Landessozialgericht Hessen 12.11.2009, L 1 KR 62/06
- Aktenzeichen: L 1 KR 62/06
- Spruchkörper: 1. Senat
- Instanzenaktenzeichen: S 12 KR 275/05
- Instanzgericht: Sozialgericht Kassel
- Gericht: Hessisches Landessozialgericht
- Entscheidungstyp: Urteil
- Entscheidungsdatum: 12.11.2009
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Pflicht zur Beitragszahlung zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung aus Versorgungsleistungen für die Zeit ab dem 1. Januar 2004.
Der 1937 geborene Kläger, der für den Landwirtschaftlichen (L) als Handelsvertreter (selbstständiger Versicherungsvertreter) tätig war, ist seit dem 1. September 2002 Mitglied der Beklagten und seit diesem Zeitpunkt in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) versichert. Seit dem 1. September 2002 bezieht er monatlich neben der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung von anfangs 966,98 EUR von dem L entsprechend der Versorgungsregelung für selbstständige hauptberufliche Vertrauensleute Bezüge von anfangs 348,66 EUR (ab dem 1. Januar 2004 352,15 EUR).
Mit Einstufungsbescheiden vom 13. Februar 2004 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass ab dem 1. Januar 2004 aus rentenvergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezügen) in Höhe von 352,15 EUR ein monatlicher Krankenversicherungsbeitrag von 53,53 EUR und ein monatlicher Pflegeversicherungsbeitrag von 5,98 EUR von ihm zu zahlen sei. Hiergegen erhob der Kläger am 15. März 2004 mit der Begründung Widerspruch, dass die Rentenzahlung des L aus dem ihm nach Vertragsbeendigung als freiberuflicher Vertrauensmann gem. § 89b Handelsgesetzbuch (HGB) zustehenden Ausgleichsanspruch resultiere. Nach seinem Arbeitsvertrag habe er bei Beginn für den von ihm zu betreuenden Versicherungsbestand eine Übernahmezahlung nach der Bestandsgröße zu leisten gehabt, die beim Ausscheiden wiederum nach Bestandsgröße den Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB ergebe. Dieser Ausgleichsanspruch werde ihm nicht bar ausgezahlt, da er diesen aufgrund eines Angebots der L-Versicherungen habe verrenten lassen. Eine solche Zahlung könne nicht unter "rentenvergleichbare Einnahmen" eingestuft werden. Mit Datum vom 21. September 2004 erließ die Beklagte mit Wirkung ab dem 1. September 2002 und ab dem 1. Januar 2003 entsprechende Einstufungsbescheide zur Kranken- und Pflegeversicherung. Mit Bescheid vom 15. November 2004 nahm die Beklagte die Bescheide vom 21. September 2004 zurück und erließ neue Beitragsbescheide. Die Beitragspflicht des Klägers beginne erst zum 1. Januar 2004. Die fehlerhafte Bearbeitung des Zeitraumes vom 1. September 2002 bis zum 31. Dezember 2003 gehe zu Lasten der Beklagten. Am 28. Dezember 2004 erließ die Beklagte weitere Einstufungsbescheide zur Kranken- und Pflegeversicherung mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 und weitere Beitragsbescheide. Mit Bescheid vom 19. Januar 2005 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass ab dem 1. Januar 2004 die Zahlstelle seiner Versorgungsbezüge Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge einzubehalten und an die Beklagte abzuführen habe und informierte hierüber den L, der sich mit Schriftsatz vom 14. April 2005 mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärte. Die Beklagte hob mit Bescheid vom 26. Januar 2005 die Bescheide vom 13. Februar 2004 und vom 28. Dezember 2004 auf. Den gegen den Bescheid vom 19. Januar 2005 erneut von dem Kläger erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid von 17. August 2005 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 12. September 2005 Klage zum Sozialgericht Kassel erhoben und zur Begründung erneut darauf hingewiesen, dass es sich bei den Versorgungsleistungen des L nicht um Versorgungsbezüge im Sinne des § 229 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) handele, sondern um eine freiwillig vereinbarte Verrentung einer ihm zustehenden Kapitalforderung wegen der Abgabe seines Kundenstammes an die L-Versicherungen. Es liege gerade nicht der Fall einer Betriebsrente vor, sondern ein ihm für die Bestandsrückgabe zu zahlender Ausgleich, da er seinerseits für die Bestandsübernahme eine Sicherheitsleistung aus eigenen Mitteln gezahlt habe. Ihm stehe die Ausgleichszahlung auch in voller Höhe zu, sodass die monatlichen Zahlungen letztlich ausschließlich aus einem ihm zustehenden Betrag finanziert werden würden. Die Zahlungen des L seien auch nicht unverfallbar im Sinne des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG). Die Vereinbarung über die Verrentung sei zudem zu einem Zeitpunkt getroffen worden, der weit vor Ende des Handelsvertreterverhältnisses gelegen habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes bestehe eine Beitragspflicht nicht, wenn die Versicherung zwar ursprünglich auf eine laufende Leistung gerichtet gewesen, aber noch vor Eintritt des Versicherungsfalles in eine Kapitalleistung umgewandelt worden sei. Im umgekehrten Fall könne nichts anderes gelten, da dies sonst zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung des Klägers führe. Denn die Zahlung einer Ausgleichssumme bzw. ein Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB unterfalle nicht der Beitragspflicht. Die Beklagte hat im Klageverfahren an ihrer Rechtsauffassung, dass es sich bei den monatlichen Zahlungen des L an den Kläger um Versorgungsbezüge im Sinne des § 229 SGB V handele, die der Beitragspflicht unterfielen, festgehalten. Mit Gerichtsbescheid vom 23. Februar 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass zu dem § 229 SGB V unterfallenden Versorgungsbezügen auch verrentete Ausgleichsansprüche nach § 89b HGB gehörten.
Gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Kassel, den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 24. Februar 2006, hat der Kläger am 23. März 2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung weist er erneut darauf hin, dass die von dem L gezahlten Leistungen keine Betriebsrenten im Sinne des § 229 SGB V darstellten. Vor rund 25 Jahren habe er bei seiner freiberuflichen Tätigkeit für die L-Versicherungen für die Betriebsübernahme die seinerzeit geforderte Sicherheitsleistung in bar bezahlt. Vereinbart sei gewesen, dass ihm diese Sicherheitsleistung mit 65 Jahren bei Vertragsende per 31. August 2002 zurückgezahlt werde. Die Kapitalforderung sei gemäß einem Angebot der L-Versicherungen verrentet worden. Auch sei der seinerzeit übernommene Bestand im Laufe der Jahre gesunken, sodass er darauf angewiesen sei, seine freiberufliche Geschäftstätigkeit auch als Rentner weiterzuführen. Dadurch sei er verpflichtet, die monatlichen Zahlungen des L als Betriebseinnahmen zu buchen, sodass diese seinen Geschäftsgewinn mit voller Jahressumme erhöhten. Treffe die Rechtsauffassung der Beklagten zu, führe dies zu einer doppelten Belastung. Bei dem L handele es sich auch nicht um eine Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung. Ein Verstoß gegen Artikel 3 Grundgesetz komme auch unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass eine Berücksichtigung der Zahlungen nicht erfolgt wäre, wenn ihm, wie vereinbart, die von ihm gezahlte Sicherheitsleistung am 31. August 2002 in vollständiger Höhe zurückgezahlt worden wäre. Die Forderung auf Ausgleichszahlung habe zudem nicht ihren Anlass in der Tätigkeit für die L-Versicherungen gefunden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Kassel vom 23. Februar 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass es sich bei dem L um eine Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung handele. Entscheidend für die Beitragspflicht sei, ob ein Bezug zur Berufstätigkeit gegeben sei. Dies sei hier der Fall, da der Kläger als freiberuflicher Vertrauensmann für die L-Versicherungen tätig gewesen sei. Dass die an einen ehemaligen selbstständigen Handelsvertreter aus Anlass des früheren Dienstverhältnisses gezahlte Altersversorgung als Rente der betrieblichen Altersversorgung der Beitragspflicht zur KVdR unterliege und zwar auch insoweit, als damit Ausgleichszahlungen nach § 89b HGB abgegolten würden, habe das Bundessozialgericht bereits entschieden.
Der Senat hat u.a. den zwischen dem Kläger und dem L geschlossenen Vertrag aus dem Jahre 1984 nebst der Versorgungsregelung für selbstständige hauptberufliche Vertrauensleute vom Dezember 1982, ein Rundschreiben des L über die zusätzliche Altersversorgung für die hauptberuflichen Vertrauensleute vom 28. Dezember 1982 und die Vereinbarung über die Bestandsübertragung des L an den Kläger vom 8. Januar 1979 beigezogen und die DAK - Pflegekasse - beigeladen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.