Auch Blinde müssen Rechtmittelfristen beachten

Mit einem Urteil vom 30.04.2008 (Az. L 1 KR 133/07) entschied das Sächsische Landessozialgericht, dass Rechtsmittelfristen auch für Blinde gelten. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht, wenn aufgrund von Blindheit es versäumt wurde, ein Rechtsmittel einzulegen.

Hintergrund

Gegen einen Bescheid einer Krankenkasse kann ein Widerspruch eingelegt werden. Gegen einen Widerspruchsbescheid kann Klage beim zuständigen Sozialgericht erhoben oder gegen ein Urteil des Sozialgerichts – sofern hierfür die Voraussetzungen vorliegen – Berufung zum Landessozialgericht erfolgen. In allen Fällen handelt es sich um Rechtsmittel, die innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheides bzw. Urteils erfolgen müssen. Der Bescheid bzw. die Klage zählt mit dem dritten Tag als zugestellt. Wird diese Frist versäumt, ist ein Rechtsmittel grundsätzlich nicht mehr möglich.

Die Klage

Im Februar 2007 beantragte ein Versicherter bei seiner Krankenkasse die Gewährung von Haushaltshilfe im Umfang von acht Stunden pro Woche. Da die Krankenkasse die beantragte Leistung jedoch ablehnte, erhob der Versicherte, der hochgradig kurzsichtig ist, Klage beim zuständigen Sozialgericht Dresden. Doch auch vor dem Sozialgericht blieb der Versicherte erfolglos. Per Gerichtsbescheid vom 31.07.2007, der dem Versicherten am 03.08.2007 zugestellt wurde, wies das Sozialgericht die Klage ab.

Da sich der Versicherte auch mit der Entscheidung des Sozialgerichts nicht einverstanden erklärte, legte er am 17.09.2007 Berufung ein. Das Sächsische Landessozialgericht wies die Berufung jedoch zurück, da diese 14 Tage nach Ablauf der Rechtsmittelfrist erfolgte.

Weshalb die Berufung erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist erfolgte, konnte der Kläger nicht erklären. Er berief sich jedoch auf seine Blindheit, die ihm das Lesen unmöglich macht. Daher hat er eine Hilfsperson, die sämtlichen Schriftverkehr für ihn abarbeitet. Die Hilfsperson hat von ihm die Anweisung, den Schriftverkehr, der in einem Stapel bereit liegt, von oben nach unten abzuarbeiten. Der aktuellste Schriftverkehr kommt bei dem Stapel immer ganz unten, so dass der älteste immer als nächstes gelesen wird.

Verschulden des Klägers

Das Sächsische Landessozialgericht ließ die Einwendungen des Klägers nicht gelten, dass er wegen seiner Blindheit die Rechtsmittelfrist versäumt hat. Mit Urteil vom 30.04.2008 (Az. L 1 KR 133/07) sahen die Richter auch keinen Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Berufung war damit aufgrund des Fristversäumnisses nicht zulässig.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nur erfolgen, wenn jemand ohne Verschulden eine gesetzliche Verfahrensfrist nicht einhalten kann. Dies setzt jedoch voraus, dass die Fristversäumnis auch durch einen gewissenhaften Prozessführenden nicht hätte vermieden werden können.

Eine Blindheit oder Sehbehinderung ist kein Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das Sächsische Landessozialgericht führte in seinem Urteil noch aus, dass dem Kläger – auch wenn er den Gerichtsbescheid nicht selbst lesen konnte – ein amtliches Dokument ausgehändigt wurde und hierdurch eine Rechtsmittelfrist begann.

Dass der Kläger den Gerichtsbescheid seiner Hilfsperson nicht vorrangig zum Lesen gab bzw. diesen wie jedes andere Schriftstück unter den Stapel seiner Post legte, löste die Fristversäumnis aus. Der Kläger hätte dies – trotz Blindheit – vermeiden können, auch indem er der Hilfsperson die Anweisung gibt, die Post nach Dringlichkeit zu lesen.

Hinweis

Blinde und sehbehinderte Menschen können nach § 191a Abs. 1 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz verlangen, dass Dokumente, die für sie bestimmt sind, in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden. Jedoch erfolgt die Zugänglichmachung der Dokumente für Blinde und Sehbehinderte nur auf deren Verlangen. Durch diese Rechtsvorschrift sollen die Betroffenen in die Lage versetzt werden, im Verfahren ihre eigenen Rechte wahrzunehmen.

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