Sozialgericht Marburg, S 12 KA 114/07
- Spruchkörper: 12. Kammer
- Aktenzeichen: S 12 KA 114/07
- Instanzgericht: Sozialgericht Marburg
- Entscheidungstyp: Urteil
- Entscheidungsdatum: 05.12.2007
- Rechtskraft: rechtskräftig
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Festsetzung eines Regresses in Höhe von insgesamt 43.379,35 Euro für kieferorthopädische Behandlungen im Zeitraum Oktober 1993 bis Dezember 2004.
Die 1948 geborene und jetzt 59-jährige Klägerin ist als Zahnärztin für Kieferorthopädie seit dem 01.04.1978 zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in B-Stadt zugelassen.
Am 30.06.2003 bat der BKK Landesverband Hessen um Prüfung und ggf. Feststellung eines sonstigen Schadens. Es sei bei Durchsicht der Behandlungsfälle aufgefallen, dass zum einen die Material- und Laborkosten erheblich überschritten worden seien. Darüber hinaus seien Leistungen abgerechnet worden, für die der Klägerin keinerlei Genehmigung vorgelegen habe. Ferner erschienen die Abrechnungen der Bema-Position Ä 1 nicht in jedem Fall gerechtfertigt, da neben einer Sonderleistung eine Abrechnung zusätzlich einer 01 im selben Quartal ausgeschlossen sei. Zu vermuten sei, dass diese Ungereimtheit auch in weiteren Quartalen vorkomme. Beigefügt war dem Schreiben eine Patientenliste mit 27 Namen.
Der Prüfungsausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen – Hessen – führte am 18.10.2006 eine Prüfsitzung durch, an der der Prozessbevollmächtigte der Klägerin teilnahm.
Mit Bescheid vom 18.10.2006 setzte der Prüfungsausschuss eine Honorarberichtigung, vorbehaltlich der bei Verbuchung des Bescheides zu berücksichtigenden HVM- und Degressionseinbehalte, in Höhe von insgesamt 46.582,77 EUR in zehn Behandlungsfällen der BKK Sancura fest.
Hiergegen legte die Klägerin am 20.11.2006 und die Beigeladene zu 3) am 11.12.2006 Widerspruch ein.
Zur Begründung trug die Klägerin vor, sie habe alle Leistungen und Diagnosen ausreichend dokumentiert. Dies gelte auch für Befunde bzw. Ausfertigungen. Die Vorschriften der Röntgenverordnung habe sie beachtet. Soweit Röntgenbilder angefertigt worden seien, seien diese im Rahmen der medizinischen Behandlung auch notwendig gewesen. Fest sitzende Apparaturen auf Milchzähnen seien nur in Ausnahmefällen durchgeführt worden. Die medizinische Indikation habe vorgelegen. Im Vorfeld einer Behandlung lasse sich die erforderliche Mitarbeiter und die gute Mundhygiene nicht feststellen. Die Geräte setze sie selbst ein. Lediglich in Fällen, in denen die Patienten trotz mehrfacher Erinnerung nicht in der Praxis erschienen seien, habe sie letztlich die Geräte von Verwandten abholen lassen oder sie per Post verschickt. Nur auf diese Weise habe sie eine weitere Verzögerung bzw. Gefährdung des Behandlungserfolges verhindern können. Auch die Häufigkeit, mit der Apparaturen hergestellt würden, sei ihr nicht anzulasten. Hintergrund sei regelmäßig eine fehlende Mitarbeit bzw. sonstiges Verschulden der Patienten. Gleiches gelte hinsichtlich der teilweise vorgenommenen frühzeitigen Entfernung der fest sitzenden Apparaturen. Die meisten der geprüften Behandlungsfälle stammten aus Anfang der 90er Jahre. Es werde die Einrede der Verjährung erhoben. Ferner nahm sie zu den Einzelfällen Stellung.
Die Beigeladene zu 3) wies auf einen unangemessenen hohen Behandlungsaufwand und Zweifel an der Qualität der Behandlung hin.
Der Beschwerdeausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen in Hessen führte am 05.03.2007 eine weitere Prüfsitzung durch, an der wiederum der Prozessbevollmächtigte der Klägerin teilnahm.
Mit Beschluss vom 05.03.2007, ausgefertigt am 20.03. und der Klägerin am 22.03.2007 zugestellt, wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin in acht Fällen zurück und gab ihm in zwei Behandlungsfällen teilweise statt. Dem Widerspruch des Beigeladenen zu 3) gab er in einem Fall statt und wies ihn in neun Fällen zurück.
Der Beschwerdeausschuss führte in den Bescheidgründen aus, im Ergebnis habe er festgestellt, dass in Behandlungsfällen wie C. und D. keine komplette Fehlbehandlung, wie vom Prüfungsausschuss angenommen, vorgelegen habe, mit der Folge, dass eine Komplettabsetzung nicht habe aufrecht erhalten werden können. Bei der Patientin E. sei ein sonstiger Schaden festgestellt worden, es habe deshalb eine Komplettabsetzung erfolgen müssen. Die Verjährungseinrede greife nicht. Es existiere nur eine vierjährige Ausschlussfrist. Diese beginne mit Erstellung der Abschlussbescheinigung nach § 29 Abs. 3 SGB V bzw. mit der letzten Abrechnung über die KZV zu laufen. Es lägen in allen Behandlungsfällen erhebliche Dokumentationsmängel vor. Die Leistung Ä 1 "Beratung eines Kranken", die während einer kieferorthopädischen Behandlung nur abrechnet werden könne, wenn sie anderen als kieferorthopädischen Zwecken diene, sei vielfach nicht hinreichend dokumentiert worden und auch ohne dezidierte Begründung abgerechnet worden. In allen Karteikartendokumentationen hätten die erforderlichen Befunde im Zusammenhang mit der Leistung nach Position 01 gefehlt. Es fehle eine schriftliche Auswertung der OPG-Aufnahmen, ebenso der Leistung "Modellanalyse" nach Position 117. Die Vorschriften der Röntgenverordnung seien mit Blick auf die strenge Indikationsstellung bei Kindern unzureichend beachtet worden, was die auffallend hohe Anzahl von Röntgenbildern zeige. Eine Systematik bei den kieferorthopädischen Behandlungen lasse sich bereits anhand der Karteikarteneintragungen und vor allem mit Blick auf die Anfangsdiagnostik nicht erkennen. So würden Fernröntgenseitenaufnahmen nicht zeitnah mit anderen diagnostischen Maßnahmen erbracht werden. Auffallend häufig würden Apparaturen hergestellt werden. Es würden Geräte angefertigt und nicht von der Klägerin persönlich eingesetzt werden, vielmehr von Verwandten abgeholt oder per Post verschickt werden. Die fest sitzenden Apparaturen seien häufig in den Behandlungen zu früh entfernt und diese Form der Therapiemöglichkeit nicht voll ausgenutzt worden, was ebenfalls eine Kostenerhöhung durch die nun angefertigten herausnehmbaren Apparaturen zur Folge habe. Milchzähne seien mit fest sitzenden Apparaturen (Brackets) im Rahmen einer fest sitzenden Therapie beklebt worden, was medizinischen Grundsätzen grob widerspreche. Vor einer Behandlung mit Multiband müsse abgeklärt werden, ob die Indikation für eine fest sitzende Therapie aufgrund der dafür erforderlichen Mitarbeit des Patienten gesichert und die erforderliche Mundhygiene gegeben sei. Dies sei bei der Klägerin generell nicht der Fall. Teilweise seien Modelle falsch eingesockelt worden. Die Position 126 sei standardisiert 24 mal berechnet worden. Sie sei auch für Zähne abgerechnet worden, die mundphysisch weder als Milch- noch als bleibende Zähne vorhanden gewesen seien. Die Häufigkeit der aufgetretenen Fälle lasse sich nicht durch Zufälligkeit erklären. In allen zehn Behandlungsfällen sei die Behandlung nicht vertragsgerecht durchgeführt worden. Der Beschwerdeausschuss begründete ferner im Einzelnen die Absetzungen der zehn Behandlungsfälle.
Hiergegen hat die Klägerin am 10.04.2007 die Klage erhoben.
Am 19.07.2007 stellte die Klägerin einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Mit Beschluss vom 23.08.2007 - S 12 KA 316/07 ER – stellte die Kammer gegenüber der Beigeladenen zu 1) die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den angefochtenen Beschluss fest. Über die hiergegen von der Beigeladenen zu 1) eingelegte Beschwerde hat das LSG Hessen noch nicht entschieden.
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin unter Bezugnahme auf ihre Widerspruchsbegründung im Übrigen vor, es sei in nahezu allen Fällen Verjährung eingetreten. Ansprüche auf Ersatz eines sonstigen Schadens verjährten in vier Jahren ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung. Verjährung sei deshalb eingetreten in den Behandlungsfällen F., G., H., GT., I., J. und K ... In den übrigen Fällen seien zu Unrecht die über die Genehmigung hinausgehenden Gebührenpositionen in Anzug gebracht worden. Im Rahmen der Degression sei von 1993 bis 2003 insgesamt ein Betrag in Höhe von 359.353,00 Euro einbehalten worden. Ferner hat sie zu den zehn Behandlungsfällen im Einzelnen ausgeführt.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Beklagten vom 05.03.2007 aufzuheben.
Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1) bis 10) beantragen übereinstimmend,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist auf den angefochtenen Beschluss und trägt ergänzend vor, Verjährungsbeginn trete mit dem Abschluss des Behandlungsbeginns ein. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb nach Zahlung von abgerechneten Gebührenpositionen eine Rückforderung ausgeschlossen sein solle. Die Degressionseinbehalte seien selbstverständlich berücksichtigt worden. Ferner hat er zu den zehn Behandlungsfällen im Einzelnen erwidert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin aus den Kreisen der Vertragszahnärzte und einer ehrenamtlichen Richterin aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragszahnarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klage ist zulässig. Die Klage ist aber unbegründet. Der Beschluss des Beklagten vom 05.03.2007 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Beklagte hat zu Recht den strittigen Regressbetrag festgesetzt.
Der Beklagte war zuständig. Er stellt Ansprüche von Primärkassen gegen einen Vertragszahnarzt auf Grund mangelhafter prothetischer oder kieferorthopädischer Leistungen fest
Der Beklagte hat einen sonstigen Schaden auf Grund mangelhafter kieferorthopädischer Leistungen als Regressbetrag festgesetzt.
Bei der Festsetzung des Regressbetrages im Beschluss des Beschwerdeausschusses vom 05.03.2007 handelt es sich um einen Regress wegen eines sonstigen Schadens. Dies hat die Kammer bereits mit Beschluss vom 23.08.2007 - S 12 KA 316/07 ER – festgestellt. Nach Überprüfung durch die vollständig besetzte Kammer hält sie hieran fest.
Auf einen Regress wegen eines sonstigen Schadens hat bereits der BKK Landesverband Hessen in seinem Schreiben vom 26.06.2003 abgestellt. Der Prüfungsausschuss hält sich für die Feststellung eines sonstigen Schadens auf Seite 2 seines Beschlusses ausdrücklich für zuständig. Der Beklagte stellt ebf. fest, er habe bei der Patientin I. einen sonstigen Schaden festgestellt (vgl. Beschluss Seite 4). Grundlage seiner Festsetzung war auch nicht die Unwirtschaftlichkeit der Behandlung, sondern die nicht vertragsgerechte Durchführung der Behandlung (vgl. Beschluss Seite 5). Entsprechend werden bei den einzelnen Absetzungen die Mängel der Behandlung erläutert und erfolgt auch eine Absetzung der Sachkosten.
Nach dem BMV-Z obliegt die Festsetzung eines sonstigen Schadens grundsätzlich der paritätischen Selbstverwaltung, nicht der Beigeladenen zu 1) (vgl. bereits SG Frankfurt a. M., Urt. v. 09.03.1994 – S 27 KA 1488/93 –, Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen durch LSG Hessen, Beschluss vom 21.03.1995 – L 7 KA 636/94 –; SG Frankfurt a. M., Urt. v. 20.05.1992 – S 27 KA 2960/91 – rechtskräftig; SG Frankfurt a. M., Gerichtsbescheid v. 27.09.2004 - S 27 KA 3737/03 -, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 7 KA 91/04 -). Ein Antrag ist hierfür nicht erforderlich; die Beklagte kann von Amts wegen tätig werden. Im Übrigen liegt ein solcher Antrag vor.
Nach § 23 BMV-Z sind die Prüfungseinrichtungen nach §§ 21 und 22 zuständig für die Feststellung des sonstigen Schadens, den der Vertragszahnarzt in Folge schuldhafter Verletzung vertragszahnärztlicher Pflichten einer Krankenkasse verursacht hat.
Das Bundessozialgericht hat die Übertragung der Feststellung des sonstigen Schadens auf die Prüfgremien für zulässig angesehen, da die Wirtschaftlichkeitsprüfung auch auf die ordnungsgemäße Erbringung der Leistung erstreckt werden kann, denn eine mangelhafte Leistung ist letztlich auch unwirtschaftlich (so bereits BSG, Urteil vom 18.02.1986 – 6 RKa 10/85 – SozR 1500 § 70 Nr. 3, S. 1 ff., 6).
Der Anspruch ist auch nicht verjährt. Es gilt eine vierjährige Verjährungsvorschrift (vgl. BSG, Urt. v. 28.08.1996 - 6 RKa 88/95 - SozR 3-5545 § 23 Nr. 1 = BSGE 79, 97 = NJW 1997, 3116 = USK 96151, juris Rdnr. 16). Das Bundessozialgericht hat es bisher offen gelassen, ob die Verjährung wie bei anderen Ansprüchen aus dem Bereich des Sozialrechts (§ 45 Abs. 1 Satz 1 SGB I; § 25 Abs. 1, § 27 Abs. 2 SGB IV; § 50 Abs. 4, § 113 SGB X) mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind, oder wie bei deliktischen Ansprüchen des Zivilrechts (§ 852 Abs. 1 BGB) erst mit der Kenntnis des Ersatzberechtigten von dem eingetretenen Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen beginnt (vgl. BSG, Urt. v. 28.08.1996 - 6 RKa 88/95 -, aaO., juris Rdnr. 17).
Auf die Kenntnis des Ersatzberechtigten von dem eingetretenen Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen kann nach Auffassung der Kammer allerdings nicht abgestellt werden. Dies würde, da typischerweise die Krankenkasse gerade keine Kenntnis von etwaigen Abweichungen des behandelnden Arztes von den Vorgaben des genehmigten Behandlungsplanes hat, den Vertragszahnarzt über einen langen Zeitraum hinweg dem Risiko eines Regresses aussetzen (vgl. ausführlich LSG Niedersachsen, Urt. v. 27.09.2000 - L 3/5 KA 64/97 – juris Rdnr. 38). Ob die Verjährung wie bei anderen Ansprüchen aus dem Bereich des Sozialrechts mit dem Ablauf des Kalenderjahres beginnt, wofür einiges spricht, kann hier dahinstehen, da es hierauf nicht ankommt.
Für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist folgt die Kammer insoweit der von dem Beklagten vertretenen Auffassung, dass Verjährungsbeginn der Zeitpunkt des Abschlusses der kieferorthopädischen Behandlung ist. Alle zehn strittigen Behandlungen wurden im Zeitraum II/03 bis 30.06.2004 beendet, wie sich aus nachfolgender Übersicht ergibt:
Behandlungsfall Behandlungsende
- F. III/03
- X. II/03
- Y. 31.03.2004
- H. 31.12.2004
- GT. 31.03.2004
- MC. 30.06.2004
- Z. 31.12.2003
- I. II/03
- J. 30.06.2004
- K. 31.03.2004
Danach war zum Zeitpunkt der Regressfestsetzung durch den Bescheid vom 18.10.2006 Verjährung in keinem Fall angetreten, so dass dahinstehen kann, ob die Verjährung nicht erst zum Jahresende, also frühestens mit Ablauf des 31.12.2003 zu laufen begonnen hat. Für die genannten Zeitpunkte hat die Klägerin die Behandlung als abgeschlossen erklärt oder die letzte Behandlung erbracht. Die insoweit fachkundig besetzte Kammer geht hierbei davon aus, dass bei kieferorthopädischen Behandlung eine einzelne, bestimmte Pflichtverletzung und insbesondere deren Zeitpunkt nicht oder nur erschwert und im Regelfall vage bestimmt werden kann. Die kieferorthopädische Behandlung beruht auch auf der Überwachung eingeleiteter Maßnahmen und der Herbeiführung eines Erfolges dieser Maßnahmen. Ob die Behandlung insoweit regelgerecht war, kann erst nach deren Abschluss beurteilt werden, da bis dahin unter Umständen die Einleitung weiterer oder korrigierender Maßnahmen noch zu einem regelgerechten Erfolg führen können. Damit hat der Vertragszahnarzt auch keine Garantiehaftung für einen bestimmten Erfolg seiner Behandlung zu übernehmen, da Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch in jedem Fall eine schuldhafte Pflichtverletzung ist. Gerade bei kieferorthopädischen Behandlungen, die im Regelfall über mehrere Jahre erfolgen, wird sich ein Pflichtenverstoß aber erst am Ende der Behandlung feststellen lassen. Von daher kann ein Pflichtenverstoß erst am Ende der Behandlung festgestellt werden und kann zuvor die Verjährung nicht zu laufen beginnen.
Soweit das LSG Niedersachsen maßgeblich für die Entstehung des Schadensersatzanspruches den Zeitpunkt ansieht, in dem der Vertragszahnarzt schuldhaft seine kassenzahnärztlichen Pflichten verletzt und insoweit eine Gesamtbetrachtung des Behandlungszeitraumes nicht zulässig sein soll (vgl. LSG Niedersachsen, Urt. v. 27.09.2000 - L 3/5 KA 64/97 – juris Rdnr. 38 f.), war dem aus den genannten Gründen nicht zu folgen. Die Kammer hält insoweit an ihrer bisherigen Auffassung fest (vgl. SG Marburg, Urt. v. 21.03.2007 – S 12 KA 840/06).
Maßgeblich ist dabei die Beendigung der Behandlung durch den Vertragszahnarzt, sei es durch dessen Erklärung, die Behandlung sei abgeschlossen, oder aufgrund eines Wechsels des Behandlers. Ob der Behandler den Patienten nach seiner Erklärung, die Behandlung sei abgeschlossen, auf privatvertraglicher Grundlage weiter behandelt, ist unbeachtlich, da dies außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung geschieht und der Behandler sich an seiner Erklärung festhalten lassen muss. Die Kammer hat dies im Einzelnen mit den Beteiligten bzgl. des Behandlungsfalls J. in der mündlichen Verhandlung erörtert. Auch im Falle eines Wechsels des Behandlers wird es der Krankenkasse im Regelfall ermöglicht, von einem Behandlungsfehler Kenntnis zu erlangen. Grund für den Wechsel des Behandlers kann eine Unzufriedenheit des Patienten sein, die zur Nachprüfung der bisherigen Behandlung führt. Auch wird der neue Behandler einen eventuellen Behandlungsfehler feststellen. Auf Zwischengutachter im Rahmen von Verlängerungsanträgen kann nicht abgestellt werden. Der weitere Gutachter hat keine Kompetenz, die bisherige Behandlung zu überprüfen. Der Gutachter ist nicht befugt, über die Qualität des Behandlers zu urteilen und über die Behandlungsqualität des Behandlers eine Stellungnahme abzugeben. Seine Aufgabe ist darauf beschränkt, aufgrund der Antragstellung und der eingereichten Unterlagen die Notwendigkeit der Behandlung für die Zukunft zu überprüfen. Die Beurteilung der Qualität der Behandlung, soweit sie auch die Wirtschaftlichkeit der Behandlung berührt, ist allein Sache der Prüfgremien nach § 106 SGB V.
Eine Verjährung ist daher in keinem der strittigen Behandlungsfälle eingetreten.
Voraussetzung für den Anspruch einer Krankenkasse auf Ersatz eines sonstigen Schadens durch einen Vertragszahnarzt ist die Verletzung einer vertragszahnärztlichen Pflicht, ein hieraus resultierender Schaden sowie ein schuldhaftes, also zumindest fahrlässiges Verhalten des Vertragszahnarztes (vgl. BSG, Urt. v. 14.03.2001 - B 6 KA 19/00 R – SozR 3-2500 § 106 Nr. 52 = USK 2001-148, juris Rdnr. 15 m. w. N.)
Die kieferorthopädische Behandlung war in allen strittigen Behandlungsfällen mangelhaft. Die mit einer Vertragszahnärztin fachkundig besetzte Kammer folgt insoweit den Ausführungen im angefochtenen Beschluss, auf die verwiesen wird (§ 136 Abs. 3 SGG).
Ergänzend ist auszuführen, dass der Beklagte in den Behandlungsfälle 6 und 7 Absetzungen nicht deswegen vorgenommen hat, weil die tatsächlichen Kosten über die im genehmigten Behandlungsplan angesetzten Kosten hinausgegangen sind. In beiden Fällen fehlt es bereits an der Dokumentation und damit einer Begründung, weshalb weitere Kosten angefallen sind. Bei fehlenden Nachanträgen trifft den Behandler eine Darlegungs- und Dokumentationslast über den Nachweis der Wirtschaftlichkeit für die weiteren Kosten. Im Behandlungsfall 6 kommt hinzu, dass die Klägerin Milchzähne kieferorthopädisch behandelt hat. Milchzähne kieferorthopädisch zu behandeln macht aber nur dann Sinn, wenn der darunterliegende Zahn nicht vorhanden ist. Im Falle des Patienten MC., Behandlungsfall Nr. 6, wäre dann allenfalls die Behandlung des Milchzahns 74 sinnvoll gewesen. Aus der Behandlung der übrigen Milchzähne, wie im Beschluss des Beklagten aufgeführt, folgt, dass hierfür Material und Laborkosten verwandt wurden, die möglicherweise dann für die eigentliche kieferorthopädische Behandlung bei den bleibenden Zähnen fehlten bzw. zu den Kosten eben hinzukamen. Damit sind aufgrund fehlerhafter Behandlung weitere Kosten entstanden. Aber auch soweit allein auf die Wirtschaftlichkeit abgestellt wird, ist eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durch das Genehmigungsverfahren nur insoweit ausgeschlossen, wie die Wirtschaftlichkeit schon im Genehmigungsverfahren zu prüfen ist und nach den gemachten Angaben geprüft werden kann (vgl. BSG, Urt. v. 08.09.1993 – 14a RKa 9/92 - SozR 3-5555 § 13 Nr. 1 = USK 93148, juris Rdnr. 20). Die zunächst nicht angegebenen höheren Kosten werden daher von der Genehmigung nicht erfasst und sind nach allgemeinen Grundsätzen überprüfbar. Ihre Notwendigkeit ist auch zu dokumentieren, dies jedenfalls dann, wenn diese nicht aufgrund der Behandlung offensichtlich ist, was hier nicht der Fall war.
Soweit die Klägerin auf eine unzureichende Mitarbeit der Patienten verweist, ist ihr Vortrag unsubstantiiert. Im Übrigen gehört es zu ihrer Behandlungsverpflichtung, den Patienten und/oder seinen Erziehungsberechtigten entsprechend zu beraten und für die Einhaltung der notwendigen Hygienevorschriften Soge zu tragen; in gravierenden Fällen ist die Behandlung nicht vorzunehmen oder abzubrechen. Es besteht ferner eine Verpflichtung des Zahnarztes zur Benachrichtigung der Kasse bei unsachgemäßer Behandlung kieferorthopädischer Behandlungsmittel. Nach § 16 Abs. 4 Bundesmantelvertrag-Zahnärzte soll die Krankenkasse über besondere Vorkommnisse, welche die Versichertengemeinschaft schädigen, u. a. z. B. bei Abbruch kieferorthopädischer Behandlung unterrichtet werden.
Soweit die Klägerin darauf hinweist, ggf. könne sie weitere Dokumentationen vorweisen, so ist sie von dem Beklagten zur Vorlage der Unterlagen aufgefordert worden. Sie muss sich an die Führung ihrer Dokumentation festhalten lassen. Dies gilt auch für die fehlende Dokumentation hinsichtlich der verwandten Bögen und Schrauben. Die Dokumentation kann nicht nachgebessert werden. Insofern gehört die Dokumentation zum Leistungsinhalt der kieferorthopädischen Behandlung.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf die eingeholten Gutachten im Genehmigungsverfahren berufen, da es sich um ein reines Planungsgutachten im Vorfeld der Behandlung bzw. um ein Gutachten zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Behandlung gehandelt hat.
Im Fall 1 nimmt die Klägerin zum Vorwurf der fehlenden Systematik und unzureichenden Dokumentation nicht substantiiert Stellung. Der Beklagte hat dies anhand der Ausführungen zur MB-Therapie, der Verwendung der Schrauben, der Einbeziehung von Milchzähnen, der Wachsbissnahmen, der massiven Überschreitung der genehmigten Leistungen, dem Behandlungsergebnis nach 8,5 Jahren Behandlung und Überschreiten der Retentionszeit im Einzelnen dargelegt. Angesichts fehlender substantiierter Einwendungen der Klägerin sah die Kammer keine Notwendigkeit, hierauf weiter einzugehen. Dies gilt auch für die übrigen Fälle.
Ein Schaden ist eingetreten. Dabei ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Schaden nach den abgerechneten Leistungen bemisst (vgl. zur Schadenshöhe BSG, Urt. v. 29.11.2006 - B 6 KA 21/06 R – juris Rdnr. 23 m. w. N.).
Die Beklagte hat auch die Veränderungen des Werts der abgesetzten Leistungen aufgrund der Degressions- und HVM-Einbehalte zutreffend berücksichtigt. Dies ergibt sich im Einzelnen aus den Anlagen 1 bis 4 des angefochtenen Beschlusses. Substantiierte Einwendungen hat die Klägerin hiergegen nicht vorgetragen.
Nach allem war der angefochtene Beschluss nicht aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
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