Landessozialgericht Hessen, L 8 KR 214/06 ER

  • Spruchkörper: 8. Senat
  • Aktenzeichen: L 8 KR 214/06 ER 
  • Instanzenaktenzeichen: S 30 KR 827/05 ER
  • Instanzgericht: Sozialgericht Frankfurt am Main
  • Gericht: Hessisches Landessozialgericht
  • Entscheidungstyp: Beschluss
  • Entscheidungsdatum: 06.03.2007
  • Rechtskraft: rechtskräftig

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 80.434,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Das vorliegende Verfahren betrifft die Zahlung von Künstlersozialabgaben.

Nach einer bei der Antragstellerin durchgeführten Betriebsprüfung stellte die Antragsgegnerin fest, dass im Zeitraum 2000 bis 2004 im Bereich Werbung und Öffentlichkeitsarbeit für das Unternehmen u.a. Entgeltzahlungen an Journalisten, Texter, Fotografen und Layouter gezahlt worden waren. Auf dieser Grundlage setzte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 31. August 2005 Künstlersozialabgaben fest. In dem Bescheid wurden für 2003 und 2004 auch Entgeltzahlungen für den Basketballspieler D. N. in Höhe von jeweils 600.000,00 EUR einbezogen ("Sponsoringvertrag" vom 3./11. März 2003 nebst Ergänzungsvereinbarung vom 11. März 2003). Diese Veranlagung hält die Antragstellerin, die Hauptsponsorin des Deutschen Basketball Bundes ist, für rechtswidrig.

Der am 6. September 2005 eingelegte Widerspruch mit dem Antrag, die sofortige Vollziehung auszusetzen, soweit die an D. N. gezahlten Entgelte berücksichtigt wurden, blieb ebenso ohne Erfolg, wie der bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung des eingelegten Widerspruchs anzuordnen (Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 16. März 2006; Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 2005).

Gegen den ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 2005 (zugestellt am 8. August 2006) richtet sich die am 7. September 2006 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Entscheidung vom 28. September 2006). Die Antragstellerin rügt, dass der Bescheid vom 31. August 2005 nicht hinreichend bestimmt sei. Es sei nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher tatsächlicher Feststellungen die Antragsgegnerin ihre Entscheidungen getroffen habe. Die Antragstellerin macht auch im Beschwerdeverfahren geltend, dass der Basketballspieler D. N. kein Künstler im Sinne des Künstlersozialversicherungsgesetzes sei. Dieser trete in dem Werbespot "als das auf", was er sei: als Basketballspieler. Sie, die Antragstellerin, nutze die Popularität des Basketballspielers D. N. bei all dessen Auftritten im deutschsprachigen europäischen Raum zu Marketingzwecken, indem dieser verpflichtet sei, bei diesen Auftritten deutlich sichtbar das Logo der Antragstellerin zu tragen, um damit für die Antragstellerin als "Werbemittel" zur Verfügung zu stehen. Diese Verpflichtung erstrecke sich auf das gesamte Jahr. Im Verhältnis dazu sei die Verpflichtung, an zwei oder eventuell drei Tagen im Jahr für einen Werbespot zur Verfügung zu stehen, als unverhältnismäßig geringfügig anzusehen.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 2005 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der am 18. April 2006 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhobenen Klage (S 18 KR 340/06) gegen den Bescheid vom 31. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2006 anzuordnen, soweit Entgeltleistungen an D. N. bei der Bemessung der Künstlersozialabgabe berücksichtigt worden sind.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin verteidigt ihre Bescheide und trägt vor, dass D. N. nicht als Basketballspieler, sondern als Testimonial eingesetzt werde. Ausweislich § 2 a des Vertrages sei die Antragstellerin berechtigt, während der Laufzeit des Vertrages den Namen, das Bild sowie den Originalschriftzug des D. N. für werbliche Zwecke aller Art in jeder Form in allen Medien zu nutzen. D. N. habe der Antragstellerin mithin allumfassendes Werberecht eingeräumt. Nach § 3 b des Vertrages habe er sich unter anderem bereit erklärt, für zwei Produktionstage je acht Stunden oder für drei weitere Produktionstage je sechs Stunden für die Herstellung von speziellen Werbespots zur Verfügung zu stehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Gerichtsakte des Hauptsacheverfahrens (nebst Verwaltungsverfahrensakte der Antragsgegnerin) Bezug genommen.

II.

Die gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 2005 eingelegte Beschwerde ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Beschwerde ist unbegründet.

Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts musste im Ergebnis bestätigt werden, weil die Voraussetzungen für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 31. August2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2006 in dieser Sache nicht vorliegen, soweit Honorarzahlungen an D. N. bei der Bemessung der Künstlersozialabgabe berücksichtigt worden sind.

Nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt bei Entscheidungen über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten (§ 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG). Im vorliegenden Verfahren betrifft dies den angefochtenen Bescheid der Antragsgegnerin in der Gestalt des ebenfalls im Wege der Klageerhebung angefochtenen Widerspruchsbescheides vom 16. März 2006.

Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat nach ständiger Rechtsprechung des Senats Erfolg, wenn das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers, die Vollziehung bzw. Vollstreckung bis zur Entscheidung über seinen Rechtsbehelf hinauszuschieben, nicht überwiegt. Das ist dann der Fall, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, denn an der sofortigen Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein vorrangiges öffentliches Interesse bestehen. In allen anderen Fällen entscheidet bei summarischer Beurteilung des Sachverhalts eine Abwägung der beteiligten öffentlichen und privaten Interessen, die für oder gegen die Dringlichkeit der Vollziehung (hier: Wegfall oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung) sprechen, über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auf der Grundlage des § 86 b Abs. 1 SGG (vgl. dazu schon nach altem Recht Beschluss des Senats vom 6. März 1996 - L 14 KR 1383/95 A - Breithaupt 1997, Seite 78, 79). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kann danach also nur erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Beitragsnachforderung bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Diese Voraussetzungen liegen nicht zugunsten der Antragstellerin und Beschwerdeführerin vor. Nach dem derzeitigem Verfahrenstand bestehen aufgrund summarischer Prüfung keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einbeziehung der an den Basketballspieler D. N. gezahlten Honorare in die Bemessung der Künstlersozialabgabe. Soweit die Antragstellerin die hinreichende Bestimmtheit des angefochtenen Bescheids vom 31. August 2005 rügt, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Einbeziehung des Basketballspielers in die Bemessung erfolgte nach einer bei der Antragstellerin durchgeführten Betriebsprüfung. Der Bescheid führt in der Begründung aus, dass die Antragstellerin der grundsätzlichen Abgabepflicht als Eigenwerbung treibendes Unternehmen gem. § 24 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten (Künstlersozialversicherungsgesetz - KSVG -) unterliege. Nach dieser Vorschrift sind zur Künstlersozialabgabe auch Unternehmer verpflichtet, die für Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit betreiben und dabei nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen. Wenn auf dieser Grundlage der Basketballspieler D. N. für sein Honorar in die Bemessung der Künstlersozialabgabe einbezogen worden ist, bestehen für den Senat zumindest "prima facie" keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Ob in dem Werbespot der Auftritt des D. N. dahin zu interpretieren ist, dass er nicht als "Künstler", sondern als "Basketballspieler" auftritt, wie die Antragstellerin meint, muss einer abschließenden Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache vorbehalten bleiben. Die Beantwortung der auch hier bestehenden Frage, ob Entgelte, die aufgrund von Vermarktungsverträgen zur Abgeltung der Persönlichkeitsrechte, der Rechte am eigenen Bild und zur Verwertung von Namensrechten zu Werbezwecken, u.a. auch für die Mitwirkung an TV-Werbespots, gezahlt werden, der Abgabepflicht in der Künstlersozialversicherung unterliegen, ist Gegenstand eines am Bundessozialgericht rechtshängigen Hauptsacheverfahrens (B 3 KR 19/06 R). Dieses Verfahren bleibt abzuwarten.

Für das vorliegende Beschwerdeverfahren fällt jedenfalls auch eine Folgenabwägung nicht zugunsten der Antragstellerin aus, weil diese durch die geforderten Vorauszahlungen nicht unzumutbar belastet wird. Sollte die Antragstellerin und Beschwerdeführerin im Verfahren zur Hauptsache obsiegen, steht ihr ein Erstattungsanspruch gegen die Antrags- und Beschwerdegegnerin zu, der wegen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht gefährdet ist. Damit spricht wenig dafür, dass die Antragstellerin darauf angewiesen ist, bereits jetzt im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung von der anteiligen Künstlersozialabgabe für den Basketballspieler D. N. freigestellt zu werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 4, 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Grundlage für die Festsetzung ist die mit dem Widerspruch angefochtene Beitragsforderung des Bescheids vom 31. August 2005 in Höhe von 80.434,00 EUR (vgl. dazu Nr. 3.2 des Streitwertkatalogs 2006 für die Sozialgerichtsbarkeit ( NZS 2006, S. 350 )).

Dieser Beschluss kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).

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