Multilaterales Rahmenübereinkommen für grenzüberschreitende Tätigkeiten in Telearbeit
Beschäftigte haben in der Vergangenheit bereits im Homeoffice gearbeitet. Damit war grundsätzlich auch die Ausübung der Beschäftigung im Ausland möglich. Spätestens seit dem Beginn der Corona-Pandemie hat das Arbeiten im Homeoffice jedoch eine komplett andere Dimension angenommen. Was bis zum Beginn der Pandemie eher die Ausnahme war, ist heute in vielen Branchen Standard. Die Beschäftigten arbeiten nicht mehr in den Räumlichkeiten ihrer Arbeitgeber, sondern an einem anderen Ort, beispielsweise in ihrer eigenen Wohnung.
Die zunehmende Digitalisierung macht es allerdings auch möglich, dass das Arbeiten an einem anderen Ort auch durchaus im Ausland erfolgen kann. Betroffen hiervon sind Arbeitnehmer, die beispielsweise als Grenzgänger bei einem deutschen Arbeitgeber beschäftigt sind, ihre Tätigkeit jedoch als Grenzgänger teilweise in Deutschland (am Sitz des Arbeitgebers) und teilweise im Home-Office im Ausland ausüben. Von daher stellt sich die Frage, welche sozialversicherungsrechtlichen Regelungen für die betroffenen Beschäftigten gelten – die Regelungen, die im Land des Arbeitgeberstandortes oder die im Land des Wohnsitzes, an dem das Homeoffice ausgeübt wird, gelten.
Die Sozialversicherung von Grenzgängern
Zum 01.07.2023 ist das sogenannte „Multilaterale Rahmenübereinkommen für grenzüberschreitende Tätigkeiten in Telearbeit“ in Kraft getreten.
Bis zum 30.06.2023 galten die Handlungsweisen, welche die Verwaltungskommission zu Beginn der Corona-Pandemie empfohlen hat, wonach es vermieden werden sollte, dass sich durch das pandemiebedingte Arbeiten im Homeoffice bzw. in Telearbeit in einem anderen Mitgliedsstaat als üblich das anwendbare Sozialversicherungsrecht ändert. Die Sonderregelungen während der Corona-Pandemie sahen vor, dass ein Arbeiten unter 50 Prozent (also bis maximal 49,99 Prozent) der üblichen Arbeitszeit im Ausland keine Änderung im anwendbaren Sozialversicherungsrecht zur Folge hatte.
Durch eine EU-Arbeitsgruppe wurde ein Ergebnis erarbeitet und gefunden, mit dem die zum 30.06.2023 auslaufenden Sonderregelungen in einem neuen Rahmenübereinkommen geregelt werden. Das am 01.07.2023 in Kraft getretene multilaterale Rahmenübereinkommen wurde auf der Grundlage von Artikel 16 Abs. 1 VO (EG) 883/04 beschlossen. Die Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit, sich diesem Übereinkommen anzuschließen.
In der Vergangenheit (bis zur Corona-Pandemie) hat das Sozialversicherungsrecht des Landes des Wohnsitzes gegriffen, sofern der Beschäftigte im Ausland (also im Land des Wohnsitzes) mehr als 25 Prozent in Telearbeit bzw. im Homeoffice gearbeitet hat. Mit der nun ab 01.07.2023 geltenden Regelung gilt (wie bereits zur Zeit der Sonderregelung aufgrund der Corona-Pandemie) das Sozialversicherungsrecht des Landes, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat, womit die Regelungen während der Corona-Pandemie über den 30.06.2023 hinaus fortgeführt werden können.
Nach dem ab 01.07.2023 in Kraft getretenen multilateralem Rahmenübereinkommen wird es Beschäftigten ermöglicht, unter bestimmten Voraussetzungen bis zu 49,99 Prozent der Gesamtarbeitszeit in Form von Telearbeit im Ausland zu erbringen. In diesem Fall gilt dann dennoch das Sozialversicherungsrecht des Mitgliedstaats, in dem der Arbeitgeber ansässig ist.
Grundsätzliches
Durch die VO (EG) 883/04 wird grundsätzlich bestimmt, welcher Mitgliedstaat bei einer grenzüberschreitenden Erwerbstätigkeit zuständig ist. Personen können jedoch unter bestimmten Unterständen ein Interesse daran haben, abweichend von den Regelungen dieser Verordnung in einem anderen Staat versichert zu sein. Hier kann zwischen beiden Staaten im Einvernehmen eine Ausnahmevereinbarung getroffen werden. Dieser Ausnahmevereinbarung stimmten die Unterzeichnerstaaten mit dem „Multilaterale Rahmenübereinkommen für grenzüberschreitende Tätigkeiten in Telearbeit“ zu.
Zu den Unterzeichnerstaaten gehören neben Deutschland: Österreich, Belgien, Kroatien, Tschechien, Finnland, Frankreich, Liechtenstein, Luxemburg, Malta, Norwegen, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, Schweiz, Niederlande und die Slowakei. Damit sind – mit Ausnahme von Dänemark – alle Nachbarstaaten Deutschland dem Rahmenübereinkommen beigetreten.
Das „Multilaterale Rahmenübereinkommen für grenzüberschreitende Tätigkeiten in Telearbeit“ gilt ausschließlich für Personen, die eine abhängige Beschäftigung für einen oder auch mehrere Arbeitgeber ausüben, der oder die nur in einem Staat ansässig ist bzw. sind. Zugleich muss die Beschäftigung sowohl im Staat, in dem sich der Sitz des Arbeitgebers als auch im Wohnstaat in Form von Telearbeit ausgeübt werden.
Die Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit sind dann von jenem Staat anzuwenden, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat, wenn:
- eine entsprechende Vereinbarung im Interesse der beschäftigten Person liegt und bei der zuständigen Stelle des Staates beantragt wird, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat,
- kein dritter Staat involviert ist und
- die Telearbeit im Wohnstaat zwischen 25 und unter 50 Prozent der gesamten Beschäftigung ausmacht.
Es müssen beide Staaten – Staat des Arbeitgebersitzes und Wohnstaat – dem Rahmenübereinkommen beigetreten sein.