Landessozialgericht Hessen 26.10.2010, L 1 KR 84/10
- Aktenzeichen: L 1 KR 84/10
- Spruchkörper: 1. Senat
- Instanzenaktenzeichen: S 11 KR 30/08
- Instanzgericht: Sozialgericht Fulda
- Gericht: Hessisches Landessozialgericht
- Entscheidungstyp: Urteil
- Entscheidungsdatum: 26.10.2010
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Krankengeld für den Zeitraum 1. November bis 30. November 2007 hat.
Die Klägerin war bis zum 31. Oktober 2007 sozialversicherungspflichtig beschäftigt und bei der Beklagten krankenversichert. Der Ehemann der Klägerin ist ebenfalls gesetzlich krankenversichert. Am 1. November 2007 wurde ärztlich festgestellt, dass die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt ist. Die Arbeitsunfähigkeit dauerte bis zum 30. November 2007 an. Das beantragte Arbeitslosengeld wurde mit Hinweis auf einen gegenüber dem früheren Arbeitgeber bestehenden Urlaubsentgeltungsanspruch bis zum 5. November 2007 und die bestehende Arbeitsunfähigkeit abgelehnt (Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 6. November 2007, Widerspruchsbescheid vom 23. April 2008).
Mit Bescheid vom 9. November 2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass mit dem Ende der Mitgliedschaft zum 31. Oktober 2007 auch der Anspruch auf Krankengeld geendet habe. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, dass § 19 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) den Versicherungsschutz aus der vorhergehenden Pflichtmitgliedschaft für die Dauer des Nachwirkungszeitraums uneingeschränkt aufrecht erhalte und zwar unabhängig vom Familienstand des Betroffenen. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Familienversicherung, die gemäß § 10 SGB V Vorrang vor dem Leistungsanspruch des § 19 Abs. 2 SGB V habe, gewähre kein Krankengeld.
Hiergegen hat die Klägerin am 25. Februar 2008 Klage vor dem Sozialgericht Fulda erhoben und damit begründet, dass § 19 Abs. 2 SGB V zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung der Versicherten führe. Zudem verstoße diese Regelung gegen den verfassungsrechtlichen Schutz der Familie.
Mit Gerichtsbescheid vom 16. Februar 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Krankengeld könne erst zum 2. November 2007 entstanden sein. Zu diesem Zeitpunkt sei die Klägerin jedoch nicht mehr mit einem Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen. Mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses zum 31. Oktober 2007 sei die Versicherungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V beendet worden. Die Mitgliedschaft sei auch nicht gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V aufrechterhalten worden. Eine Versicherungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V scheitere daran, dass die Klägerin während des streitgegenständlichen Zeitraums kein Arbeitslosengeld erhalten habe. Ein Anspruch auf Krankengeld ergebe sich auch nicht aus § 19 Abs. 2 SGB V, da eine Versicherung gemäß § 10 SGB V bestanden habe. Dies stehe mit Art. 3 und 6 Grundgesetz (GG) im Einklang.
Die Klägerin hat gegen den ihr am 19. Februar 2010 zugestellten Gerichtsbescheid am 17. März 2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie erneut darauf verwiesen, dass § 19 Abs. 2 SGB V gegen Art. 3 und 6 GG verstoße. Die Beitragsfreiheit im Rahmen der Familienversicherung könne nicht als Ausgleich für den Ausschluss der Krankengeldleistung gesehen werden. Die Beitragsfreiheit diene ausschließlich dem Ziel der Familienförderung und könne nicht zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung herangezogen werden. Der Gesetzgeber hätte die Regelung des § 19 Abs. 2 SGB V dahingehend abfassen müssen, dass dem verheirateten Arbeitnehmer während der Zeit des Krankengeldbezuges keine Beitragsfreiheit zukomme, er aber Anspruch auf das volle – letztlich durch die zurückliegenden Beiträge auch finanzierte – Krankengeld habe.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Fulda vom 16. Februar 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. November 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 1. November bis 30. November 2007 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für rechtmäßig.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.