Die Pflegeleistungen der Gesetzlichen Unfallversicherung nach § 44 SGB VII

Der Leistungskatalog der Gesetzlichen Unfallversicherung sieht auch Leistungen bei Pflegebedürftigkeit vor. Entsteht durch einen Versicherungsfall, wozu der Arbeitsunfall, der Wegeunfall und die Berufskrankheit zählen, eine Pflegebedürftigkeit, regelt § 44 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) den Anspruch auf Pflegeleistungen.

Als Pflegeleistungen der Gesetzlichen Unfallversicherung kommen:

in Betracht.

Allgemeines

Ein Anspruch auf Pflegeleistungen gegenüber der Gesetzlichen Unfallversicherung besteht dann, wenn ein Versicherter so hilflos ist, dass er für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang der Hilfe bedarf (§ 44 Abs. 1 SGB VII). In diesen Fällen wird entweder Pflegegeld gezahlt, eine Pflegekraft gestellt (also die Leistung „Hauspflege“ gewährt) oder eine Heimpflege geleistet. Voraussetzung für die Leistungsgewährung durch die Gesetzliche Unfallversicherung ist, dass die Hilflosigkeit aufgrund eines oder auch mehrerer Versicherungsfälle eingetreten ist.

Mit den Pflegeleistungen der Gesetzlichen Unfallversicherung wird das Ziel verfolgt, dass die Versicherten ein möglichst eigenständiges Leben führen können.

Pflegegeld

Die Leistung „Pflegegeld“ wird von der Gesetzlichen Unfallversicherung vorrangig gewährt. Die Rechtsgrundlage für das Pflegegeld ist § 44 Abs. 2 SGB VII.

Mit dem Pflegegeld wird dem Versicherten ein monatlicher Geldbetrag zur Verfügung gestellt/überwiesen, mit dem dieser sich die erforderliche Hilfe selbst besorgen kann. Das Pflegegeld kann also dort eingesetzt werden, wo es für den Betroffenen am geeignetsten ist.

Höhe des Pflegegeldes

Der Monatsbetrag des Pflegegeldes liegt zwischen 300,00 Euro (Mindest-Betrag) und 1.199,00 Euro (Höchst-Betrag) monatlich; bei diesen Werten handelt es sich um die am 01.07.2008 geltenden Beträge. Der genaue Monatsbetrag ist von der Art oder Schwere des Gesundheitsschadens und dem Umfang der erforderlichen Hilfe abhängig.

Für die Festsetzung der Höhe des Pflegegeldes werden die individuellen Verhältnisse des Versicherten beurteilt. Hier spielen insbesondere die funktionellen Defizite eine Rolle und wie diese vom Versicherten unter Verwendung von Hilfsmitteln kompensiert werden können. Das bedeutet, dass seitens der Unfallversicherung das Pflegegeld im Rahmen einer Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung der Art oder Schwere des Gesundheitsschadens sowie des Umfangs der erforderlichen Hilfe festzusetzen ist. Ein eventuell von der Sozialen Pflegeversicherung festgesetzter Pflegegrad hat auf die Festsetzung der Höhe des Pflegegeldes keine Auswirkung bzw. Bedeutung.

Die möglichen Pflegegeldbeträge (Mindest-Betrag, Höchst-Betrag) werden jährlich zum 01.07., also zu dem Zeitpunkt, zu dem auch die gesetzlichen Renten dynamisiert werden, angepasst. Die Anpassung erfolgt mit der „Verordnung zur Bestimmung der Rentenwerte in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der Alterssicherung der Landwirte und zur Bestimmung weiterer Werte“ (kurz: Rentenwertbestimmungsverordnung).

Folgende Mindest- und Höchstbeträge gelten für folgende Zeiträume

Zeitraum Mindestbetrag
West
Höchstbetrag
West
Mindestbetrag
Ost
Höchstbetrag
Ost
01.07.2023 bis 30.06.2024 426,00 Euro 1.695,00 Euro 418,00 Euro 1.678,00 Euro
01.07.2022 bis 30.06.2023 408,00 Euro 1.624,00 Euro 395,00 Euro 1.585,00 Euro
01.07.2021 bis 30.06.2022 387,00 Euro 1.542,00 Euro 372,00 Euro 1.542,00 Euro
01.07.2020 bis 30.06.2021 387,00 Euro 1.542,00 Euro 369,00 Euro 1.483,00 Euro
01.07.2019 bis 30.06.2020 374,00 Euro 1.491,00 Euro 354,00 Euro 1.423,00 Euro
01.07.2018 bis 30.06.2019 362,00 Euro 1.445,00 Euro 341,00 Euro 1.369,00 Euro
01.07.2017 bis 30.06.2018 351,00 Euro 1.400,00 Euro 330,00 Euro 1.324,00 Euro
01.07.2016 bis 30.06.2017 344,00 Euro 1.374,00 Euro 319,00 Euro 1.278,00 Euro

Wird das Pflegegeld nur für einen Teilmonat geleistet, errechnet sich der Leistungsbetrag entsprechend § 187 Abs. 4 SGB VII. Das heißt, dass das monatliche Pflegegeld durch 30 Tage dividiert und mit den entsprechenden Anspruchstagen multipliziert wird.

Weiterzahlung des Pflegegeldes

Die Weiterzahlung des Pflegegeldes wird in § 44 Abs. 3 SGB VII geregelt. Nach dieser Rechtsvorschrift wird das Pflegegeld

  • während einer stationären Behandlung oder
  • während der Unterbringung in einer Einrichtung der Teilhabe am Arbeitsleben oder einer Werkstatt für behinderten Menschen

grundsätzlich bis zum Ende des ersten auf die Aufnahme folgenden Kalendermonats weitergezahlt. Das heißt, dass die Weiterzahlung bis zum Ende des Folgemonats nach der Aufnahme weiter geleistet wird.

Beispiel:

Ein Versicherter erhält von der Gesetzlichen Unfallversicherung Pflegegeld.

Am 15.02. erfolgt die Aufnahme in einer Einrichtung zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Konsequenz:

Die Weiterzahlung des Pflegegeldes erfolgt nach § 44 Abs. 3 SGB VII bis zum 31.03.

Erfolgt die Entlassung aus der stationären Einrichtung, der Unterbringung in einer Einrichtung der Teilhabe am Arbeitsleben oder einer Werkstatt für behinderte Menschen, dann wird die Pflegegeldzahlung wieder mit dem Monatsersten des Entlassungsmonats aufgenommen.

Sofern das Ruhen eine weitere Versorgung des Versicherten gefährden würde, kann nach § 44 Abs. 3 Satz 2 SGB V das Pflegegeld ganz oder teilweise weitergezahlt werden. In diesen Fällen wäre also eine Weiterzahlung über das Monatsende des Folgemonats der Aufnahme (stationäre Behandlung, Einrichtung der Teilhabe am Arbeitsleben, Werkstatt für behinderte Menschen) möglich.

Ende der Pflegegeldzahlung bei Tod

Im Regelfall wird das Pflegegeld bis zum Monatsende des Sterbemonats geleistet. Durch diese Regelung besteht ein Gleichklang mit den Regelungen zur Weiterzahlung des Pflegegeldes durch die Soziale Pflegeversicherung (auch die gesetzlichen Renten werden bis zum Ende des Sterbemonats geleistet).

Wird jedoch der Anspruch auf Pflegegeld durch die Gesetzliche Unfallversicherung erst nach dem Tod des Berechtigten festgestellt, endet der Anspruch auf das Pflegegeld mit dem Todestag.

Hauspflege

Im Falle einer Pflegebedürftigkeit durch einen Versicherungsfall der Gesetzlichen Unfallversicherung kann auch die sogenannte „Hauspflege“ geleistet werden. Die Rechtsgrundlage hierfür ist § 44 Abs. 5 SGB VII. Diese Leistung ist im Zusammenhang mit der Sozialen Pflegeversicherung als „Pflegesachleistung“ bekannt.

Die Hauspflege wird anstelle des Pflegegeldes geleistet, wenn hierfür ein entsprechender Antrag gestellt wird. Die Pflege wird dann durch einen ambulanten Pflegedienst erbracht. Alternativ kann auch im Rahmen des Arbeitgebermodells vom Versicherten selbst eine geeignete Pflegeperson beschäftigt werden, wofür im Rahmen der Hauspflege die Kosten übernommen werden.

Wird die Hauspflege in Anspruch genommen, kommt es zu keiner Minderung einer zu leistenden Verletztenrente.

Heimpflege/Anstaltspflege

Anstelle des Pflegegeldes kann dem Versicherten nach § 44 Abs. 5 SGB VII von der Gesetzlichen Unfallversicherung auch eine Heimpflege gewährt werden. Teilweise wird diese Leistung auch „Anstaltspflege“ bezeichnet. Bei dieser Leistung werden die Kosten für die Unterkunft, Verpflegung, die soziale Betreuung und die Investitionskosten in einer geeigneten Einrichtung in voller Höhe übernommen.

Wird eine Heimpflege von mehr als einem Kalendermonat gewährt, kann es zu einer Minderung der Verletztenrente kommen. Nach § 60 SGB VII kann für die Dauer der Heimpflege von mehr als einem Kalendermonat die Rente um höchstens die Hälfte gemindert werden, soweit dies nach den persönlichen Bedürfnissen und Verhältnissen des Versicherten angemessen ist.

Hinweis

Eine Rente, welche durch die Gesetzliche Rentenversicherung geleistet wird (GRV-Rente), wird bei einer gleichzeitigen Gewährung einer Unfallrente gekürzt (vgl. § 93 SGB VI). Sofern für die Dauer einer Heimpflege eine Unfallrente gekürzt wird, kommt es ebenfalls zu einer Einkommensanrechnung bei der GRV-Rente. Das heißt, dass der Leistungsbetrag der Heimpflege bei der Einkommensanrechnung berücksichtigt werden muss und damit die Heimpflege zu einer geringeren GRV-Rente führen kann. Näheres zu den Anrechnungsvorschriften nach § 93 SGB VI unter: Zusammentreffen von Renten aus GRV und GUV.

Kombinationspflege

Das Pflegegeld kann auch mit der Hauspflege (ggf. auch mit der Heimpflege) kombiniert werden. In diesem Fall spricht man von der Kombinationspflege. Diese kommt vor allem in den Fällen in Betracht, in denen eine ehrenamtliche Pflegeperson die Pflege grundsätzlich übernehmen kann, jedoch für bestimmte Pflegeverrichtungen noch eine professionelle Pflege erforderlich ist.

Der zuständige Unfallversicherungsträger prüft bei einer Kombinationspflege nach pflichtgemäßem Ermessen, in welcher Höhe die Hauspflege auf das Pflegegeld angerechnet wird.

Verhinderungspflege

Übernimmt die Pflege des Pflegebedürftigen eine ehrenamtliche Pflegeperson – in der Praxis handelt es sich hier um Angehörige – erbringt die Gesetzliche Unfallversicherung auch eine Verhinderungspflege. Hierbei handelt es sich um häusliche oder stationäre Ersatzleistungen. Diese Leistung ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn die Pflegeperson selbst einmal erkrankt oder einen Erholungsurlaub benötigt. Mit der Verhinderungspflege soll erreicht werden, dass trotz Ausfalls der Pflegeperson die Pflege des Pflegebedürftigen weiterhin sichergestellt wird.

Als häusliche Ersatzleistung kommt die Kostenübernahme für eine Ersatzkraft in Frage. Die Ersatzkraft kann eine ehrenamtliche Pflegeperson (z. B. ein weiterer Angehöriger, Nachbar, Bekannter) oder eine professionelle Pflegekraft (von einem Pflegedienst) sein.

Fällt die Pflegeperson kurzzeitig/stundenweise aus, kann für die Erbringung der Verhinderungspflege auch ein familienunterstützender Dienst in Frage kommen.

Als stationäre Ersatzleistung kann die zeitlich begrenzte Vollzeitpflege im Rahmen der Heimpflege geleistet werden.

Abgrenzung der Pflegeleistungen zu den Leistungen nach dem SGB XI

Mit § 13 Abs. 1 Nr. 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) wird geregelt, dass den Leistungen der Pflegeversicherung die Entschädigungsleistungen wegen Pflegebedürftigkeit aus der Gesetzlichen Unfallversicherung vorgehen. Treffen die Pflegeleistungen aus der Gesetzlichen Unfallversicherung mit den Pflegeleistungen aus der Sozialen Pflegeversicherung zusammen, wird mit § 34 SGB XI ein entsprechendes Ruhen der Pflegeleistungen nach dem SGB XI geregelt.

Nach § 34 Abs. 1 Nr. 2 SGB XI ruhen die Pflegeleistungen (der Sozialen Pflegeversicherung), soweit Versicherte Entschädigungsleistungen wegen Pflegebedürftigkeit aus der Gesetzlichen Unfallversicherung erhalten.

Das Ruhen der Pflegeleistungen tritt nur in Höhe der bezogenen Entschädigungsleistungen nach dem SGB VII ein. Dadurch wird vermieden, dass der Versicherte Doppelleistungen und folglich eine Überversorgung erhält.

Sind die Pflegeleistungen nach dem SGB VII, also aus der Gesetzlichen Unfallversicherung, geringer als die Pflegeleistungen aus der Sozialen Pflegeversicherung, wird der Differenzbetrag noch von der Pflegeversicherung geleistet. Ansonsten kommen die SGB XI-Pflegeleistungen vollständig zum Ruhen. S. hierzu auch: Verhältnis der Pflegeleistungen zu anderen Sozialleistungen.

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