Bundessozialgericht 11.09.2018, B 1 KR 1/18 R

Urteil über die fingierte Leistungsgenehmigung.

  • Spruchkörper: 1. Senat
  • Aktenzeichen: B 1 KR 1/18 R
  • 1. Instanz: Sozialgericht Gießen, Urteil vom 07.03.2017, Az. S 7 KR 344/15
  • 2. Instanz: Hessische Landessozialgericht, Urteil vom 09.11.2017, Az. L 1 KR 210/17
  • 3. Instanz: Bundessozialgericht
  • Entscheidungstyp: Urteil
  • Entscheidungsdatum: 11.09.2018
  • Rechtskraft: rechtskräftig

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer Hautstraffungsoperation an Bauch (Abdominalplastik) und Brust in der Türkei.

Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Kläger beantragte befundgestützt die Versorgung mit einer Hautstraffungsoperation im Bauch- und Brustbereich nach vorausgegangener massiver Gewichtsabnahme (27.11.2014). Die Beklagte kündigte eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) an und forderte den Kläger auf, weitere Unterlagen vorzulegen (2.12.2014). Nach deren Eingang beauftragte sie den MDK mit der Erstellung eines Gutachtens und unterrichtete den Kläger, dass er benachrichtigt werde, sobald das Gutachten vorliege (29.12.2014). Der MDK hielt die beantragte Hautstraffungsoperation für nicht notwendig (7.1.2015). Gestützt hierauf lehnte die Beklagte die beantragte Versorgung ab (Bescheid vom 13.1.2015; Widerspruchsbescheid vom 24.6.2015). Der Kläger hat sich die Hautstraffungsoperation in der Türkei auf eigene Kosten selbst beschafft (7.8.2015; 4200 Euro). Er ist mit seiner auf Kostenerstattung gerichteten Klage ohne Erfolg geblieben (Urteil des SG vom 7.3.2017). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger habe zwar dem Grunde nach einen Anspruch auf Versorgung mit einer derartigen Operation wegen des Eintritts einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a SGB V. Er habe diesen aber nicht durch die selbst beschaffte Operation realisieren können, da sein Anspruch während des Aufenthaltes in der Türkei gemäß § 16 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V geruht habe (Urteil vom 9.11.2017).

Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung von § 13 Abs 3a S 7 iVm § 16 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V. Der Sanktionscharakter der Genehmigungsfiktion spreche gegen ein Ruhen des vom Versicherten erworbenen Anspruchs bei einer Selbstbeschaffung im Ausland.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 9. November 2017 und des Sozialgerichts Gießen vom 7. März 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 4200 Euro zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Zu Unrecht hat das LSG die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende SG-Urteil zurückgewiesen. Die nunmehr ausschließlich auf Kostenerstattung gerichtete Klage ist zulässig (dazu 1.) und begründet. Der Kläger hat aufgrund fingierter Genehmigung seines Antrags und der Ablehnung der beklagten KK, ihm die beantragte Leistung im System der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu gewähren, Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihm für die selbst beschaffte Hautstraffungsoperation entstanden (dazu 2.). Die Ablehnungsentscheidung der beklagten KK (Bescheid vom 13.1.2015; Widerspruchsbescheid vom 24.6.2015) ist rechtswidrig (dazu 3.).

Gegenstand des Rechtsstreits sind zwei in einer Klage im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 56 SGG) zusammen verfolgte zulässige Klagebegehren: Die allgemeine Leistungsklage auf Kostenerstattung (dazu a) und die (isolierte) Anfechtungsklage gegen die Ablehnungsentscheidung (dazu b).

Die von dem Kläger erhobene allgemeine Leistungsklage ist zulässig. Nach § 54 Abs 5 SGG kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Hierfür genügt es, dass ein bindender Verwaltungsakt (§ 77 SGG) vorliegt, der Leistungsträger aber gleichwohl nicht leistet (vgl BSGE 50, 82, 83 = SozR 1500 § 54 Nr 40 S 22 f; s ferner Zeihe in Zeihe/Hauck, SGG, Stand April 2018, § 54 RdNr 43b). Ist die Genehmigung einer beantragten Leistung kraft Fiktion erfolgt, steht dies der Bewilligung der beantragten Leistung durch einen Leistungsbescheid gleich. Die Genehmigungsfiktion bewirkt ohne Bekanntgabe (§§ 37, 39 Abs 1 SGB X) einen in jeder Hinsicht voll wirksamen Verwaltungsakt iS von § 31 S 1 SGB X. Durch den Eintritt der Fiktion verwandelt sich der hinreichend inhaltlich bestimmte Antrag in den Verfügungssatz des fingierten Verwaltungsakts. Er hat zur Rechtsfolge, dass das in seinem Gegenstand durch den Antrag bestimmte Verwaltungsverfahren beendet ist und dem Versicherten unmittelbar ein Anspruch auf Versorgung mit der Leistung zusteht (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 36 RdNr 8 mwN, auch für BSGE vorgesehen; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 RdNr 9, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Beschafft sich der Versicherte während des Verfahrens die Leistung selbst und begehrt Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten, ändert sich die statthafte Klageart nicht (zur Zulässigkeit der Umstellung eines Sachleistungsbegehrens auf einen Kostenerstattungsanspruch vgl zB BSG Urteil vom 24.4.2018 - B 1 KR 10/17 R - Juris RdNr 8 mwN, für BSGE und SozR 4 vorgesehen).

Die allgemeine Leistungsklage tritt nicht hinter die Feststellungsklage zurück (§ 55 Abs 1 Nr 1 SGG). Mit der allgemeinen Leistungsklage kann ein Kläger effektiven Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 S 1 GG) erlangen, wenn sich eine KK - wie hier - weigert, eine durch Verwaltungsakt zuerkannte Leistung zu erbringen. Ihm bleibt nur die Leistungsklage, um einen Vollstreckungstitel zu erhalten (§ 199 Abs 1 Nr 1 SGG). Eine Vollstreckung aus Verwaltungsakten gegen die öffentliche Hand ist nicht vorgesehen (vgl BSGE 50, 82, 83 = SozR 1500 § 54 Nr 40 S 23; BSGE 75, 262, 265 = SozR 3-8560 § 26 Nr 2 S 15). Die allgemeine Leistungsklage und nicht eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) ist statthaft. Denn der Kläger stützt sein Begehren gerade auf den Eintritt der fingierten Genehmigung seines Antrags (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V), auf einen fingierten Leistungsbescheid, der in Bestandskraft erwachsen ist. § 86 SGG findet keine Anwendung.

Die gegen die Ablehnungsentscheidung neben der allgemeinen Leistungsklage erhobene isolierte Anfechtungsklage ist zulässig (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 36 RdNr 10 mwN, auch für BSGE vorgesehen; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 RdNr 11, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Die Beklagte setzte mit ihrer Leistungsablehnung nicht das mit Eintritt der Genehmigungsfiktion beendete, ursprüngliche Verwaltungsverfahren fort, sondern eröffnete ein neues eigenständiges Verfahren.

Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten, ihm entstandenen Kosten für die auf der Grundlage einer fingierten Genehmigung seines Antrags auf Versorgung mit einer Abdominalplastik und Bruststraffung durchgeführte stationäre Behandlung in der Türkei. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs aus § 13 Abs 3a S 7 SGB V entsprechend dem Rechtsgedanken von § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V (anzuwenden idF des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046; zu den Grundsätzen vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 37 RdNr 24 mwN) sind erfüllt. Die Rechtsnorm bestimmt: Hat die KK eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der KK in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Anspruch auf Kostenerstattung (§ 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V) ist demnach nur gegeben, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Bestehen eines Primärleistungs(Naturalleistungs-)anspruchs des Versicherten und dessen rechtswidrige Nichterfüllung, Ablehnung der Naturalleistung durch die KK, Selbstbeschaffung der entsprechenden Leistung durch den Versicherten, Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung, Notwendigkeit der selbst beschafften Leistung und (rechtlich wirksame) Kostenbelastung durch die Selbstbeschaffung (vgl zum Ganzen: BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25; E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, 19. Aufl, Stand: 1.4.2018, § 13 SGB V RdNr 233 ff). So liegt es hier: Die Beklagte lehnte es zu Unrecht ab, dem Kläger die beantragte stationäre Behandlung zu gewähren (dazu 3.). Dem Kläger entstanden dadurch, dass er sich eine der abgelehnten entsprechende, entsprechend der fingierten Genehmigung notwendige Leistung - Abdominalplastik und Bruststraffung - selbst verschaffte, die von ihm geltend gemachten Kosten (dazu 4.).

Der Antrag des Klägers auf Versorgung mit einer Abdominalplastik und Bruststraffung aufgrund stationärer Behandlung galt mangels rechtzeitiger Entscheidung der Beklagten ohne hinreichende Information des Klägers als genehmigt. Gilt eine beantragte Leistung als genehmigt, erwächst dem Antragsteller hieraus ein Naturalleistungsanspruch als eigenständig durchsetzbarer Anspruch. Der Anspruch ist entsprechend den allgemeinen Grundsätzen auf Freistellung von der Zahlungspflicht gerichtet, wenn die fingierte Genehmigung eine Leistung betrifft, die nicht als Naturalleistung erbracht werden kann (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 RdNr 16 ff, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 36 RdNr 12 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 25).

Die Voraussetzungen der Fiktion der Genehmigung sind erfüllt. § 13 Abs 3a SGB V (idF durch Art 2 Nr 1 Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten <PatRVerbG> vom 20.2.2013, BGBl I 277, mWv 26.2.2013) erfasst die von dem Kläger im November 2014 beantragte Leistung nicht nur zeitlich (vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 36 RdNr 15 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 9), sondern auch als eine ihrer Art nach der Genehmigungsfiktion zugängliche Leistungsart (dazu a). Der Kläger war leistungsberechtigt (dazu b). Er erfüllte mit seinem Antrag die Voraussetzungen eines genehmigungsfähigen, den Lauf der Frist auslösenden Antrags auf Versorgung mit einer Abdominalplastik und Bruststraffung (dazu c). Der Kläger durfte die beantragte Leistung für erforderlich halten (dazu d). Die Beklagte hielt die gebotene Frist für eine Verbescheidung nicht ein (dazu e).

Die Regelung des § 13 Abs 3a S 6 SGB V ist auf den Antrag des Klägers sachlich anwendbar. Die Regelung erfasst ua Ansprüche auf Krankenbehandlung, nicht dagegen Ansprüche gegen KKn, die unmittelbar auf eine Geldleistung oder auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gerichtet sind (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 36 RdNr 14 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 11 ff); auf letztere finden die §§ 14 f SGB IX Anwendung (§ 13 Abs 3a S 9 SGB V). Der Kläger begehrte demgegenüber die Gewährung von Krankenbehandlung in Form stationärer Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 5 iVm § 39 SGB V).

Der Kläger ist als bei der Beklagten Versicherter leistungsberechtigt im Sinne der Regelung. "Leistungsberechtigter" ist derjenige, der berechtigt ist, Leistungen nach dem SGB V zu beanspruchen. Hierzu zählen ua in der GKV Versicherte im Verhältnis zu ihrer jeweiligen KK (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 36 RdNr 16 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 22).

Der Kläger beantragte als Leistung hinreichend bestimmt eine Abdominalplastik und Bruststraffung. Damit eine Leistung als genehmigt gelten kann, bedarf es eines fiktionsfähigen Antrags. Der Antrag hat eine Doppelfunktion als Verfahrenshandlung (vgl dazu oben, unter II 1 a) und als materiell-rechtliche Voraussetzung (vgl zur Doppelfunktion zB BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 14). Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs 1 SGB X hinreichend bestimmt ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 36 RdNr 17 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 23). Ein Verwaltungsakt ist - zusammengefasst - inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X), wenn sein Adressat objektiv in der Lage ist, den Regelungsgehalt des Verfügungssatzes zu erkennen und der Verfügungssatz ggf eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bildet. So liegt es, wenn der Verfügungssatz in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten. Die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit richten sich im Einzelnen nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts (stRspr, vgl nur BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 36 RdNr 17 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Der Verfügungssatz, einen Naturalleistungsanspruch auf eine bestimmte Krankenbehandlung (§ 27 SGB V) zu gewähren, verschafft dem Adressaten - wie dargelegt - ua eine Rechtsgrundlage dafür, mittels Leistungsklage einen Vollstreckungstitel auf das Zuerkannte zu erhalten (vgl näher BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 36 RdNr 18 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).

Der Antrag des Klägers vom 27.11.2014 genügte diesen Anforderungen. Er war auf die Versorgung mit einer operativen Entfernung der überschüssigen Haut im Brust- und Bauchbereich in einem hierfür geeigneten Krankenhaus gerichtet, ohne dass sich der Kläger auf ein bestimmtes behandelndes Krankenhaus festgelegt hätte (vgl entsprechend BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 36 RdNr 19 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Ebenso wenig ist dem Antrag zu entnehmen, dass der Kläger bereits zum Antragszeitpunkt darauf festgelegt gewesen wäre, die Behandlung im Ausland durchführen zu lassen.

Der Antrag des Klägers betraf auch eine Leistung, die er für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegt. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkungen für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich an, aber sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und -zweck.

Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 36 RdNr 21 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 26).

Dieser Auslegung steht weder das Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) noch das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) entgegen. § 13 Abs 3a SGB V weicht gerade als Sanktionsnorm von deren Anforderungen ab, indem er in seinem S 6 selbst in den Fällen, in denen eine KK einen im oben dargestellten Sinn fiktionsfähigen Antrag völlig übergeht, die Fiktion der Genehmigung anordnet und damit bewusst in Kauf nimmt, dass die Rechtsauffassung des Antragstellers nur "zufällig" rechtmäßig ist, mithin die Leistung auch dann als genehmigt gilt, wenn der Antragsteller auf diese objektiv ohne die Genehmigungsfiktion keinen materiell-rechtlichen Anspruch hat. Wären nur die auf sonstige materiell-rechtlich bestehende Leistungsansprüche außerhalb von § 13 Abs 3a SGB V gerichteten Anträge fiktionsfähig, wäre die Reglung des § 13 Abs 3a S 6 SGB V obsolet (dies verkennend: LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 26.5.2014 - L 16 KR 154/14 B ER, L 16 KR 155/14 B - Juris RdNr 26 ff = NZS 2014, 663; v. Koppenfels-Spies, NZS 2016, 601, 604; Knispel, SGb 2014, 374 ff; vgl dagegen BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 36 RdNr 22 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).

Die von dem Kläger begehrte Hautstraffungsoperation liegt nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 RdNr 25, auch für BSGE vorgesehen). Gründe, warum der Kläger die beantragte Abdominalplastik und Bruststraffung nicht aufgrund der fachlichen Befürwortung durch seine behandelnden Ärzte für erforderlich halten durfte, hat das LSG nicht festgestellt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Beklagte ermittelte zudem selbst in medizinischer Hinsicht. Wie zu entscheiden wäre, wenn der Kläger von vorneherein eine Behandlung im Ausland beantragt hätte, kann dahinstehen. Denn der klägerische Antrag war - wie ausgeführt - allgemein auf eine Versorgung mit einer Straffung der Haut im Brust- und Bauchbereich gerichtet. Eine Behandlung gerade in der Türkei war nicht Gegenstand des Antrags.

Die Beklagte beschied den Antrag nicht innerhalb der ab dem 27.11.2014 (dazu aa) beginnenden Fünf-Wochen-Frist (dazu bb), sondern erst nach Fristablauf (dazu cc).

Maßgeblich für den Fristbeginn war der Eingang des Antrags bei der Beklagten. Hierbei ist es unerheblich, ob die betroffene KK meint, der maßgebliche Sachverhalt sei noch aufzuklären. Das folgt aus Wortlaut, Regelungssystem, Entstehungsgeschichte und Regelungszweck. Nach § 13 Abs 3a S 1 SGB V hat die KK über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die KK eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§ 13 Abs 3a S 2 SGB V). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (§ 13 Abs 3a S 3 SGB V). Eine hiervon abweichende Frist ist nur für den Fall der Durchführung eines im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) vorgesehenen Gutachterverfahrens bestimmt (§ 13 Abs 3a S 4 SGB V: ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen). Kann die KK die Fristen nach S 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13 Abs 3a S 5 SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V; vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 36 RdNr 25 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 RdNr 29, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).

Ein hinreichender Grund für die Nichteinhaltung der Frist kann insbesondere die im Rahmen der Amtsermittlung (§ 20 SGB X) gebotene Einholung von weiteren Informationen beim Antragsteller oder Dritten sein, um abschließend über den Antrag entscheiden zu können. In diesem Sinne führen die Gesetzesmaterialien beispielhaft an, "dass die Versicherten oder Dritte nicht genügend oder rechtzeitig bei einer körperlichen Untersuchung mitgewirkt oder von einem Gutachter angeforderte notwendige Unterlagen beigebracht haben" (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zum PatRVerbG-Entwurf, BT-Drucks 17/11710 S 30 zu § 13 Abs 3a S 4 SGB V). Die Regelung des Fristbeginns mit Antragseingang entspricht auch dem Zweck des § 13 Abs 3a SGB V, die Bewilligungsverfahren bei den KKn zu beschleunigen (BT-Drucks 17/10488 S 32; vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 36 RdNr 26 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 RdNr 30, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).

Der Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, in § 13 Abs 3a SGB V Regelungen aufzunehmen entsprechend § 42a Abs 2 S 2 VwVfG über den Fristbeginn ("Eingang der vollständigen Unterlagen"; hierauf dennoch abstellend zB LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 24.2.2016 - L 9 KR 412/15 B ER - Juris RdNr 11) oder entsprechend § 32 Abs 1a S 3 und 4 SGB V (eingefügt mit Wirkung zum 1.1.2012 durch Art 1 Nr 5 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung <GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG> vom 22.12.2011, BGBl I 2983). Danach ist in Fällen eines Genehmigungsverfahrens bei langfristigem Behandlungsbedarf mit Heilmitteln, das eine Genehmigungsfiktion nach Ablauf von vier Wochen nach Antragstellung vorsieht, der Lauf der Frist bis zum Eingang der vom Antragsteller zur Verfügung zu stellenden ergänzenden erforderlichen Informationen unterbrochen. Die Nichtübernahme solcher Regelungen in § 13 Abs 3a SGB V dient dazu, eine zügige Bescheidung der Anträge im Interesse der betroffenen Versicherten zu erreichen (BT-Drucks 17/6906 S 54; zutreffend Bayerisches LSG Urteil vom 12.1.2017 - L 4 KR 295/14 - Juris RdNr 56; vgl insgesamt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 36 RdNr 27 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 RdNr 31, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).

Nach diesen Grundsätzen begann die Frist am 28.11.2014 zu laufen. Denn der maßgebliche Antrag des Klägers ging der Beklagten am Donnerstag, dem 27.11.2014 zu (vgl § 26 Abs 1 SGB X iVm § 187 Abs 1 BGB).

Die Frist endete am Freitag, dem 2.1.2015, da der Neujahrstag ein gesetzlicher Feiertag ist (§ 26 Abs 1 SGB X iVm §§ 188 Abs 2 und 193 BGB). Nach dem aufgezeigten Regelungssystem galt die gesetzliche Fünf-Wochen-Frist (vgl § 13 Abs 3a S 1 Fall 2 SGB V). Die Beklagte informierte den Kläger innerhalb der drei Wochen nach Antragseingang darüber, dass sie eine Stellungnahme des MDK einholen wollte (vgl § 13 Abs 3a S 2 SGB V; vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 37 RdNr 21).

Die Beklagte beschied den Antrag nicht bis zum Fristablauf am 2.1.2015, sondern erst später mit Erlass des Bescheides vom 13.1.2015. Die gesetzliche Frist verlängerte sich nicht dadurch, dass die Beklagte den Kläger aufforderte, noch eine Fotodokumentation und einen dermatologischen Bericht vorzulegen. Denn die Beklagte informierte den Kläger nicht über die voraussichtliche, taggenau bestimmte Dauer der Fristüberschreitung jenseits der Fünf-Wochen-Frist. Die Mitteilung mindestens eines hinreichenden Grundes bewirkt für die von der KK prognostizierte, taggenau anzugebende Dauer des Bestehens zumindest eines solchen Grundes, dass die Leistung trotz Ablaufs der Frist noch nicht als genehmigt gilt. Stellt sich nach Mitteilung einer ersten, sachlich gerechtfertigten Frist heraus, dass diese zunächst prognostizierte Frist sich aus hinreichenden Sachgründen als zu kurz erweist, kann die KK zur Vermeidung des Eintritts der Genehmigungsfiktion dem Antragsteller vor Fristablauf die hinreichenden Gründe mit der geänderten taggenauen Prognose erneut - ggf wiederholt - mitteilen. Erst nach Ablauf der letzten, hinreichend begründeten Frist erwächst das sich aus dem Antrag ergebende Begehren kraft Genehmigungsfiktion in einen Anspruch auf Naturalleistung, wenn die KK dem Antragsteller keine Entscheidung zur Sache bekanntgegeben hat (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 36 RdNr 31 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 20).

Ohne eine taggenaue Verlängerung der Frist könnte der Antragsteller nicht erkennen, wann die Fiktion der Genehmigung eingetreten ist. Dies widerspräche dem dargelegten Regelungsgehalt und Beschleunigungszweck der Norm (vgl rechtsähnlich BGH Urteil vom 20.4.2017 - III ZR 470/16 - Juris RdNr 40 zu § 42a Abs 2 S 3 LVwVfG <Baden-Württemberg>; unzutreffend Hessisches LSG Urteil vom 23.2.2017 - L 8 KR 372/16 - Juris RdNr 23; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 21.2.2017 - L 11 KR 2090/16 - Juris RdNr 29; Sächsisches LSG Beschluss vom 6.2.2017 - L 1 KR 242/16 B ER - Juris RdNr 44). Hierfür genügt eine Mitteilung entweder des neuen, kalendarisch bestimmten Fristendes oder des konkreten Verlängerungszeitraums in der Weise, dass der Antragsteller ohne Schwierigkeiten das Fristende taggenau berechnen kann (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 36 RdNr 32 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Die Beklagte gab nach den Feststellungen des LSG nicht in diesem Sinne taggenau ein Fristende an. Sie teilte dem Kläger lediglich mit, dass er benachrichtigt werde, sobald ihr das MDK-Gutachten vorliege.

Die von dem Kläger in der Türkei selbst beschaffte Hautstraffungsoperation im Bauch- und Brustbereich entsprach der genehmigten Leistung in medizinischer Hinsicht (dazu a). Weitere Anforderungen bestanden nicht. Insbesondere war der Kläger aufgrund der rechtswidrigen Leistungsablehnung durch die Beklagte nicht verpflichtet, bei der Selbstverschaffung der Leistung die Voraussetzungen einer zu Lasten der GKV abrechenbaren Krankenbehandlung im Ausland einzuhalten (dazu b). Der Kläger durfte die genehmigte Leistung auch im Zeitpunkt der Beschaffung noch für erforderlich halten (dazu c). Durch die Selbstbeschaffung der genehmigten Leistung in der Klinik in der Türkei entstanden dem Kläger erstattungsfähige Kosten (dazu d).

Der Kläger verschaffte sich aufgrund der rechtswidrigen Ablehnung der Beklagten, ihm die genehmigte Hautstraffungsoperation als Naturalleistung zur Verfügung zu stellen, eine Leistung, die der beantragten Hautstraffungsoperation entsprach. Die selbst beschaffte Leistung muss grundsätzlich zu demselben Leistungstyp gehören und auf gleicher Indikationsstellung bei im Wesentlichen unveränderten Verhältnissen beruhen wie die zuvor abgelehnte Leistung (BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr 23, RdNr 32; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 28; vgl auch BSG Urteil vom 26.9.2017 - B 1 KR 6/17 R - Juris RdNr 25 = KHE 2017/78). Die fingierte Genehmigung war entsprechend dem Antrag des Klägers auf Versorgung mit einer operativen Entfernung der überschüssigen Haut im Brust- und Bauchbereich in einem hierfür geeigneten Krankenhaus gerichtet (zur Umwandlung des hinreichend inhaltlich bestimmten Antrags in den Verfügungssatz des fingierten Verwaltungsakts durch den Eintritt der Fiktion vgl oben II 1 a). Dem entsprach in medizinischer Hinsicht die in der Türkei beschaffte Hautstraffungsoperation nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG. Das LSG hat nicht festgestellt und es ist unstreitig und auch nichts dafür ersichtlich, dass abweichende - etwa hierüber hinausgehende - Leistungen erbracht wurden.

Über die medizinische Entsprechung hinaus war der Kläger weder verpflichtet, sich die genehmigte Leistung lediglich im Inland zu verschafften noch bei einer Selbstverschaffung im Ausland die Bedingungen einer zu Lasten der GKV abrechenbaren Auslandsversorgung einzuhalten. Darauf, ob die fiktiv genehmigte Hautstraffungsoperation in Deutschland oder einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU), einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) oder der Schweiz (vgl § 13 Abs 4 und 5 SGB V idF durch Art 4 Nr 3 Gesetz zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa und zur Änderung anderer Gesetze vom 22.6.2011, BGBl I 1202, mWv 29.6.2011) zur Verfügung stand, kommt es nicht an.

Versicherte wie der Kläger, denen ihre KK rechtswidrig Leistungen verwehrt, sind nicht prinzipiell auf die Selbstbeschaffung der Leistungen bei zugelassenen Leistungserbringern verwiesen. Sie müssen sich nur eine der vorenthaltenen Naturalleistung entsprechende Leistung verschaffen, dies aber von vornherein privatärztlich außerhalb des Leistungssystems (vgl BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr 23, RdNr 33 mwN sowie zur Genehmigungsfiktion BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 37 RdNr 24; BSG Urteil vom 26.9.2017 - B 1 KR 6/17 R - Juris RdNr 25 = KHE 2017/78). Dementsprechend konnte der Kläger sich die beantragte operative Entfernung überschüssiger Hautlappen an Bauch und Brust nur privatärztlich selbst verschaffen, weil die Beklagte unter Missachtung der fingierten Genehmigung deren Gewährung abgelehnt hatte. In diesem Fall ziehen die Bestimmungen für privatärztliche Leistungen und nicht diejenigen für das Naturalleistungssystem die Grenzen für die Verschaffung einer entsprechenden Leistung (vgl BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr 23, RdNr 33; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 31-32; vgl zur Einhaltung der formellen Voraussetzungen der Regelung der Gebührenordnung für Ärzte <GOÄ> bei einer Beschaffung in Deutschland: BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32, RdNr 27 mwN; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 37 RdNr 34 zur Genehmigungsfiktion).

Nach der Rspr des erkennenden Senats im Zusammenhang mit einer aufgrund rechtswidriger Leistungsablehnung in einer deutschen Privatklinik selbstbeschafften Mamma-Augmentationsplastik fehlt ein innerer Grund, den Kreis der nach ärztlichem Berufsrecht und sonstigem Recht für die Selbstverschaffung der notwendigen entsprechenden privatärztlichen Leistung zulässigen Leistungserbringer einzuschränken (vgl BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr 23, RdNr 33). Dies gilt ebenso für die Selbstverschaffung der notwendigen entsprechenden ärztlichen Leistung im Ausland. Erzwingt die rechtswidrige Leistungsablehnung der KK eine privatärztliche Selbstverschaffung des Versicherten außerhalb des Leistungssystems der GKV, ist kein Grund ersichtlich, diese auf Leistungserbringer im Inland oder zumindest innerhalb des Anwendungsgebiets des koordinierenden Sozialrechts nach der Verordnung (EG) 883/2004 (Verordnung Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl EU, Nr L 166, 1 - VO <EG> 883/2004) - also im Geltungsbereich der EU, des EWR-Abkommens und in der Schweiz - zu beschränken. Ebenso wenig müssen diese Versicherten diejenigen Regelungen einhalten, denen GKV-Versicherte unterworfen sind, wenn sie eine Auslandsbehandlung in Anspruch nehmen wollen (vgl etwa § 13 Abs 4 S 2 SGB V zum Kreis der möglichen ausländischen Leistungserbringer sowie zum Erfordernis einer Zustimmung der zuständigen KK zu einer Auslandsbehandlung nach § 13 Abs 5 SGB V bzw Art 12 Abs 1 Buchst a, Abs 2 des deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommens <Abkommen vom 30.4.1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit, BGBl II 1965 S 1169, 1170 idF des Zusatzabkommens vom 2.11.1984, BGBl II 1986, 1038, 1140>).

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass nach der Rspr des erkennenden Senats im Rahmen der Genehmigungsfiktion die Qualitätssicherung und damit der Patientenschutz für den Versicherten ausschließlich auf der Ebene des ärztlichen Behandlers erfolgt. Soweit der erkennende Senat in diesem Zusammenhang betont hat, dass die ärztlichen Behandler in Deutschland erheblichen Sorgfalts-, Informations- und bei Pflichtverletzungen Schadensersatzpflichten (vgl § 630a Abs 2, §§ 630c ff BGB) unterliegen, sei es aus dem krankenversicherungsrechtlichen Leistungserbringungsverhältnis (§ 2 Abs 1 und 4, § 70, § 76 Abs 4 SGB V), aus Behandlungsvertrag oder aus Delikt (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 RdNr 45, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen), kann dem keine Einschränkung auf dem deutschen Vertrags- und Haftungsrecht unterliegende Leistungserbringer entnommen werden. Auch im Ausland praktizierende Ärzte unterliegen den Sorgfalts- und ggf Schadensersatzpflichten nach den vom einschlägigen internationalen Privatrecht berufenen Sachnormen der jeweiligen Rechtsordnungen. Sie bieten damit grundsätzlich die Gewähr für eine ordnungsgemäße Leistungserfüllung.

Der Kläger durfte die genehmigten Leistungen, die er sich selbst beschaffte, auch noch im Zeitpunkt der Beschaffung für erforderlich halten. Er beachtete nämlich Art und Umfang der fingierten Genehmigung und musste bei der Beschaffung nicht annehmen, die fingierte Genehmigung habe sich bereits erledigt, die Leistung sei nicht mehr (subjektiv) erforderlich.

Auch eine fingierte Genehmigung - wie jene des Klägers - bleibt wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (vgl BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 30 mwN; § 39 Abs 2 SGB X; vgl hierzu bei nicht fingierter Genehmigung zB BSG SozR 4-2500 § 55 Nr 2 RdNr 24). Sie schützt hiermit den Adressaten. Es kann aber etwa - für den Versicherten erkennbar - eine "Erledigung auf andere Weise" einer fingierten Genehmigung einer beantragten Krankenbehandlung eintreten, wenn die ursprünglich behandlungsbedürftige Krankheit nach ärztlicher, dem Betroffenen bekannter Einschätzung vollständig geheilt ist: Es verbleibt durch diese Änderung der Sachlage für die getroffene Regelung kein Anwendungsbereich mehr. Sie kann nach ihrem Inhalt und Zweck keine Geltung für den Fall derart veränderter Umstände beanspruchen. Sind Bestand oder Rechtswirkungen einer Genehmigung für den Adressaten erkennbar von vornherein an den Fortbestand einer bestimmten Situation gebunden, so wird sie gegenstandslos, wenn die betreffende Situation nicht mehr besteht (vgl BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 30 mwN). Die spätere Mitteilung der ablehnenden Entscheidung der Beklagten berührte nicht die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion. Die Ablehnung der Leistung regelte weder ausdrücklich noch sinngemäß, weder förmlich noch inhaltlich eine Rücknahme oder den Widerruf (vgl hierzu §§ 45, 47 SGB X) der fingierten Genehmigung (vgl auch BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 32; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 37 RdNr 27; BSG Urteil vom 26.9.2017 - B 1 KR 6/17 R - Juris RdNr 27 = KHE 2017/78). Geänderte Umstände, die die Genehmigung durch Eintritt eines erledigenden Ereignisses entfallen lassen könnten, hat weder das LSG festgestellt noch sind sie sonst ersichtlich.

Dem Kläger entstanden durch die Selbstbeschaffung Kosten. Er schuldete aufgrund des Behandlungsvertrags rechtswirksam Vergütung in Höhe von 4200 Euro, die er nach den Feststellungen des LSG beglich. Dass zwingende Vorschriften türkischen Preisrechts auf die Krankenhausbehandlung anwendbar waren, die der Vertragspartner des Klägers nicht eingehalten hätte und eine Honorarrückforderung durch den Kläger selbst bei Zufriedenheit mit der Operation rechtfertigen könnten, hat das LSG nicht festgestellt und ist von den Beteiligten nicht geltend gemacht worden.

Die Ablehnungsentscheidung der Beklagten (Bescheid vom 13.1.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.6.2015) ist rechtswidrig. Sie verletzt den Kläger in seinem aus der fiktiven Genehmigung seines Antrags ergebenden Leistungsanspruch (vgl dazu oben II 3).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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