Landessozialgericht Hessen 27.10.2011, L 8 KR 338/09

Urteil über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung bei einer Beschäftigung im Familienbetrieb.

  • Aktenzeichen: L 8 KR 338/09
  • Spruchkörper: 8. Senat
  • Instanzenaktenzeichen: S 18 KR 97/07
  • Instanzgericht: Sozialgericht Darmstadt
  • Gericht: Hessisches Landessozialgericht
  • Entscheidungstyp: Urteil
  • Entscheidungsdatum: 27.10.2011

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit für den Betrieb ihres Ehemannes, dem Beigeladenen zu 2., in der Zeit vom 01.02.1993 bis zum 30.10.2006 abhängig beschäftigt war und damit der Sozialversicherungspflicht unterlag.

Die 1955 geborene Klägerin hat den Beruf der Apothekenhelferin erlernt. Sie hatte 1996 geheiratet mit dem gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Sie ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Ihr zum Gerichtsverfahren beigeladener Ehemann betreibt ein Taxi- und Busunternehmen, als dessen Einzelinhaber er firmiert.

Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum in dieser Firma tätig und vorrangig mit Bürotätigkeiten betraut. Sie erhielt für ihre Tätigkeit ein monatliches Entgelt von brutto 550,00 EUR, das regelmäßig auf ein privates Konto überwiesen wurde, für das Lohnsteuer entrichtet wurde und das als Betriebsausgabe gebucht wurde. Entsprechende monatliche Gehaltsabrechnungen wurden unter der Firma des Ehemannes erstellt. Die Firmenbuchhaltung und die Fertigung der Steuererklärungen oblagen einer Steuerberaterkanzlei. Die Eheleute sind gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt worden. Die Einkommenssteuerbescheide für 1999 und die Folgejahre weisen für den Ehemann Einkünfte aus Gewerbebetrieb und für die Klägerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus. Daneben machte sie steuerlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einer Halle und Abstellfläche geltend, die der Firma ihres Mannes zur Nutzung überlassen wurden. Auf dem Betriebsgelände befindet sich im selben Gebäude wie die Wohnung der Eheleute auch das Geschäftsbüro. In der Wohnung steht ein Funkgerät zur Kommunikation mit den Taxifahrern und ein Tefefon, mit dem Anrufe an die Firmenanrufe entgegen genommen werden können. Die Klägerin fungiert zugunsten des Unternehmens als Bürgin in Höhe von 407.000,00 DM und hat ein Darlehen in Höhe von 93.000,00 EUR gestellt.

Vom 1.2.1993 bis zum 30.10.2006 war die Klägerin zur Sozialversicherung als Arbeitnehmerin der Firma ihres Ehemannes angemeldet. Zum 01.11.2006 erfolgte ihre Abmeldung.

Mit Schreiben vom 18.12.2005 beantragte die Klägerin unter Berufung auf die Vermögensanlagefirma XY. (gemeint ist XY. AG, Institut zur Regulierung der Sozialversicherung mit Gesellschaftssitz in RB. und Repräsentanz in GN.; diese Gesellschaft wirbt damit, dass sie im Falle einer möglichen Ausgliederung aus der gesetzlichen Sozialversicherung spezifische Versorgungsanalysen erstelle und für den Schutz durch eine lückenlose wirtschaftliche Absicherung sorge, so z.B. in ihrem Internetauftritt mit der URL http.//www.xxxxxxxxxx) bei der Beklagten die Überprüfung ihrer Sozialversicherungspflicht. Für den Fall, dass die Prüfung eine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht ergebe, werde sie die geleisteten Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung zurückfordern. In dem von der Klägerin und ihrem Ehemann unterzeichneten Feststellungsbogen zur Beurteilung der Sozialversicherungspflicht eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen finden sich die Angaben, die Klägerin sei in der Firma ihres Ehemannes als Bürokraft und Taxifahrerin tätig. Der zeitliche Umfang ihrer Tätigkeit betrage bei 6-7 Wochenarbeitstagen 50 bis 60 Stunden je Woche. Weisungen unterliege sie nicht. Sie könne ihre Tätigkeit frei bestimmen. Der von der Klägerin eingeschaltete Steuerberater und Rechtsanwalt NW. führte sodann in seinem an die Beklagte gerichteten Schriftsatz vom 23.12.2005 weiter aus, der Betrieb beschäftige 7 Aushilfen. Die Klägerin erteile diesen Weisungen. Sie selbst sei nicht weisungsgebunden. Sie habe eine mündlich ausgesprochene Alleinvertretungsberechtigung. Gegen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung spreche bereits der Umfang der von ihr für den Betrieb übernommenen Bürgschaften. Es liege kein Arbeitsvertrag vor.

Demgegenüber steht jedoch folgender Sachverhalt, der in der von der beigeladenen Bundesagentur für Arbeit (Beigeladene zu 3.) erst im Berufungsverfahren vorgelegten Leistungsakte dokumentiert ist: Im Dezember 2000 hatte die Klägerin bei der Beklagten die Prüfung beantragt, ob ihre Tätigkeit in der Firma ihres Ehemannes, wie von den Eheleuten seinerzeit gewünscht, der Sozialversicherungspflicht unterliege. Hierzu bedurfte es damals der Zustimmung des Arbeitsamtes. Für dessen Prüfung hatten die Klägerin und ihr Ehemann einen von beiden unter dem 01.11.1999 unterzeichneten Anstellungsvertrag vorgelegt, im dem die Firma des Ehemannes als Arbeitgeber und die Klägerin als Arbeitnehmerin bezeichnet werden. Darin heißt es, das Dienstverhältnis beginne am 11.11.1999 und werde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Die Arbeitszeit betrage wöchentlich 15 Stunden. Die Arbeitnehmerin sei als Bürokraft beschäftigt und habe dabei alle ihr übertragenen Arbeiten zu übernehmen. Die Arbeitnehmerin erhalte ein Gehalt von 1000 DM brutto. Ihr stehe ein Jahresurlaub von 28 Arbeitstagen zu. Das Arbeitsverhältnis könne beiderseits unter Einhaltung von 4 Wochen zum Jahresschluss gekündigt werden. Die Beklagte hatte hierauf mit Bescheid vom 26.01.2001, der an die Klägerin gerichtet war, festgestellt, dass bei der Klägerin Versicherungspflicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses als Angestellte vorliege. Das Arbeitsamt N. hatte diesem Feststellungsbescheid unter dem 19.04.2001 zugestimmt – die Klägerin hatte hierüber gleichfalls einen förmlichen Bescheid erhalten – und damit auch Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung bejaht.

Der Beklagten lag dieser Vorgang zum Zeitpunkt der Antragstellung der Klägerin im Dezember 2005 nicht mehr vor, da sie ihn entsprechend der nur 4 Jahre betragenden Aufbewahrungsfrist bereits vernichte hatte. Sie stellte mit Bescheid vom 23.10.2006 die Versicherungspflicht der Klägerin in alten Zweigen der Sozialversicherung fest. Die Klägerin erhalte ein Gehalt, auf das Lohnsteuer entrichtet und das als Betriebsausgabe verbucht werde. Zudem ersetze sie eine "fremde" Arbeitskraft. Den hiergegen am 9.11.2006 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.3.2007 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 20.04.2007 Klage zum Sozialgericht Darmstadt. Sie trug vor, die Anmeldung zur Sozialversicherung sei nur "pro forma erfolgt. Der Steuerberater habe sie diesbezüglich beraten. Sie habe zum damaligen Zeitpunkt nicht gewusst, dass es auch andere Möglichkeiten gäbe. Erst durch einen ähnlich gelagerten Fall im Bekanntenkreis seien sie und ihr Ehemann auf die ldee gekommen, dass ihre Tätigkeit wohl nicht sozialversicherungspflichtig sei. Daher habe sie sich im Jahr 2006 auch von der Sozialversicherung abmelden lassen.

Das Sozialgericht zog die Akte des Finanzamtes HW. zur Einkommenssteuerveranlagung der Klägerin und ihres Ehemannes bei. Es hörte im Rahmen seiner mündlichen Verhandlung die Klägerin sowie deren Ehemann persönlich.

Mit Urteil vom 22.10.2009 gab das Sozialgericht der Klage statt und tenorierte wie folgt: "Der Bescheid der Beklagten vom 23.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2007 wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass die Tätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) in der Zeit vom 01.02.1993 bis zum 31.10.2006 nicht im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde".

Zur Begründung führte es aus: Die Klägerin sei im Betrieb des Ehemannes nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Es habe kein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis, sondern eine familienhafte Mithilfe unter nahen Verwandten (vgl. zum Begriff: BSG, Urteil vom 23. Juni 1994, Az.: 12 RK 50/93, zitiert nach juris Rn. 17 f.) vorgelegen. Es habe sich nicht um ein von den Vertragsparteien ernsthaft gewolltes und vereinbarungsgemäß durchgeführtes, entgeltliches Beschäftigungsverhältnis unter persönlicher Abhängigkeit der Beschäftigten vom Arbeitgeber gehandelt. Zwar bestünden weder ein grundsätzlicher Ausschluss noch eine gesetzliche Vermutung, dass Beschäftigungsverhältnisse zwischen nahen Verwandten nicht mit sozialversicherungsrechtlichen Wirkungen begründet werden könnten (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 – Az.: 12 RK 50/93, zitiert nach Juris Rn. 17). Allerdings habe die Rechtsprechung zur Abgrenzung der familienhaften Mithilfe von Beschäftigungsverhältnissen zwischen nahen Verwandten Abgrenzungskriterien ausgebildet (vgl. BSGE 3, 30, 40, BSGE 12, 153, 156, BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 Az. 12 RK 50/93 zitiert nach Juris Rn. 18). Danach hänge die Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und familienhafter Mithilfe von den gesamten Umständen des Einzelfalls ab. Neben dem Weisungsrecht des Arbeitgebers, einem (angemessenen) Entgelt, einem schriftlichen Arbeitsvertrag und der Lohnsteuerpflicht sei dies insbesondere, dass der Angehörige eine fremde (d.h. nicht familienangehörige) Arbeitskraft ersetzen müsse (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 Az. 12 RK 50/93, zitiert nach Juris Rn. 1 8).

Ein schriftlicher Arbeitsvertrag liege hier ebenso wenig vor, wie ein angemessenes Entgelt für die geleistete Arbeit. Der Vortrag der Klägerin, dass sie wöchentlich mindestens 50 bis 60 Stunden zugunsten der Beigeladenen zu 1. arbeitete sei nach der Befragung der Klägerin und ihres Ehemanns in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar. Die Schilderungen der Klägerin und ihres Ehemanns seien nach Auffassung der Kammer wahrheitsgemäß. Die Klägerin und ihr Ehemann seien glaubwürdig, die Angaben glaubhaft und widerspruchsfrei. Die Klägerin nehme danach insbesondere am Vormittag, wenn ihr Ehemann einen Schulbus fahre, wichtige Aufgaben im Unternehmen alleine und eigenverantwortlich wahr. Die Aufgaben würden in der übrigen Zeit arbeitsteilig auf die Ehegatten verteilt. Die Tätigkeit der Klägerin ende auch nicht, wenn sie sich in die Privaträume der Familie zurückziehe, bspw. um zu kochen, da sie auch in der Wohnung Anrufe von Kunden entgegen nehme oder per Funk Anweisungen an die Taxifahrer gebe. Für diese Tätigkeiten sei das gezahlte Arbeitsentgelt von brutto 550,00 EUR im Monat nicht angemessen. Der Stundenlohn würde nur rund 2,50 EUR betragen.

Zur Überzeugung der Kammer ersetze die Klägerin keine fremde Arbeitskraft. Eine fremde Arbeitskraft hätte nicht zu diesen Bedingungen gearbeitet (vgl. für einen vergleichbaren Sachverhalt LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.12.2007 - L 9 KR 7/05 - juris Rn. 26). Dies ergäbe sich neben dem geringen Verdienst auch aus der räumlichen Verknüpfung von Wohn- und Arbeitsbereich der Familie. Der Taxi- und Busbetrieb bestimme nach den Erkenntnissen der Kammer den gesamten Tagesablauf der Klägerin und ihres Ehemanns. Das Privatleben werde durch die Arbeit überlagert bzw. die Arbeit reiche in das Privatleben hinein. Die Tätigkeit der Klägerin sei geprägt von einer ständigen Erreichbarkeit, insbesondere in ihrer privaten Wohnung.

Als gewichtiges Indiz dafür, dass die Klägerin keine fremde Arbeitskraft ersetze, könne auch angesehen werden, dass selbst unmittelbar vor und nach der Geburt des Sohnes der Klägerin keine fremde Arbeitskraft eingestellt wurde, um die Arbeitsleistung der Klägerin zu kompensieren. Tatsächlich gebe die Klägerin an, sie habe trotz des Kindes "so gut es ging" weitergearbeitet. Gegenüber diesen tatsächlichen Umständen der Arbeitswirklichkeit der Klägerin müssten die formalen Gegebenheiten zurückstehen. Die Kammer könne trotz aller Bedenken hinsichtlich einer so weit zurückreichenden Änderung im Sozialrechtsverhältnis im Nachhinein nicht mehr feststellen, ob der Klägerin wirklich nicht bewusst gewesen sei, welche Voraussetzungen und welche Folgen die Anmeldung zur Sozialversicherung gehabt habe. Ebenfalls nicht aufklärbar sei, warum das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin bei durchgeführten Betriebsprüfungen unbeanstandet geblieben sei. Auch die steuerliche Behandlung des Beschäftigungsverhältnisses sei lediglich konsequent gewesen und stelle daher kein erhebliches Indiz dar.

Gegen das ihr am 06.11.2009 zugestellte Urteil hat die Beigeladene zu 1. – die Deutsche Rentenversicherung Bund – mittels Telefaxschreiben am 02.12.2009 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, nach dem Geschehensablauf im Hinblick auf die Tätigkeit der Klägerin, nämlich deren Führung als Arbeitnehmerin mit Lohnsteuerabführung, monatlicher Gehaltsabrechnung, Verbuchung der Entgelte als Betriebsausgabe und nicht als Privatentnahmen sei auf eine abhängige Beschäftigung zu schließen. Bei dieser Sachlage lasse sich auch nicht durch spätere Angaben der Beteiligten, es habe keine Weisungsgebundenheit des mitarbeitenden Familienangehörigen bestanden, auf eine nicht abhängige Tätigkeit schließen.

Die Beigeladene zu 1. und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 22.10.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 22.10.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie schließt sich der Argumentation der Berufungsklägerin an. Die Beigeladenen zu 3. und 4. halten das angefochtene Urteil, ebenso wie die Berufungsklägerin, für fehlerhaft. Sie stellen keine Anträge. Die Beigeladene zu 3. verweist ergänzend auf den Inhalt der von ihr vorgelegten, die Klägerin betreffenden Leistungsakte.

Der Beigeladene zu 2. hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten und der Beigeladenen zu 3. vorgelegten Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakte, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Der Senat konnte trotz des Nichterscheinens der Klägerin und der Berufungsklägerin (Beigeladene zu 1.) sowie der Beigeladenen zu 2. und 3. zum Termin zur mündlichen Verhandlung entscheiden. Alle Beteiligte sind ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Verfahrensweise hingewiesen worden (§ 110 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Auf die Berufung der Beigeladenen zu 1. war das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 22.10.2009 aufzuheben. Die Berufung der Beigeladenen zu 1. ist gemäß §§ 143, 144, 151 SGG zulässig. Als Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung ist sie durch das Feststellungsurteil des Sozialgerichts beschwert und damit befugt, dagegen das Rechtsmittel der Berufung einzulegen.

Die Berufung der Beigeladenen zu 1. ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Darmstadt ist der Bescheid der Beklagten vom 23.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03. 2007 rechtmäßig. Die Beklagte hat zutreffend mit diesen angefochtenen Bescheiden festgestellt, dass die Klägerin in der hier streitgegenständlichen Zeit vom 01.02.1993 bis zum 31.10.2006 mit ihrer Tätigkeit im Betrieb ihres Ehemannes der Sozialversicherungspflicht und damit der Beitragspflicht zur Kranken-, sozialen Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitslosenförderung unterlag.

Nach § 28 h Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IV entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Beklagte ist hier die nach § 28 i Satz 1 SGB IV zuständige Einzugsstelle, weil diese bei der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum die Krankenversicherung durchführte. Das daneben bestehende Recht, ein Anfrageverfahren gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV durchzuführen, für das die Beigeladene zu 1. bzw. ihr Rechtsvorgänger zuständig ist, lässt eine Zuständigkeit der hier zuerst angegangenen Beklagten gemäß § 28 h Abs. 2 SGB IV schon deshalb nicht entfallen, weil für die Abgrenzung das Kriterium der zeitlichen Vorrangigkeit maßgeblich ist (vgl. BSG, Urteil vom 04.06.2009 – 12 KR 31/07 R).

Hinsichtlich der materiell-rechtlichen Vorgaben gilt dabei Folgendes: Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie in der Arbeitslosenversicherung der Beitrags- bzw. Versicherungspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sowie § 168 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz bis 31.12.1997 und ab 1.1.1998 § 24 Abs. 1 und § 25 Abs. 1 SGB III ). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV bzw. seit 1.1.1999 § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV (eingefügt erst mit Wirkung vom 1.1.1999 durch Art. 1 Nr. 1 Buchst. a, Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999, BGBl. I 2000 S. 2) sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (vgl. Urteile des BSG vom 1.12.1977, 12/3/12 RK 39/74, BSGE 45, 199 = SozR 2200 § 1227 Nr. 8, vom 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 13, vom 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3 2400 § 7 Nr. 20, vom 22.6.2005, B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 5, vom 24.1.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7, vom 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45 und vom 11.03.2009, B 12 KR 21/07 R; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).

Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine in Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich daraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (vgl. BSG, SozR 3-2400, § 7 Nr. 4; SozR 3-4100, § 168 Nr. 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Dabei ist die praktizierte Beziehung aber nur insoweit maßgeblich, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu: BSG, SozR 4-2400, § 7 Nr. 7).

Die Frage, ob zwischen Angehörigen eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt vorliegt oder ggf. eine nichtversicherungspflichtige Mitarbeit auf familienrechtlicher Basis (familienhafte Mithilfe) erfolgt – beurteilt sich nach den gleichen Grundsätzen, wie sie allgemein für die Beurteilung der Versicherungspflicht maßgebend sind. Ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis zwischen Angehörigen kann nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen angenommen werden, wenn der Angehörige in den Betrieb des Arbeitgebers wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert ist und die Beschäftigung tatsächlich ausübt, der Angehörige dem Weisungsrecht des Arbeitgebers – wenn auch in abgeschwächter Form – unterliegt, der Angehörige anstelle einer fremden Arbeitskraft beschäftigt wird, ein der Arbeitsleistung angemessenes (d. h. im Regelfall ein tarifliches oder ortsübliches) Arbeitsentgelt vereinbart ist und auch regelmäßig gezahlt wird, von dem Arbeitsentgelt regelmäßig Lohnsteuer entrichtet wird und das Arbeitsentgelt als Betriebsausgabe gebucht wird. Beim Fehlen einer (maßgeblichen) Unternehmensbeteiligung eines Familienangehörigen ist von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Bei der Beschäftigung eines Familienangehörigen ist zudem neben der Eingliederung des Beschäftigten in den Betrieb und dem ggf. abgeschwächten Weisungsrecht des Arbeitgebers von Bedeutung, ob der Beschäftigte ein Entgelt erhält, das einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt, mithin über einen freien Unterhalt, Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinausgeht. Dabei kommt der Höhe des Entgeltes lediglich Indizwirkung zu. Es gilt nicht der Rechtssatz, dass eine untertarifliche oder eine erheblich übertarifliche Bezahlung die Annahme eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausschließt (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2002 – B 11 AL 34/02 R). Weitere Abgrenzungskriterien sind nach der Rechtsprechung, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuerpflicht unterliegt, als Betriebsausgabe verbucht und dem Angehörigen zur freien Verfügung ausgezahlt wird, und schließlich, ob der Angehörige eine fremde Arbeitskraft ersetzt. Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, ist es für die Bejahung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht erforderlich, dass der Beschäftigte wirtschaftlich auf das Entgelt angewiesen ist. Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht es grundsätzlich auch nicht entgegen, dass die Abhängigkeit in der Familie im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt ist als zwischen nicht verwandten Personen und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise nur mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (vgl. BSGE 34, 207, 210; BSG, SozR 3-2400, § 7 Nr. 1; SozR 3-4100, § 168 Nr. 11).

Nach diesen Grundsätzen, die auch der Senat seiner Beurteilung zugrunde legt, ergibt sich eindeutig, dass die von der Beklagten getroffene Feststellung, die Klägerin habe im Zeitraum 01.02.1993 bis zum 31.10.2006 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bei der Firma ihres Ehemanns gestanden, rechtlich zutreffend ist.

Dabei hält der Senat an seiner ständigen Rechtsprechung (Urteile vom 28.09.1011 L 8 KR 300/10 und L 8 KR 79/10; Urteile vom 25.02.2010 – L 8 KR 81/09 und L 8 KR 246/08) fest, dass entgegen einer auch in der Rechtsprechung der Sozialgerichte häufiger vertretenen Rechtsauffassung (vgl. z.B. Urteil LSG Rheinland-Pfalz vom 23.09.2010 – L 5 KR 204/09; Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 27.05.2009 L 1 KR 293/07 und vom 14.09.2010 – L 1 KR 222/10) das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung nicht bereits dann verneint werden kann, wenn nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles der als Arbeitnehmer geführte (leitende) Angestellte oder Fremdgeschäftsführer faktisch vollkommen freie Hand in der Führung der Geschicke des Unternehmens hat und wie ein Alleininhaber "frei Schalten und Walten kann". Diese Sichtweise stellt vor allem auf die Praxis bei sog. Familiengesellschaften ab, bei denen der Geschäftsführer oder leitende Angestellte mit den Geschäftsinhabern familiär verbunden ist und aufgrund seiner Stellung in der Familie die Geschäfte der Firma nach eigenem Gutdünken führt und die Ordnung des Betriebes gestaltet. Dabei wird aber vernachlässigt, dass diese Gestaltungsmacht nur in "ruhigen Zeiten" Bestand hat. Latent weiter existiert jedoch die Rechtsmacht der Firmeninhaber oder Gesellschafter. Sie entfällt nicht dadurch, dass rechtliche Vereinbarungen in Anstellungs- und Geschäftsführerverträgen "in guten Zeiten" so behandelt werden, als würden sie "nur auf dem Papier stehen " und von ihnen faktisch kein Gebrauch gemacht wird. Im Konfliktfall, z.B. wenn es zu einer familiären Trennung kommt und die familiären Rücksichtnahmen ein Ende haben, kann auf die vertraglich niedergelegten Befugnissen jederzeit wieder zurückgegriffen werden, so etwa auch auf ein Weisungs- und Kündigungsrecht. Es ist daher konsequent und im Hinblick auf größtmögliche Rechtssicherheit geboten, eine von Anfang an latent vorhandene Rechtsmacht auch dann als ein für abhängige Beschäftigung sprechendes Kriterium zu berücksichtigen, wenn von ihr konkret (noch) kein Gebrauch gemacht wird (so zutreffend Segebrecht in: juris PK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 7 Abs. 1 SGB IV Rz. 123 f. für Fremdgeschäftsführer einer GmbH). Ob bei dazu bestehender Rechtsmacht tatsächlich von ihr Gebrauch gemacht wurde und damit auf die Tätigkeit eines Geschäftsführers oder leitenden Angestellten tatsächlich Einfluss genommen wurde, ist auch deshalb unbeachtlich, weil die versicherungsrechtliche Beurteilung dann wesentlich davon abhinge, ob die Tätigkeit aus Sicht der Rechtsmachtinhaber beanstandungsfrei ausgeübt wurde. Dies kann jedoch kein rechtlich entscheidendes Kriterium zur Unterscheidung von abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit sein (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.03.2010 L 16 (5) KR 190/08).

Auch das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 27.01.2007 (B 12 KR 31/06 R) im Ergebnis diese Position vertreten. Es führt wörtlich aus: "Das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der beigeladenen GmbH erlaubt unter Zugrundelegung des "Anstellungsvertrages" vom 5. März 1992 eine uneingeschränkte Zuordnung zum Typus der abhängigen entgeltlichen Beschäftigung. Diese vertraglichen Regelungen sind für die Beurteilung hier maßgebend. Es fehlt an tatsächlichen Anhaltspunkten dafür, dass die entsprechenden Willenserklärungen rechtlich nicht ernst gemeint (§ 118 BGB) oder unter den rechtlichen Voraussetzungen eines Scheingeschäfts (§ 117 BGB) abgegeben worden wären. Eine formlose Abbedingung der entsprechenden Abreden des schriftlichen Anstellungsvertrages durch schlüssiges Verhalten ist schon nach dem ausdrücklich bekundeten Willen der Vertragsparteien ausgeschlossen, da sich die vertraglichen Vereinbarungen erschöpfend aus diesem Vertrag und seinen etwaigen schriftlichen Anlagen ergeben, Vertragsänderungen der Schriftform bedürfen und eine Befreiung von der Schriftform durch mündliche Vereinbarung unwirksam ist. Auf den Vortrag der Klägerin und der Beigeladenen zu 3., der Vertrag sei "nicht gelebt worden", kann es schon deshalb nicht ankommen. Soweit sich die Klägerin schließlich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat darauf berufen hat, der Vertrag sei so allein aus steuer- bzw. haftungsrechtlichen Gründen abgeschlossen worden, geht sie unzutreffend davon aus, es unterliege ihrer Disposition, die Wirkungen eines wirksamen Vertrages nach Maßgabe ihrer Individualnützlichkeit auf bestimmte Rechtsgebiete zu beschränken. Umgekehrt gilt vielmehr, dass dann, wenn eine vertragliche Gestaltung durch zwingende gesetzliche Regelungen vorgegeben ist, davon auszugehen ist, dass die tatsächlichen Verhältnisse hiervon nicht rechtserheblich abweichen und deshalb bei Beurteilung der Versicherungspflicht diese vertragliche Gestaltung auch rechtlich maßgebend ist " (zitiert nach juris, Rz. 20).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ergibt sich hier Folgendes:

Das Sozialgericht ist auf Grund der unzutreffenden Angaben der Klägerin und ihres Ehemannes zu Unrecht davon ausgegangen, dass kein schriftlicher Arbeitsvertrag zwischen den Eheleuten über die Tätigkeit der Klägerin für den Betrieb ihres Ehemannes abgeschlossen worden sei. Es war aber gerade das Gegenteil der Fall, wie sich aus der von der Beigeladenen zu 3. im Berufungsverfahren vorgelegten Leistungsakte ergibt. Diese enthält den zwischen den Eheleuten unter dem 01.11.1999 unterzeichneten Anstellungsvertrag. Dieser beinhaltet all die Regelungen, welche für einen klassischen Arbeitsvertrag typisch sind. Die Klägerin wird darin als Arbeitnehmerin bezeichnet, sie unterwirft sich dem Direktions- und Weisungsrecht des Arbeitgebers, erhält im Gegenzug einen Lohn- und Urlaubsanspruch. Des Weiteren finden sich die üblichen arbeitsrechtlichen Regelungen zu Kündigungsfristen und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Dass diese arbeitsvertraglichen Abreden auch von den Eheleuten gewollt waren und praktiziert wurden, ergibt sich gleichfalls aus ihren damaligen Angaben. Die Feststellung, dass die Tätigkeit der Klägerin im Betrieb ihres Ehemannes ein abhängiges und damit sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis darstelle, erstrebten die Eheleute offensichtlich auch, um die Entgeltzahlungen als Betriebsausgabe geltend machen zu können und um der Klägerin den sozialversicherungsrechtlichen Schutz zukommen zu lassen. Entsprechend ihrem damaligen Begehren hatte die Beklagte mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 28.01.2001 die Sozialversicherungspflicht des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin bei der Firma ihres Ehemannes festgestellt. Das Arbeitsamt hatte sich dem in seinem Zustimmungsbescheid vom 19.04.2001 hinsichtlich der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung angeschlossen. Auch in der Folgezeit wurde die Tätigkeit der Klägerin in Bezug auf Sozialversicherungsbeiträge, Lohnsteuerabführung und Verbuchung der Entgelte als Betriebsausgaben so behandelt, wie dies bei einer abhängigen Beschäftigung üblich ist. Die Klägerin und ihr Ehemann hatten schließlich auch im Rahmen des im Dezember 2005 anhängig gemachten Antragsverfahrens auf dem von ihnen ausgefüllten Festellungsbogen angegeben, die Klägerin erhalte ein Arbeitsentgelt, das auf deren privates Girokonto überwiesen werde. Weiter wurde ausgeführt, von der gezahlten Vergütung werde Lohnsteuer entrichtet und diese werde als Betriebsausgabe verbucht. Dass in dieser Weise auch faktisch verfahren wurde, ergibt sich des Weiteren eindeutig aus den von der Klägerin vorgelegten Gehaltsabrechnungen. Weiter erweisen die dem Gericht nach Beiziehung der Einkommensteuerakte vorliegenden Einkommensteuerbescheide, dass in dem streitgegenständlichen Zeitraum gegenüber der Steuerbehörde Einkünfte aus Gewerbebetrieb nur in Bezug auf den Ehemann der Klägerin nicht aber auf sie selbst geltend gemacht wurden. In den gemeinsamen Veranlagungen der Eheleute sind für die Klägerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Bruttoarbeitslohn) aufgeführt, was sich wiederum mit der belegten Lohnabrechnungspraxis deckt.

Die Tätigkeit der Klägerin wurde somit eindeutig als ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis in der Firma des Ehemannes behandelt und klassifiziert. Hieraus hat die Beklagte zutreffend abgeleitet, dass die praktizierte Verfahrensweise typisch für ein Beschäftigungsverhältnis und damit für eine abhängige Beschäftigung sei. Dafür spricht auch, dass die vorgelegten Gehaltsabrechnungen keine Bestandteile enthalten, die auch nur ansatzweise auf eine Gewinn- bzw. Umsatzbeteiligung schließen lassen. Weiter wurde das gezahlte Entgelt als betriebsbedingter Aufwand im Rahmen der Firma des Ehemannes der Klägerin erfasst. Gerade die Verbuchung der Vergütung an Ehegatten als Betriebsausgaben und die tatsächliche zeitnahe Entrichtung von Lohnsteuer ist ein starkes Indiz für eine abhängige Beschäftigung. Lohnsteuerpflicht und Beitragspflicht in der Sozialversicherung beruhen auf dem gleichen Rechtsbegriff des "entgeltlichen" Beschäftigungsverhältnisses. Wesentlich für das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses ist deshalb die Art der Verbuchung und Versteuerung der Bezüge der Verwandten. Werden die Bezüge nicht als Privatentnahmen, sondern als Betriebsausgaben verbucht und lohnversteuert, so haben die Beteiligten damit für den Bereich des Steuerrechts eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre Beziehungen auf die Grundlage eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses gestellt haben. Wird steuerrechtlich von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen, so wird regelmäßig auch für den Bereich der Sozialversicherung von einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ausgegangen werden können (vgl. BSG, Urteil vom 21.04.1993 – B 11 RAr 67/92 – USK 9335).

Ist nach den äußeren Erscheinungsformen von einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen, so lässt sich dies auch nicht mehr durch Aussagen der Beteiligten über das angebliche Fehlen der Weisungsgebundenheit des mitarbeitenden Angehörigen ausräumen. Weisungsgebundenheit kann bei Beschäftigungen von Verwandten naturgemäß in sehr abgeschwächter Form auftreten und ist wegen der Undurchsichtigkeit der familiären Beziehungen ohnehin kaum messbar.

Schließlich ist die Klägerin auch nicht am Unternehmensrisiko der Einzelfirma ihres Ehemannes beteiligt. Maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. BSG, Urteil vom 28.05.2008 – B 12 KR 13/07 R). Die Klägerin ist nicht rechtsförmlich am Unternehmen ihres Ehemannes beteiligt. Das Einzelunternehmen wurde in der streitgegenständlichen Zeit allein von ihrem Ehemann betrieben. Rechtlich hätte daher nur er von etwaigen Gläubigern der Firma in Anspruch genommen werden können. Auch reicht allein die Gewährung eines Darlehens bzw. die Übernahme einer Bürgschaft unter Eheleuten nicht aus, um eine nach außen hin durchweg als versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis dokumentierte Tätigkeit eines Ehegatten im Betriebe des anderen Ehegatten als unternehmerische Tätigkeit einzustufen. Durch die Gewährung eines Darlehens bzw. die Übernahme einer Bürgschaft enthält der Darlehensgeber keine Befugnisse, die Geschicke des Betriebes zu beeinflussen. Hieraus entsteht auch kein Betriebsrisiko, denn die Tragung dieser Risiken findet ihre Rechtfertigung in den zugrundeliegenden ehelichen Beziehungen. Eheleute haben in der Regel ein gesteigertes beiderseitiges Interesse am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens eines der Ehegatten. Zudem werden selbstschuldnerische Bürgschaften üblicherweise von Kreditinstituten bei der Kreditgewährung an verheiratete Schuldner verlangt.

Zusammenfassend überwiegen somit die Anhaltspunkte, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen bei Weitem. Auch der Senat ist, wie das Bayrische Landessozialgericht in seinen Urteilen vom 11.12.2008 (L 4 KR 97/08 und L 4 KR 55/07; zustimmend hierzu auch das Landessozialgericht Nordrheim-Westfalen in seinem Urteil vom 10.06.2010 – L 5 KR 174/09) der Auffassung, dass nur in extremen Fällen rückwirkend in ein jahrelang von den Beteiligten gewolltes und gelebtes Sozialversicherungsverhältnis eingegriffen werden und dieses rückabgewickelt werden kann. Solche Extremfälle wären gegeben im Falle der Praktizierung eines Sozialversicherungsverhältnisses trotz offensichtlicher schwerwiegender Fehler, Ungereimtheiten oder im Falle der Erschleichung eines Versicherungsschutzes. Danach müssen klare Beweise vorliegen, um ein Sozialversicherungsverhältnis bei der Beschäftigung unter Angehörigen rückabzuwickeln. Dies gilt vor allem dann, wenn die Beschäftigung von allen Beteiligten gebilligt und diese auch steuerlich und in sonstiger Weise als Arbeitsverhältnis behandelt wurde. Der Eintritt eines "Sinneswandels", weil nunmehr für in der Vergangenheit liegende Zeiten die familienhafte Mithilfe oder eine Mitunternehmerschaft mit der Folge der Beitragserstattung attraktiver zu sein scheint, vermag eine Rückabwicklung nicht zu rechtfertigen.

Es war daher zu entscheiden, wie geschehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

 

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