelungsinhalt des mit Widerspruch angefochtenen Bescheides der Antragsgegnerin vom 20. Februar 2012 ist nicht identisch mit dem Regelungsinhalt der bestandskräftigen Bescheide vom 8. November 2011 bzw. vom 21. Juni 2007. Zwar hat die Antragsgegnerin vor Erlass des Bescheides vom 20. November 2012 bereits Beitragsnachforderungen für den Prüfzeitraum vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Dezember 2009 erlassen und zwar mit den Bescheiden vom 9. November 2011 und vom 21. Juni 2007. Der Regelungsinhalt dieser Bescheide deckt sich jedoch nicht mit dem des vorliegend streitigen Bescheids vom 20. Februar 2012. Den bestandskräftigen Beitragsnachforderungen mit den Bescheiden vom 9. November 2011 und vom 21. Juni 2007 lagen Pauschalversteuerungen zu Grunde, für die keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet wurden. Da eine personenbezogene Zuordnung nicht möglich gewesen ist, erfolgte die Nachforderungen im Form eines Summenbeitragsbescheides gem. § 28 f Abs. 2 SGB IV. Im Vergleich dazu erfasst der mit Widerspruch angefochtene Bescheid vom 20. Februar 2012 – wie bereits dargelegt - einen gänzlich anderen Prüfungsinhalt.

Somit sind weder der Prüfungsgegenstand noch das Prüfungsthemas der Betriebsprüfungsbescheide identisch. Die Frage der Aufhebung eines Betriebsprüfungsbescheides nach § 45 SGB X (siehe dazu: Landessozialgericht Hessen, Beschluss vom 23. April 2012, Az. L 1 KR 95/12 B ER, veröffentl. in Juris, a.A. bayerisches LSG, Beschluss vom 31. Juli 2012 L 5 R 345/12 B ER) stellt sich daher vorliegend nicht.

Wie das Bundessozialgericht (Urteil vom 14. Juli 2004, Az. B 12 KR 1/04 R, Rdnr. 44, zitiert nach Juris) ausgeführt hat, dienen Betriebsprüfungen der Sicherung der Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern helfen und andererseits die Versicherungsträger in der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine darüber hinausgehende Bedeutung kommt der Betriebsprüfung nicht zu. "Sie bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm eine Entlastung zu erteilen."

Auch auf die von der Antragstellerin zitierte und in der Arbeitsgerichtsbarkeit entwickelte Rechtsfigur des fehlerhaften Tarifvertrages lässt sich keine andere Entscheidung stützen. Es erscheint dem Senat zweifelhaft, ob dieser Grundsatz im Hinblick auf die gesetzliche Regelung der §§ 9 Nr. 2,10 Abs. 4 AÜG anwendbar ist. Jedenfalls ergeben sich daraus keine erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des mit Widerspruch angefochtenen Beitragsbescheides der Antragsgegnerin.

Ebenso kann die Antragstellerin aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 29. Dezember 2004, Az. 1 BvR 2283/03) kein schützenswertes Vertrauen in Bezug auf die vorliegend streitigen Umstände begründen. Denn wie die Antragstellerin selbst vorträgt - bezieht sich diese Rechtsprechung zwar auf die Regelungen der §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9 Nr. 2 und 10 Abs. 4 AÜG, jedoch nicht auf die Frage, ob dem Arbeitgeber ein Vertrauensschutz hinsichtlich der Rechtsgültigkeit eines Tarifvertrages zuzubilligen ist, auf den er im Rahmen der Möglichkeiten des § 9 Nr. 2 AÜG arbeitsvertraglich verwiesen hat (Urteil vom 29. Dezember 2004, Az. 1 BvR 2283/ 03) um die Regelung des § 10 Abs. 4 AÜG zu vermeiden.

Auch hat die Antragstellerin einen sie treffenden Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz weder vorgetragen noch ist ein solcher erkennbar. Nach Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz ist nicht nur der einzelne in seiner Freiheit, eine Vereinigung zur Wahrung der Arbeit- und Wirtschaftsbedingungen zu gründen, ihr beizutreten, fernzubleiben oder sie zu verlassen geschützt sondern auch die Koalition selbst in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und in ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeit- und Wirtschaftsbedingungen dienen (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 29. Dezember 2004, Az. 1 BvR 2283/03). Dazu hat die Antragstellerin nichts vorgetragen und Anhaltspunkte dafür sind nicht erkennbar.

Dem folgend ist der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. Februar 2012 abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz i.V.m. § 155 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Der Streitwert war gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG) nach § 52 Abs. 1 und 2 zu bestimmen unter Zugrundelegung des Streitwertkatalogs 2009 (Abschn. B Nr. 7.2).

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

Die Veröffentlichung dieses Beschlusses erfolgt nach ausdrücklicher Genehmigung durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main. Eine Nutzung dieses Urteils von Sozialversicherung-kompetent.de zur gewerblichen Nutzung ist untersagt.

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